Aktuelles

Finden Sie uns auf twitter. Machen Sie sich schlau mit unseren Videopodcasts!



Corporate Housekeeping: Die Versicherung neuer Geschäftsführer oder Mitglieder des Vorstands für das Handelsregister hat sich geändert - aktuelles Muster mit Übersetzung ins Englische

Seit dem 1. Januar 2023 gibt es einige Änderungen im Zusammenhang mit der Anmeldung neuer Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder beim Handelsregister.

Im Allgemeinen ist die Anmeldung eines (neuen) Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds beim Handelsregister notwendig, wenn eine Gesellschaft gegründet wird oder es zu einem Wechsel in der Geschäftsführung oder im Vorstand kommt. Das Gesetz verknüpft die Anmeldung gemäß § 8 Abs. 3 GmbHG und § 39 Abs. 3 GmbHG bzw. § 37 Abs. 2 AktG und § 81 Abs. 3 AktG mit der Abgabe der Versicherung, dass keine Bestellungshindernisse für die betreffende Person vorliegen. Dies dient der Sicherstellung der persönlichen Eignung der Geschäftsleiter.

Fehler bei der Abgabe der Versicherung führen grundsätzlich dazu, dass die Anmeldung zum Handelsregister vorerst nicht erfolgt. Eine nachträgliche Korrektur ist möglich, erfordert jedoch zusätzliche Zeit.

Es gab kürzlich einige kleinere Änderungen, die es zu beachten gilt, um formelle Fehler bei der Anmeldung zu vermeiden.

Neuerungen:

1. § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 GmbHG und § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AktG

Die Versicherung beinhaltet häufig die Aussage, dass der neue Geschäftsleiter nicht als Betreuter einem Einwilligungsvorbehalt unterliegt. Bisher wurde hierzu auf § 1903 BGB verwiesen. Seit dem 1. Januar 2023 ist nun auf § 1825 BGB zu verweisen.

2. § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 d) GmbHG und § 76 Abs. 3 Nr. 2 und S. 3 AktG

Bisher musste versichert werden, dass der Geschäftsführer oder das Vorstandsmitglied u.a. keine Straftaten im Sinne des § 313 Umwandlungsgesetz begangen hat. Künftig ist auf § 346 Umwandlungsgesetz zu verweisen.

3. § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und S. 3 GmbHG und § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 und S. 3 AktG

Mit der Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie wurden die § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG und § 76 Abs. 3 S. 3 AktG eingefügt, die die Abgabe der Versicherung erweitern, dass der künftige Geschäftsführer keinem Berufsverbot unterliegt, auch auf bestehende Berufsverbote in der EU und dem EWR.

Praxishinweis:

Über die Versicherung kann auch jeder Rechtsanwalt schriftlich belehren. Auch Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder im Ausland können mittels qualifizierter elektronischer Signatur („Docu-Sign“) schnell und unkompliziert belehrt werden, sodass die Anmeldung hier auch mittels Voll-macht vollzogen werden kann. Grundsätzlich genügt im internationalen Rechtsverkehr eine Übersetzung ins Englische. Unser aktuelles Muster hierfür fügen wir bei. Alternativ könnte auch das neue online-Verfahren vor dem Notar genutzt werden.

Muster

Amtsgericht …

- Registergericht –

… GmbH, Esslingen

HRB …

Als Geschäftsführer der oben genannten Gesellschaft versichere ich, …, geboren am …, … Staatsangehöriger, wohnhaft … (private Adresse), nach schriftlicher Belehrung durch Rechtsanwalt …, …, über die unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht gemäß § 53 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister und die Strafbarkeit einer falschen Versicherung (§ 8 Abs. 2 GmbHG):

As managing director of above mentioned I, …, born on …, … citizen, residing at … (private address), hereby certify after having been instructed in written by …, attorney-at-law, …, about the unlimited disclosure obligation vis-à-vis the Commercial Register under Sec. 53 Act on the Central Register and the Register of Education and criminal liability for false assurance (sec. 8 para. 2 Act on Companies with Limited Liability):

a) dass ich nicht wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten

a) that I have not been convicted for having intentionally and wilfully committed one or several offences

aa) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung, § 15 Abs. 4 InsO);

aa) of failure to file for opening of insolvency proceedings (delay in bankruptcy, sec. 15 para. 4 Insolvency Code)

bb) nach den §§ 283 bis 283d des StGB (Insolvenzstraftaten);

bb) under sec. 283 to 283d Criminal Code (insolvency offences),

cc) der falschen Angaben nach § 82 GmbHG oder § 399 AktG;

cc) of providing false information under sec. 82 Act on Companies with Limited Liability or sec. 399 Corporation Act;

dd) der unrichtigen Darstellung nach § 400 AktG, § 331 HGB, § 346 UmwG oder § 17 Publizitätsgesetz; oder

dd) of providing false representation under sec. 400 Corporation Act, sec. 331 Commercial Code, sec. 346 Conversion Act, or § 17 Public Disclosure Act, or

ee) nach den §§ 263 bis 264 a oder den §§ 265 b bis 266 a StGB (z.B. wegen Betrugs, Computer-, Subventions- oder Kapitalanlagebetrugs, Kreditbetrugs, Sportwettbetrugs, Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben, besonders schwere Fälle des Sportwettbetrugs und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben, Untreue, Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt) zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr

ee) under sec. 263 to 264a or 265b to 266a Criminal Code (e.g. due to fraud, computer, subsidy or capital investment fraud, credit fraud, sports betting fraud, manipulation of professional sports competitions, particularly serious cases of sports betting fraud and the manipulation of professional sports competitions, breach of trust, withholding and embezzlement of wages) to serve a prison sentence of at least one year

b) und dass mir weder durch gerichtliches Urteil noch durch vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde die Ausübung eines Berufes, Berufszweigs, Gewerbes oder Gewerbezweigs in der EU oder dem EWR ganz oder teilweise untersagt wurde, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt,

b) and that I have not been banned in the EU or EEA, in whole or in part, from exercising a profession, branch of profession, trade or branch of industry, either by court judgment or by an enforceable decision by an administrative authority, provided that the purpose of the company corresponds in whole or in part to the subject of the ban,

c) und auch vergleichbare strafrechtliche Entscheidungen ausländischer Behörden und/oder Gerichte gegen mich nicht vorliegen

c) and there are no comparable criminal decisions by foreign authorities and/or courts against me

d) und nicht als Betreuter einem Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 BGB unterliege.

d) and I am not subject to a reservation of consent as supervised in accordance with Section 1825 of the German Civil Code (BGB).

Ich wurde von Rechtsanwalt …, …, über unsere unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt.

…, attorney-at-law,… , instructed me about my unlimited obligation to provide information to the registry court.

Gegenstand der Anmeldung ist ausschließlich die deutsche Fassung. Die englische Version dient lediglich zur Information. Bei Abweichungen ist die deutsche Fassung maßgeblich.

The subject of the registration is exclusively the German version. The English version is for information only. In the event of deviations, the German version is authoritative.

…, … … 2023

Der Geschäftsführer / The Managing Director:

_______________________________

(…)


Technische Normen müssen frei und kostenlos zugänglich sein

Schlussanträge der Generalanwältin in der Rechtssache C-588/21 P | Public.Resource.Org und Right to Know / Kommission u. a

Die Schlussanträge von Generalanwältin Laila Medina in der Rechtssache C-588/21 P betonen die entscheidende Bedeutung des freien und kostenlosen Zugangs zu europäischen harmonisierten technischen Normen (HTN) für die Rechtsstaatlichkeit und den Grundsatz der Transparenz in der Europäischen Union. Die Begründungen für ihre Schlussfolgerungen sind wie folgt:

1. Rechtsnatur der HTN als Unionsrecht

Generalanwältin Medina hebt hervor, dass der Gerichtshof bereits anerkannt hat, dass HTN Rechtswirkungen haben und Teil des Unionsrechts sein können. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da Unionsrecht grundsätzlich nicht urheberrechtlich geschützt ist. Die Tatsache, dass HTN Rechtswirkungen entfalten und verbindlich sein können, stützt die Argumentation, dass sie nicht unter das traditionelle Urheberrecht fallen sollten.

2. Rolle der Kommission bei der Annahme von HTN

Die Generalanwältin betont, dass die Kommission eine zentrale Rolle bei der Annahme von HTN spielt. Sie leitet den gesamten Prozess zur Erstellung von HTN und veröffentlicht die Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union. Dies deutet darauf hin, dass HTN in Zusammenarbeit mit der Kommission und den europäischen Normungsorganisationen als Rechtsakte des Unionsrechts anzusehen sind. Diese maßgebliche Beteiligung der Kommission unterstreicht die Notwendigkeit eines breiten und transparenten Zugangs zu HTN.

3. Rechtswirkungen von HTN

Generalanwältin Medina argumentiert, dass HTN die Vermutung der Konformität mit den wesentlichen Anforderungen des abgeleiteten Unionsrechts begründen. Dies bedeutet, dass sie für jede natürliche oder juristische Person, die die Konformität in Frage stellt, tatsächlich die gleiche Wirkung wie verbindliche Vorschriften haben. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Beweislast und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Übernahme von HTN in nationales Recht. Daher sollten HTN als Instrumente des Unionsrechts uneingeschränkt zugänglich sein.

4. Rechtsstaatlichkeit und Transparenz

Die Generalanwältin argumentiert, dass die Rechtsstaatlichkeit und der Grundsatz der Transparenz erfordern, dass alle Bürger in der Europäischen Union freien Zugang zum Unionsrecht haben. Sie betont, dass keinem Bürger die Möglichkeit vorenthalten werden darf, offiziell Kenntnis von Inhalten zu nehmen, die ihn unmittelbar oder mittelbar betreffen könnten. Da HTN Teil des Unionsrechts sind und Rechtswirkungen entfalten, ist ein kostenloser und freier Zugang zu diesen Normen unerlässlich, um die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Transparenz zu gewährleisten.

5. Vorrang des Zugangs zum Recht vor Urheberrechten

Schließlich hebt Generalanwältin Medina hervor, dass selbst wenn HTN urheberrechtlich schutzfähig wären, der freie Zugang zum Recht Vorrang vor dem Schutz des Urheberrechts haben sollte. Dies basiert auf dem Grundsatz, dass das Rechtssystem für alle Bürger zugänglich sein sollte, und dass der Schutz des geistigen Eigentums nicht dazu führen darf, dass der Zugang zum Unionsrecht eingeschränkt wird.

Insgesamt argumentiert Generalanwältin Medina überzeugend dafür, dass HTN aufgrund ihrer Rechtsnatur, ihrer Rechtswirkungen und der grundlegenden Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Transparenz frei und kostenlos zugänglich sein sollten. Ihre Schlussfolgerungen stützen sich auf eine sorgfältige Analyse der rechtlichen und institutionellen Aspekte im Zusammenhang mit HTN und haben erhebliche Implikationen für den Zugang zum Unionsrecht und die Transparenz in der Europäischen Union.

Im Licht des Allgemeingültigkeitsanspruchs des Rechts, der im Grundsatz der Rechtssicherheit seinen Ausdruck findet, muss jeder das Recht kennen können, welchem er unterworfen ist. Der Rechtsstaatsgrundsatz verlangt, dass die Unionsnormen jedermann zugänglich gemacht werden; er findet seinen Ausdruck in Artikel 297 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).


Wirksame Gerichtsstandsvereinbarung durch Hyperlink auf Geschäftsbedingungen

„Art. 23 Abs. 1 und 2 des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 genehmigt wurde, ist dahin auszulegen, dass

eine Gerichtsstandsklausel wirksam vereinbart ist, wenn sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, auf die ein schriftlich abgeschlossener Vertrag durch Angabe des Hyperlinks zu einer Website hinweist, über die es möglich ist, diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Kenntnis zu nehmen, herunterzuladen und auszudrucken, ohne dass die Partei, der diese Klausel entgegengehalten wird, aufgefordert worden wäre, diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Anklicken eines Feldes auf dieser Website zu akzeptieren.“

Der Europäische Gerichtshof bestätigt seine liberale Rechtsprechung zu Gerichtsstandsvereinbarungen mit Urteil vom 24. November 2022 (C-358/21 - Tilman SA)

Internationaler Handel ist eine gute Sache. Wird ein Handelsvertrag aber unzureichend ausgeführt, will die benachteiligte Vertragspartei regelmäßig Schadensersatz erhalten, oft auch (Nach-)Erfüllung. Hierfür braucht diese Partei normalerweise ein Urteil, aus dem sie in das Vermögen des Schuldners gegebenenfalls vollstrecken kann. Ein ausländisches Urteil hat oft den Nachteil, dass es in einem weiteren Verfahren vor Ort anerkannt werden muss. Urteilsstaat und Staat, in dem das Vermögen des Schuldners belegen ist, sollten also möglichst übereinstimmen. Hierfür bietet sich eine Gerichtsstandsvereinbarung an, die am einfachsten in Geschäftsbedingungen enthalten ist.

Der Europäische Gerichtshof hat mit der vorliegenden Entscheidung die Verwendung solcher Geschäftsbedingungen vereinfacht. Zwar erging die Entscheidung zum Lugano II-Übereinkommen, doch laufen die unionsrechtlichen Vorschriften gleich. Bisher wussten wir, dass AGB durch einen Hyperlink aufrufbar sein und ihre Geltung durch das Anklicken einer Checkbox akzeptiert werden müssen (C‑322/14 - El Majdoub). Für wechselseitig unterzeichnete Verträge lässt der Gerichtshof nun sogar den ausschließlichen Verweis auf den Hyperlink ausreichen, zumal in der vorliegenden Entscheidung der Hyperlink nur zu einer Übersichtsseite führte, von der aus erst die Geschäftsbedingungen referenziert waren.

Unabhängig von dieser Entscheidung wird sich wahrscheinlich der ausschließliche Verweis mittels Hyperlink bei Vertragsschlüssen gleich welcher Art durchsetzen. Das gilt für die Rechtswahl nach Art. 3 Rom-I-VO, möglicherweise aber auch bei Geltung der UN-Kaufrechtskonvention.

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 23 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 genehmigt wurde (ABl. 2009, L 147, S. 1, im Folgenden: Lugano‑II-Übereinkommen).

Art. 23 („Vereinbarung über die Zuständigkeit“) des Übereinkommens bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:

„(1) Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Staates zuständig. Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Staates sind ausschließlich zuständig, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung muss geschlossen werden

a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung,

b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder

c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.

(2) Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform gleichgestellt.“

Am 22. November 2010 schlossen die Parteien Tilman und Unilever einen ersten Vertrag, nach dem sich Tilman verpflichtete, für Rechnung von Unilever Teebeutelschachteln zu einem bestimmten Preis zu verpacken und zu befüllen.

Durch einen am 6. Januar 2011 geschlossenen zweiten Vertrag wurde der vereinbarte Preis geändert. In diesem Vertrag hieß es, dass er, wenn nichts anderes bestimmt sei, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Kauf von Unilever-Erzeugnissen unterliege. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die mittels eines Hyperlinks auf einer Website eingesehen und heruntergeladen werden konnten, sahen vor, dass jede Vertragspartei „unwiderruflich für die Beilegung jedes Rechtsstreits, der seinen Ursprung unmittelbar oder mittelbar im Vertrag hat, der ausschließlichen Gerichtsbarkeit der englischen Gerichte unterliegt“.

Infolge einer Änderung der Abrechnungsmodalitäten kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien in Bezug auf die Erhöhung des in Rechnung gestellten Preises, und Unilever zahlte die von Tilman ausgestellten Rechnungen nur teilweise. Tilman verklagte Unilever.

Nach verschiedenen Gerichtsentscheidungen legt der belgische Kassationshof vor und fragt nach der Wirksamkeit der Gerichtsstandsklausel.

Der Europäische Gerichtshof erläutert: Da Art. 23 Abs. 1 und 2 des Lugano‑II-Übereinkommens mit Art. 23 Abs. 1 und 2 der Brüssel‑I-Verordnung identisch ist und Art. 23 Abs. 1 dieser Verordnung selbst nahezu denselben Wortlaut hat wie Art. 17 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens, ist bei der Auslegung von Art. 23 Abs. 1 und 2 des Lugano‑II-Übereinkommens die Auslegung der entsprechenden Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens und der Brüssel‑I-Verordnung durch den Gerichtshof zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteile vom 7. Februar 2013, Refcomp, C‑543/10, EU:C:2013:62, Rn. 18 und 19, sowie vom 21. Mai 2015, El Majdoub, C‑322/14, EU:C:2015:334, Rn. 27 und 28). Da Art. 25 Abs. 1 und 2 der Brüssel‑Ia-Verordnung mit im Wesentlichen gleichlautender Formulierung Art. 23 Abs. 1 und 2 der Brüssel‑I-Verordnung ersetzt hat, ist auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur ersten dieser Bestimmungen zu berücksichtigen.p>

Dem Erfordernis der Schriftlichkeit nach Art. 17 Abs. 1 Brüsseler Übereinkommens eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei enthaltene Gerichtsstandsklausel genügt grundsätzlich, wenn diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite des Vertrags abgedruckt sind und wenn dieser ausdrücklich auf die genannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt oder wenn die Parteien im Text ihres Vertrags auf ein Angebot Bezug genommen haben, das seinerseits ausdrücklich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinweist, sofern diesem deutlichen Hinweis von einer Partei bei Anwendung der normalen Sorgfalt nachgegangen werden kann und feststeht, dass die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der anderen Partei tatsächlich zugegangen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 1976, Estasis Saloti di Colzani, 24/76, EU:C:1976:177, Rn. 10 und 12).

Gemäß Art. 23 Abs. 2 der Brüssel‑I-Verordnung, der gegenüber Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens eine neue Bestimmung darstellt, die eingefügt wurde, um die Entwicklung neuer Kommunikationstechniken zu berücksichtigen, kann die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden u. a. davon abhängen, ob eine dauerhafte Aufzeichnung möglich ist (Urteil vom 21. Mai 2015, El Majdoub, C‑322/14, EU:C:2015:334, Rn. 32).

Eine Auslegung des Wortlauts dieser Vorschrift ergibt somit, dass es „ermöglicht“ werden muss, die Gerichtsstandsvereinbarung dauerhaft aufzuzeichnen, und dass es nicht darauf ankommt, ob der Text der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Käufer nach oder vor Anklicken des Feldes mit der Erklärung, dass er diese Bedingungen akzeptiert, tatsächlich dauerhaft aufgezeichnet wurde (Urteil vom 21. Mai 2015, El Majdoub, C‑322/14, EU:C:2015:334, Rn. 33).

Ziel dieser Vorschrift ist es nämlich, bestimmte Formen der elektronischen Übermittlung der Schriftform gleichzustellen, um den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Wege zu erleichtern, da die Übermittlung der betreffenden Informationen auch dann erfolgt, wenn diese über einen Bildschirm sichtbar gemacht werden können. Damit die elektronische Übermittlung dieselben Garantien, insbesondere im Beweisbereich, bieten kann, genügt es, dass es „möglich“ ist, die Informationen vor Vertragsschluss zu speichern und auszudrucken (Urteil vom 21. Mai 2015, El Majdoub, C‑322/14, EU:C:2015:334, Rn. 36).


Internationale Zuständigkeit beim Geschäftsgeheimnisschutzgesetz - OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.3.2022 – 6 W 15/22

„Die örtliche Zuständigkeit und damit die Frage, ob eine internationale Zuständigkeit begründet ist, richtet sich in einem solchen Fall von Klagen vor den ordentlichen Gerichten, durch die Ansprüche nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 1 GeschGehG), daher nach § 15 Abs. 2 GeschGehG. Im – hier nicht gegebenen – Regelfall ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GeschGehG das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Hat der Beklagte – wie hier die Antragsgegner – im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, ist nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Das Landgericht ist zutreffend und in Einklang mit der Ansicht der Antragstellerin davon ausgegangen, dass Art. 7 Brüssel Ia-VO die Zuständigkeit hier nicht begründen kann, weil die Antragsgegner ihren (Wohn-)Sitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben.“

§ 15 Abs. 2 S. 2 GeschGehG:

„Hat der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, ist nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist.“

Art. 7 Brüssel Ia-VO:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden…“

Gründe (vereinfacht):

I. Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegner wegen behaupteter Rechtsverletzungen im Sinn von § 6 GeschGehG.

Die Antragstellerin hat geltend gemacht:

Die Antragstellerin ist im Bezirk des angerufenen Gerichts ansässig. Der in den Vereinigten Staaten von Amerika wohnhafte Antragsgegner zu 1 sei der Chief Executive Officer der ebenfalls dort ansässigen Antragsgegnerin zu 2. Er habe Dateien, die Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin enthielten, von seinem beruflichen E-Mail-Account bei der Antragstellerin an einen privaten E-Mail-Account versandt sowie auf private Datenträger wie die beschlagnahmte Festplatte und den USB-Stick gespeichert, ohne hierzu berechtigt zu sein.

Der Antragsgegner zu 1 habe daher die Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin gemäß § 4 Abs. 3 GeschGehG verletzt.

Das Landgericht hat den am 21. Februar 2022 eingereichten Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei gemäß § 937 Abs. 1 ZPO örtlich und damit auch international nicht zuständig. Insbesondere begründe der Sitz der Antragstellerin im hiesigen Zuständigkeitsbereich keinen Erfolgsort bzw. Begehungsort im Sinn von § 15 Abs. 2. Satz 2 GeschGehG. Ein Erfolgsort des Erlangens, Nutzens oder Offenlegens von Geschäftsgeheimnissen sei allenfalls dort anzunehmen, wo die Geschäftsgeheimnisse aufgerufen und zur Kenntnis genommen werden. Dass solches im hiesigen Bezirk erfolgt sei oder auch nur konkret drohen würde, sei nicht erkennbar. Auf einen Erfolg im Sinn eines Schadenseintritts oder einer Rechtsgutsbeeinträchtigung komme es nach den hier einschlägigen Normen nicht an.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat mit Recht seine Zuständigkeit nach § 937 Abs. 1 ZPO verneint, weil es für die Hauptsache nicht zuständig wäre.

Das Landgericht ist zutreffend und in Einklang mit der Ansicht der Antragstellerin davon ausgegangen, dass Art. 7 Brüssel Ia-VO die Zuständigkeit hier nicht begründen kann, weil die Antragsgegner ihren (Wohn-)Sitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben. Die örtliche Zuständigkeit und damit die Frage, ob eine internationale Zuständigkeit begründet ist, richtet sich in einem solchen Fall von Klagen vor den ordentlichen Gerichten, durch die Ansprüche nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 1 GeschGehG), daher nach § 15 Abs. 2 GeschGehG. Im – hier nicht gegebenen – Regelfall ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GeschGehG das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Hat der Beklagte – wie hier die Antragsgegner – im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, ist nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Das Landgericht ist nicht der Ansicht der Antragstellerin entgegengetreten, wonach damit sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort bezeichnet sind, was mit der insoweit einhelligen Ansicht übereinstimmt (vgl. nur Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., GeschGehG § 15 Rn. 27). Gegen die zutreffende Beurteilung des Landgerichts, dass sich hier kein Handlungsort in dessen Bezirk feststellen lässt, wendet sich die Beschwerde, die auch keinen anderen inländischen Handlungsort vorträgt, nicht. Sie beanstandet ausschließlich, dass das Landgericht sodann auch den allein noch zur Begründung der Zuständigkeit in Betracht kommenden Erfolgsort nicht in seinem Bezirk erkannt hat. Damit hat sie keinen Erfolg.

Wie bei der insoweit übereinstimmend formulierten Regelung in § 32 ZPO ist ein Ort des Schadenseintritts Begehungsort nur, wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört, wie etwa bei einer deliktischen Haftung nach § 826 BGB oder nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, die den Eintritt eines Vermögensschadens erfordern (vgl. nur Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 32 ZPO, Rn. 19 mit umfangreichen Nachweisen; Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. § 14 Rn. 16). Eine „Rechtsverletzung“ im Sinn von § 6 UWG (siehe auch die Definition des Begriffs „Rechtsverletzer“ in § 2 Nr. 3 GeschGehG) liegt indes bereits bei einer Zuwiderhandlung gegen eines der in § 4 UWG normierten Handlungsverbote vor. Die Zuwiderhandlung setzt tatbestandsmäßig einen der dort genannten Erfolge voraus, der indes nicht etwa in einer „Verletzung“ des Geschäftsgeheimnisses im Sinn einer bei dessen Inhaber spürbaren Beeinträchtigung desselben, sondern unabhängig von der Wirkung auf den Inhaber bereits in der Erlangung, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses liegt. Ein Bezug zum Inhaber des Geschäftsgeheimnisses besteht dabei lediglich insoweit, als ein Geschäftsgeheimnis als taugliches Tatobjekts denknotwendig bei einer bestimmten Person entstanden sein muss, was insbesondere nach § 2 Nr. 1 Buchst. b GeschGehG Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber voraussetzt. Die (rechtmäßige) Schaffung des Tatobjekts durch den Inhaber ist freilich nicht Teil der Begehung im Sinn von § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG. Dass ferner auf Rechtsfolgenseite die Anspruchsberechtigung nach § 6 Satz 1 GeschGehG dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses zugewiesen ist, macht dessen Verletzung ebenfalls weder zu einem Element der verbotenen Handlung noch zu einem tatbestandnotwendigen Erfolg. …

Die hier gefundene Sichtweise entspricht der vom Gesetzgeber gewollten Einordnung der Regelungen über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Dieser wollte mit § 4 GeschGehG einen Katalog von „Handlungsverboten“ schaffen, bei deren Missachtung eine rechtswidrige Erlangung oder eine rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung vorliegt. Die Festlegung eines Katalogs von Handlungsverboten soll verdeutlichen, dass Geschäftsgeheimnisse nicht gegen jede Benutzung durch Dritte ohne Zustimmung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses geschützt werden, sondern nur gegen bestimmte unlautere Verhaltensweisen. Dies soll dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich bei Geschäftsgeheimnissen zwar in gewisser Weise um Immaterialgüterrechte handelt, aber anders als bei Patenten, Marken und Urheberrechten keine subjektiven Ausschließlichkeits- und Ausschließungsrechte vorliegen können (BT-Drucks. 19/4724, S. 19, 26). Entgegen der Ansicht der Beschwerde bezweckt das Gesetz keinen Schutz gegen die „primäre Verletzung“ von Geschäftsgeheimnissen als geschützten bzw. „vermögenswerten“ Rechtsgütern, sondern dient konkret dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor unerlaubter Erlangung, Nutzung und Offenlegung (§ 1 Abs. 1 GeschGehG). Dass den so geschützten Geheimnissen Vermögenswert zukommt, ändert nichts daran, dass es für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung nach § 4 GeschGehG nicht auf einen Erfolg der Beeinträchtigung dieses „Rechtsguts“ ankommt, sondern allein auf die dort genannten Handlungserfolge.

Allerdings geht das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 25. November 2021 – 15 SA 1/21, BeckRS 2021, 38391 Rn. 55) offenbar davon aus, im Sinn von Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO sei der „Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs“ (Erfolgsort) bei unerlaubten Handlungen in Gestalt von Zuwiderhandlungen gegen § 4 GeschGehG am Ort des Sitzes der „betroffenen“ Rechtsinhaberin zu lokalisieren. Es kann dahinstehen, ob im Rahmen dieser Vorschrift – was naheliegt – der Erfolgsort einer Handlung nach § 4 GeschGehG ebenso zu bestimmen ist, wie nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG. Nach Auffassung des Senats fehlt es aus den oben genannten Gründen an einem zur Anknüpfung des Erfolgsorts geeigneten Tatbestandsmerkmal der „Betroffenheit“ des (lediglich anspruchsberechtigten) Inhabers des Geschäftsgeheimnisses. Die zu anderen Ansprüchen, nämlich neben § 823 Abs. 2 i.V.m. § 17 UWG aF auch § 823 Abs. 1, § 826 BGB ergangene Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (Urteil vom 15. November 2004 – 2-18 O 109/04, BeckRS 2010, 17136), ist auf die hier interessierende Frage der Auslegung von § 15 GeschGehG nicht zu übertragen. Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 21. November 2019 – I-2 U 34/19, juris Rn. 10 f) ausgeführt hat, für die Bestimmung des anwendbaren Rechts komme es nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO, ggf. i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO auf den Sitz des beeinträchtigten Inhabers des Geschäftsgeheimnisses (beeinträchtigten Wettbewerbers) an, kann dahinstehen, ob dem zuzustimmen ist. Diese Beurteilung wäre jedenfalls nicht auf die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG zu übertragen.

Ein Erfolgsort am Sitz des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses lässt sich auch nicht aus Überlegungen zum Zuständigkeitsregime im Lauterkeitsrecht ableiten. Zwar beruht die Regelung in § 15 (insbes. Abs. 1) GeschGehG auf der Vorstellung des Gesetzgebers, dass Gemeinsamkeiten des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen mit dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb bestehen (BT-Drucks. 19/4724, S. 35). Indes ist auch im Lauterkeitsrecht selbst bei individuell einen Wettbewerber berührenden Zuwiderhandlungen nicht ohne Weiteres ein Erfolgsort an dessen Sitz gegeben. Soweit ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht (wie etwa gegen § 4 Nr. 1 UWG) voraussetzt, dass die Handlung geeignet ist, die wettbewerblichen Interessen des Mitbewerbers auf dem fraglichen Markt zu beeinträchtigen, ist zwar etwa nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ein Gerichtsstand im Inland nur begründet, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll. Schon insoweit kommt es indes gerade nicht darauf an, wo der betroffene Mitbewerber seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 – I ZR 131/12, juris Rn. 24; siehe auch Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. § 14 Rn. 18). Zwar wird mitunter angenommen, der Begehungsort könne auch am Belegenheitsort des „geschützten Rechtsgutes“ liegen, namentlich bei unlauteren Eingriffen mit Betriebsbezogenheit (Ehricke/Könen in MünchKommUWG, 3. Aufl., § 14 Rn. 69, 82 mwN). Dies mag in Fällen zutreffen, in denen die Auswirkungen auf den Betroffenen für die Feststellung des Rechtsverstoßes von Bedeutung sind, in denen also ohne gerade diesen Erfolg die Handlung nicht vollendet wäre (vgl. Tolkmitt in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 14 Rn. 100; siehe auch Rn. 101 f). Dies kann auch der Fall sein, wenn sich eine Maßnahme gezielt gegen einen Mitbewerber richtet (individuelle Behinderung), so dass dann auf den Ort abzustellen ist, wo der Mitbewerber gehindert wird, tätig zu werden bzw. seine Leistung zur Geltung zu bringen (vgl. Tolkmitt in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 14 Rn. 101). Auf solche Auswirkungen kommt es aber für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen § 4 GeschGehG gerade nicht an.

Soweit der Bundesgerichtshof (Urteil vom 23. Oktober 1979 – KZR 21/78, GRUR 1980, 130 [juris Rn. 21] – Kfz-Händler) im Fall einer Boykottaufforderung die internationale Zuständigkeit u.a. daraus abgeleitet hat, dass die auf eine Beschränkung des Wettbewerbs gerichteten Handlungen jedenfalls hinsichtlich eines Teiles der Tatbestandsverwirklichung eine Beziehung zum Inland hatten, ergibt sich daraus nichts Anderes. Maßgeblich dafür war nämlich, dass sich weder ein Boykott noch ein zum Schadensersatz verpflichtender Verstoß gegen Art. 85 EWGV feststellen lassen, ohne dass die Maßnahme auf die Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation eines bestimmten Wettbewerbers abzielt. Ein solcher Erfolg in Gestalt der Beeinträchtigung des Betroffenen – wenigsten als Gegenstand eines subjektiven Tatbestandsmerkmals – ist bei den Handlungen nach § 4 GeschGehG nicht kennzeichnend. Aus der Rechtsprechung zum Erfolgsort bei verbotenen Kartellabsprachen (BGH, Beschluss vom 27. November 2018 – X ARZ 321/18, GRUR 2019, 213 Rn. 18) folgt ebenfalls nicht Anderes.

Die Überlegungen der Beschwerde zu Systematik und Sinn und Zweck der Vorschrift greifen nicht durch. Wie die Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 GeschGehG zeigt, ging es dem Gesetzgeber insbesondere nicht darum, dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses eine Durchsetzung seiner Rechte an seinem Sitz zu ermöglich. Darin zeigt sich auch, dass der Gesetzgeber der Aufklärung der am Sitz des Geheimnisinhabers vorliegenden Tatumstände (etwa hinsichtlich der Entstehung des Geschäftsgeheimnisses) eher geringeres Gewicht beigemessen hat, als den Tatumständen der Begehung, an deren Ort in Ermangelung eines inländischen allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten die Zuständigkeit nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG liegt. Die letztgenannte Regelung hat schon deshalb einen sinnvollen Anwendungsbereich, weil sie durch ausländische Personen im Inland begangene Handlungen erfasst. Umgekehrt ist nicht zu erkennen, dass es bei im Ausland begangenen Handlungen an einem Zugang zu den Gerichten fehlt. Dass § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG einen ausschließlichen örtlichen Gerichtsstand („nur“) anordnet, betrifft lediglich die Zuständigkeitsverteilung deutscher Gerichte und soll ersichtlich nicht etwa anderweitig begründete internationale Gerichtsstände derogieren. Soweit diese Vorschrift zugleich eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit begründet, folgt daraus nichts für etwaige (zusätzliche) Gerichtsstände im Ausland. Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber eine maximale Ausdehnung der deutschen Gerichtsbarkeit insbesondere auf sämtliche im Ausland begangenen Handlungen erreichen wollte, soweit das Geschäftsgeheimnis eines im Inland ansässigen Unternehmens betroffen ist. Dies wäre auch mit Blick darauf, dass in derartigen Fällen tatsächlicher Aufklärungsbedarf (insbesondere eine Beweisaufnahme) hinsichtlich der insbesondere streitträchtigen Frage der Zuwiderhandlung im Ausland zu erwarten wäre, nicht sachgerecht und entspräche gerade nicht dem Sinn eines deliktischen Gerichtsstands. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass hinsichtlich solcher Auslandshandlungen außerhalb Deutschlands kein Rechtsschutz zu erlangen wäre, etwa am Handlungsort oder am Sitz der Antragsgegner. Dies gilt unabhängig davon, ob das ausländische Gericht das Rechtsverhältnis nach deutschem oder ausländischem materiellem Recht zu beurteilen hat. Somit erfordern auch weder das durch die Beschwerde angeführte – allerdings schon mangels Verletzung des Geschäftsgeheimnisses durch die öffentliche Gewalt gar nicht einschlägige – Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG noch der – hier interessierende – allgemeine Justizgewährleistungsanspruch eine Auslegung, wonach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG mangels Handlung oder Erfolg im Sinn von § 4 GeschGehG im Inland wenigstens einen Gerichtsstand am inländischen Sitz des Geheimnisinhabers bereitstellen müsste.

Kommentar:

Das Oberlandesgericht Karlsruhe entscheidet stark am Wortlaut dokumentiert, negiert aber die europäische Rechtsentwicklung im Deliktsrecht: Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 21. November 2019 – I-2 U 34/19, juris Rn. 10 f) ausgeführt hat, kommt es für die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO, ggf. i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO auf den Sitz des beeinträchtigten Inhabers des Geschäftsgeheimnisses (beeinträchtigten Wettbewerbers) an. Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO lautet:

„Soweit in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.“

Zwar geht es hier um die Bestimmung des anwendbaren Rechts, doch verliert im europäischen Kontext die typisch deutsche Unterscheidung zwischen Handlungs- und Erfolgsort an Bedeutung. Das europäische Recht knüpft zuvorderst am Erfolgsort an, nicht zuletzt Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO belegt:

„…, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

Mit dem Oberlandesgericht Karlsruhe kann man nun den Erfolg der Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses schon der Handlung inhärent ansehen, man kann aber § 15 Abs. 2 S. 2 GeschGehG auch europäischer auslegen und den Erfolg analog Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO, Art. 4 Abs. 2 Rom II-Verordnung (EG) Nr. 864/2007 am gewöhnlichen Aufenthaltsort der geschädigten Personen festmachen. Die Rechtsentwicklung scheint in diese Richtung zu gehen.


Schiedsvereinbarungen in Gesellschaften

Mit seinem Beschluss vom 23. September 2021 (I ZB 13/21 - Schiedsfähigkeit IV) hat der Bundesgerichtshof sich vielleicht letztmalig zur Schiedsfähigkeit bei Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften nach altem Recht geäußert. Insbesondere hält er fest, dass die in seiner Rechtsprechung zu Kapitalgesellschaften aufgestellten Anforderungen grundsätzlich nur für solche Personengesellschaften gelten, in denen Beschlussmängelstreitigkeiten gegen die Gesellschaft und nicht gegen die anderen Gesellschafter zu führen sind. Diese Rechtsprechung sollte durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz - MoPeG) stark modifiziert werden. Das Gesetz vom 10.08.2021 - BGBl. I 2021, Nr. 53 17.08.2021, S. 3436, tritt zum 1. Januar 2024 in Kraft.

Die Anforderungen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bis jetzt:

1. Information jedes Gesellschafters über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens

2. Möglichkeit der Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter (außer bei neutraler Schiedsinstitution)

3. Konzentration aller denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht

Grund für diese Anforderungen ist vor allem die Wirkung eines Urteils, das einen Beschluss für nichtig erklärt oder bestätigt. Ein solches Schiedsurteil wirkt für und gegen alle („inter omnes“). Demgemäß hielt der Bundesgerichtshof eine ihm vorgelegte Klausel führt teilweise unwirksam.

Mit dem MoPeG wird in §§ 111 ff. HGB ein ausführliches Prozesssystem zur Anfechtung oder Nichtigerklärung von Gesellschafterbeschlüssen in Personenhandelsgesellschaften, also offener Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft eingeführt. Nach der gesetzlichen Bestätigung der Teilrechtsfähigkeit der Personengesellschaft kennt aber auch der neue § 715b eine prozessuale Regelung der Gesellschafterklage. Vor allem § 113 HGB regelt die Anfechtungsklage, eine Regelung, die entsprechend auch auf die Nichtigkeitsklage anzuwenden ist. Er lautet:

§ 113 Anfechtungsklage

(1) Zuständig für die Anfechtungsklage ist ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.

(2) Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten. Ist außer dem Kläger kein Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft befugt, wird die Gesellschaft von den anderen Gesellschaftern gemeinsam vertreten.

(3) Die Gesellschaft hat die Gesellschafter unverzüglich über die Erhebung der Klage und die Lage des Rechtsstreits zu unterrichten. Ferner hat sie das Gericht über die erfolgte Unterrichtung in Kenntnis zu setzen. Das Gericht hat auf eine unverzügliche Unterrichtung der Gesellschafter hinzuwirken.

(4) Die mündliche Verhandlung soll nicht vor Ablauf der Klagefrist stattfinden. Mehrere Anfechtungsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(5) Den Streitwert bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen.

(6) Soweit der Gesellschafterbeschluss durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt worden ist, wirkt das Urteil für und gegen alle Gesellschafter, auch wenn sie nicht Partei sind.

Insbesondere die Absätze 3, 4 und 6 werden Einfluss auf die Ausgestaltung von Schiedsklauseln haben. Die Klagefrist nach Abs. 4 S. 1 beträgt grundsätzlich 3 Monate ab Bekanntgabe des Beschlusses, § 112 Abs. 1 und 2 HGB. Selbstredend fehlt eine Vorschrift zur Mitwirkung bei der Besetzung des Gerichts. Das Landgericht ist ein staatliches Gericht mit nicht zuletzt Berufsrichtern. Besonders die Verfahrensregeln im § 113 Abs. 3 HGB klingen ebenso wie in § 6 überlegt, sodass sie gegebenenfalls in einer Schiedsabrede wiederholt werden sollten. Gleiches gilt für § 113 Abs. 4 HGB. Es bleibt abzuwarten, wie die Schiedsinstitutionen auf diese Gesetzesänderung reagieren werden.


Eingefroren und gepfändet? Der PfÜB in Zeiten des Wirtschaftskrieges gegen Russland

Die Ausweitung der Sanktionen gegen 160 weitere Personen der Russischen Föderation im Rahmen der Durchführungsverordnung 2022/96 führt zu weiteren eingefrorenen Geldern im Rahmen der Verordnung Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen.

Im Rahmen der Zwangsvollstreckung könnten Gläubiger versuchen, diese Gelder pfänden und einziehen zu lassen. Dem schiebt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs allerdings einen Riegel vor.

Mit Urteil vom 11. November 2021 (C‑340/20) hat der Gerichtshof in einem Verfahren betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) entschieden (Wiedergabe gekürzt):

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Buchst. h und j sowie von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. 2007, L 103, S. 1), von Art. 1 Buchst. h und i sowie von Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 des Rates vom 25. Oktober 2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 423/2007 (ABl. 2010, L 281, S. 1) und von Art. 1 Buchst. j und k sowie von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 des Rates vom 23. März 2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 961/2010 (ABl. 2012, L 88, S. 1).

„Ohne vorherige Genehmigung der zuständigen nationalen Behörde sind Sicherungsmaßnahmen auf im Rahmen von restriktiven Maßnahmen eingefrorene Gelder nicht möglich.“

Um Druck auf den Iran auszuüben, damit er seine mit der Gefahr einer Verbreitung von Kernwaffen einhergehenden nuklearen Tätigkeiten und die Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen einstellt, verabschiedeten sowohl der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als auch der Rat der Europäischen Union eine Reihe von restriktiven Maßnahmen. Mit der Resolution 1747 (2007) vom 24. März 2007 nahm der Sicherheitsrat Bank Sepah in die Liste der am iranischen Nuklearprogramm oder am Programm für ballistische Raketen beteiligten Einrichtungen auf, deren Vermögenswerte eingefroren werden sollten. Der gemeinsame Standpunkt des Rats bestimmte:

„Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die sich im Besitz, im Eigentum, in der Verfügungsgewalt oder unter direkter oder indirekter Kontrolle folgender Personen oder Einrichtungen befinden, werden eingefroren: Mit Art. 7 der Verordnung Nr. 423/2007 bestimmte die Europäische Union: „(1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in Anhang IV aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren. In Anhang IV werden die vom Sicherheitsrat … oder vom Sanktionsausschuss nach Nummer 12 der UNSCR 1737 (2006) benannten Personen, Organisationen und Einrichtungen aufgeführt. (3) Den in den Anhängen IV und V aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen. (4) Es ist verboten, wissentlich und vorsätzlich an Aktivitäten teilzunehmen, mit denen die Umgehung der in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Maßnahmen bezweckt oder bewirkt wird.“

Entsprechend lautet Artikel 2 VERORDNUNG (EU) Nr. 269/2014 DES RATES vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen. (1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz von in Anhang I aufgeführten natürlichen Personen oder mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren. Mit der DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2022/396 DES RATES nach dem Angriffskrieg von 2022 wird Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 gemäß dem Anhang der vorliegenden Verordnung geändert. In Art. 8 der Verordnung Nr. 423/2007 hieß es:

„Abweichend von Artikel 7 können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die auf den in Anhang III aufgeführten Websites genannt sind, die Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen genehmigen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) Die Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen sind Gegenstand eines vor dem 23. Dezember 2006 von einem Gericht, einer Verwaltungsstelle oder einem Schiedsgericht beschlossenen Zurückbehaltungsrechts oder Gegenstand einer vor diesem Zeitpunkt ergangenen Entscheidung eines Gerichts, einer Verwaltungsstelle oder eines Schiedsgerichts, Einzelheiten sind in den nachfolgenden Artikeln geregelt.

Entsprechend lautet Art. 5 ff. der VERORDNUNG (EU) Nr. 269/2014 DES RATES vom 17. März 2014 im Hinblick auf die Ukraine.

Im Hinblick auf die Pfändung regelt das französische Recht entsprechend § 720a ZPO:

„Die Sicherungspfändung kann sich auf alle dem Schuldner gehörenden beweglichen Sachen, materiell oder immateriell, erstrecken. Dadurch werden sie der Verfügung entzogen. …“

„Ein Gläubiger, der einen Vollstreckungstitel über eine fällige Geldforderung erwirkt hat oder besitzt, kann bis zur Höhe seiner Forderung den Verkauf von Gegenständen vornehmen lassen, die der Verfügung entzogen wurden.“

Sachverhalt:

Mit Urteil vom 26. April 2007 verurteilte die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) die Bank Sepah, 2 500 000 US-Dollar (USD) (ca. 1 800 000 Euro) bzw. 1 500 000 USD (ca. 1 100 000 Euro) zuzüglich Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz ab diesem Zeitpunkt an Overseas Financial und Oaktree Finance zu zahlen.

Nachdem Overseas Financial und Oaktree Finance im Zeitraum von 2007 bis 2011 Teilzahlungen erhalten hatten, beantragten sie am 2. Dezember 2011 beim Wirtschaftsminister (Frankreich), gemäß Art. 8 der Verordnung Nr. 423/2007 die Freigabe des Restbetrags zu genehmigen. Overseas Financial und Oaktree Finance erhoben beim Tribunal administratif de Paris (Verwaltungsgericht Paris, Frankreich) eine Anfechtungsklage gegen die stillschweigende Ablehnung ihres Antrags. Dieses wies die Klage mit Urteil vom 21. Oktober 2013 ab.

Am 17. Mai 2016 erwirkten Overseas Financial und Oaktree Finance die Ausstellung von Zahlungsbefehlen zum Zweck der Pfändung gegenüber der Bank Sepah, bevor sie am 5. Juli 2016 Forderungspfändungen sowie Pfändungen von Gesellschafterrechten und Wertpapieren bei einer französischen Bank vornehmen ließen. Mit Urteil vom 9. Januar 2017 bestätigte der Vollstreckungsrichter beim Tribunal de grande instance de Paris (Regionalgericht Paris, Frankreich) diese Pfändungen sowie ihren Betrag, der die im Urteil der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) vom 26. April 2007 genannten Zinsen umfasste. Die Bank Sepah war zwar der Ansicht, dass sie verpflichtet sei, die Hauptforderung der Beträge, zu deren Zahlung sie verurteilt worden war, zu zahlen, sie fand aber, dass sie keine Zinsen schulde, und focht daher die Vollstreckungsmaßnahmen vor dem Vollstreckungsgericht an. Sie machte insbesondere geltend, sie könne nicht zur Zahlung der Zinsen verpflichtet werden, da es ihr aufgrund eines Falls von höherer Gewalt, der sich aus dem Einfrieren ihrer Vermögenswerte durch die Verordnung Nr. 423/2007 ergeben habe, unmöglich geworden sei, ihre Schuld zu begleichen, was zur Aussetzung des Zinslaufs geführt habe.

Nachdem das Vollstreckungsgericht dieses Vorbringen zurückgewiesen hatte, legte die Bank Sepah Berufung ein. Mit Urteil vom 8. März 2018 wies die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) diese Berufung mit der Begründung zurück, dass sich die vorübergehende Nichtverfügbarkeit der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Bank Sepah nicht auf den Zinslauf ausgewirkt habe.

Außerdem gelte zum einen für die vorliegenden Umstände eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, und zum anderen seien Overseas Financial und Oaktree Finance durch nichts daran gehindert gewesen, zu Sicherungszwecken Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, die die Verjährung hätten unterbrechen können. Da vor den Zahlungsbefehlen vom 17. Mai 2016 keine derartigen Maßnahmen ergriffen worden seien, müssten die Zinsen, die Overseas Financial und Oaktree Finance beanspruchen könnten, folglich auf diejenigen beschränkt werden, die ab dem 17. Mai 2011, d. h. in den fünf Jahren vor den Zahlungsbefehlen, angefallen seien.

Sowohl die Bank Sepah als auch Overseas Financial und Oaktree Finance legten bei der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) Kassationsbeschwerde ein. Overseas Financial und Oaktree Finance beanstanden insbesondere den Teil des Berufungsurteils, der die fünfjährige Verjährungsfrist für die Zinsen betrifft.

Insoweit ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits davon abhänge, ob Overseas Financial und Oaktree Finance den Lauf der Verjährungsfrist durch die Anwendung einer Sicherungs- oder Zwangsvollstreckungsmaßnahme auf die eingefrorenen Vermögenswerte der Bank Sepah hätten unterbrechen können.

Weder die Verordnung Nr. 423/2007 noch die Verordnungen Nrn. 961/2010 und 267/2012 verböten es einem Gläubiger ausdrücklich, eine Sicherungs- oder Zwangsvollstreckungsmaßnahme zu veranlassen. Angesichts der in diesen Rechtsakten enthaltenen Definitionen der Begriffe „Einfrieren von Geldern“ und „Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen“ lasse sich nicht ausschließen, dass Maßnahmen, die unter keines der in diesen Definitionen genannten Verbote fielen, auf eingefrorene Vermögenswerte angewandt werden könnten.

Insbesondere fragt sich das vorlegende Gericht, ob es möglich sei, ohne vorherige Genehmigung Maßnahmen ohne Zuweisungswirkung, wie gerichtlich bestellte Sicherheiten und Sicherungspfändungen, zu ergreifen. Denn zum einen begründe eine gerichtlich bestellte Sicherheit, unabhängig davon, ob sie an einer unbeweglichen Sache (Hypothek), auf einem Geschäftsbetrieb oder auf Gesellschaftsanteilen und Wertpapieren (Pfändung) bestellt werde, für den Eigentümer der betroffenen Sachen bzw. Inhaber der betroffenen Rechte keine Pflicht, diese Sachen bzw. Rechte zu veräußern, und sie lasse es ihm unbenommen, zu entscheiden, an wen er sie veräußere. Sie führe nur dazu, dass im Fall der Veräußerung der Sachen oder Rechte, an denen sie bestellt worden sei, die Forderung desjenigen, der die Sicherheit bestellt habe, vorrangig aus dem Veräußerungserlös zu befriedigen sei. Was zum anderen die Sicherungspfändungen angehe, so hätten diese auch keine Zuweisungswirkung, da die gepfändeten Sachen, Forderungen und Rechte im Vermögen des Schuldners verblieben und die Wirkung einer Hinterlegung hätten, die eine besondere Widmung und ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung nach dem Zivilgesetzbuch zur Folge habe.

Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob solche Maßnahmen nicht eine Änderung der „Zweckbestimmung“ der davon betroffenen Gelder im Sinne der Definition des Begriffs „Einfrieren von Geldern“ bewirkten oder allgemeiner, ob sie nicht eine „Verwendung“ der eingefrorenen Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen im Sinne der Verordnungen Nrn. 423/2007, 961/2010 und 267/2012 ermöglichen könnten. Außerdem möchte es wissen, ob es für die Beantwortung dieser Frage von Bedeutung ist, dass der Rechtsgrund der Forderung nicht mit dem iranischen Nuklear- und Raketenprogramm zusammenhängt und aus der Zeit vor der Resolution 1737 (2006) stammt.

Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 1 Buchst. h und j und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 423/2007, Art. 1 Buchst. i und h und Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 961/2010 sowie Art. 1 Buchst. k und j und Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 267/2012 dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer Maßnahme ohne Zuweisungswirkung, wie einer gerichtlich bestellten Sicherheit oder einer Sicherungspfändung nach der französischen Zivilvollstreckungsordnung, auf eingefrorene Vermögenswerte ohne vorherige Genehmigung der zuständigen nationalen Behörde entgegenstehen?

Ist der Umstand, dass der Rechtsgrund der gegenüber der Person oder Einrichtung, deren Vermögenswerte eingefroren wurden, beizutreibenden Forderung nicht mit dem iranischen Nuklear- und Raketenprogramm zusammenhängt und aus der Zeit vor der Resolution 1737 (2006) stammt, für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung?

Die Begriffe „Einfrieren von Geldern“ und „Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen“ werden in Art. 1 Buchst. h bzw. in Art. 1 Buchst. j dieser Verordnung definiert.

In Art. 1 Buchst. h der Verordnung Nr. 423/2007 wird der Begriff „Einfrieren von Geldern“ definiert als „die Verhinderung jeglicher Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung und der Verwendung von Geldern sowie des Zugangs zu ihnen oder ihres Einsatzes, wodurch das Volumen, die Höhe, die Belegenheit, das Eigentum, der Besitz, die Eigenschaften oder die Zweckbestimmung der Gelder verändert oder sonstige Veränderungen bewirkt werden, die eine Nutzung der Gelder einschließlich der Vermögensverwaltung ermöglichen“.

Aus dieser Definition ergibt sich, dass mit dem Einfrieren von Geldern die Transaktionen, die mit den eingefrorenen Geldern abgeschlossen werden können, so weit wie möglich begrenzt werden sollen, was durch die große Zahl der erfassten Fälle und die Verwendung des Ausdrucks „jegliche Form“ deutlich wird. Auch die Mittel, um zu einer Begrenzung dieser Transaktionen zu gelangen, werden vom Unionsgesetzgeber weit definiert.

Die vorstehenden Erwägungen gelten auch für den Begriff „Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen“. Dieser Begriff wird nämlich in Art. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 423/2007 definiert als „die Verhinderung ihrer Verwendung für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen, die auch den Verkauf, das Vermieten oder das Verpfänden dieser Ressourcen einschließt, sich aber nicht darauf beschränkt“.

Daraus folgt, dass die Begriffe „Einfrieren von Geldern“ und „Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen“ im Sinne der Verordnung Nr. 423/2007 sehr weit definiert sind. Daraus folgt, dass solche Maßnahmen unter die Begriffe „Einfrieren von Geldern“ und „Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen“ im Sinne von Art. 1 Buchst. h und j und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 423/2007 fallen.

Folglich ist festzustellen, dass sich die Definitionen der Begriffe „Einfrieren von Geldern“ und „Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen“ selbst u. a. auf Maßnahmen beziehen, die nicht bewirken, dass Vermögensgegenstände aus dem Vermögen des Schuldners herausgelöst werden.

Diese Auslegung wird durch die Ziele der Verordnung Nr. 423/2007, mit der restriktive Maßnahmen gegen die Islamische Republik Iran durchgeführt werden, bestätigt. Mit den restriktiven Maßnahmen wird gegen die Islamische Republik Iran ein präventiver Zweck in dem Sinne verfolgt, dass damit eine proliferationsrelevante nukleare Tätigkeit in diesem Staat verhindert werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Afrasiabi u. a., C‑72/11, EU:C:2011:874, Rn. 44).

Mit den Maßnahmen des Einfrierens von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen soll also verhindert werden, dass das eingefrorene Vermögen für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet wird, die zur Verbreitung von Kernwaffen im Iran beitragen können, gegen die mit der Resolution 1737 (2006), dem Gemeinsamen Standpunkt 2007/140 und der Verordnung Nr. 423/2007 vorgegangen werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Afrasiabi u. a., C‑72/11, EU:C:2011:874, Rn. 46).

In Anbetracht des Vorstehenden ist festzustellen, dass das in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 423/2007 in Verbindung mit Art. 1 Buchst. h und j dieser Verordnung vorgesehene Einfrieren von Geldern und von wirtschaftlichen Ressourcen der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen auf eingefrorene Vermögensgegenstände entgegensteht, mit denen dem betreffenden Gläubiger das Recht eingeräumt wird, im Vergleich zu anderen Gläubigern vorrangig befriedigt zu werden, auch wenn derartige Maßnahmen nicht die Wirkung haben, Vermögensgegenstände aus dem Vermögen des Schuldners herauszulösen.

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 423/2007 in Verbindung mit deren Art. 1 Buchst. h und j, Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 961/2010 in Verbindung mit deren Art. 1 Buchst. h und i und Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 267/2012 in Verbindung mit deren Art. 1 Buchst. j und k dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen, dass auf Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen, die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union eingefroren wurden, ohne vorherige Genehmigung der zuständigen nationalen Behörde Sicherungsmaßnahmen angewandt werden, mit denen dem betreffenden Gläubiger das Recht eingeräumt wird, im Vergleich zu anderen Gläubigern vorrangig befriedigt zu werden, auch wenn derartige Maßnahmen nicht die Wirkung haben, Vermögensgegenstände aus dem Vermögen des Schuldners herauszulösen.

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung ist, dass der Rechtsgrund der gegenüber der Person oder Einrichtung, deren Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen eingefroren wurden, beizutreibenden Forderung nicht mit dem iranischen Nuklear- und Raketenprogramm zusammenhängt und aus der Zeit vor der Resolution 1737 (2006) stammt.

Hierzu ist festzustellen, dass die Definitionen der Begriffe „Einfrieren von Geldern“ und „Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen“ in Art. 1 Buchst. h und j der Verordnung Nr. 423/2007 und den entsprechenden Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 961/2010 und 267/2012 nicht nach dem Rechtsgrund der Forderung unterscheiden, die gegenüber der Person oder Einrichtung, die von den restriktiven Maßnahmen betroffen ist, beizutreiben ist.

Außerdem unterscheiden Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 423/2007 und die entsprechenden Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 961/2010 und 267/2012 im Fall des Einfrierens von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen auch nicht nach dem Rechtsgrund dieser Forderung.

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, kann die Bedeutung der Ziele, die mit einem Unionsrechtsakt zur Einführung restriktiver Maßnahmen verfolgt werden, selbst erhebliche negative Konsequenzen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen, darunter auch für solche, die für die Situation, die zum Erlass der betreffenden Maßnahmen geführt hat, nicht verantwortlich sind, gleichwohl aber u. a. in ihren Eigentumsrechten berührt sind (vgl. entsprechend Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 361 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass es für die Beantwortung der ersten Frage nicht von Bedeutung ist, dass der Rechtsgrund der gegenüber der Person oder Einrichtung, deren Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen eingefroren wurden, beizutreibenden Forderung nicht mit dem iranischen Nuklear- und Raketenprogramm zusammenhängt und aus der Zeit vor der Resolution 1737 (2006) stammt.


Teleologische Reduktion des Deliktsstatuts bei gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums nach Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO im Falle einer Rechtsverletzung in einem Drittstaat - OLG Stuttgart Urteil vom 26.11.2020 - 2 U 147/18

Bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart geht es um das anwendbare Recht bei der Verletzung einer Unionsmarke. Die Klägerin produziert und vertreibt weltweit Parfüms unter verschiedenen Marken. Die Beklagte betreibt E-Commerce-Plattformen, die sich an den chinesischen Markt richten. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten wegen nach Ansicht der Klägerin markenrechtsverletzender Angebote, die Verkäufer auf den E-Commerce-Plattformen der Beklagten eingestellt hatten

Welches materielle Recht muss angewandt werden? Für das einschlägige Deliktsstatut besagt Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO:

„Bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums ist auf Fragen, die nicht unter den einschlägigen Rechtsakt der Gemeinschaft fallen, das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Verletzung begangen wurde.“

Wie das Oberlandesgericht richtig festhält betreffen sämtliche Klaganträge der Klägerin die Verletzung einer Unionsmarke. Damit ist die Verordnung über die Gemeinschaftsmarke (VO (EG) Nr. 207/2009; im Folgenden GMV) bzw. über die Unionsmarke (VO (EU) 2017/1001; im Folgenden: UMV) anwendbar, wie sich aus Art. 129 Abs. 1 UMV i.V.m. Art. 124a UMV ergibt.

Ob die Angebote auf der Plattform der Beklagten, die Anlass für die geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Klägerin sind, einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Bezug zum Unionsgebiet haben, spielt für die Frage, welches Recht anwendbar ist, nach Ansicht des Oberlandesgerichts keine Rolle. Der sog. "commercial effect" spiele nur eine Rolle bei der Frage, welche Reichweite bzw. welchen Anwendungsbereich das Unionsrecht hat. Das zeigten die Ausführungen des EuGH in dem einschlägigen Urteil vom 12.07.2011, C-324/09 (L'Oréal/eBay) in Rn. 58 ff., insbesondere Rn. 64, wo der EuGH ausführt, dass Websites und Anzeigen, die offensichtlich ausschließlich an Verbraucher in Drittstaaten gerichtet sind, gleichwohl aber im Gebiet der EU technisch zugänglich sind, nicht dem Unionsrecht unterliegen, und in Rn. 66, wo er vom Anwendungsbereich der Unionsnormen im Bereich des Markenschutzes spricht. Auch die OSCAR-Entscheidung des BGH vom 08.03.2012 (I ZR 75/10, GRUR 2012, 621) bestätige dies. Denn ausweislich des zweiten Leitsatzes dieser Entscheidung und den Ausführungen unter Rn. 34 ff. ist der wirtschaftlich relevante Inlandsbezug bei der Frage, ob eine zeichenrechtlich relevante Verletzungshandlung im Inland vorliegt, zu prüfen, nicht aber bei der Frage, ob überhaupt das nationale Markenrecht anwendbar ist.

Auf den Schadensersatzanspruch sei deshalb nicht chinesisches, sondern deutsches Recht anzuwenden. Nach Art. 129 Abs. 2 UMV wendet das Unionsmarkengericht in allen Markenfragen, die nicht durch die UMV erfasst werden, das geltende nationale Recht an. Schadensersatzansprüche sind nicht durch die UMV erfasst (Eisenführ/Overhage in Eisenführ/Schennen, aaO., Art. 101, Rn. 5).

Welches Recht das anwendbare Recht im Sinne von Art. 129 Abs. 2 UMV ist, ergäbe sich aus Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO (Eisenführ/Overhage, aaO., Art. 101, Rn. 10; Drexl in MüKo/BGB, Bd. XII, 7. Aufl. 2018, Teil 8, Internationales Immaterialgüterrecht, Rn. 141; Fezer/Koos, in Staudinger [2019] EGBGB , Internationales Wirtschaftsrecht, Rn. 959). Danach sei bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums auf Fragen, die nicht unter den einschlägigen Rechtsakt der Gemeinschaft fallen, das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Verletzung begangen wurde. Das danach bezeichnete Recht sei nach Art. 3 Rom II-VO auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist.

Der EuGH habe in dem Fall Nintendo/BigBen, der ein Geschmacksmuster betraf (Urteil vom 27.09.2017, C-24/16 und C-25/16), festgestellt, dass der Begriff des "Staates ..., in dem die Verletzung begangen wurde" sich von dem Kriterium in Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO (Staat, "in dem der Schaden eintritt") unterscheide und dahingehend auszulegen sei, dass darunter der Staat zu verstehen sei, in dem die Verletzungshandlung begangen worden sei (aaO., Rn. 98). In einem Fall, in dem einem Wirtschaftsteilnehmer vorgeworfen werde, dass über seine Website ohne Zustimmung des Rechteinhabers Waren zum Kauf angeboten werden, sei der Ort des schadensbegründenden Ereignisses der Ort, an dem der Prozess der Veröffentlichung des Angebots durch den Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Website in Gang gesetzt worden sei (aaO., Rn. 108).

Die Veröffentlichung der Angebote auf der Website der Beklagten hat unstreitig in China stattgefunden. Mithin wäre chinesisches Recht anwendbar. Ob das IPR Chinas eine Rückverweisung enthält, wäre nach Art. 24 Rom II-VO ausdrücklich unbeachtlich.

Der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO sei nach gerichtlicher Ansicht jedoch teleologisch zu reduzieren, wenn - anders als in der oben zitierten Entscheidung des EuGH vom 27.09.2017, C-24/16 und C-25/16 - der Staat, in dem die Verletzungshandlung vorgenommen wurde, kein Mitgliedstaat der EU ist. Denn es sei nicht davon auszugehen, dass der europäische Gesetzgeber die Durchsetzung von Unionsschutzrechten nach dem Immaterialgüterrecht eines Drittstaats bestimmen wollte. Gegen eine solche Absicht spreche wesentlich der Umstand, dass der europäische Gesetzgeber mit der Richtlinie 2004/48/EG (im Folgenden: Durchsetzungs-RL) das Ziel verfolgt, die in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums einander anzunähern, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten (Erwägungsgrund 10). Beispielsweise haben die Mitgliedstaaten nach Art. 13 der Durchsetzungs-RL sicherzustellen, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag der geschädigten Partei anordnen, dass der Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm, dem Rechteinhaber zum Ausgleich des von diesem wegen der Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat. Würden nun die Sanktionen zur Durchsetzung von Unionsschutzrechten nach dem Immaterialgüterrecht eines Drittstaats bestimmt werden, dann könnte das Unionsrecht entgegen dem mit der Durchsetzungs-RL verfolgten Ziel gerade keinen ausreichenden Rechtsschutz für Verletzungshandlungen, die Schäden im Gebiet der Europäischen Union verursachen, bieten. Sähe das Sachrecht des Drittstaats überhaupt keine Vorkehrungen für Nebenansprüche aus der Verletzung eines europäischen Rechtstitels vor, käme es sogar zu einem vollständigen Leerlauf der Verweisung (Grünberger in Hüßtege/Mansel, BGB - Band 6 Rom-Verordnungen, 3. Aufl. 2019, Rom II-VO Art. 8, Rn. 68).

Der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO sei daher teleologisch zu reduzieren. Die Vorschrift findet nur Anwendung, wenn der Staat, in dem die Verletzungshandlung vorgenommen wurde, ein Mitgliedstaat der EU ist, denn die Funktion der Vorschrift beschränkt sich auf eine unter Anknüpfung für das Territorium der EU (Drexl, aaO., Rn. 138; lediglich die Meinung Drexls referierend ohne eigene Stellungnahme Fezer/Koos, aaO., Rn. 966; zum selben Ergebnis - Nichtanwendbarkeit des Rechts des Drittstaats - führt die Ansicht Grünbergers aaO., Rn. 68, dass in diesen Fällen ausschließlich nach dem tatbestandlichen Handlungsortbegriff (Erfolgsort) anzuknüpfen sei).

Auf die Fälle des Handelns in einem Drittstaat - wie hier - sei sodann nach den klassischen kollisionsrechtlichen Prinzipien das sachnächste Recht eines Mitgliedstaates im Sinne einer Reserveanknüpfung zur Anwendung zu bringen (Drexl, ebenda). Das sachnächste Recht ist hier deutsches Recht. Denn eine Anknüpfung daran, in welchen EU-Staat wie viele Lieferungen erfolgt sind, ergäbe vor dem Hintergrund, dass die Rechtsverletzung in einem Angebot besteht und nicht in einer Lieferung, keinen Sinn. Und auf den Sitz des Markeninhabers könne nicht abgestellt werden, weil dieser außerhalb der EU liegt. Damit bleibe als einziger weiterer Anknüpfungspunkt der Sitz des Lizenznehmers, d.h. der Klägerin, der in Deutschland liegt.

Das Urteil ist zwiespältig: Dem Rechtsuchenden gibt es Brot und nicht Steine. Er erhält zumindest relativ einfach einen Titel, der allerdings gegebenenfalls noch außerhalb der EU zu vollstrecken wäre. Die Argumentation des Oberlandesgerichts verkennt indes, dass die Rom II-VO diskriminierungsfreie Kollisionsregeln aufstellt und nach Art. 3 Rom II-VO das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht auch dann anzuwenden sei, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats sei. Der Rekurs auf den Effet utile in Form der teleologischen Reduktion wirkt hier gegenüber dem chinesischen Recht doch ein wenig chauvinistisch.



US-Trust gilt nicht als Beschenkter beim Pflichtteilsergänzungsanspruch

Rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Stuttgart (28 U 98/15) verneint die Möglichkeit der Rückforderung eines Geschenks an einen Trust in Florida

Soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern (§ 2329 Abs. 1 S. BGB)

Der Kläger ist der enterbte Sohn des Erblassers. Dieser hatte im US-Bundesstaat Florida einen widerruflichen Trust gegründet und ihm erhebliches Barvermögen zugewandt. Das Vermögen des Trusts wurde schließlich in einem amerikanischen Verfahren an einen begünstigten Dritten übertragen.

Im Rahmen der Nachlassspaltung macht der Kläger nach deutschem Recht die Ergänzung seines beeinträchtigten Pflichtteils durch Herausgabe eines Teils dieser Barzuwendung geltend.

Das Landgericht bejaht zwar die Anwendbarkeit deutschen Rechts, doch sieht es keine Schenkung im Sinne von § 2329 BGB. Diese Schenkung müsse endgültig ein. Es dürfe nicht lediglich um einen Durchgangserwerb zur Weiterleitung an einen Begünstigten handeln. Anders als bei einer Stiftung, die selbstständig entscheide, wie die zugewandten Gelder zu verwenden seien, wäre der Trust hier derart gebunden, wie das Vermögen an dem begünstigten Dritten weiterzuleiten sei, dass wirtschaftlich nicht von einem Beschenkten die Rede sein könne.

Das Urteil ist vertretbar, doch missachtet es die Schutzbedürftigkeit des Pflichtteilsberechtigten. Ein Verfahren in den USA zur Abwicklung eines solchen Trusts kann sich über Jahre hinziehen. Währenddessen muss der Pflichtteilsberechtigte abwarten. Überzeugender wäre die Bejahung der Qualität des Beschenkten gewesen mit dem Korrektiv des Wegfalls der Bereicherung, wie es § 2329 BGB ohnehin mit seinem Verweis auf das Bereicherungsrecht vorsieht. Sobald also das Vermögen an den Begünstigten weitergeleitet wurde, ginge der Anspruch außer bei Bösgläubigkeit ins Leere.



Sitztheorie oder nicht, das ist hier die Frage

Bundesgerichtshof (II ZB 25/17) ergreift mit Beschluss vom 15. Juni 2021 vielleicht ein letztes Mal Partei für die Sitztheorie

„Die Anmeldung einer Eintragung in das Handelsregister ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 HGB mit einem einfachen elektronischen Zeugnis eines Notars gemäß § 39a BeurkG elektronisch einzureichen. Die Einreichung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Ausstellers der Anmeldung gemäß § 126a BGB reicht nicht aus“

lautet der eher triviale Tenor der Entscheidung. Worum ging es?

Eine englische Limited hatte im März 2014 beim Amtsgericht Frankfurt am Main die Eintragung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister angemeldet. Das Registergericht hat der Beteiligten mit Zwischenverfügung vom 11. Juni 2014 mitgeteilt, der Anmeldung könne nicht entsprochen werden, weil sie nicht mit dem nach § 39a BeurkG i.V.m. § 12 Abs. 2 HGB erforderlichen elektronischen Zeugnis versehen sei, der Gesellschaftsvertrag der Beteiligten in öffentlich beglaubigter Form nebst Übersetzung nicht beigefügt sei, die Höhe des Stammkapitals der Beteiligten nicht angegeben werde und es an der Versicherung des directors der Beteiligten über seine Belehrung betreffend seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht betreffend etwaige Bestellungshindernisse gemäß § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG fehle.

Der Bundesgerichtshof führt aus:

„Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die Eintragungsanmeldung der Beteiligten nach § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 HGB mit einem einfachen elektronischen Zeugnis gemäß § 39a BeurkG einzureichen ist und die Übersendung mit der qualifizierten elektronischen Signatur ihres directors nicht ausreicht. Für das inländische Registerverfahren und damit auch für die Eintragung einer Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft in das Handelsregister gilt deutsches Registerverfahrensrecht.

Ohne Erfolg wendet sich die Beteiligte weiter gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, dass sie nach § 13g Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 HGB zwar nicht zur Vorlage der von ihr unverändert als Satzung übernommenen model articles, wohl aber ihres memorandum of association in öffentlich beglaubigter Abschrift nebst beglaubigter Übersetzung verpflichtet ist…

Die Verpflichtung zur Vorlage des memorandum of association in öffentlich beglaubigter Abschrift nebst beglaubigter Übersetzung verstößt entgegen der Ansicht der Beteiligten schließlich nicht gegen die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Gesellschaftsrechtsrichtlinie) betreffend die Offenlegung von Angaben und Urkunden von Zweigniederlassungen… die Beteiligte gehört nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und dem Ablauf des im Austrittsabkommen vereinbarten Übergangszeitraums nicht mehr zu den Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 29, sondern zu den Gesellschaften aus einem Drittstaat im Sinne von Art. 36 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie, deren Offenlegungspflichten in Art. 37 ff. der Richtlinie geregelt sind… eine Behinderung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV greift bereits deshalb nicht, weil die Beteiligte sich nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann…

Danach steht es den Mitgliedstaaten nach der Richtlinie grundsätzlich frei, bei Gesellschaften aus Drittstaaten über die in Art. 37 genannten Mindestangaben hinaus weitere Offenlegungsmaßnahmen vorzusehen.“

Gerade dieser letzte Satz lässt sich nur mit dem Festhalten des Bundesgerichtshofs an der sogenannten Sitztheorie erklären. Eine Gesellschaft darf danach nur dort registriert bzw. errichtet werden, wo sie ihren effektiven Sitz hat. Eine ausländische Gesellschaft verliert, Sie Ihre Registrierung und damit oft das Privileg fehlende Haftung der Gesellschafter bei Verlegung des effektiven Sitzes ins Inland. Hier müsste die Anmeldung zum Handelsregister erneut durchgeführt werden, um nicht regelmäßig als offene Handelsgesellschaft (OHG) mit unbeschränkter Haftung der Gesellschafter zu gelten. Demgegenüber vertritt die Gründungstheorie die Auffassung, dass es alleine darauf ankommt, ob die Gesellschaft in einem Land wirksam gegründet worden ist. Mit der wirksamen Gründung erlangt die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit, die sie auch dann behält, wenn sie ihren effektiven Sitz ins Ausland verlegt. Die Gründungstheorie ermöglicht dadurch Sitzverlegungen über die Grenze unter Beibehaltung des Gründungsstatus.

Anderenfalls hätte der Bundesgerichtshof eine Privilegierung der Anmeldung der Zweigniederlassung nach der Gründungstheorie diskutieren müssen. Jenseits der europäischen Niederlassungsfreiheit bedeutete die Gründungstheorie das Anerkenntnis des Gesellschaftsrechts des Staates, in dem die Gesellschaft gegründet wurde.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz - MoPeG) vom 10. August 2021 hat der deutsche Gesetzgeber die Sitztheorie in Rente geschickt und der Gründungstheorie Tür und Tor geöffnet (BT-Drucksache 19/27635, S. 126 f.). Nach dem neuen § 706 BGB können jetzt auch Personengesellschaften ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen, was Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften schon seit mehreren Jahren („MoMiG“) möglich ist. Der Bundesgerichtshof wird deshalb sein Dafürhalten für die Sitztheorie, z.B. BGH, Urteil vom 27. 10. 2008 – II ZR 158/06, kaum noch aufrechterhalten können. Jedenfalls wäre der Begründungsaufwand hoch: Nur der Wegzug deutscher Gesellschaften sei privilegiert, nicht aber der Zuzug ausländischer Gesellschaften. Das lässt sich nur schwer hören.

Die Diskussion über die Auslegung des am 30. Dezember 2020 zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich geschlossenen Handels- und Kooperationsabkommen insoweit, ob britische Kapitalgesellschaften weiterhin in Deutschland anzuerkennen seien, wird sich damit unter Umständen in Luft auflösen: Bereits die Gründungstheorie verlangt eine solche Anerkennung.



Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beschlossen

Der Bundestag hat am 11. Juni 2021 das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, das sogenannte "Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz" (LkSG), verabschiedet. Das Gesetz wird zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Der Bundesrat erhebt keine Einwendungen.

Das Gesetz will den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten verbessern. Dabei geht es um die Einhaltung von Menschenrechtsstandards wie des Verbots von Kinderarbeit und Zwangsarbeit nach den einschlägigen internationalen Konventionen. Aber auch der Arbeitsschutz vor Ort (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 LkSG), die Koalitionsfreiheit im Hinblick auf Gewerkschaften, allgemeine Gleichbehandlung, angemessener Lohn und der Umweltschutz sind vom Gesetz erfasst.

Anwendungsbereich

Das LkSG ist anzuwenden auf Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland haben und in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Ab dem 1. Januar 2024 beträgt der Schwellenwert 1.000 Arbeitnehmer. Auffällig ist die Anknüpfung auch am Satzungssitz, sodass auch GmbHs oder Aktiengesellschaften mit Verwaltungssitz im Ausland betroffen sind. Außerdem sind alle Arbeitnehmer im Konzern zu berücksichtigen.

Sorgfaltspflichten

Unternehmen haben nach § 3 LkSG in ihren Lieferketten die festgelegten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Hier geht es um eine Pflicht, sich zu bemühen, nicht aber eine Pflicht zum Erfolg oder gar eine Garantiehaftung. Was konkret angemessen ist, liegt im Beurteilungsspielraum des Unternehmens.

Zu den Sorgfaltspflichten gehören unter anderem

Einrichtung eines Risikomanagements,

Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit,

regelmäßiges Durchführen einer Risikoanalyse,

Ergreifen von Abhilfemaßnahmen,

Verabschiedung einer Grundsatzerklärung,

Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens für Personen, die durch wirtschaftliche Tätigkeiten im eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens oder durch wirtschaftliche Tätigkeiten eines unmittelbaren Zulieferers unmittelbar betroffen sind, und

Umsetzung, Dokumentation und Berichterstattung.

Grundsätzlich müssen die unternehmerischen Maßnahmen mindestens einmal jährlich überprüft werden.

Das Unternehmen muss angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber einem unmittelbaren Zulieferer verankern, insbesondere:

1. die Berücksichtigung der menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen bei der Auswahl eines unmittelbaren Zulieferers,

2. die vertragliche Zusicherung eines unmittelbaren Zulieferers, dass dieser die von der Geschäftsleitung des Unternehmens verlangten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Vorgaben einhält und entlang der Lieferkette angemessen adressiert,

3. die Vereinbarung angemessener vertraglicher Kontrollmechanismen sowie die Durchführung von Schulungen und Weiterbildungen zur Durchsetzung der vertraglichen Zusicherungen des unmittelbaren Zulieferers nach Nummer 2,

4. die Durchführung risikobasierter Kontrollmaßnahmen auf Grundlage der vereinbarten Kontrollmechanismen nach Nummer 3, mit denen die Einhaltung der Menschenrechtsstrategie bei dem unmittelbaren Zulieferer überprüft wird.

Sollte keine Abhilfe beim Zulieferer möglich sein, kann das bis zum Abbruch der Geschäftsbeziehung führen.

Das Unternehmen hat jährlich einen Bericht über die Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr zu erstellen. Die Dokumentation der Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist ab ihrer Erstellung mindestens sieben Jahre lang aufzubewahren.

Aufsicht

Zur Kontrolle und Durchsetzung des Gesetzes wird eine Kontrollstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle etabliert. Das Amt darf Anordnungen und Maßnahmen erlassen, Betriebsgrundstücke, Geschäftsräumen und Wirtschaftsgebäude der Unternehmen betreten sowie Auskünfte und Herausgabe verlangen. Bei Nichtumsetzung der Sorgfaltspflichten besteht nicht zuletzt die Gefahr der Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren.

Besondere Prozessstandschaft

Nicht als Verbandsklage, sondern in Form der Prozessstandschaft wird die Klagebefugnis ausgeweitet: Wer in einer Rechtsposition aus § 2 LkSG verletzt ist, kann zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Rechte einer inländischen Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation die Ermächtigung zur Prozessführung erteilen. Die Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation muss ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Der Prozessstandschafter muss gemäß § 50 ZPO parteifähig sein.

Unlauterer Wettbewerb

Gerade die Berichts- und Dokumentationspflicht der Unternehmen wird die Geltendmachung der Einhaltung der Marktverhaltensregeln des LkSG ermöglichen. Der Gesetzgeber selbst spricht davon, dass mit dem Gesetz fairen Wettbewerbsbedingungen Rechnung getragen werden soll. Im Grundsatz sollte jeder Wettbewerber die Verletzung der Sorgfaltspflichten als Rechtsbruch gemäß § 3a UWG verfolgen können.

Europäisches Lieferkettengesetz

Der europäische Gesetzgeber hat bereits für ein deutlich strengeres Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht. Der Vorschlag eines europäischen Lieferkettengesetzes soll im Herbst dieses Jahrs folgen. Noch hat der Ausschuss für Normenkontrolle den aktuellen Vorschlag der Kommission wegen vager Problembeschreibung und fehlender Erläuterung der Erforderlichkeit gestoppt.



Welches Gericht ist zuständig bei Klagen im Zusammenhang mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland? Welches Recht gilt?

Das Vereinigte Königreich ist durch den BREXIT zum Drittstaat im Sinne der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („EuGVVO“) geworden. Der Wohnsitz des Beklagten, nach dem oft unterschieden wird, ist damit nicht mehr innerhalb der Union.

1. §§ 12 ff. ZPO?

Gemäß Art. 6 EuGVVO bestimmt sich bei fehlendem Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats grundsätzlich nach dessen eigenem Recht. In Deutschland bestimmen die ZPO-Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit allgemein auch die internationale Zuständigkeit. Damit lebte insbesondere auch der Gerichtsstand des Vermögens gemäß § 23 ZPO im Hinblick auf britische Parteien wieder auf:

„Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland (= EU) keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet.“

Nicht vollständig unbeachtliches Vermögen in Deutschland führt also zu einer Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Pflicht zur Stellung einer Prozesskostensicherheit gemäß § 110 ZPO trifft nun auch britische Kläger.

„Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit“

Auch die Anerkennung und Vollstreckung gemäß §§ 328, 722 ZPO ist erheblich umständlicher.

2. EuGVÜ?

Andererseits könnte auch das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 wieder mit Leben erfüllt worden sein. Eigentlich gingen alle Mitgliedstaaten der Union davon aus, dass dieser völkerrechtliche Vertrag auch ohne förmliche Aufhebung durch die EuGVVO nicht mehr angewendet würde. Die Entscheidung hierüber obliegt aber dem angerufenen Gericht. Spannend wird diese Frage spätestens deshalb, weil der Europäische Gerichtshof zur Auslegung dieses Übereinkommens auch im Hinblick auf das Vereinigte Königreich berufen ist. Inhaltlich unterscheiden sich EuGVÜ und EuGVVO mittlerweile beträchtlich vor allem im Hinblick auf die Abschaffung des Exequaturverfahren sowie die Regelungen zum lis pendens zur Verhinderung sogenannter Torpedoklagen.

In Zukunft könnte ein Beitritt des Vereinigten Königreichs zum Lugano-Übereinkommen eine Linderung dieser Auslegungsfragen bringen, da es wenigstens der Vorgänger-Verordnung des EuGVVO entspricht.

3. Haager Übereinkommen 2005?

Durch das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 kann zumindest für ausschließliche Prorogationen zwischen Unternehmen Sicherheit in deutsch-britischen Gerichtsverfahren erreicht werden. Beide Staaten sind Vertragspartei. Anerkennung und Vollstreckung in Deutschland erfolgen nach den Vorschriften des AVAG. Ein Exequaturverfahren ist nicht erforderlich, sondern nur ein Vollstreckungsantrag des Gläubigers.

4. Sonstige Abkommen

Für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke sowie die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen finden die Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 bzw. 18. März 1970 Anwendung. Zusätzlich könnte das deutsch-britische Abkommen vom 20. März 1928 über den Rechtsverkehr beachtet werden.

5. Anwendbares Recht

Was das materielle Recht betrifft, so sind vor allem die Vorschriften nach den Rom I und II-Verordnungen ohne weiteres nur auf Sachverhalte anwendbar, in denen der Vertragsschluss oder das schadensbegründende Ereignis sich vor dem 1. Januar 2021 ereigneten. Zu beachten ist dabei wie schon immer, dass das Vereinigte Königreich nie Vertragsstaat des UN-Kaufrecht (CISG) geworden ist. Für Sachverhalte ab dem 1. Januar 2021 geltend aus deutscher Sicht grundsätzlich auch die Rom I und II-Verordnungen, doch auch hier stellt sich im Verhältnis zu Rom I die Frage, ob das vorhergehende Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 („EVÜ“) wieder auflebt. Das Vereinigte Königreich und Deutschland sind Parteien des Übereinkommens. Eine förmliche Kündigung gab es nicht.



Incoterms®2020: Auf ein Neues! Praktische Ratschläge für den Vertrieb

Nach zehn Jahren hat die Internationale Handelskammer in Paris (ICC) die Incoterms neu verfasst. Das ist ein guter Anlass, sich mit der rechtlichen Praxis dieser Klauseln auseinanderzusetzen.

Was sind die Incoterms?

Die Incoterms sind weltweit anerkannte, einheitliche Vertrags- und Lieferbedingungen. Sie vereinheitlichen die Abwicklung von Kaufverträgen vor allem im internationalen, aber auch im nationalen Handel. Mit der Auswahl einer Klausel mit wenigen Buchstaben lässt sich eine vertragliche Regelung von mehreren Seiten abkürzen, die aufgrund dieser Klausel gilt. Die Internationale Handelskammer bildet ungefähr alle zehn Jahre den Handelsbrauch mit diesen Klauseln ab. Ihre Geltung muss deshalb für jeden einzelnen Vertrag von den Parteien vereinbart werden. Sie gelten nicht aufgrund einer internationalen Konvention.

Was regeln die Incoterms?

Die Incoterms regeln vor allem den Umfang der Lieferpflicht. Dabei ist vor allem wichtig, wo die Ware zu übergeben wird, wer den Transport zu bezahlen hat, wer für die Versicherung der Ware und wer für die Verzollung verantwortlich ist. Die Bedeutung der Incoterms-Regeln liegt dabei in der durch ihre Verwendung gewonnenen Klarheit der gegenseitigen Verpflichtungen. Denn mithilfe der sehr kurzen, einfach zu vereinbarenden Klauseln können Missverständnisse und damit oft kostenintensive Streitigkeiten vermieden. Andere rechtliche Fragen wie Vertragsabschluss, die Eigentumsübertragung, die Zahlungsabwicklung oder die Rechtsfolgen von Vertragsbrüchen werden hingegen nicht geregelt. Maßgeblich hierfür sind die kaufvertraglichen Bestimmungen oder das dem Vertrag zugrundeliegende Recht.

Wie werden die Klauseln praktisch vereinbart?

Der in Großbuchstaben im Kaufvertrag (Auftrag, Auftragsbestätigung o. ä.) vermerkten Klausel ist der Hinweis auf die Incoterms 2020 anzufügen. Liefer- bzw. Bestimmungsort sind möglichst exakt anzugeben. Es macht einen Unterschied, an welchem Pier, welchem Hafen oder welcher Straße die Ware ankommen soll. Modifikationen sollten so wenig wie möglich und wenn, dann sehr präzise formuliert werden. Schiffsklauseln sind nur für den Schiffstransport sinnvoll. Die Verzollung durch in der EU ansässige Beteiligte beim Ex-/Import aus der/in die EU machen die Klauseln EXW und DDP impraktikabel. Nichteuropäische Käufer bzw. Verkäufer können die die Ware nicht freimachen.

Welche Klauseln gibt es?

Die Klauseln sind folgende:

EXW - Ex Works/Ab Werk

FCA - Free Carrier/Frei Frachtführer

FAS - Free Alongside Ship/Frei Längsseite Schiff

FOB - Free On Board/Frei an Bord

CFR - Cost and Freight/Kosten und Fracht

CIF - Cost, Insurance and Freight/Kosten, Versicherung und Fracht

CPT - Carriage Paid To/Frachtfrei

CIP - Carriage, Insurance Paid To/Frachtfrei versichert

DAP- Delivered At Place/ Geliefert benannter Ort

DPU - Delivered At Place Unloaded/Geliefert benannter Ort entladen

DDP - Delivered Duty Paid/Geliefert verzollt

Die Incoterms® 2020 entsprechen in ihrer Struktur und Einteilung der Vorgängerfassung Incoterms 2010. Die Klausel DAT (Geliefert Terminal) wurde in DPU (Geliefert benannter Ort entladen) geändert.

Manche Klauseln gelten nur für den Schiffstransport, nämlich FAS, FOB, CFR, CIF.

Jede Gruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kosten- und Risikotragung (Gefahrübergang) innerhalb der Gruppe nach dem gleichen Grundprinzip ausgestaltet ist. Während außerdem die Pflichten des Verkäufers mit jeder Gruppe steigen, reduzieren sich diejenigen des Käufers entsprechend.

Drei häufige Klauseln sind:

EXW - Ex Works/Ab Werk ... benannter Ort

Die EXW-Klausel ist die verkäuferfreundlichste Lieferklausel. Sie ist eine reine Abholklausel. Sie bestimmt nur die Mindestverpflichtung des Verkäufers, die Produkte am benannten Ort zur Abholung bereitzustellen. Dem Verkäufer entstehen also keine Transportkosten. Auch das Verladen und Freimachen zur Ausfuhr ist nicht Sache des Verkäufers. Die Ware muss nur verpackt und gekennzeichnet sein.

Die Lieferung EXW macht allerdings keinen Sinn für den Verkäufer, wenn im Ausfuhrstaat die Verzollung durch den ausländischen Käufer nicht möglich ist. Dann wäre die Ware zwar bereitgestellt, könnte aber nicht geliefert werden. Hier ist es sinnvoll, die FCA-Klausel anzuwenden, also Free Carrier/Frei Frachtführer, sodass die Ware im Ausfuhrstaat durch den Verkäufer freigemacht wird und die Lieferung fortgesetzt werden kann.

CIP - Carriage, Insurance Paid To/Frachtfrei versichert ... benannter Bestimmungsort

Sozusagen in der Mitte treffen sich Verkäufer und Käufer mit dieser Klausel. Der Verkäufer muss die Ware dem von ihm benannten Frachtführer liefern. Zusätzlich hat er die Frachtkosten zu übernehmen, um die Ware zum benannten Bestimmungsort zu befördern. Außerdem hat er den Transportversicherungsvertrag (wieder nur mit Mindestdeckung) auf seine Kosten abzuschließen. Die CIP-Klausel verpflichtet den Verkäufer außerdem zur Verpackung und zur Freimachung der Ausfuhr.

DDP - Delivered Duty Paid/Geliefert verzollt ... benannter Bestimmungsort

DDP macht es dem Käufer am einfachsten. Der Verkäufer muss die Ware zur Ausfuhr und auch zur Einfuhr freimachen und am benannten Bestimmungsort auf dem ankommenden Beförderungsmittel unentladen liefern. Der Verkäufer trägt alle Kosten und auch die Gefahr bis zum Eintreffen der Ware an dem benannten Bestimmungsort. Zwischen diesen Klauseln liegen die anderen Klauseln, mit denen die Pflichten zwischen Verkäufer und Käufer verteilt werden, je nach Einzelfall.



Der Kampf um die Deutungshoheit des BREXIT-Handelsabkommens vom 24. Dezember 2020 hat begonnen - wird die englische Limited auch weiterhin in Europa anerkannt?

Zu Heiligabend 2020 haben die Europäische Union und das Vereinigte Königreich doch noch ein Handelsabkommen geschlossen, das die Handelsbeziehungen nach dem Wirksamwerden des BREXIT zum 1. Januar 2021 regelt.

Das Abkommen, das von beiden Seiten noch ratifiziert werden muss, enthält für englische Kapitalgesellschaften (Limited oder plc) mit Niederlassung in der Europäischen Union kein ausdrückliches Anerkenntnis, sondern nur eine insoweit zwiespältige Regelung auf Seite 79:

„Each Party shall accord to investors of the other Party and to covered enterprises treatment no less favourable than that it accords, in like situations, to its own investors and to their enterprises, with respect to their establishment and operation in its territory.“

Vorher heißt es:

“investor of a Party” means a natural or legal person of a Party that seeks to establish, is establishing or has established an enterprise in accordance with point (h) in the territory of the other Party“

“establishment“ means the setting up or the acquisition of a legal person, including through capital participation, or the creation of a branch or representative office in the territory of a Party, with a view to creating or maintaining lasting economic links“

Englische Investoren in Form einer Limited sollen also bei der Gründung einer Zweigniederlassung wie Inländer behandelt werden („Inländerbehandlung“). Aber was heißt das? Dem Prinzip der Inländerbehandlung folgend müssen ausländische und inländische Anbieter grundsätzlich gleichbehandelt werden. Es ist in allen Handelsabkommen der WTO festgeschrieben, für den Warenhandel (Art. III GATT), den Handel mit Dienstleistungen (Art. XVII GATS) und für geistiges Eigentum (Art. III TRIPS). Es betrifft aber grundsätzlich nicht den Bereich des Gesellschaftsstatuts. Vor allem fordert auch das Recht verschiedener Mitgliedstaaten wie Deutschland die Pflicht zur Eintragung einer deutschen Kapitalgesellschaft („Sitztheorie“). Auch eine deutsche GmbH, die mit der Limited aus England vergleichbar ist, muss in Deutschland im Handelsregister eingetragen sein, wenn sie eine Niederlassung begründen will.

Ob die folgende Vorschrift zur Meistbegünstigung

“Each Party shall accord to investors of the other Party and to covered enterprises treatment no less favourable than that it accords, in like situations, to investors of a third country and to their enterprises, with respect to establishment in its territory”

zu einem anderen Ergebnis führt, etwa weil z.B. Deutschland durch den Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zur Anerkennung US-amerikanischer Limited verpflichtet ist, bleibt abzuwarten.

Da in Deutschland niedergelassene Kapitalgesellschaften, die in einer Rechtsform des Vereinigten Königreichs organisiert und gegebenenfalls auch eingetragen sind, nicht mehr dem Anwendungsbereich der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit unterfallen, wird ihnen wohl die Anerkennung ab dem 1. Januar 2021 versagt werden.

Legt man die vom Bundesgerichtshof zur Sitztheorie ergangene Rechtsprechung (z. B.: II ZR 158/06, zuletzt: IX ZR 92/17) zu dem auf nach Drittstaatenrecht gegründeten Gesellschaften zugrunde, dürften die betreffenden Gesellschaften nunmehr als eine der in Deutschland zur Verfügung stehenden Auffangrechtsformen behandelt werden, das heißt als (kaufmännische) offene Handelsgesellschaft (OHG) oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Bei Ein-Personen-Limiteds dürfte das Vermögen ihrem vormaligen Alleingesellschafter zuzurechnen sein. Rechtliche Konsequenz wäre die persönliche Haftung der Gesellschafter oder des Inhabers für Verbindlichkeiten der Gesellschaft.

Für grenzüberschreitende Verschmelzungsvorgänge, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 begonnen wurden, enthält das Umwandlungsgesetz (UmwG) eine Übergangsvorschrift. Es reicht aus, wenn der Verschmelzungsplan rechtzeitig notariell beurkundet wurde. Der Vollzug durch das Handelsregister müsste nun unverzüglich, spätestens aber bis zum 31. Dezember 2022 erfolgen. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz weist darauf hin, dass für den Vollzug eines solchen Umwandlungsvorganges auch staatliche Stellen des Vereinigten Königreichs, insbesondere das britische Companies House, zuständig sind. Deren Mitwirkung ist insbesondere für die Erteilung der sogenannten „Vorabbescheinigung“ erforderlich, was nach Kenntnis der Bundesregierung Schwierigkeiten aufwirft.



Was tun, wenn sich ausländisches Recht im Eilverfahren nicht abschließend ermitteln lässt? Oberlandesgericht Frankfurt zeigt eine praxisgerechte Lösung. Jede Ermittlung gemäß § 293 ZPO wie ein Vollbeweis käme im Regelfall zu spät. Die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) ist auch hier das Mittel der Wahl -Urteil vom 30. Januar 2019 6 W 9/20

„Ist im Eilverfahren der Inhalt des anzuwendenden Rechts aufgrund der Eilbe-dürftigkeit nicht zuverlässig zu ermitteln, ist weder nach deutschem Recht zu entscheiden noch der Antrag unter Darlegungslastgesichtspunkten zurückzu-weisen. Vielmehr ist nach einer lediglich summarischen Schlüssigkeitsprüfung im Rahmen einer Abwägung der Interessen der Parteien zu entscheiden.“

Die Parteien streiten im Eilverfahren um einen wettbewerblichen Unterlassungsanspruch. Die Parteien schlossen einen Franchise-Vertrag hinsichtlich des sog. „MBST“-Therapiesystems für das Gebiet Italien. Mit Kündigungsschreiben vom 02.11.2018 erklärte die Antragstellerin die fristlose Kündigung, hilfsweise die Kündigung zum 31.01.2019. Die Antragsgegnerin betreibt die Webseite „x.it“, auf der sowohl in engli-scher als auch in italienischer Sprache unter der Bezeichnung „Y“ u.a. unter Benutzung verschiedener Lichtbilder der Antragstellerin, bei der die Markenbezeichnungen entfernt wurden, eine Magnetreso-nanztherapie beworben wird, die technisch der der Antragstellerin gleicht, ohne dass die Antragstellerin jedoch erwähnt wird. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin die Beschreibung der Therapie und die Verwendung der Fotos ohne konkreten Hinweis auf die Antragstellerin untersagt werden sollte, mit Beschluss vom 27.12.2019 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sei vor Eingang des Eilan-trages abgelaufen. Lauterkeitsrechtliche Ansprüche scheiterten daran, dass nach Art. 6 I Rom II-VO itali-enisches Recht anwendbar sei. Der hiergegen eingelegten Beschwerde hat das Landgericht nicht abge-holfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Ein Verstoß gegen italienische Wettbe-werbsvorschriften sei nicht hirneichend glaubhaft gemacht. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Verfügungsantrag zu Recht zurückgewiesen, da die Antragstelle-rin weder auf vertraglicher Grundlage noch auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage den begehrten Unter-lassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin geltend machen kann.

Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüche hat das Landgericht zu Recht die Anwendung deutschen Rechts verneint; hinsichtlich des italienischen Rechts vermag der Senat im Eilverfahren keine hinreichend sicheren Feststellungen zu treffen. Das an-wendbare Recht bei lauterkeitsrechtlichem Verhalten bestimmt sich grundsätzlich nach Art. 6 I Rom II-VO. Danach ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Inte-ressen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind. Im Hinblick auf den marktschützenden Charakter der Kollisionsregel beschränkt sich die spezielle Anknüpfung in Art. 6 I auf marktbezogene Verstöße, d.h. Verstöße, die nicht ausschließlich die Interessen eines bestimmten Mitbewerbers berühren. Beeinträch-tigt ein unlauteres Verhalten hingegen ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers, gilt nach Art. 6 II die allgemeine deliktskollisionsrechtliche Regelung des Art. 4, die an den Ort des Scha-denseintritts anknüpft. Unlauteres Wettbewerbsverhalten, das ausschließlich die Interessen eines be-stimmten Wettbewerbers beeinträchtigt, ist nicht denkbar, denn auch bilaterale Wettbewerbshandlun-gen wirken sich im Ergebnis auf den Markt und damit das Allgemeininteresse aus. Daher ist die Ein-schränkung des Art. 6 II nicht wortlautgetreu zu verstehen: Sie erfasst nur gezielt gegen einzelne Mit-bewerber gerichtete Verstöße (BeckOGK/Poelzig/Windorfer, 1.12.2018, Rom II-VO Art. 6 Rn. 94-96). Diesen von Art. 6 Abs. 2 erfassten unternehmensbezogenen Eingriffen fehlt die unmittelbar marktvermittelte Einwirkung auf die geschäftlichen Entscheidungen der Marktgegenseite, die eine Sonderanknüpfung ausschließt. Ist allerdings ein unternehmensbezogener Eingriff mit marktvermittelten Einwirkungen auf die geschäftlichen Entscheidungen der ausländischen Marktgegenseite verbunden, so bleibt Art. 6 I Rom II-VO anwendbar (BGH GRUR 2010, 847 Rn. 19 - Ausschreibung in Bulgarien; BGH WRP 2014, 548 Rnr. 37, 38 - englischsprachige Pressemitteilung; BGH WRP 2017, 434 Rnr. 43 - World of Warcraft II; BGH WRP 2018, 1081 Rnr. 23 - goFit; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., Einleitung, Rnr. 5.31 ff). Dazu gehört u.a. auch die Behinderung eines Mitbewerbers bei seinen Kunden oder das Angebot von Pro-duktnachahmungen unter Täuschung über die betriebliche Herkunft (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., Einleitung, Rnr. 5.32). In diesen Fällen wird auf die Verbraucher unlauter eingewirkt, ins-besondere deren Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung oder deren Entscheidungsfreiheit beein-trächtigt wird. c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Landgericht zu Recht von der Anwend-barkeit italienischen Rechts ausgegangen. (1) Mit dem Landgericht geht der Senat zunächst davon aus, dass Marktort im Sinne von Art. 6 I Rom II - VO Italien ist. Die Webseite www.x.it richtet sich ganz offen-sichtlich an den italienischen Markt. Dies wird nicht nur durch die First-Level-Domain „.it“ (Italien) deut-lich, sondern auch durch die Tatsache, dass der die Domain bildende Begriff „x“ der italienischen Spra-che entstammt und übersetzt „Schau in mich“ bedeutet. Hinzu kommt der in italienischer Sprache ge-haltene Inhalt. … d) Der Senat sieht sich nicht in der Lage, auf den vorliegenden Fall italienisches Wett-bewerbsrecht anzuwenden. Die Antragstellerin hat zwar in der Beschwerde § 2598 und 2599 des italieni-schen Zivilgesetzbuches vorgelegt, ohne jedoch zu Systematik und Auslegung vorzutragen. Einziger An-satzpunkt ist die Generalklausel in § 2598 III des italienischen Zivilgesetzbuches, die aufgrund ihrer Un-bestimmtheit und Weite ohne Kenntnis der hierzu ergangenen Rechtsprechung für den Senat keine Grundlage für eine Entscheidung sein kann. Hinzu kommt, dass es sich bei § 4 Nr. 4 UWG um nicht har-monisiertes Recht handelt, so dass nicht gewährleistet ist, dass eine entsprechende Rechtsanwendung - und sei es nur den Grundzügen nach - auch in Italien erfolgt. Über weitergehende Erkenntnisquellen verfügt der Senat nicht. Der Senat wäre daher gehalten, insoweit im Rahmen von § 293 ZPO Beweis zu erheben. Für das Eilverfahren ist eine solche Beweiserhebung jedoch grundsätzlich ungeeignet, da die damit einhergehende Verzögerung mit dem Charakter des Eilverfahrens unvereinbar ist (Sommerlad, NJW 1991, 1377) e) Die Frage, wie einer derartigen Sondersituation im Eilverfahren umzugehen ist, ist um-stritten. (1) Teilweise wird die Ansicht vertreten, in allen Fällen, in denen das ausländische Recht nicht sofort ermittelt werden kann, auf dem Weg der lex fori generell auf das deutsche Recht zurückzugreifen (MüKoBGB/Sonnenberger Einl. zum IPR Rnr. 449; MüKoUWG-Mankowski, Teil II.5, Rnr. 131; BeckOK-Bacher, ZPO, 35. Edition, § 293, Rnr. 24). Diese Lösung ist problematisch, weil sie die kollisionsrechtlichen Regelungen ohne rechtliche Grundlage außer Kraft setzt und somit zur Anwendung eines eigentlich nicht anwendbaren Rechts führt. Zudem hat der Gesetzgeber - in Kenntnis entsprechender gesetzlicher Regelungen in der Schweiz und Österreich von der Einführung einer vergleichbaren Regelung in Deutschland abgesehen. De lege ferenda ist nicht zu bezweifeln, dass eine Norm, wie sie das österrei-chische und das schweizerische Recht kennen, eine praktikable Lösung wäre. Sie bedürfte freilich auch im deutschen Recht einer eindeutigen Normierung, an der es fehlt (MüKo-Prütting, ZPO, 5. Aufl., § 293, Rnr. 66). (2) Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass in derartigen Fällen die Antragstellerin als „beweis-fällig“ anzusehen ist (Nagel/Gottwald, S. 376; Schütze, S. 186; Geimer, Rnr. 2593), was der Senat indes ablehnt. Für den Inhalt ausländischen Rechts gibt es keine Beweislast im eigentlichen Sinn (Zöller-Geimer, § 293 Rnr. 16; Küppers, NJW 1976, 489; Sommerlad, NJW 1991, 1377). Diejenige Partei, die sich auf das Bestehen eines ausländischen Rechtssatzes beruft, muss die Existenz und den Inhalt eines be-stimmten ausländischen Rechtssatzes im Bestreitensfall nicht beweisen und trägt daher grundsätzlich auch nicht das Risiko, im Falle der Nichtbeweisbarkeit mit dem Anspruch abgewiesen zu werden. Viel-mehr sollte die Rechtspflicht des Gerichts, das ausländische Recht zu ermitteln, durch ein Misslingen der von der Partei angebotenen Nachweise unberührt bleiben. - Seite 8 von 8 - (3) Eine dritte Auffassung (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 293, Rnr. 57; Schack IPRax 1995, 158, 161; OLG Hamburg, IPrax 1990, 400 ff.), der der Senat folgt, sucht die Lösung des Problems darin, dass die Rechtsprüfung im Verfahren des vor-läufigen Rechtsschutzes in Form einer summarischen Schlüssigkeitsprüfung durchgeführt wird, die die wahre materielle Rechtslage weitgehend offenlässt. Da in einem solchen Fall die Richtigkeitsgewähr der Entscheidung erheblich reduziert ist, soll eine Abwägung der Interessen von Antragsteller und Antrags-gegner hinzutreten. Unter Zugrundelegung der oben dargestellten Probleme des Senats bei einer auch nur summarischen Prüfung der Rechtslage sind daher die Interessen von Antragstellerin und Antrags-gegnerin hier abzuwägen. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die An-tragsgegnerin selbst im Hinblick auf die weitere Nutzung des Zeichens „MBST“ abgemahnt hatte. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin die MBST-Therapie weiter unter Nennung der Marke und Therapieform der Antragstellerin unter mbst.terapia.it bewirbt, obwohl sie hierzu nach Ende des Vertrages nicht mehr verpflichtet wäre; dies relativiert den Vorwurf der Behinderung des Markteintritts in Italien für die Antragstellerin. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Kern des Angriffs der Antragstellerin dagegen richtet, dass die Antrags-gegnerin die Technik der Magnetresonanztherapie bewerben, ohne darauf aufmerksam zu machen, dass die Antragstellerin die Technologie „erfunden habe“.



Verjährungsregeln sind keine Eingriffsnormen - Europäischer Gerichtshof vom 30. Januar 2019 C-149/18

1. Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) ist dahin auszulegen, dass eine nationale Rechtsvorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die eine dreijährige Verjährungsfrist für die Klage auf Ersatz der aus einem Schadensereignis resultierenden Schäden vorsieht, nicht als Eingriffsnorm im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann, es sei denn, das angerufene Gericht stellt auf der Grundlage einer ausführlichen Analyse des Wortlauts, der allgemeinen Systematik, des Telos sowie des Entstehungszusammenhangs dieser Vorschrift fest, dass ihr in der innerstaatlichen Rechtsordnung eine derartige Bedeutung zukommt, dass ein Abweichen von dem gemäß Art. 4 dieser Verordnung anwendbaren Recht als gerechtfertigt erscheint.

2. Art. 27 der Verordnung Nr. 864/2007 ist dahin auszulegen, dass Art. 28 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht in der in innerstaatliches Recht umgesetzten Form keine Vorschrift des Unionsrechts im Sinne dieses Art. 27 darstellt, die Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthält.

Der Europäische Gerichtshof bestätigt seine restriktive Auslegung zur Eingriffsnorm auch für außervertragliche Schuldverhältnisse. Er lässt dem einzelnen Mitgliedstaat damit Raum, eigene Regelungen zu finden, die von denen eines anderen Mitgliedstaats abweichen. Insbesondere führt er aus: „Während der … Begriff „Eingriffsnormen“ im Kontext dieser Verordnung nicht definiert wird, definiert Art. 9 Abs. 1 der Rom I-Verordnung die Eingriffsnorm als zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen.

Da das Erfordernis der Kohärenz bei der Anwendung der Verordnungen Rom I und Rom II (Urteil vom 21. Januar 2016, ERGO Insurance und Gjensidige Baltic, C 359/14 und C 475/14, EU:C:2016:40, Rn. 43) für eine möglichst weitgehende Harmonisierung der Auslegung der funktional identischen Begriffe in diesen beiden Verordnungen spricht, ist davon auszugehen, dass ungeachtet des Umstands, dass die Rom II-Verordnung in bestimmten Sprachfassungen eine andere Terminologie als die Rom I-Verordnung verwendet, die „Eingriffsnormen“ im Sinne des Art. 16 der Rom II-Verordnung der Definition der „Eingriffsnormen“ nach Art. 9 der Rom I-Verordnung entsprechen, so dass die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung des letzteren Begriffs auch für die „Eingriffsnormen“ des Art. 16 der Rom II-Verordnung gilt.

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Übereinkommen von Rom festgestellt hat, dass die Ausnahme aufgrund des Bestehens einer „zwingenden Vorschrift“ im Sinne des Rechts des betroffenen Mitgliedstaats eng auszulegen ist (Urteil vom 17. Oktober 2013, Unamar, C 184/12, EU:C:2013:663, Rn. 49).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss das nationale Gericht in diesem Zusammenhang im Rahmen seiner Prüfung des „zwingenden“ Charakters der nationalen Vorschriften, die es anstelle des ausdrücklich von den Vertragsparteien gewählten Rechts anzuwenden gedenkt, nicht nur den genauen Wortlaut dieser Vorschriften, sondern auch deren allgemeine Systematik sowie sämtliche Umstände, unter denen diese Vorschriften erlassen wurden, berücksichtigen, um zu dem Schluss gelangen zu können, dass es sich insoweit um zwingende Vorschriften handelt, als der nationale Gesetzgeber sie offenbar erlassen hat, um ein von dem betroffenen Mitgliedstaat als wesentlich angesehenes Interesse zu schützen (Urteil vom 17. Oktober 2013, Unamar, C 184/12, EU:C:2013:663, Rn. 50).

Entsprechend ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht bei der Bestimmung, ob eine „Eingriffsnorm“ im Sinne von Art. 16 der Rom II-Verordnung vorliegt, auf der Grundlage einer ausführlichen Analyse des Wortlauts, der allgemeinen Systematik, des Telos sowie des Entstehungszusammenhangs dieser Vorschrift festzustellen hat, ob ihr in der innerstaatlichen Rechtsordnung eine derartige Bedeutung zukommt, dass ein Abweichen von dem gemäß Art. 4 dieser Verordnung anwendbaren Recht als gerechtfertigt erscheint.“



Schadensersatzanspruch bei Verletzung einer Gerichtsstandvereinbarung durch Klage vor einem US-amerikanischen Gericht - Bundesgerichtshof vom 17. Oktober 2019 – III ZR 42/19

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass einem Vertragspartner ein Anspruch auf Ersatz der Kosten zustehen kann, wenn er entgegen der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands in Deutschland vor einem US-amerikanischen Gericht verklagt worden ist.

Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen. Die Beklagte hat ihren Sitz in Bonn, die Klägerin ist in Washington D.C. ansässig. Sie sind durch ein "Internet Peering Agreement" verbunden, nach dem sie wechselseitig verpflichtet sind, den Datenverkehr der jeweils anderen Partei an sogenannten Peering-Punkten aufzunehmen, in ihrem Netzwerk an die darüber angeschlossenen Kunden weiter zu transportieren und dabei für die erforderliche Übertragungskapazität an den Peering-Punkten innerhalb ihrer Netzwerke zu sorgen. Der Vertrag enthält die Vereinbarung, dass deutsches Recht anwendbar und Gerichtsstand Bonn ist.

Nachdem Bestrebungen der Klägerin, die Aufstockung von Übertragungskapazitäten zu erreichen, erfolglos geblieben waren, erhob sie im Jahr 2016 Klage vor einem Bundesgericht in den USA, mit der sie die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten begehrte. Dieses Gericht wies die Klage aufgrund der Gerichtsstandvereinbarung wegen fehlender Zuständigkeit ab. Eine Kostenerstattung findet in den USA nach der "American Rule of Costs" grundsätzlich nicht statt. Das Bundesgericht ordnete eine solche auch nicht an.

Die Klägerin erhob nunmehr eine inhaltlich entsprechende Klage vor dem Landgericht Bonn. Mit der Widerklage verlangt die Beklagte Ersatz der ihr durch die Verteidigung gegen die Klage vor dem District Court entstandenen Kosten, die sie auf 196.118,03 USD beziffert.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Klägerin hat beschränkt auf die Widerklage Berufung eingelegt. Auf diese hat das Oberlandesgericht die Widerklage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurückverwiesen.

Die Vereinbarung des Gerichtsstands in Bonn und der Geltung deutschen Rechts ist dahin auszulegen, dass die Parteien verpflichtet sind, Klagen aus dem Vertrag nur in diesem Gerichtsstand zu erheben und widrigenfalls - jedenfalls soweit das angerufene Gericht, wie das amerikanische Bundesgericht, seine Unzuständigkeit erkannt hat, der anderen Partei die dadurch entstandenen Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung zu erstatten.

Mit einer solchen Vereinbarung haben die Parteien ihr Interesse zum Ausdruck gebracht, Rechtsstreitigkeiten sowohl in materiell-rechtlicher als auch in prozessualer Hinsicht planbar zu machen. Mit ihr wollen gerade die im internationalen Rechtsverkehr tätigen Vertragsparteien Rechtssicherheit schaffen und (auch wirtschaftliche) Prozessrisiken berechenbar machen. Sie bezwecken mit der Festlegung auf einen konkreten Gerichtsort die Auswahl eines bestimmten Gerichtsstands und wollen insbesondere ein nachträgliches "forum shopping" durch eine Vertragspartei verhindern. Dieser Zweck, Streitigkeiten über die Zuständigkeit und damit auch unnötige Kosten für die Anrufung eines unzuständigen Gerichts zu vermeiden, kann, wenn er durch die Anrufung eines Gerichts unter Verstoß gegen die Vereinbarung konterkariert wird, nur dadurch verwirklicht werden, dass der dadurch belasteten Partei ein Anspruch auf Kostenerstattung zugestanden wird. Mit der Vereinbarung deutschen Rechts insgesamt haben die Parteien zudem sowohl den aus § 280 Abs. 1 BGB folgenden allgemeinen Grundsatz anerkannt, dass eine Nichtbeachtung vertraglicher Pflichten, namentlich auch die pflichtwidrige Anrufung eines Gerichts, einen Ersatzanspruch begründen kann, als auch das Prinzip, dass eine in einem Zivilrechtsstreit unterliegende Partei der anderen zur Erstattung der zur Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten verpflichtet ist. Dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein in der Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte grundsätzlich keine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden kann, steht dem nicht entgegen. Dieser Grundsatz schützt den verfassungsrechtlich gewährleisteten freien Zugang zu staatlichen Gerichten. Dieser Zugang wird durch das Risiko der Pflicht zur Kostenerstattung, das jeder Klageerhebung innewohnt, nicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt.

Mit ihrer Klage vor dem Bundesgericht in den USA hat die Klägerin diese Verpflichtungen schuldhaft verletzt und sich daher schadensersatzpflichtig gemacht.


Zur Pfändung eines Anteils an einer Limited Liability Partnership (LLP) britischen Rechts - Bundesgerichtshof vom 3. April 2019, VII ZB 24/17

Die Gläubiger betreiben die Pfändung des Anteils an der Drittschuldnerin, eine nach britischem Recht auf Grundlage des Limited Liability Partnerships Act 2000 (LLPA) gegründete Limited Liability Partnership (LLP) mit Sitz in Großbritannien und einer Zweigniederlassung in Frankfurt am Main, über die sie ihre Geschäftstätigkeit ausübt. Ihre Gesellschafter sind u. a. der Schuldner.

Die gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gerichteten Erinnerungen u. a. des Schuldners, sind als unbegründet zurückgewiesen worden. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wollen die Beschwerdeführer weiterhin die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erreichen.

Die Rechtsbeschwerden bleiben ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof führt aus:

„Die internationale Zuständigkeit, die der Senat uneingeschränkt überprüfen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 9/05, NJW-RR 2006, 198, juris Rn. 11), folgt grundsätzlich der örtlichen Zuständigkeit (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 1224), die im Streitfall gemäß § 857 Abs. 1, § 828 Abs. 2 ZPO am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners in K. begründet ist.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Pfändung und Überweisung einer Forderung oder eines anderen Vermögensrechts setzt allerdings, wovon das Beschwerdegericht zu Recht ausgeht, voraus, dass die Zwangsvollstreckung in Vermögen erfolgen soll, das sich im Inland befindet, denn nur darauf kann in völkerrechtlich zulässiger Weise staatliche Zwangsgewalt ausgeübt werden ("Territorialprinzip", vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 120/09 Rn. 13, NJW-RR 2011, 647; Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 9/05, NJW-RR 2006, 198, juris Rn. 15; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 3200; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., § 19 Rn. 4, 79 ff.).

Die Frage, ob ein Gegenstand in diesem Sinne im Inland belegen ist, ist nach nationalem Recht (lex fori) zu beantworten (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 3211). Hierbei ist darauf abzustellen, ob ein hinreichender Anknüpfungspunkt für den Inlandsbezug besteht (vgl. zur Forderungsvollstreckung: BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 9/05, NJW-RR 2006, 198, juris Rn. 15; vgl. ferner Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 3211; Domej, Internationale Zwangsvollstreckung und Haftungsverwirklichung, S. 250 ff.; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung, S. 152 ff.). Ein solcher ist im Streitfall gegeben, weil alle Beteiligten, also der Schuldner, die betroffene Gesellschaft und der einzige Mitgesellschafter, ihren Wohnsitz beziehungsweise ihre Zweigniederlassung im Inland haben (sogenannte doppelte Belegenheit, vgl. hierzu Schall, WM 2011, 2249 f.; vgl. im Übrigen Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., § 19 Rn. 96; Gottwald, IPRax 1991, 285, 290; vgl. auch OLG Oldenburg, Urteil vom 25. April 1995 - 1 U 161/94, IPRax 1997, 338, 340).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Frage der Belegenheit des Vollstreckungsgegenstands nicht wegen der europarechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 und 54 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden AEUV) abweichend zu beantworten. Die Niederlassungsfreiheit wird etwa tangiert bei der Entscheidung über die Eintragung einer Zweigniederlassung (vgl. EuGH, NJW 1999, 2027, juris Rn. 39 - Centros), über die Anerkennung der Rechts- und Partei-fähigkeit einer Gesellschaft (vgl. EuGH, NJW 2002, 3614, juris Rn. 82 - Überseering) oder über die Voraussetzungen für die Errichtung einer Zweigniederlassung (vgl. EuGH, NJW 2003, 3331, juris Rn. 105, 141 - Inspire Art). Hingegen ist sie nicht berührt bei der Frage, in welchem Staat der in einem Gesellschaftsanteil verkörperte Vermögensgegenstand belegen ist und ob deswegen dieser Staat Vollstreckungsgewalt ausüben kann. Diese Frage betrifft nicht die nach dem Gesellschaftsstatut (sog. Gründungstheorie) zu beurteilenden Voraussetzungen, unter denen eine im EU-Ausland gegründete Gesellschaft im Inland tätig werden darf, sondern die Zuständigkeit inländischer Gerichte und ist daher als Frage des Prozessrechts nach der lex fori zu beantworten (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2017 - IV ZR 551/15 Rn. 10, BGHZ 216, 358; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - IX ZB 46/13 Rn. 4; Urteil vom 7. November 2012 - VIII ZR 108/12 Rn. 27, BGHZ 195, 243; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 319).

Der (angebliche) Gesellschaftsanteil des Schuldners an der Drittschuldnerin zu 3 kann in entsprechender Anwendung des § 859 Abs. 1 Satz 1 ZPO gepfändet werden.

Die Pfändbarkeit eines Vermögensgegenstands, mithin auch eines Anteils an einer ausländischen Gesellschaft, ist grundsätzlich nach dem gemäß der lex fori maßgeblichen innerstaatlichen Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht zu beurteilen (Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 7. Aufl., Rn. 1065; Geimer, Internationales Zivilverfahrensrecht, 7. Aufl., Rn. 319, 3285; Domej in Hess, Die Anerkennung im Internationalen Zivilprozessrecht - Europäisches Vollstreckungsrecht, S. 109, 120; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung, S. 233 ff., 240 ff.; MünchKommBGB/Kindler, Band 12, Teil 10 Rn. 589; Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht in der Praxis, Rn. 323; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, 23. Aufl., § 859 Rn. 29).

Das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht enthält keine Regelung über die Pfändung des Anteils an einer ausländischen Gesellschaft, namentlich einer LLP. Deshalb ist diejenige Vorschrift hierauf entsprechend anzuwenden, die ihrem Inhalt nach die Rechtsnatur und Struktur der LLP am ehesten erfasst. Das ist die ihrem Wortlaut nach für die Pfändung von Gesamthandanteilen, insbesondere an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB), geltende Bestimmung des § 859 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Nach deutschem Recht können grundsätzlich nur Vermögensrechte des Schuldners gepfändet werden, welche übertragbar sind oder einem anderen zumindest zur Ausübung überlassen werden können (vgl. § 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1 und 3 ZPO). Hierzu zählen frei veräußerliche Geschäftsanteile an Gesellschaften wie der GmbH, § 15 Abs. 1 GmbHG, nicht jedoch Anteile, die einer gesamthänderischen Bindung unterliegen, wie regelmäßig an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, § 719 BGB.

Das deutsche Recht ermöglicht mit § 859 Abs. 1 Satz 1 ZPO jedoch die Pfändung des Anteils an dem Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, also des Wertrechts, das die zum Gesellschaftsanteil gehörenden Vermögensrechte repräsentiert (BGH, Urteil vom 21. April 1986 - II ZR 198/85, BGHZ 97, 392, juris Rn. 10). Der Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich auch auf andere Personengesellschaften wie die offene Handelsgesellschaft oder die Kommanditgesellschaft (vgl. MünchKommZPO/Smid, 5. Aufl., § 859 Rn. 25). Die Pfändung des Gesellschaftsanteils erfasst danach die Gesamtheit der aus dem Gesellschaftsverhältnis folgenden abtretbaren und pfändbaren wirtschaftlichen Rechte und Ansprüche des Gesellschafter-Schuldners gegen die Gesellschaft. Pfändung und Überweisung ermächtigen den Gläubiger zudem zu allen im Recht des Schuldners begründeten, der Befriedigung dienenden Maßnahmen, etwa zur Kündigung nach § 725 BGB, § 135 HGB oder § 9 Abs. 2 PartGG zwecks Realisierung des Auseinandersetzungsguthabens (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1991 - IX ZR 270/90, BGHZ 116, 222, juris Rn. 22). § 859 Abs. 1 Satz 1 ZPO regelt mithin das typisch personengesellschaftsrechtliche Problem, dass einerseits eine Vollstreckung in den im Gesellschaftsanteil verkörperten Vermögenswert zu Gunsten des Vollstreckungsgläubigers grundsätzlich möglich sein muss, die Gläubiger des Gesellschafters also nicht darauf beschränkt sein dürfen, die laufenden Gewinn- und ähnliche Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis zu verwerten, andererseits die Gesellschafter in der Regel ein schützenswertes Interesse daran haben, dass Dritte sich nicht als Gesellschafter aufdrängen. Die Vorschrift ermöglicht deshalb eine Vollstreckung, ohne dass eine Übertragung des Gesellschaftsanteils auf den Gläubiger oder - wie bei der GmbH - im Wege der Veräußerung des Gesellschaftsanteils nach § 857 Abs. 1 und 5, § 844 ZPO auf Dritte stattfinden muss, was bei einer Personengesellschaft nur ausnahmsweise in Frage kommt (vgl. Henssler/Strohn/Kilian, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 725 BGB Rn. 3; BeckOK ZPO/Riedel, Stand: 1. Dezember 2018, § 859 Rn. 11; MünchKommZPO/Smid, 5. Aufl., § 859 Rn. 14).

Bei der LLP handelt es sich nach der Konzeption des britischen Rechts zwar um eine eigenständige juristische Person und eine Art Kapitalgesellschaft. Sie ist allerdings, was für das Verhältnis der Gesellschafter untereinander und zu ihren Gläubigern maßgeblich ist, im Innenverhältnis weitgehend als Personengesellschaft ausgestaltet. Dies hat das Beschwerdegericht unangegriffen festgestellt.

Diese Gesellschaftsform hat im deutschen Recht keine Entsprechung. Ihre einer Personengesellschaft vergleichbare prägende Struktur rechtfertigt es indes, § 859 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprechend anzuwenden, mit der Folge, dass der pfändende Gläubiger die zur Realisierung des im Gesellschaftsanteils verkörperten Vermögenswerts bestehenden, sich aus dem Sachstatut ergebenden Rechte geltend machen kann. Die Gesellschafter einer LLP haben - wie bei der Personengesellschaft nach deutschem Recht - in der Regel ein schützenswertes Interesse daran, dass Dritte sich nicht gegen ihren Willen in die Gesellschafterstellung hineindrängen.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde stehen der Anwendung von § 859 Abs. 1 ZPO auch Art. 49 und 54 AEUV nicht entgegen, denn es handelt sich nicht um Vorschriften, die die Gründung einer Gesellschaft in einem bestimmten Mitgliedstaat oder ihre spätere Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat und somit die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit betreffen (vgl. EuGH, NJW 2016, 223, juris Rn. 28). Vielmehr regeln die Vorschriften die Frage einer Vollstreckung gegen einen Gesellschafter der LLP und berühren ihren Bestand als juristisch eigenständige Person grundsätzlich nicht.

Der danach gepfändete Gesellschaftsanteil konnte gemäß § 857 Abs. 1, § 835 Abs. 1 Var. 1, § 836 Abs. 1 ZPO an die Gläubigerin zur Einziehung überwiesen werden.“


In Deutschland wirksam begründetes Sicherungseigentum bleibt in Österreich erhalten – Oberster Gerichtshof vom 23. Januar 2019, 3 Ob 249/18s

Bereits eine sich am Wortlaut und Normzweck orientierende Auslegung der §§ 7, 31 österr. IPRG kann den Untergang eines in Deutschland wirksam begründeten Eigentums durch den Import der Sache nach Österreich nicht begründen.

Der deutsche Kläger gewährte seinem Sohn, dem Betreiber eines Lokals in Vorarlberg, ein Darlehen und ließ sich sicherungshalber das Eigentum an der Registrierkasse des Lokals und an einem PKW einräumen. Im Zuge der von den Beklagten gegen den Sohn eingeleiteten Zwangsvollstreckung wurden diese beiden Gegenstände in Österreich gepfändet.

Dagegen richtet sich die Exszindierungsklage des Klägers mit dem wesentlichen Vorbringen, dass er an den beiden Gegenständen in Deutschland nach den anzuwendenden deutschen gesetzlichen Bestimmungen wirksam Sicherungseigentum erworben habe. Der Umstand, dass die Gegenstände von einem EU-Staat (Deutschland) in einen anderen EU-Staat (Österreich) verbracht wurden, ändere nichts an den rechtswirksam zu Stande gekommenen Eigentumsverhältnissen.

Die Beklagten wandten ein, dass durch eine in Deutschland (nur) mit einem Besitzkonstitut vereinbarte Sicherungsübereignung in Österreich nicht wirksam Sicherungseigentum begründet werden könne bzw. diese Form der Sicherungsübereignung in Österreich nicht anerkannt werde.

Die Vorinstanzen gingen von einer (in Deutschland) wirksamen Eigentumsbegründung durch Besitzkonstitut aus und wiesen die Klage unter Hinweis auf die Entscheidung 3 Ob 126/83 ab. Demnach besteht ein im Ausland wirksam erworbenes Sicherungseigentum an beweglichen Sachen nach deren Verbringung nach Österreich nicht mehr, wenn die zu seinem Weiterbestehen im Inland geforderten Publizitätserfordernisse fehlen.

Der Oberste Gerichtshof gab der dagegen erhobenen Revision des Klägers im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags statt und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Der Senat erachtete die im Schrifttum gegen die Unionsrechtskonformität eines Ergebnisses im Sinne der Entscheidung 3 Ob 126/83 geäußerten Bedenken für beachtlich. Die dadurch indizierte Einschränkung der Kapitalmarkt- und Warenfreiheit lässt sich prima vista schwer rechtfertigen. Die Frage der Unionsrechtskonformität musste jedoch nicht abschließend geklärt werden.

Bereits eine sich am Wortlaut und Normzweck orientierende Auslegung der §§ 7, 31 österr. IPRG kann den Untergang eines in Deutschland wirksam begründeten Eigentums (bloß) durch den Import der Sache nach Österreich nicht begründen, sodass eine Verletzung des Unionsrechts in diesem Zusammenhang ausgeschlossen ist. Der Erwerb dinglicher Rechte an körperlichen Sachen ist gemäß § 31 Abs. 1 österr. IPRG nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sich die Sachen bei Vollendung des dem Erwerb oder Verlust zugrundeliegenden Sachverhalts befinden. Das IPRG geht bei der Sicherungsübereignung von der Anwendbarkeit der lex rei sitae aus. Bei der Auslegung von § 31 Abs. 1 österr. IPRG ist darauf abzustellen, ob bereits Vollendung gegeben ist, also ein abgeschlossener Tatbestand vorliegt. Mit einer wirksamen Begründung des Sicherungseigentums im Ausland ist der der dinglichen Rechtsgestaltung zugrundeliegende Tatbestand bereits vollendet. Ein Erlöschen eines in Deutschland mit Besitzkonstitut wirksam zur Sicherung übertragenen Eigentums durch Transport kann daher nicht auf § 31 Abs. 1 österr. IPRG gestützt werden, weil die nachträgliche Änderung der für die Anknüpfung an eine bestimmte Rechtsordnung maßgebenden Voraussetzungen auf bereits vollendete Tatbestände keinen Einfluss hat.

Nach den getroffenen Feststellungen kann allerdings nicht – wie von den Vorinstanzen angenommen – gesichert davon ausgegangen werden, dass das Eigentum in Deutschland tatsächlich wirksam begründet wurde. Die bisherigen Feststellungen decken zwar eine entsprechende Vereinbarung samt Besitzkonstitut. Es bleibt aber offen, ob sich die Gegenstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses überhaupt in Deutschland befanden. Für die Frage eines wirksamen Eigentumserwerbs nach deutschen Recht kommt es i.V.m. § 31 österr. IPRG aber entscheidend darauf an, ob die Sicherungsübereignung durch Besitzkonstitut zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als der PKW bzw. die (dem 340 km vom Vertragsort entfernten Lokal des Sohnes in Österreich zugeordnete) Registrierkasse tatsächlich in Deutschland waren. Dafür ist der Kläger beweispflichtig.

Das Erstgericht wird das Beweisverfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen und anschließend neuerlich zu entscheiden haben.


Europäischer Gleichlauf

Teil 1: Umwandlungen von Gesellschaften über die Grenze hinweg

Bisher war nur die Verschmelzung von Gesellschaften mit Richtlinie 2005/56/EG, in Deutschland umgesetzt in §§ 122a ff. UmwG Europa einheitlich geregelt. Bei anderen Umwandlungen wie Spaltung oder Formwechsel galt es, unter Berufung auf die vom EuGH garantierte Freizügigkeit („SEVIC, VALE, POLPUD“) analog vorzugehen. Rechtssicherheit sieht anders aus.

Die Umwandlung, Spaltung und Verschmelzung von Gesellschaften soll zukünftig innerhalb der EU leichter möglich sein. Dazu konnten der Rat und das Parlament zum Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften COM(2018) 241 am 13. März 2019 eine vorläufige Einigung erzielen. Konfliktpunkte bestanden zuletzt hinsichtlich der genauen Ausgestaltung von Schutzvorschriften für Gesellschafter, Gläubiger und Beschäftigte. Die Rechte der Letzteren wurden nun gestärkt; insbesondere sieht der Kompromiss bessere Informations- und Beteiligungsrechte für die Beschäftigten vor. Im Vergleich zur derzeitigen Situation mit uneinheitlichen Vorschriften und mangelnder Rechtssicherheit wird dies den Schutz der Beteiligten erheblich verbessern.

Auch am Konzept der „künstlichen Gestaltungen“ soll festgehalten werden. Über den zweiten zum Gesellschaftsrechtspaket gehörenden Richtlinienvorschlag zum Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht COM(2018) 239 einigten sich Rat und Parlament bereits am 4. Februar 2019. Im April wird wohl über beide Richtlinienvorschläge zusammen im Plenum des EU-Parlaments abgestimmt. Danach muss auch der Rat die Einigung noch formell bestätigen.


Teil 2: Vorlagebeschluss des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs (KZR 66/17 vom 11.12.2018) zum Europäischen Gerichtshof zum Umfang des deliktischen Gerichtsstands nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO

Das Kollisionsrecht wurde in Europa nicht zuletzt durch die Rom II VO vereinheitlicht. Dort wird in Art. 6 ausdrücklich das anwendbare Recht bei der unlauterem Wettbewerb und den freien Wettbewerb einschränkendem Verhalten geregelt. Anders, nämlich ungenauer ist die Situation im internationalen Zivilprozessrecht, also vor allem nach der Brüssel Ia-VO. Hier kollidieren die Zuständigkeit in Art. 7 Nr. 1 bei vertraglichen Regelungen mit der Zuständigkeit bei deliktischen Regelungen in eben Art. 7 Nr. 2. In seiner letzten Entscheidung hatte der EuGH dem Gerichtsstand gemäß vertragliche Regelung in Art. 7 Nr. 1 den Vorzug gegeben: ,,…, wenn eine Auslegung des Vertrages unerlässlich erscheint, um zu klären, ob ein streitgegenständliches Verhalten rechtmäßig oder widerrechtlich ist.“ (EuGH, 13.03.2014 - C-548/12 -Brogsitter). Im Kartellrecht spielen fast immer vertragliche Regelungen unter den Parteien eine Rolle, sodass hier der deliktische Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 oft leerliefe. Insoweit fragt sich, ob die kartellrechtliche Frage nicht nach dem Recht am Gerichtsstand beurteilt werden sollte.

Der Bundesgerichtshof legt vor folgende Frage:

„Ist Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. Nr. L 351 vom 20. Dezember 2012) dahin auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung für eine auf Unterlassung bestimmter Verhaltensweisen gerichtete Klage eröffnet ist, wenn in Betracht kommt, dass das beanstandete Verhalten durch vertragliche Regelungen gedeckt ist, der Kläger aber geltend macht, dass diese Regelungen auf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung des Beklagten beruhen?“

Wir dürfen gespannt sein, was der Europäische Gerichtshof antworten wird.


Nicht-EU-ausländisches Gericht der Hauptsache im einstweiligen Verfügungsverfahren - notzuständiges Amtsgericht Nürtingen, Beschluss vom 9. Oktober 2018 16 C 2892/18

Der Sachverhalt wirkt banal:

In einem Liefervertrag hatten die Parteien Exklusivität für verschiedene Produkte festgelegt. Anwendbares Recht soll das Recht eines Drittstaates außerhalb der EU sein. In diesem Drittstaat soll auch der Gerichtsstand sein. Art. 3 Rom I und Art. 25 Brüssel Ia lassen sowohl Rechts- als auch Gerichtsstandswahl verhältnismäßig problemlos zu.

Ein unter die Exklusivität fallendes Produkt befindet sich im Gerichtssprengel des Amtsgerichts Nürtingen und soll dort sequestriert werden. Gemäß § 942 ZPO erlässt das Amtsgericht die begehrte einstweilige Verfügung und verlangt Ladung des Gegners zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der Verfügung bei dem Gericht der Hauptsache zu beantragen. Wo ist das Gericht der Hauptsache? Gilt die Derogation an das Gericht des Drittstaates? Soll die Hauptsache vor dem nach deutschem Recht zuständigen Landgericht Stuttgart verhandelt werden?

Das Amtsgericht entscheidet sich für das Gericht des Drittstaates als zuständiges Gericht und verlangt demgemäß die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens dort.

Nach Art. 35 Brüssel Ia gelten die Zuständigkeitsvorschriften gemäß Art. 4 ff. Brüssel Ia nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren. Demnach kann es zum Auseinanderfallen von Hauptsachezuständigkeit im Ausland und Eilzuständigkeit für das Verfügungsverfahren im Inland kommen. So auch hier: Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist Hauptsachegericht im Verfügungsverfahren das Landgericht Stuttgart und nicht das mit Gerichtsstandsvereinbarung festgelegte Gericht der Hauptsache im Ausland, was vorliegend auch elf Flugstunden entfernt ist. Eine denkbar ungeeignete Zuständigkeit zur Überprüfung eines amtsgerichtlichen Urteils. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist auch nur schwer vorstellbar, wie dieses Gericht eines Drittstaates im Rechtfertigungsverfahren nach § 942 die einstweilige Verfügung hätte bestätigen oder aufheben sollen. Trotz aller Internationalisierung ist eine derartige Verschränkung ohne völkerrechtliche Verträge nicht denkbar.

Fazit: Jede Gerichtsstandsvereinbarung sollte auch eine Regelung im Hinblick auf das Eilverfahren enthalten. Zur Vereinfachung empfiehlt sich die Ausnahme eines solchen Verfahrens von der Vereinbarung.


Brexit: Europäische Kommission veröffentlicht Mitteilung über Vorbereitung für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU

Die Europäische Kommission hat am 19. Juli 2018 eine Mitteilung angenommen, in der die laufenden Arbeiten zur Vorbereitung auf alle Szenarien des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union dargelegt werden.

Am 30. März 2019 wird das Vereinigte Königreich die EU verlassen und damit zu einem Drittland werden. Dies wird Auswirkungen auf Bürger, Unternehmen und Behörden haben, und zwar sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der EU. Dazu gehören beispielsweise wieder eingeführte Kontrollen an der EU-Außengrenze zum Vereinigten Königreich, Unsicherheiten im Hinblick auf die Gültigkeit von vom Vereinigten Königreich herausgegebenen Lizenzen, Bescheinigungen und Genehmigungen sowie uneinheitliche Vorschriften für die Übermittlung von Daten. In Mitteilung werden Mitgliedstaaten und private Akteure aufgerufen, ihre Vorbereitungsanstrengungen zu erhöhen. Der Text folgt damit dem Appell des Europäischen Rates (Artikel 50) vom vergangenen Monat, die Vorbereitungsarbeiten auf allen Ebenen und für alle Ergebnisse zu intensivieren. Zwar arbeitet die EU Tag und Nacht daran, eine Einigung zu finden, die einen geordneten Austritt ermöglicht, doch wird der Austritt des Vereinigten Königreichs – ob mit oder ohne Einigung – zweifelsohne Störungen verursachen, z. B. in den Lieferketten. Da noch immer ungewiss ist, ob zum Austrittsdatum ein ratifiziertes Austrittsabkommen vorliegen oder wie dieses aussehen wird, laufen derzeit Vorbereitungen, die sicherstellen sollen, dass die EU-Organe, die Mitgliedstaaten und die privaten Akteure für den Austritt des Vereinigten Königreichs gerüstet sind. Selbst im Falle einer Einigung wird das Vereinigte Königreich nach dem Austritt kein Mitglied der EU mehr sein und daher auch nicht mehr dieselben Vorteile genießen wie die Mitgliedstaaten. Daher ist es unabhängig von einer möglichen Einigung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ganz entscheidend, bestmöglich auf den Moment vorbereitet zu sein, in dem das Vereinigte Königreich zu einem Drittland wird. Gleichwohl ist es nicht nur Aufgabe der EU-Organe, sich auf den Austritt des Vereinigten Königreichs vorzubereiten. Alle Betroffenen auf EU-Ebene wie auf nationaler und regionaler Ebene, darunter Wirtschaftsteilnehmer und andere private Akteure, müssen sich in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich verstärkt für sämtliche Szenarien rüsten.

Am 29. März 2017 unterrichtete das Vereinigte Königreich den Europäischen Rat über seine Absicht, aus der Europäischen Union auszutreten. Sofern nicht ein ratifiziertes Austrittsabkommen ein anderes Datum vorsieht oder der Europäische Rat nach Artikel 50 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union im Einvernehmen mit dem Vereinigten Königreich einstimmig beschließt, dass die Verträge ab einem späteren Zeitpunkt keine Anwendung mehr finden, gilt das gesamte Primär- und Sekundärrecht der Union ab dem 30. März 2019 um 00.00 Uhr (MEZ) (Austrittsdatum) nicht mehr für das Vereinigte Königreich. Das Vereinigte Königreich wird dann zu einem Drittland. Die Interessenträger sowie die nationalen und EU-Behörden müssen sich daher auf zwei mögliche Hauptszenarien vorbereiten: Wird das Austrittsabkommen vor dem 30. März 2019 ratifiziert, tritt das EU-Recht ab dem 1. Januar 2021, d. h. nach einer Übergangsphase von 21 Monaten, für das Vereinigte Königreich und in dessen Hoheitsgebiet außer Kraft. - Wird das Austrittsabkommen hingegen nicht vor dem 30. März 2019 ratifiziert, gibt es keine Übergangsphase und das EU-Recht tritt ab dem 30. März 2019 für das Vereinigte Königreich und in dessen Hoheitsgebiet außer Kraft. Dieses Szenario wird als „No deal“ oder als „Sturz in den Abgrund“ bezeichnet. - Im vergangenen Jahr hat die Kommission das gesamte EU-Recht, den sogenannten „Besitzstand der Union“, gesichtet, um zu prüfen, ob der Austritt des Vereinigten Königreichs Änderungen erfordert. Zu diesem Zweck hat die Kommission spezifische gezielte Legislativvorschläge angenommen, um sicherzustellen, dass die EU-Vorschriften nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs in einer Union der 27 weiterhin reibungslos funktionieren werden. Darüber hinaus hat die Kommission mehr als 60 sektorspezifische Vermerke zu den Vorbereitungen auf den Brexit veröffentlicht, um die Öffentlichkeit über die Folgen eines Austritts des Vereinigten Königreichs ohne Austrittsabkommen zu informieren. Gerade die Vermerke im Hinblick auf Gesellschaftsrecht und Internationale Gerichtsbarkeit beleuchten die Schwierigkeiten, die kommen könnten: Gesellschaften des Vereinigten Königreichs wie vor allem Limited oder PLC müssen in den Mitgliedstaaten der EU nicht mehr anerkannt werden. Die Anwendbarkeit des vereinheitlichten europäischen Zivilprozessrechts wird stark eingeschränkt.

Weitere Informationen

Liste der im Hinblick auf die Brexit-Vorbereitungen noch ausstehenden Legislativinitiativen

Vermerke zu den Vorbereitungen auf den Brexit

Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (Artikel 50) vom 29. Juni 2018

Leitlinien des Europäischen Rates (Artikel 50) zum Rahmen für die künftigen Beziehungen der EU zum Vereinigten Königreich (23. März 2018)


Vertragshändler: Der Erfüllungsortsgerichtsstand liegt in dem Mitgliedstaat, in dem die Ware oder Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht wird, hilfsweise am Sitz des Vertragshändlers, EuGH C 64/17-Saey Home & Garden

Der Rechtsstreit betrifft die Saey Home & Garden NV/SA mit Sitz in Belgien und die Lusavouga-Máquinas e Acessórios Industriais SA (im Folgenden: Lusavouga) mit Sitz in Portugal wegen einer Klage auf Schadensersatz aufgrund der Kündigung des zwischen diesen Gesellschaften in Bezug auf den spanischen Markt geschlossenen Vertriebsvertrags.

In der internationalen Rechtspraxis kommt es häufig vor, dass entgegen aller Beratung kein Gerichtsstand vertraglich festgelegt wird. Oft werden unzureichende Vertragsmuster aus dem Internet benutzt, teilweise ist die Gerichtsstandklausel formwidrig und damit unwirksam.

Gemäß Art. 25 Brüssel 1a-Verordnung (Nr. 1215/2012) können die Parteien einen Gerichtsstand vor allem schriftlich festlegen. Art. 25 lautet:

„(1) Haben die Parteien unabhängig von ihrem Wohnsitz vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell ungültig. Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind ausschließlich zuständig, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Die Gerichtsstandsvereinbarung muss geschlossen werden:

a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung,

b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder

c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.

…“

Die belgische Saey Home & Garden NV/SA hatte erstmals mittels Geschäftsbedingung auf ihrer Rechnung auf ihren Gerichtsstand in Kortrijk hingewiesen. Eine Vereinbarung nach den Buchstaben a oder b war damit nicht mehr möglich, aber auch ein entsprechender Handelsbrauch nach Buchstabe c wurde vom Gerichtshof verneint. Ein solcher nachträglicher Fakturengerichtsstand, wie ihn z. B. Österreich kennt (§ 88 Abs. 2 Jurisdiktionsnorm), ist gemäß Art. 25 Abs. 1c Brüssel 1a-Verordnung – wie der Europäische Gerichtshof jetzt erstmals höchstrichterlich entschieden hat – nicht möglich. Eine Gerichtsstandsklausel in Geschäftsbedingungen ist nur zulässig, wenn der von beiden Parteien unterzeichnete Vertragstext selbst ausdrücklich auf die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt (Urteil vom 7. Juli 2016, C 222/15 - Hőszig, Rn. 39).

Wo aber liegt dann der Gerichtsstand eines Vertragshändler- oder allgemeiner Vertriebsvertrages?

In Art. 7 Brüssel 1a-Verordnung (Nr. 1215/2012) heißt es:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1. a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

b) im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

– für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;

– für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

Der Gerichtshof erläutert hierzu in seiner Entscheidung, dass es sich zuallererst um einen Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen handeln muss. Dienstleistungen seien als Tätigkeit gegen Entgelt zu verstehen.

„Das Kriterium des Vorliegens einer Tätigkeit erfordert nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Vornahme positiver Handlungen und schließt bloße Unterlassungen aus. Dieses Kriterium entspricht bei einem Vertriebsvertrag der charakteristischen Leistung, die der Vertragshändler erbringt, der durch die Gewährleistung des Vertriebs der Erzeugnisse des Lizenzgebers an der Förderung der Verbreitung dieser Erzeugnisse mitwirkt. Dank der ihm nach dem Betriebsvertrag zustehenden Beschaffungsgarantie und gegebenenfalls dank seiner Beteiligung an der Geschäftsstrategie des Lizenzgebers, insbesondere an Aktionen zur Absatzförderung – Umstände, deren Feststellung in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts fällt –, ist der Vertragshändler in der Lage, den Kunden Dienstleistungen und Vorteile zu bieten, die ein einfacher Wiederverkäufer nicht bieten kann, und somit für die Erzeugnisse des Lizenzgebers einen größeren Anteil am lokalen Markt zu erobern…

Das nach dieser Bestimmung für die Entscheidung über Klagen aus einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen zuständige Gericht ist im Fall der Leistungserbringung in mehreren Mitgliedstaaten folglich das Gericht des Mitgliedstaats, in dem sich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung befindet, wie er sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder, mangels solcher Bestimmungen, aus dessen tatsächlicher Erfüllung ergibt; kann der fragliche Ort nicht auf dieser Grundlage ermittelt werden, so ist auf den Wohnsitz des Leistungserbringers abzustellen“

So bekommt der Rechtsanwender eine einfache Checkliste zur Ermittlung des richtigen Gerichts im Falle eines Vertriebsvertrags an die Hand:

1. Gibt es einen gültige Gerichtsstandsvereinbarung? Falls nicht, dann 2.

2. Wo liegt der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung? Falls nicht, dann 3.

3. Wo ist der Sitz des Vertragshändler/Leistungserbringers?

Nicht zuletzt ergibt sich damit auch ein Gleichlauf zum materiellen Recht nach der Rom I-Verordnung (Nr. 593/2008):

Art. 3 garantiert die freie Rechtswahl.

Art. 4 Abs. 1 lit. f legt fest, dass Vertriebsverträge dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Vertriebshändler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.


Praxis der Forderungsdurchsetzung in der Europäischen Union – Cross-Border Enforcement

Die Zahlung einer Forderung durch einen Schuldner im Ausland ist nicht nur für Inkassobüros von Belang. Jede internationale Transaktion muss darauf geprüft werden, ob im Falle der Vertragsverletzung eine effektive Geltendmachung der resultierenden Forderung möglich ist. Im Rahmen der Vertragsgestaltung geht es dabei vor allem um die Frage des Gerichtsstands. Die Mandantin ist darüber aufzuklären, ob ein ausländischer Gerichtsstand vorteilhaft gegenüber einem inländischen Gerichtsstand mit anschließender Anerkennung/Vollstreckung im Ausland ist. Grundsätzlich bietet ein inländischer Gerichtsstand für das Erkenntnisverfahren viele Vorteile wie kurze Wege, vertrautes Verfahren, Gerichtssprache und nicht zuletzt einen „Heimvorteil“. Solche Vorteile können sich aber im Falle ungenügender Vollstreckung im Ausland, weil im Inland kein verwertbares Vermögen zur Verfügung steht, ins Gegenteil verkehren. Dabei kommt es nicht nur auf die Gesetzeslage, sondern auch die Möglichkeit der tatsächlichen Durchführung an.

Auf europäischer Ebene hat sich seit dem Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 (EuGVÜ - „Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen“) viel getan. Dieser völkerrechtliche Vertrag wurde mit Ausnahme für Dänemark durch die Brüssel-I-Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO) abgelöst. Diese wurde wiederum durch die Brüssel Ia-VO vom 10. Januar 2015 von der VO (EU) Nr. 1215/2012 seit 10. Januar 2015 ersetzt.

Gegenüber den EFTA-Staaten (also Island, Norwegen, Schweiz, aber nicht Liechtenstein) gilt weiterhin das inhaltlich fast wörtlich mit der EuGVÜ übereinstimmende Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LGVÜ).

Die grundlegende Brüssel Ia-VO wird ergänzt und teilweise ersetzt durch die sogenannten EU-Verordnungen der „2. Generation“, nämlich die Unbestrittene-Forderungen-Vollstreckungstitel-VO (EuVTVO), die Europäischer Zahlungsbefehl- oder Mahnverfahrensverordnung (EuMahnVO), die Europäische Verordnung für geringfügige Forderungen („Small Claims“; EuGFVO) sowie Europäische Kontopfändungsverordnung (EuKpfVO). Bevor eine Forderung geltend gemacht wird, sind deshalb die verschiedenen europarechtlichen Wege zu prüfen:

1. Brüssel Ia-VO

1.1. Regelung der Zuständigkeit im Erkenntnis-, Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren

1.2. Kein Erkenntnisverfahren

1.3. Zivil- oder Handelssache

1.4. Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats

1.5. Anerkennung ohne ein besonderes Verfahren

1.6. Kein Exequaturverfahren: Vollstreckung ohne Vollstreckbarerklärung

1.7. Antrag auf Versagung der Vollstreckung

1.7.1. Ordre public

1.7.2. Klagezustellung

1.7.3. Widersprechende Entscheidungen

1.7.4. Internationale Zuständigkeit

2. Unbestrittene-Forderungen-Vollstreckungstitel-VO (EuVTVO)

2.1. Nur Vollstreckungs-, kein Erkenntnisverfahren

2.2. Unbestrittene Forderung

2.2.1. wenn der Schuldner der Forderung entweder ausdrücklich zugestimmt hat,

2.2.2. nicht widersprochen hat,

2.2.3. sie in einer öffentlichen Urkunde anerkannt hat oder

2.2.4. durch Säumnis ein stillschweigendes Zugeständnis begründet.

2.2.5. In Deutschland also vor allem Mahnbescheide und Versäumnisurteile

2.3. Alle Zivil- und Handelssachen

2.4. Vollstreckung durch Vorlage der Entscheidung samt Europäischem Vollstreckungstitel

2.5. Vollstreckung nach dem Recht des Vollstreckungsstaats

2.6. Antrag auf Versagung der Vollstreckung

2.6.1. frühere Entscheidung

2.6.2. Unvereinbarkeit

3. Europäischer Zahlungsbefehl oder Mahnverfahrensverordnung (EuMahnVO)

3.1. Einheitliches Erkenntnisverfahren für unbestrittene Forderungen

3.2. Zivil- und Handelsrechts

3.3. Fällige Forderung

3.4. Antrag durch einheitliches Formblatt in allen EG-Sprachen vor dem zuständigen Mahngericht

3.5. Bearbeitung durch Rechtspfleger; Überprüfung dem Richter vorbehalten

3.6. Anwendbarkeit und Zuständigkeit sehr komplex (insbesondere Art. 2 Abs. 2 lit. d MahnVO und Art. 6 Abs. 2 MahnVO)

3.7. Schwierigkeiten bei der Zustellung

3.8. Erlass regelmäßig binnen 30 Tagen

3.9. Ohne Einspruch ergeht Europäischer Vollstreckungstitel.

3.10. Vollstreckungsverfahren nach dem Recht des Vollstreckungsstaates ohne weitere Vollstreck-barkeitserklärung durch ein Gericht

4. Europäische Verordnung für geringfügige Forderungen („Small Claims“; EuGFVO)

4.1. Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren auch streitiger Forderungen

4.2. Für Zivilrechtstreitigkeiten bis 2.000 € (de lege ferenda: 5.000 €)

4.3. Einfache Verfahrenseinleitung mittels Formblatt

4.4. Kein Anwaltszwang

4.5. Grundsätzlich schriftliches Verfahren; ausnahmsweise Videokonferenz

4.6. Freibeweis

4.7. Zügige Verfahrensbeendigung durch klare Fristenvorgaben

4.8. Kostenerstattung durch die unterlegene Seite mit Höhenbegrenzung

4.9. EU-weit vollstreckbare Entscheidung

4.10. Gewährleistung der Verkehrsfähigkeit über Bestätigung mittels Formblatt

4.11. Kein Vollstreckungsschutz wie nach Brüssel 1a-VO (Antrag auf Versagung der Vollstreckung)

5. Europäische Kontopfändungsverordnung (EuKpfVO)

5.1. Vorläufiges Erkenntnisverfahren mit beschränkter Vollstreckung; entspricht Arrestverfahren in Deutschland

5.2. Anwendbar für Europäischen Wirtschaftsraum

5.3. Zivil- und Handelssachen

5.4. Vor, während und nach Erlangung einer gerichtlichen Entscheidung möglich

5.5. Beschleunigtes Verfahren

5.6. Kurze Fristen (Art. 18 EuKoPfVO)

5.7. Anleitungen zur Beantragung online in den Sprachen der Mitgliedsstaaten

5.8. nur vorläufige Pfändung / keine Einziehung

6. Fazit:

Die Vollstreckbarkeit von Forderungen im europäischen Ausland hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Bei Anwendung der richtigen Verordnung ist effektiver Rechtsschutz möglich. Ein deutscher Gerichtsstand ist damit nicht zuletzt attraktiver geworden.


Gesellschaften international gründen und international verklagen

Die notarielle Beurkundung der Gründung einer GmbH in der Schweiz wird wieder diskutiert (Kammergericht, 24.01.2018 - 22 W 25/16); die internationale Zuständigkeit für eine Klage gegen eine GmbH (BGH, Urteil vom 14. November 2017 - VI ZR 73/17) wird klargestellt.

Die Diskussion um die Anerkennung der notariellen Beurkundung im Rahmen des GmbH-Rechts durch einen schweizer Notar schien zumindest für die Kantone Zürich und Basel Stadt entschieden, jedenfalls für die Beurkundung der Abtretung. Das Amtsgericht Charlottenburg hatte dem in einer schulmäßig begründeten Entscheidung für das Berner Notariat widersprochen. Das Kammergericht folgt dem nicht und biegt die Angelegenheit wieder gerade, will heißen stellt die Anerkennung her.

Grundsätzlich krankt die gesamte Diskussion an der Monstranz der notariellen Beurkundung. Die deutsche Jurisprudenz übersieht, dass der ursprüngliche Gesetzesentwurf für die Satzung einer GmbH Privatschriftform für ausreichend hielt, weil die Satzung einer GmbH nicht so kompliziert sei wie die einer Aktiengesellschaft (vgl. Anlage Nr. 660, S. 3733, Reichstag, 8. Legislaturperiode). Bereits danach könnte die privatschriftliche Auslandsform nach Art. 11 Abs. 1 2. Alt. EGBGB Anwendung finden. Art. 11 Abs. 1 EGBGB lautet:

„Ein Rechtsgeschäft ist formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird.“

Mit dem Kunstgriff, dass notarielle Form hier nicht Form, sondern etwas anderes sei, wird diese Vorschrift allgemein unterlaufen. Die deutsche Rechtsprechung behält sich entgegen dem allgemeinen Grundsatz des Internationalen Privatrechts demgemäß vielmehr eine Prüfung der Gleichwertigkeit der ausländischen notariellen Beurkundung vor. Ein Schelm, wer Böses oder die Lobby der Notare dahinter vermutet. Diese Rechtsansicht ist umso erstaunlicher, als die Rechtsprechung in anderen Bereichen wie Gesellschaftervereinbarungen Privatschriftlichkeit zulässt. Demgemäß entscheidet das Kammergericht:

Die Beurkundung der Gründung einer deutschen GmbH durch einen schweizer Notar mit Amtssitz im Kanton Bern erfüllt jedenfalls dann die Anforderungen nach § 2 Abs. 1 GmbHG und kann im Eintragungsverfahren durch das Registergericht nicht beanstandet werden, wenn die Niederschrift in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben worden ist.

„Das deutsche Beurkundungsrecht enthält keine Regelung über die örtliche Zuständigkeit für eine Beurkundung, so dass sich die Beteiligte grundsätzlich an einen beliebigen Notar zur Beurkundung ihres Gesellschaftsstatuts wenden konnte (vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2015, 11 U 8/04, GmbHR 2005, 764, juris Rn. 76). Gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist ein Rechtsgeschäft grundsätzlich dann formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts erfüllt, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (Alt. 1, Wirkungsstatut) oder die Formerfordernisse des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (Alt. 2, Ortsstatut).

Im vorliegenden Fall ist … dem notariellen Formerfordernis gemäß § 2 Abs. 1 GmbHG genügt, weil die von dem schweizer Notar mit Sitz im Kanton Bern in seiner Urkunde Nr. 312 am 05. August 2015 vorgenommene Beurkundung – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Charlottenburg im angefochtenen Beschluss – mit der Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig ist (Art. 11 Abs. 1 1. Alt. EGBGB).

Gleichwertigkeit ist nach der Rechtsprechung des BGH stets dann gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt (vgl unten aa) und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten ist, das den tragenden Grundsätzen des Beurkundungsrechts entspricht (vgl. unten bb) (BGH, Beschluss vom 16.02.1981, II ZB 8/80, BGHZ 80, 76, juris Rn. 5; vgl. auch die Nachweise bei Jakobs, MittRhNotK, 1985, 57, 61 zu FN 67 und 68).

Zu den Aufgaben der Berner Notare gehört ferner die Verlesung der Urkunde, soweit sie Willenserklärungen enthält (Art. 46 Notariatsverordnung – NV - vom 24. Juni 2006 – BAG 06-059). Soweit das Registergericht dies für nicht ausreichend hält, kann hier im konkreten Fall festgestellt werden, dass es darauf nicht ankommt, weil laut Urkunde die gesamte Urkunde nebst Anlagen vorgelesen worden sind. Dies ist durch das Berner Recht nicht ausgeschlossen, so dass die Beurkundung nach Berner Recht rechtmäßig ist und auch dem deutschen Recht (§§ 13, 17 BeurkG) voll gerecht wird.“

Sehr viel begrüßenswerter ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur internationalen Zuständigkeit in der Europäischen Union. Art. 63 Abs. 1 Brüssel-Ia-Verordnung wird nach dem Wortlaut ausgelegt, wonach auch der satzungsmäßige Sitz einer Gesellschaft den Gerichtsstand des Wohnsitzes gemäß Art. 4 ff. Brüssel-Ia-Verordnung eröffnet. Art. 63 Abs. 1 Brüssel-Ia-Verordnung lautet:

„Gesellschaften und juristische Personen haben für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich a) ihr satzungsmäßiger Sitz, b) ihre Hauptverwaltung oder c) ihre Hauptniederlassung befindet.“

Der effektive Verwaltungssitz, der das deutsche Recht kennzeichnenden Sitztheorie, spielt hier keine Rolle mehr:

Der Begriff des satzungsmäßigen Sitzes i.S.d. Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF setzt keine Verwaltungs- oder Geschäftstätigkeit am Ort des Satzungssitzes voraus. Es bedarf keines über den Registertatbestand hinausgehenden realwirtschaftlichen Bezugs.

"Satzungsmäßiger Sitz" im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF ist der in der Gesellschaftssatzung genannte (Ringe, IPrax 2007, 388, 389; Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR 4. Aufl., Art. 63 Brüssel Ia-VO Rn. 1; Callies/Ruffert, EUV/AEUV 5. Aufl., Art. 54 AEUV Rn. 17). Geltung und zulässigen Inhalt der Gesellschaftssatzung regelt insoweit das nationale Recht (vgl. EuGH, Urteile vom 29. November 2011 - C-371/10, Slg. 2011, I-12273, Rn. 26 - National Grid Indus; vom 16. Dezember 2008 - C-210/06, Slg. 2008, I-964, Rn. 104 ff. - Cartesio; vom 25. Oktober 2017 - C106/16, Rn. 34, 43; Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR 4. Aufl., Art. 24 Brüssel Ia-VO Rn. 63).

Für die Bestimmung des satzungsmäßigen Sitzes ist es unerheblich, ob der Verwaltungssitz der Beklagten nach Meran/Italien verlegt wurde und ob diese Verlegung zulässig war. Es kann daher insbesondere offen bleiben, ob die Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland und Trennung vom inländischen Satzungssitz seit der durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) erfolgten Neufassung des § 4a GmbHG und Streichung des bisherigen Absatzes 2 dieser Vorschrift zulässig ist (bejahend unter Hinweis auf BT-Drs. 16/6140, S. 29/BR-Drs. 354/07, S. 65 etwa Bayer/Schmidt, ZHR 173 [2009], 735; Hermanns, MittBayNot 2016, 297; Scholz/Emmerich, GmbHG 11. Aufl., § 4a Rn. 28 f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG 19. Aufl., § 4a Rn. 15; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 21. Aufl., § 4a Rn. 11; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG 3. Aufl., § 4a Rn. 13 ff.; MüKoGmbHG/Mayer, 2. Aufl., § 4a Rn. 9 ff., 68 jeweils m.w.N auch zu abw. Ansichten; aA etwa Werner, GmbHR 2009, 191, 196).

Nach Ansicht der Revision erfordert die Eröffnung der Gerichtszuständigkeit am Satzungssitz mit Blick auf die geschützten Interessen der Beklagten jedenfalls ein Mindestmaß an Unternehmenstätigkeit am Satzungssitz, 14 15 16 17 - 8 - das vom Verordnungsgeber ersichtlich für den Regelfall vorausgesetzt, aber durch den bloßen Unterhalt einer "Briefkastenfirma" nicht erfüllt werde. Der bloße Umstand, dass die Beklagte allein aus Gründen des nationalen materiellen Gesellschaftsrechts gezwungen sei, einen deutschen Satzungssitz zu behalten, wenn sie ihre Tätigkeit unter Beibehaltung ihrer Rechtsform in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verlagern und damit von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen wolle, rechtfertige es nicht, nunmehr auch den Beklagtengerichtsstand an einen bloß auf dem Papier bestehenden Satzungssitz anzuknüpfen. Dem Vorteil des Klägers, der nicht nur das ob, sondern darüber hinaus auch den Zeitpunkt und die Art des Klageangriffs bestimmen könne, entspreche durch die Bestimmung eines allgemeinen Gerichtsstandes die Vergünstigung des Beklagten, den ihm ohne und meist gegen seinen Willen aufgezwungenen Rechtsstreit nicht auch noch unter zusätzlichen Erschwerungen an einem auswärtigen Gericht führen zu müssen. Bei Beschränkung der "Tätigkeit" der Gesellschaft auf den bloßen Unterhalt einer Briefkastenadresse könne gerade nicht angenommen werden, das Gericht am "Satzungssitz" sei am besten in der Lage, über Ansprüche gegen die Gesellschaft zu entscheiden.

bb) Es gibt keinen Gesichtspunkt, der für eine derartige einschränkende Auslegung spricht (siehe zu den Auslegungskriterien EuGH, Urteil vom 23. April 2009 - C-533/07, Slg. 2009, I-3369 Rn. 20 m.w.N - Falco Privatstiftung).


Zwei Verfahren ermöglichen dem Oberlandesgericht Stuttgart, die Anforderungen an die Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren im Wettbewerbs-/Markenrecht klarzustellen

Seine Geschwindigkeit macht das einstweilige Verfügungsverfahren attraktiv. In diesem Bereich der immateriellen Güter muss schnell staatliche Hilfe zur Verfügung stehen. Demgemäß hat sich das Verfahren aber auf einen Verhandlungstermin zu konzentrieren.

Allen in diesem Bereich tätigen Juristen sind diese formellen Anforderungen geläufig. Manchmal müssen Außenseiter darauf hingewiesen werden.

„Ein Schriftsatznachlass kann im Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht gewährt werden“ (OLG Stuttgart Urteil vom 5.1.2017, 2 U 95/16)

„Die Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 2 UWG gilt analog für Unterlassungsansprüche aus dem Markenrecht.“ (OLG Stuttgart Urteil vom 12.10.2017, 2 U 162/16)

Zum Antrag auf Schriftsatznachlass führt das Oberlandesgericht aus:

„Ein Schriftsatznachlass kann im Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht gewährt werden. Die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach der Zivilprozessordnung sind auf eine sofortige Entscheidung des Gerichts ausgerichtet, um einen gegebenen Anspruch schnell zu sichern oder die durch eine Zustellung des Antrages geschaffene Rechtsunsicherheit schnell zu beenden. Um diesem Zweck zu genügen, besteht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die auch im Hauptsacheverfahren bestehende Prozessförderungspflicht eine erweiterte Beibringungsobliegenheit. Es ist allein Aufgabe der Parteien, in einem angesetzten Verhandlungstermin vortragen zu können und alle Mittel zur Glaubhaftmachung ihres Prozessvortrages präsent zu stellen; eine Ladung von Zeugen oder Sachverständigen durch das Gericht findet nicht statt. Eine Vertagung der mündlichen Verhandlung zum Zwecke einer Beweisaufnahme oder zur Ermöglichung weiteren Vorbringens scheidet aus, und auch die Gewährung eines Schriftsatznachlasses gemäß § 283 ZPO ist mit dieser gesetzlichen Zielvorgabe unvereinbar (Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 05. Januar 2009 - 5 U 194/07, bei juris Rz. 18; vgl. zu Besonderheiten des Verfahrens auch OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08. November 2013 - 10 U 39/13, bei juris Rz. 17).“

Zur Anwendbarkeit der wettbewerbsrechtlichen Dringlichkeitsvermutung führt das Oberlandesgericht aus:

„Der Senat hält daran fest, dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG auf Unterlassungsansprüche aus dem Markenrecht analog anzuwenden ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 04. Juli 2013 - 2 U 157/12, GRUR-RR 2014, 251). Nach § 12 Abs. 2 UWG wird die durch einen Verstoß kraft Gesetzes vermutete Dringlichkeit für einen Unterlassungsantrag widerlegt, wenn der Gläubiger durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass es ihm mit der Durchsetzung seines Antrages nicht eilig ist. Hauptfallgruppe der Selbstwiderlegung ist die verzögerliche Prozessführung, etwa durch Anträge auf Terminverschiebung oder Fristverlängerung oder ein unverständlich langes Zuwarten zwischen der Erkenntnis von dem Verstoß und der Antragstellung bei Gericht. Den Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom Verstoß hat der Schuldner darzulegen und glaubhaft zu machen, da es ihm obliegt, die gesetzliche, durch den Verstoß begründete Vermutung zu widerlegen und nicht bloß zu erschüttern (OLG Stuttgart, Urteil vom 04. Juli 2013 - 2 U 157/12, GRUR-RR 2014, 251, bei juris Rz. 23 ff., m.w.N.); eine gesetzliche Vermutung ist insoweit stärker als ein Anscheinsbeweis und diesem nicht gleichzusetzen.

Der erkennende Senat geht diesbezüglich nicht von einer starren Frist aus. Eine solche fände im Gesetzeswortlaut auch keine Stütze. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates ist eine Zeitspanne von unter einem Monat - abgesehen von Fällen der besonderen Dringlichkeit, wie sie beispielsweise bei Messe- oder Marktsachen häufig gegeben sein wird - regelmäßig unschädlich, wohingegen ein Zuwarten von über acht Wochen regelmäßig die Dringlichkeitsvermutung widerlegt. Jedoch sind die Besonderheiten des Falles zu berücksichtigen.

Schädlich sind alle Zeitläufte bloßen Zuwartens, die nicht mehr mit einer beschleunigten Sachbearbeitung zum Zwecke der raschen Anspruchsdurchsetzung zu begründen sind (vgl. zum Ganzen auch Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., 2016, Rn. 3.15 ff. zu § 12 UWG, m.w.N.), so in aller Regel Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge im gerichtlichen Verfahren.


Die englische Limited nach dem Brexit

Ein geregelter Brexit wird immer unwahrscheinlicher. Selbst der Bar Council, also die Vereinigung der Barrister des Vereinigten Königreichs, hat seine Reihe der Brexit Papers, die ansonsten sehr viele rechtliche Aspekte de betreffen, um den Bereich Gesellschaftsrechts nicht erweitern können.

Eine englische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland wird mit dem Brexit am 29. März 2019 höchstwahrscheinlich nicht mehr als solche anerkannt werden soll, sondern im Zweifel als offene Handelsgesellschaft, sprich Personengesellschaft behandelt werden. Eine persönliche Haftung der Gesellschafter liegt dann vor. Noch gilt nach dem Bundesgerichtshof in Deutschland die sogenannte Sitztheorie, wonach ausländische Gesellschaften die Vorschriften der Gesellschaftsgründung im Inland beachten müssen, sofern sie hier ihren effektiven Verwaltungssitz haben.

Was können die Gesellschafter einer englischen Limited in Deutschland tun, um die persönliche Haftung auch weiterhin auszuschließen?

1. Formwechsel

Grundsätzlich ist ein Formwechsel nach der Rechtsprechung des EuGH (12.07.2012 - C-378/10-„VALE“) in eine deutsche Gesellschaft, auch eine am ehesten vergleichbare Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) möglich. Wegen der fehlenden Normierung ergeben sich aber wegen der Kürze der Zeit praktische Probleme: Muss der Rechtsweg bestritten werden, ist eine positive Gerichtsentscheidung kaum vor dem Wechsel zu erwarten.

2. Verschmelzung

Dieser Weg scheint am einfachsten umsetzbar: Die englische Limited könnte auch mit einer deutschen Gesellschaft verschmolzen werden. Gesetzlich geregelt ist die Verschmelzung für Deutschland in §§ 122a ff. UmwG; entsprechendes gilt aufgrund europäischer Richtlinie im Vereinigten Königreich. Auch hier ist Eile geboten.

3. Wegzug

Als Alarmmaßnahme kommt noch die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Vereinigte Königreich in Betracht. Insoweit kommt es „nur“ auf die tatsächliche Sitzverlegung an. Wer zögert, kann so noch sehr kurzfristig die Haftungsbeschränkung der Limited erhalten.

Selbstredend kann die Gesellschaft auch aufgelöst und in anderer Form neu gegründet werden. Ebenso ist die Veräußerung des Vermögens an eine dritte Gesellschaft möglich.


Das neue Transparenzregister

Mit Wirkung zum 1. Oktober 2017 müssen juristische Person des Privatrechts, eingetragene Personengesellschaften oder vergleichbare Rechtsgestaltungen Angaben über Ihre wirtschaftlich Berechtigten zum dafür neu geschaffenen Transparenzregister melden (Gesetz vom 23. Juni 2017 Bundesgesetzblatt I 2017,1822). Das Geldwäschegesetz wurde neu gefasst und in §§ 18-26 das Transparenzregister geschaffen. Ein Verstoß hiergegen kann mit Geldbußen von bis zu 100.000 € regelmäßig geahndet werden.

Wirtschaftlich Berechtigter ist, wer mehr als 25 % der Kapitalanteile hält oder Stimmrechte kontrolliert oder auf vergleichbare Weise Kontrolle ausübt.

Diese Pflicht zur Meldung trifft auch ausländische Gesellschaften, sogar Trusts, für die der Trustee als rechtlicher Eigentümer verpflichtet ist. Das zuständige Vertretungsorgan der ausländischen Gesellschaft ist zu ermitteln. Was den Trust betrifft, so sind seine verschiedenen Ausprägungen in den einzelnen Jurisdiktionen des Common Law sowie die verschiedenen Arten von Trusts auf international-privatrechtlicher Ebene zu beachten.

Die Offenlegungspflicht berührt gesellschaftsrechtlich vor allem Stimmbindungsvereinbarungen und andere Treuhandverhältnisse, die Regelbeispiele für die Kontrolle auf vergleichbare Weise darstellen. Die nahezu uneingeschränkte Vertraulichkeit solcher Vereinbarungen scheint damit nicht mehr zu gelten. Bis jetzt war es möglich, mit Gesellschaftervereinbarungen neben der eigentlichen Satzung den wirtschaftlich Berechtigten nicht öffentlich zu machen. Nur die Satzung selbst z.B. einer GmbH oder Aktiengesellschaft muss zum Handelsregister eingereicht werden.

Außerdem stellt sich die Frage, wer ein Einsichtsrechts hat. Das Gesetz spricht lapidar von „berechtigtem Interesse“ (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GwG). Inwieweit dieses Interesse mit dem Zweck des Geldwäschegesetzes, hier also die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zusammenhängen muss, ist bis jetzt offen.

Weiterhin spannend für jedes Unternehmen ist die Frage, ob ein Verstoß gegen die Offenlegungspflicht wettbewerbsrechtlich, hier also als Vorsprung durch Rechtsbruch gemäß § 3a UWG durch Wettbewerber verfolgt werden kann. Danach handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Sollen die Angaben über den wirtschaftlich Berechtigten im Transparenzregister also nicht nur der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung dienen, sondern auch das Marktverhalten regeln? Jedenfalls ist eine solche Entwicklung nicht auszuschließen, sei es durch die Rechtsprechung, sei es durch Ergänzung des Geldwäschegesetzes. Jeder in diesem Bereich tätige Anwalt sollte also schon jetzt Gesellschaftervereinbarungen, die nicht zum Handelsregister eingereicht werden müssen, daraufhin prüfen, ob die Offenlegung im Transparenzregister vertretbar ist. Es droht in jedem Fall das Risiko der Einsichtnahme durch Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden, unter Umständen auch durch Wettbewerber.


Mitgliedstaaten können Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen wollen, nicht zur Liquidation verpflichten - Europäischer Gerichtshof, C-106/16-Polbud – Wykonawstwo sp. z o. o.(Pressemitteilung)

Aus Luxemburg erhalten wir wieder ein bisschen mehr Gewissheit über grenzüberschreitende Gesellschaftsaktivitäten. Die Rechtsprechung nach dem Urteil C-378/10 VALE, welche grenzüberschreitende Umwandlung unter den Schutz der Niederlassungsfreiheit stellte, wird fortgesetzt. Nicht nur die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes, sondern auch die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes muss zwischen den Mitgliedstaaten möglich sein. Anders als im Urteil C-210/06 CARTESIO geht es nicht um die Beibehaltung der Gesellschaftsform eines Mitgliedstaats bei Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaats. Damals konnte Ungarn verhindern, dass eine in Ungarn eingetragene ungarische Gesellschaft außerhalb Ungarns ihren Verwaltungssitz nimmt („Inländerdiskriminierung“). Dagegen ermöglichte die Niederlassungsfreiheit schon damals einer Gesellschaft die Verlegung in einen anderen Mitgliedstaat, indem sie sich in eine Gesellschaftsform des Rechts dieses Staates umwandelt, ohne dass sie im Zuge der Umwandlung aufgelöst und abgewickelt werden muss, wenn das Recht des Aufnahmemitgliedstaats dies gestattet. Gleiches gilt hier: Die polnische Gesellschaft kann ihren satzungsmäßigen Sitz in Luxemburg nur entnehmen, wenn sie sich unter Beachtung der dafür einschlägigen Normen in eine luxemburgische Gesellschaft umwandelt.

Polbud ist eine Gesellschaft mit Sitz in Polen. Mit einem Beschluss von 2011 entschied ihre außerordentliche Hauptversammlung, den Gesellschaftssitz nach Luxemburg zu verlegen. Dieser Beschluss enthält keinen Hinweis darauf, dass der Verwaltungssitz von Polbud oder der Ort der tatsächlichen Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ebenfalls nach Luxemburg verlegt worden wäre.

Auf der Grundlage dieses Beschlusses wurde die Eröffnung des Liquidationsverfahrens ins polnische Handelsregister eingetragen und der Liquidator wurde bestellt.

Im Jahr 2013 wurde der satzungsmäßige Sitz von Polbud nach Luxemburg verlegt. Polbud wurde zu „Consoil Geotechnik Sàrl“, einer Gesellschaft luxemburgischen Rechts. Außerdem beantragte Polbud beim polnischen Registergericht die Löschung im polnischen Handelsregister. Dieser Löschungsantrag wurde vom Registergericht abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss erhob Polbud Klage. Der im Rechtsmittelverfahren mit der Sache befasste Polnische Oberste Gerichtshof möchte vom Gerichtshof zunächst wissen, ob die Niederlassungsfreiheit für die Verlegung lediglich des satzungsmäßigen Sitzes einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat gilt, wenn die Gesellschaft ohne Verlegung ihres tatsächlichen Sitzes in eine dem Recht dieses anderen Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaft umgewandelt wird. Weiter fragt der Oberste Gerichtshof, ob die Regelung Polens, die die Löschung im Handelsregister davon abhängig macht, dass die Gesellschaft am Ende eines Liquidationsverfahrens aufgelöst wird, mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.

Der europäische Gerichtshof bejaht erwartungsgemäß die Geltung der Niederlassungsfreiheit und verneint die Pflicht zur Liquidation.

Für den vorliegenden Fall gilt demnach, dass Polbud durch die Niederlassungsfreiheit den Anspruch auf Umwandlung in eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts erhält, soweit sie die nach luxemburgischem Recht für die Gründung einer Gesellschaft geltenden Voraussetzungen und insbesondere das Kriterium erfüllt, das in Luxemburg für die Verbundenheit einer Gesellschaft mit seiner nationalen Rechtsordnung erforderlich ist.

Außerdem fällt nach Auffassung des Gerichtshofs ein Sachverhalt, bei dem eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft eine Umwandlung in eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaft unter Beachtung des Kriteriums vornehmen will, das in diesem anderen Mitgliedstaat für die Verbundenheit einer Gesellschaft mit seiner nationalen Rechtsordnung erfüllt werden muss, unter die Niederlassungsfreiheit, selbst wenn diese Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit im Wesentlichen oder ausschließlich im ersten Mitgliedstaat ausüben soll. Dass eine Gesellschaft ihren – satzungsmäßigen oder tatsächlichen – Sitz nach dem Recht eines Mitgliedstaats begründet, um in den Genuss günstigerer Rechtsvorschriften zu kommen, stellt für sich allein keinen Missbrauch dar.

Zweitens bemerkt der Gerichtshof, dass eine polnische Gesellschaft wie Polbud zwar grundsätzlich befugt ist, ihren satzungsmäßigen Sitz ohne Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit von Polen in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, dass sie aber nach polnischem Recht nur dann im polnischen Handelsregister gelöscht werden kann, wenn zuvor ein Liquidationsverfahren durchgeführt wurde. Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach polnischem Recht von der Liquidation die Beendigung der laufenden Geschäfte und die Beitreibung der Forderungen der Gesellschaft, die Erfüllung der Verbindlichkeiten und die Verflüssigung des Gesellschaftsvermögens, die Befriedigung oder Absicherung der Gläubiger, die Erstellung eines Finanzberichts über die Vornahme dieser Handlungen und die Benennung des Verwahrers der Bücher und Unterlagen der Gesellschaft, die abgewickelt wird, umfasst sind. Die polnische Regelung ist, da sie die Liquidation der Gesellschaft verlangt, geeignet, die grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft zu erschweren oder gar zu verhindern. Folglich stellt diese Regelung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.

Eine solche Beschränkung kann grundsätzlich durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, etwa den Schutz der Gläubiger, der Minderheitsgesellschafter und der Arbeitnehmer gerechtfertigt sein. Die polnische Regelung sieht jedoch eine allgemeine Verpflichtung zur Liquidation vor, ohne dabei zu berücksichtigen, ob tatsächlich eine Gefahr für diese Interessen besteht, und ohne eine Möglichkeit vorzusehen, weniger einschneidende Maßnahmen zu wählen, durch die diese Interessen ebenso geschützt werden können. Folglich geht eine solche Verpflichtung über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels, die genannten Interessen zu schützen, erforderlich ist.


Gerichtsstandsklauseln im europäischen Rechtsverkehr erleichtert - Bundesgerichtshof (Urteil vom 25. Januar 2017, VIII ZR 257/15) verlangt lediglich Textform für eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3a des Luganer Übereinkommens

„Zur Wahrung des in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a des revidierten Luganer Übereinkommens geregelten Schriftformerfordernisses bedarf es nicht notwendig einer Unterschrift aller Vertragsschließenden. Es genügt eine Niederlegung der Gerichtsstandsabrede in Textform, wenn sich aus den Gesamtumständen (Unterschrift nur des Käufers unter den bereits ausgehandelten und anschließend beiderseits zeitnah vollzogenen Vertrag) sicher ergibt, dass es sich bei den zu dieser Einigung abgegebenen Willenserklärungen um einen von den Vertragsschließenden autorisierten Text handelt.“

Auch hier, wie erstaunlich oft höchstrichterlich, stritten die Parteien um die Mangelhaftigkeit eines Pferdes. Das Pferd wurde in der Schweiz erworben. Im „Pferde Verkaufsvertrag“ hieß es unter anderem

"[…]Gerichtsstand ist der Wohnsitz des Verkäufers.

Jeder Vertragspartner hat eine Ausfertigung dieses Vertrages erhalten."

Beide Vertragsausfertigungen enthalten allerdings nur die Unterschrift der Klägerin. Die von der Klägerin angerufenen deutschen Gerichte sind nicht zuständig. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist wirksam.

„Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a LugÜ bestimmt, dass eine nach dieser Vorschrift zuständigkeitsbegründende Gerichtsstandsvereinbarung schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung geschlossen sein muss. Diese Anforderungen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler als gegeben angesehen und die im schriftlichen Kaufvertrag der Parteien vom 1. Mai 2011 getroffene, auf den schweizerischen (Wohn-) Sitz der Beklagten lautende Gerichtsstandsvereinbarung trotz der unterbliebenen Vertragsunterzeichnung durch die Beklagte für wirksam erachtet.“

In einer ausgewogenen Begründung entscheidet sich der Bundesgerichtshof für die moderne Auslegung des Übereinkommens, wonach auch die Textform und Unterzeichnung genügt, wenn diese Willenseinigung klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist (EuGH, Urteile vom 21. Mai 2015 - C-322/14, RIW 2015, 432 Rn. 29 f. - El Majdoub/CarsOnTheWeb.Deutschland; vom 20. April 2016 - C-366/13, RIW 2016, 357 Rn. 27 - Profit Investment SIM/Ossi; jeweils mwN).

Selbstredend gilt diese Rechtsprechung auch für den gleichlaufenden Art. 25 Brüssel 1a-VO.


Bundesgerichtshof: Keine Erstreckung der Abnahme durch AGB des Bauträgers in Erwerbsvertrag auf Nachzügler-Erwerber

Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen richten sich bei nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geschlossenen Bauträgerverträgen weiterhin grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein.

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft macht gegen die beklagte Bauträgerin Mängelansprüche, insbesondere auf Zahlung eines Vorschusses für Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum geltend. Alle Erwerber vor dem 25. 11. 2002 hatten einen von der Beklagten vorformulierten Vertrag mit folgender Klausel geschlossen: „Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist noch nicht erfolgt. Gemäß … Teilungserklärung haben die Wohnungseigentümer in der 1. Eigentümerversammlung … mit der Abnahme beauftragt. Die Abnahme wird auf Kosten der Verkäuferin in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer für diese durchgeführt. ...“ Mit Erwerbern nach dem 25. 11. 2002 wurde die Klausel gem. Leitsatz 3 vereinbart. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die Vorinstanzen hatten der Klage teilweise stattgegeben.

2.1 Die Revision ist erfolglos geblieben. Der Vorschussanspruch ergibt sich nach dem BGH aus § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, 3 BGB. Es sei anerkannt, dass sich die Mängelrechte beim Bauträgervertrag nach Werkvertragsrecht richten. Dies habe sich auch mit der Schuldrechtsreform in 2002 nicht geändert. An der werkvertraglichen Qualifizierung der Mängelansprüche des Erwerbers wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen sei festzuhalten, möge auch das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein (vgl. BGH NJW 1981, 2344).

Allerdings sei mit der Schuldrechtsreform die rechtliche Stellung des Käufers bei Bauwerken in mancher Hinsicht derjenigen des Bestellers bei einem Bauvertrag angenähert worden, so bei der Verjährung (§ 437 Nr. 1, 3, § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB) oder durch den Nacherfüllungsanspruch des Käufers (§ 439 Abs. 1 BGB). Trotzdem sei es weiterhin sach- und interessengerecht, dass sich die Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern und Eigentumswohnungen bei Bauträgerverträgen grundsätzlich nach Werkvertragsrecht richten. So bestehe für den Käufer nicht die Möglichkeit, einen Vorschuss zur Selbstbeseitigung des Mangels zu verlangen. Zudem passe das Recht des Käufers, zwischen Nacherfüllung und Lieferung einer mangelfreien Sache wählen zu können, bei Bauwerken nicht; es könne zu Konflikten mit dem Recht des für den Bauwerksmangel u. U. verantwortlichen Unternehmers führen, die Art und Weise der Mängelbeseitigung bestimmen zu dürfen. Hinzu komme, dass dem Verkäufer das Verschulden von Dritten bezüglich der Verursachung von Bauwerksmängeln im Zuge der Errichtung des Bauwerks nur in geringerem Umfang zugerechnet werden kann als dem Bauunternehmer.

2.2 Die Klausel in Leitsatz 2 sei gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie sei bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung so zu verstehen, dass den Nachzügler-Erwerbern die Möglichkeit entzogen wird, das Gemeinschaftseigentum selbst abzunehmen. So würde vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 640 Abs. 1 BGB abgewichen. Danach sei der Besteller berechtigt, über die Vertragsmäßigkeit des hergestellten Werks durch Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums, u. U. nach sachverständiger Beratung, zu entscheiden. Die Klausel sei außerdem gem. § 309 Nr. 8 lit. b ff BGB unwirksam, weil sie zu einer mittelbaren Verkürzung der Verjährungsfrist der Mängelansprüche führe. Eine derartige unzulässige Erleichterung der Verjährung liege bereits dann vor, wenn die gesetzliche Verjährungsfrist durch Vorverlegung des Verjährungsbeginns mittelbar verkürzt wird.

3. Der BGH sorgt mit diesem Urteil (VII ZR 171/15) für Klarheit: Bauträgerverträge sind Werkverträge. Dem Wiederaufleben einer kaufrechtlichen Übertragung von noch nicht erstelltem Wohnungseigentum nach Annäherung von Werkvertrags- und Kaufrecht durch die Schuldrechtsreform in 2002 erteilt er eine Abfuhr.

Gebäude sind zumeist Einzelanfertigungen. Sie weisen im Regelfall nicht die Qualität von Serienprodukten auf. Wegen dieser Mangelanfälligkeit bedarf es wirksamen Schutzes des Erwerbers vor unvorhersehbar schlechter Qualität. Das Werkvertragsrecht stellt die notwendigen Instrumente für den Schutz des Gebäudeerwerbers zur Verfügung. Auch nach der Schuldrechtsreform ist das Kaufrecht insoweit ungeeignet. Es regelt grundsätzlich den Erwerb einer bereits vorhandenen Ware, die im Regelfall noch in höherer Auflage produziert wird. Das bestellte Werk hat der Unternehmen hingegen selbst, auf eigene Verantwortung herzustellen. Damit erschien es dem Gesetzgeber angemessen, seine Vergütung erst nach Abnahme, d. h. die förmliche Anerkennung der vertragsgemäßen Herstellung des Werks gem. § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Besteller fällig zu stellen. Erst dann wird der Besteller auch beweispflichtig für etwaige Mängel des Werks. Nach Abnahme steht dem Besteller noch die Selbstvornahme gem. § 637 BGB zur Verfügung. Der Käufer kann sich dementgegen lediglich auf die fehlende Annahme der angebotenen Leistung als Erfüllung gem. §§ 438, 363 BGB berufen und muss diese fehlende Annahme auch noch beweisen. Er muss also die Annahme verweigern und dokumentieren, um Vergütungsanspruch und Beweislastumkehr zu vermeiden.

Die Einschätzung vorweggenommener Abnahme als unwirksam wegen unangemessener Benachteiligung gem. § 307 BGB liegt daher nahe. Die Sicherung des Bestellers für den Erhalt einer vertragsgemäßen Leistung ist ein wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung. Die für Nachzügler verbotene Erleichterung der Verjährung gem. § 309 Nr. 8 lit. b ff BGB rundet das Bild ab. Die Vorverlegung der Verjährung bedeutet deren Erleichterung.


Europäischer Gerichtshof verschärft Haftung wegen unberechtigter Benutzung einer Marke, Urteil vom 3.3.2016 – Rs. C-179/15 – Mercedes

Der Gerichtshof tenoriert:

„Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass ein Dritter, der in einer auf einer Website veröffentlichten Anzeige genannt ist, die ein Zeichen enthält, das mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist, so dass der Eindruck einer Geschäftsbeziehung zwischen ihm und dem Markeninhaber besteht, keine Benutzung dieses Zeichens vornimmt, die vom Inhaber nach dieser Bestimmung verboten werden kann, wenn die Anzeige weder von diesem Dritten noch in seinem Namen platziert worden ist oder, falls die Anzeige von diesem Dritten oder in seinem Namen mit Zustimmung des Inhabers platziert worden ist, wenn dieser Dritte den Betreiber der Website, bei dem er die Anzeige in Auftrag gegeben hatte, ausdrücklich aufgefordert hat, die Anzeige oder die in ihr enthaltene Nennung der Marke zu löschen.“

Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses hatte der Lizenznehmer einer Marke vergeblich versucht, eine Anzeige auf einer Website eines Dritten zu löschen. Der Dritte hatte diese Aufforderung ignoriert und weiterhin mit der Marke des Lizenzgebers geworben. Daraufhin nahm der Lizenzgeber und Markeninhaber den Lizenznehmer auf Unterlassung in Anspruch. Der Gerichtshof hat einen Anspruch des Markeninhabers verneint, weil der Lizenznehmer nach ausdrücklicher Aufforderung des Dritten zur Unterlassung die Marke nicht mehr benutze.

Zwar ließe sich die Veröffentlichung einer Werbeanzeige, die die Marke eines anderen nennt, auf einer Referenzierungswebsite dem Werbenden zurechnen, der diese Anzeige in Auftrag gegeben und auf dessen Anweisung der Betreiber dieser Seite als Dienstleister gehandelt habe (vgl. entsprechend Urteile Google France und Google, C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159, Rn. 51 und 52, sowie Frisdranken Industrie Winters, C-119/10, EU:C:2011:837, Rn. 36), doch könnten dem Werbenden die Handlungen oder Unterlassungen eines solchen Dienstleisters nicht zugerechnet werden, wenn dieser sich absichtlich oder fahrlässig über die ausdrücklich vom Werbenden erteilten Anweisungen hinwegsetze, die gerade darauf abzielen, diese Benutzung der Marke zu verhindern. Kommt der Dienstleister der Aufforderung des Werbenden, die fragliche Anzeige oder die in ihr enthaltene Nennung der Marke zu löschen, nicht nach, lässt sich die Veröffentlichung der Markennennung auf der Referenzierungswebsite nicht mehr als Benutzung der Marke durch den Werbenden qualifizieren.

Die Entscheidung konkretisiert auch die ständige Rechtsprechung deutscher Gerichte zur Zumutbarkeit von Prüfungsmaßnahmen gegen die Verletzung einer Marke. Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Prüfung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. BGH I ZR 216/11 - Kinderhochstühle im Internet II) zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat. Soweit der vormals berechtigte Markennutzer die Beendigung der Nutzung vom Dritten verlangt, ist er nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs in jedem Fall von weiteren Prüfungspflichten befreit.


Grenzüberschreitender Formwechsel innerhalb der Europäischen Union ist analog der innerstaatlichen Vorschriften gemäß §§ 190 ff. UmwG durchzuführen – Kammergericht vom 21. März 2016 52 W 64/15

Im Zuge der Öffnung der strengen Sitztheorie in Deutschland wird seit der SEVIC-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur grenzüberschreitenden Verschmelzung vom 13. Dezember 2005 (C-411/03) die praktische Umsetzung von grenzüberschreitenden Umwandlungen in der Europäischen Union diskutiert. Gesetzgeberisch wurde das deutsche Umwandlungsgesetz aufgrund der Richtlinie 2005/56/EG über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vom 26.10.2005 (ABl EU Nr L 310, 1) um die §§ 122a ff. UmwG zur grenzüberschreitenden Verschmelzung ergänzt. Alle anderen grenzüberschreitenden Umwandlungen wie Spaltung, Ausgliederung oder Formwechsel sind allerdings in Deutschland noch nicht normiert.

Vorliegend geht es um den Formwechsel einer französischen Société à responsabilité limitée in eine deutsche GmbH.

Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der Art. 49, 54 AEUV, die dem nationalen Recht vorgehen, ist davon auszugehen, dass insbesondere die Vorschriften der §§ 191, 226 UmwG, die eigentlich abschließend die Rechtsträger benennen, die einen Formwechsel durchführen können, dem angemeldeten Formwechsel nicht entgegen stehen, auch wenn sie - wie hier - den beteiligten ausländischen Rechtsträger nicht als formwechselfähig aufführen (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - C 378/10 - Vale).

Die danach erforderliche Anpassung des deutschen Sachrechts hat nicht unter Anwendung der Vorschriften über den grenzüberschreitenden Sitzwechsel einer Europäischen Aktiengesellschaft zu erfolgen, denn die supranationale Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft SE ist vor allem auf Großunternehmen zugeschnitten. Die hohen Anforderungen an den Formwechsel würden zu einer erheblichen Benachteiligung gegenüber einer vergleichbaren deutschen Kapitalgesellschaft, im konkreten Fall einer deutschen GmbH führen. Aus diesem Grund muss es bei einer Anwendung der Regeln eines Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine GmbH bleiben, wie sie das UmwG vorsieht. Danach muss der Gesellschaftsvertrag u. a. Zahl und Nennbeträge der Geschäftsanteile enthalten oder den Hinweis, dass die Kapitalaufbringung durch den Formwechsel der ursprünglichen Gesellschaft erfolgt ist. Außerdem kann wie hier bei einer französischen Société à responsabilité limitée der Nachweis die Werthaltigkeit des Vermögens verlangt werden. Nur im Falle des Formwechsels einer Aktiengesellschaft oder vergleichbaren ausländischen Handelsgesellschaft mit strengerem Prüfungsmaßstab bei der Kapitalaufbringung ist eine solche Werthaltigkeitsprüfung nicht vorgeschrieben.

Das Kammergericht bestätigt damit die Rechtsprechung des OLG Nürnberg zum Formwechsel einer luxemburgischen Société à responsabilité limitée nach Deutschland in eine deutsche GmbH, Beschluss vom 19. Juni 2013 - 12 W 520/13.

Grenzüberschreitende Umwandlungen mit Staaten außerhalb der Europäischen Union bleiben weiterhin sowohl gesetzgeberisch als auch judikativ so gut wie unreguliert. Hier ist im Zweifel sehr viel juristische Kreativität und Zusammenarbeit mit den Beteiligten Registern erforderlich. Die Unsicherheit über die Wirksamkeit einer solchen Umwandlung und damit steuerrechtliche Anerkennung macht solche Umwandlungen oft von Anfang an schon undurchführbar.


Brexit nach Art. 50 Abs. 3 EU-Vertrag – erste Rechtsgedanken

„Die Verträge finden auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der in Absatz 2 genannten Mitteilung keine Anwendung mehr… Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat seine Absicht mit.“ Art. 50 Abs. 2 und 3 EU-Vertrag

Die Volksabstimmung der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union („Brexit“) stellt in den nächsten Jahren eine Herausforderung für die Vertragsgestaltung im Hinblick auf das Vereinigte Königreich dar. Gemäß Art. 50 des EU-Vertrags sollen die Verträge spätestens nach zwei Jahren nach Mitteilung der Austrittsabsicht nicht mehr gelten. Darunter fallen wohl auch das gesamte Sekundärrecht und der Acquis communautaire.

Inwieweit die zukünftigen Rechtsbeziehungen wie im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit Island, Norwegen und Liechtenstein geregelt werden, bleibt abzuwarten. Ein harter Austritt ohne Austrittsabkommen wird juristisch wohl nur mit Ausnahmeregelungen wie den Wegfall der Geschäftsgrundlage oder Ähnlichem gehandhabt werden können.

Für die Vertragsgestaltung gilt es insbesondere zu beachten:

  1. Gerichtsstandsvereinbarung

Als Ersatz für die so genannte Brüssel Ia-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12. Dezember 2012 (Verordnung Nr. 1215/2012) dürfte wohl das Luganer Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 für das Vereinigte Königreich in Kraft treten. Die Regelungen bleiben dann im Großen und Ganzen vergleichbar. Andernfalls sind für Deutschland die Vorschriften der Zivilprozessordnung, insbesondere §§ 12 ff., 38 ff. ZPO zur Gerichtsstandsvereinbarung, auch auf internationale Sachverhalte wie hier mit dem Vereinigten Königreich anzuwenden.

  1. Rechtswahl

Die römischen Verordnungen, insbesondere Rom I über das auf vertragliche Schuldnerverhältnisse anzuwendende Recht vom 17. Juni 2008 (Verordnung Nr. 593/2008) kommen nur noch in Deutschland als loi uniforme (Art. 2) zur Anwendung. Im Vereinigten Königreich wird trotzdem eine Rechtswahl weiterhin möglich sein („express or implied choice of law“) möglich sein. Ansonsten gilt das Recht des Landes, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist („centre of gravity“).

Im Rahmen des Gesellschaftsstatuts könnte die vor allem europarechtliche Pflicht zur Anerkennung ausländischer Gesellschaft nach der Besprechung des EuGH (u.a. „Inspire Art“) für eine englische Limited nicht mehr gelten. Der Bundesgerichtshof hält auch nach Einführung der Gründungstheorie für die deutsche GmbH bzw. Aktiengesellschaft an der Sitztheorie des deutschen Gesellschaftsrechts fest. Eine englische Kapitalgesellschaft verwandelte sich bei Sitzverlegung nach Deutschland also wieder in eine Personengesellschaft, regelmäßig in Form einer offenen Handelsgesellschaft. Das Aufleben der persönlichen Haftung der Gesellschafter wäre die Folge.

  1. Salvatorische Klausel

Angesichts der Unwägbarkeiten der Fortgeltung vielfacher Regelungssysteme sollte jeder ab sofort im Hinblick auf das Vereinigte Königreich geschlossene Vertrag eine salvatorische Klausel enthalten. Der Streit um die Sinnhaftigkeit von salvatorischen Klauseln im Zivilrecht ist insoweit erledigt. Insbesondere auch eine Pflicht zur Neuverhandlung sollte eine salvatorische Klausel enthalten. Die automatische Geltung einer Regelung, die dem von den Parteien gewollten Vertragsinhalt möglichst nahe kommt, macht angesichts des möglichen Wegfalls kompletter Regelungssysteme nicht viel Sinn. Die Frage, was dann gelten soll, ist damit nicht beantwortet.


Wettbewerbsverbot des Verkäufers kann beim Unternehmenskauf ungeschriebene Nebenpflicht sein

Oberlandesgericht Düsseldorf (I-22 U 37/15) regelt wichtigen Punkt bei Unternehmenskauf oder Nachfolgeregelungen

Ein Wettbewerbsverbot des Verkäufers kann sich bei einem Unternehmenskauf bereits aus der Verschaffungspflicht des Verkäufers nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als ungeschriebene Nebenpflicht auch ohne gesonderte Vereinbarung ergeben.

Bei einem Unternehmenskauf ist zu berücksichtigen, dass im Kaufpreis regelmäßig der wirtschaftliche Wert des Wettbewerbsverbots (und zwar unter Berücksichtigung seiner konkreten - hier fünfjährigen - Dauer ab Ende der Überleitungsphase) von den Parteien einkalkuliert wurde.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten auf Grundlage einer Kundenschutzklausel in einem Kaufvertrag über Mandatsbeziehungen einer Steuerberatungskanzlei mit einem jährlichen Umsatz von ca. 650.000 € zum Kaufpreis von 747.500 € (115 % des Jahresumsatzes) einen Anspruch auf Unterlassung geltend, bis 5 Jahre nach Vertragsbeendigung für näher bezeichnete Mandanten der Klägerin steuerlich tätig zu werden. Die Vorinstanz verneint den Anspruch. Die Kundenschutzklausel sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da sie - nach den Maßstäben des BGH - als Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß überschreite.

Das OLG Düsseldorf bejaht den Unterlassungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB, denn die Kundenschutzklausel sei wirksam, insbesondere sei sie weder gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Eine Beschränkung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit in Gestalt eines - ohne Äquivalent - für längere Zeit durchgesetzten Verbots, in einem Erwerbszweig tätig zu werden, ist gemäß § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG sittenwidrig. Ausschlaggebend für diese Wertung ist die Beschränkung der durch Art. 12 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Wettbewerbsverbote sind nur wirksam, wenn sie durch ein schutzwürdiges Interesse des Berechtigten gefordert werden und sich nach ihrem örtlichen, zeitlichen und gegenständlichen Umfang im Rahmen des Angemessenen halten. Sittenwidrig ist es, wenn der Betroffene ohne angemessenen Ausgleich für längere Zeit seine wirtschaftliche Selbständigkeit einbüßt. Bei einem aus der Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafter ist in der Regel eine Verbotsfrist von zwei Jahren angemessen, weil sich die Mandantenbeziehungen nach Ablauf dieser Zeitspanne typischerweise weitgehend gelöst haben (zuletzt BGH, EWiR 2015, 269. Bei einem zeitlichen Übermaß ist ein Wettbewerbsverbot zu kürzen. Bei einem Unternehmenskauf sind Wettbewerbsverbote in dem Ausmaß zulässig, das Allgemeininteresse an einem funktionierenden Wettbewerb respektiert und den einen Vertragspartner vor der illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den anderen Vertragspartner schützt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein Wettbewerbsverbot des Verkäufers bei einem Unternehmenskauf bereits aus der kaufrechtlichen Verschaffungspflicht des Verkäufers nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als ungeschriebene Nebenpflicht bzw. nachvertragliche Treuepflicht des Verkäufers auch ohne gesonderte Vereinbarung ergibt, soweit die Unterlassung von Wettbewerb zur Überleitung der Mandate erforderlich ist. Die Rspr. geht insoweit nicht von einer Regelfrist von zwei Jahren aus, sondern berücksichtigt jeweils die Umstände des Einzelfalles. Beim Unternehmenskauf wird der wirtschaftliche Wert des Wettbewerbsverbots in den Kaufpreis einkalkuliert.

Das ausführlich begründete Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf überzeugt. Es stärkt die Käuferrechte beim Erwerb von Unternehmen. Kundenschutz kann auch länger als zwei Jahre nach Übertragung des Unternehmens gelten; eine Karenzentschädigung fällt nur ausnahmsweise an. Verfassungsrechtlich hätten wir uns noch stärker die Diskussion der Grundrechte (Eigentumsgarantie und allgemeine Handlungsfreiheit) gewünscht.

Beim Erwerb von Beratungsunternehmen geht es hauptsächlich um die Übertragung der Kundenbeziehungen als wichtigstem Vermögensgegenstand des erworbenen Unternehmens.

Der Erwerber kauft umgangssprachlich die Kunden, was vor allem das Unterlassen von Abwerbung dieser Kunden gegenüber dem Käufer des Unternehmens bedeutet. Nicht selten verpflichtet sich der Verkäufer, alle bisherigen Kunden nicht mehr zu betreuen.

Manchen Veräußerer reut allerdings die Veräußerung, so dass sie versuchen, den Kundenschutz zu umgehen. Regelmäßig wird bei natürlichen Personen dann die wirtschaftliche Abhängigkeit oder Arbeitnehmerähnlichkeit behauptet, was bei fehlender Karenzentschädigung analog § 74 Abs. 2 HGB zu einer Wirkungslosigkeit des Kundenschutzes führte (BGH EWiR 2003, 971). Das OLG Düsseldorf schränkt die Möglichkeit der Berufung auf diese Analogie stark ein, indem es die Kaufpreiszahlung auch als Entschädigung für den Kundenschutz ansieht. Selbst bei wirtschaftlicher Abhängigkeit des Verkäufers durch überleitende Mitarbeit gab es also eine Art Karenzentschädigung, über deren angemessene Höhe dann nur noch Streit bestehen kann. Bei Zahlung eines nach dem Jahresumsatz bestimmten Kaufpreises sollten die Voraussetzungen von § 74 Abs. 2 HGB (Hälfte der Vertragsleistungen für jedes Jahr des Verbots) regelmäßig erfüllt sein.

Auch die Dauer des Kundenschutzes sieht das OLG Düsseldorf unkritisch: Im konkreten Fall enger Kundenbindung erlaubt es sogar fünf Jahre. Im Zweifel muss den Erwerber eine unangemessen hohe Laufzeit nicht interessieren, da die Rechtsprechung die Geltung durch angemessene Reduktion der Laufzeit erhält. Die Anerkennung einer fünfjährigen Laufzeit kann allerdings als Diktum bei enger Kundenbindung im Bereich von Dienstleistungen höherer Art aufgrund besonderen Vertrauens wie hier der Steuerberatung gewertet werden. Demgemäß hat ein Käufer nur im Falle eines pauschalen Konkurrenzschutzes Gegenstand und räumliche Geltung zu beachten; auf der sicheren Seite ist er mit einem auf einzelne Kunden definierten Kundenschutz. Zur einfacheren Vollstreckung sollten diese Kunden namentlich benannt werden.


Ein Angebot bei eBay kann nur mit kausalem Grund gestrichen werden

Nach dem Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 23.9.2015 – VIII ZR 284/14) darf ein Anbieter bei eBay sein Angebot nur dann streichen, wenn der angegebene Grund die Ursache ist.

Der Beklagte beendete seine Internetauktion vorzeitig durch Streichung aller Angebote. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger Höchstbietender. Der Kläger behauptet, er hätte die Kaufsache verkaufen können und verlangt mit seiner Klage der Verkaufserlös abzüglich seines Gebotsbetrags. Der Beklagte verweigert die Übergabe der Kaufsache, weil die Kaufsache nach Auktionsbeginn zerstört worden sei. Später hat der Beklagte geltend gemacht, dass der Kläger in letzter Zeit 370 auf eBay abgegebene Kaufgebote zurückgenommen habe. Deshalb sei er zur Streichung des Gebots berechtigt gewesen.

Der BGH verneint eine wirksame Streichung des Angebots. Nach seinem Urteil dürfen objektiv zum Zeitpunkt der Rücknahme des Versteigerungsangebots vorliegende Gründe nicht zur Begründung nachgeschoben werden. Laut Rechtsprechung des BGH steht das Angebot eines Verkäufers auf der Internetplattform eBay unter dem Vorbehalt einer berechtigten Angebotsrücknahme, etwa Anfechtung oder Rücktritt. Verhindert aber schon ein objektiver Grund das Zustandekommen des Vertrages, obwohl das Gebot subjektiv aus anderen Gründen gestrichen wurde? Der BGH sagt nein. Er fordert vielmehr Kausalität zwischen Grund und Rücknahme. Damit unterstreicht er den Grundsatz unseres Privatrechts, dass zwischen einer Berechtigung und einem Anspruch ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss. Ein objektiver Sachverhalt wird nur dann Grund für einen Anspruch, wenn dieser Anspruch nach Kenntnis des Berechtigten darauf begründet wird. Unter Umständen springt der BGH damit aber zu kurz. Bei der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, etwa Arbeitsverhältnisses ist das Nachschieben von objektiven Gründen nach einhelliger Ansicht zulässig. Zwar geht es dort um die Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses, weil das Festhalten daran unzumutbar geworden ist. Mit der Kündigung hatte der Arbeitgeber zu erkennen gegeben, dass er eine Weiterbeschäftigung subjektiv für unzumutbar hält. Ob diese Unzumutbarkeit bei objektiver Beurteilung bei Kündigung vorlag, ist unter Berücksichtigung aller in diesem Zeitpunkt objektiv vorliegender Umstände zu entscheiden. Doch ist ein verbindliches Angebot wie hier im Falle einer Internetversteigerung insoweit zumindest vergleichbar. Die Berechtigung zur Angebotsrückname könnte deshalb ebenfalls an die Zumutbarkeit anknüpfen. Im Falle einer Vorleistungspflicht des Verkäufers wäre die Berücksichtigung objektiver Gründe für die Rücknahme des Angebots im Sinne der Unsicherheitseinrede gem. § 321 Abs. 1 BGB demnach zumindest nicht unangemessen. Lehrreich ist die Entscheidung jedenfalls durch das, was sie weglässt: Die umstrittene Frage, ob AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB) auch dann anwendbar ist, wenn auf Verlangen beider Vertragsparteien die Einbeziehung derselben AGB verlangt wird. Sowohl Verkäufer als auch Käufer verlangen im vorliegenden Fall die Verwendung der AGB von eBay. Da der BGH die Frage der Anwendbarkeit des AGB-Rechts, hier etwa mangelnde Transparenz gem. § 305 Buchst. c Abs. 2 BGB oder unangemessene Benachteiligung gem. § 307 BGB nicht thematisiert, scheint er der überwiegenden Literaturmeinung. beizupflichten, dass insoweit §§ 305 ff. BGB unanwendbar sind, zumal es sich hier um eine Vertragsabschlussklausel handelt. Vorliegend wäre es auch willkürlich, einen Verwender von Geschäftsbedingungen zu bestimmen, der diese gegenüber der anderen Vertragspartei stellt.


Haftungsausschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen? - Bundesgerichtshof bleibt streng

Der Bundesgerichtshof (VIII ZR 104/14) führt seine strenge Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Haftungsbeschränkungen bei Mängeln einer Kaufsache fort. Diesmal erfolgt die Attacke nicht über die fehlende Ausnahme für eine Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit gemäß § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB, sondern über fehlende Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die Klägerin kaufte vom Beklagten, einem Autohändler, einen gebrauchten Pkw, den er am 23. Februar 2010 an sie übergab. Dem Kaufvertrag liegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten zugrunde. Diese entsprechen den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger, Unverbindliche Empfehlung des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. (ZDK)" mit Stand 3/2008. Sie lauten auszugsweise wie folgt: "VI. Sachmangel

  1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden. […]
  2. Abschnitt VI Sachmangel gilt nicht für Ansprüche auf Schadensersatz; für diese Ansprüche gilt Abschnitt VII Haftung. VII. Haftung
  3. Hat der Verkäufer aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen für einen Schaden aufzukommen, der leicht fahrlässig verursacht wurde, so haftet der Verkäufer beschränkt: Die Haftung besteht nur bei Verletzung vertragswesentlicher Pflichten, etwa solcher, die der Kaufvertrag dem Verkäufer nach seinem Inhalt und Zweck gerade auferlegen will oder deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Kaufvertrages überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Käufer regelmäßig vertraut und vertrauen darf. Diese Haftung ist auf den bei Vertragsabschluss vorhersehbaren typischen Schaden begrenzt. […]
  4. Die Haftungsbegrenzungen dieses Abschnitts gelten nicht bei Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit."

Der Anspruch auf Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung der Pflicht zur Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1 BGB) sei nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht verjährt, denn die Regelungen zur Verjährungsfrist in Abschnitt VI Nr. 1 Satz 1, Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen genügten den Anforderungen des Transparenzgebots nicht und sind deshalb wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Regelungen sseieen nicht klar und verständlich, da sich ihnen die Auswirkungen dieser Klauseln auf Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung der Pflicht zur Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1 BGB) nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen ließen. Dem Käufer kann gegen den Verkäufer einer mangelhaften Sache ein Anspruch, welcher auf die Zahlung der für die Reparatur erforderlichen Kosten gerichtet ist, als Schadensersatz statt der Leistung unter zwei Gesichtspunkten zustehen. Zum einen kann der Verkäufer seine Pflicht zur Lieferung der mangelfreien Kaufsache (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) schuldhaft verletzt haben; zum anderen kann sich ein solcher Anspruch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1 BGB) ergeben (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 11 ff.). Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist daher nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen (st. Rspr zuletzt: BGH, Urteile vom 9. April 2014 - VIII ZR 404/12). Der Verwender muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten lässt sich nicht entnehmen, dass die Verjährung des von Abschnitt VI Nr. 1 Satz 1 erfassten Nachbesserungsanspruchs dazu führen kann, dass ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Nachbesserungspflicht nach Ablauf eines Jahres ab Ablieferung der Kaufsache nicht mehr geltend gemacht werden könnte. Erst recht erschließt sich ihm nicht, wie der Widerspruch zwischen den gegenläufigen Regelungen des Abschnitts VI Nr. 1 Satz 1 und VI Nr. 5 aufzulösen ist. Die Klauseln geben keine eindeutige Antwort darauf, ob und inwieweit sich die bei Zugrundelegung von Abschnitt VI Nr. 1 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach Ablauf eines Jahres eintretende Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs auf den Schadenersatzanspruch wegen der Verletzung der Pflicht zur Nacherfüllung auswirkt und damit dessen erfolgreicher Geltendmachung bereits vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist von zwei Jahren entgegensteht. In Anbetracht dieses Widerspruchs zwischen den Reg-lungen in den Abschnitten VI Nr. 1 Satz 1 (Verkürzung der Verjährung für Nachbesserungsansprüche) und VI Nr. 5 und VII (keine Verjährungsverkürzung für Schadensersatzansprüche) ist für einen durchschnittlichen Vertragspartner des Verwenders nicht erkennbar, ob ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der Pflicht zur Nacherfüllung erst nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist von zwei Jahren oder bereits nach einem Jahr nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden kann, weil der Verkäufer nach Ablauf eines Jahres die Nacherfüllung gemäß § 214 Abs. 1 BGB verweigern darf, ohne pflichtwidrig zu handeln.

Für den Käufer, zumal als Verbraucher ist das begrüßenswert. So kommt die für ihn vorteilhafte gesetzliche Regelung vor allem gemäß §§ 434 ff. BGB zur Mängelhaftung aufgrund Kaufvertrags zur Geltung. Eine differenzierende Sichtweise speziell im unternehmerischen Geschäftsverkehr wird allerdings zunehmend schwieriger. Wer nicht jede, unter Umständen auch fern liegende Variante bedenkt, erhält als Verwender von Geschäftsbedingungen die Quittung mit der Unwirksamkeit dieser Klausel. Schon die Verkürzung der Verjährungsfrist ohne Ausnahme der Verjährung für eine Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit gemäß § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB( BGH a.a.O.) war für manchen Beobachter erstaunlich, doch zeigt die vorliegende Entscheidung, dass pauschale Haftungsausschlüsse für den Verwender von Geschäftsbedingungen weiterhin gefährlich sind. Hätte sich vorliegend der Verwender, also der Verkäufer der Gebrauchtwagen, die Mühe gemacht und die Ausnahme vom Haftungsausschluss wegen Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit auch bei den kaufrechtlichen Sekundäransprüchen im Falle von Mängeln (VI der streitgegenständlichen Geschäftsbedingungen) formuliert und nicht nur wie geschehen im Falle der Schadensersatzansprüchen, wäre ihm die jetzige Haftung erspart geblieben. Stattdessen meinte er mit der Verweisung der Haftung für Schadensersatzansprüche auf der sicheren Seite zu sein. Wie wir sehen können, war dies eine trügerische Ansicht. Für die Praxis der Gestaltung von Verkaufsbedingungen muss also weiterhin gelten, dass Klauseln möglichst abschließend und für sich allein geltend formuliert werden. Verweisungen auf andere Teile der Bedingungen sind mit der Beeinträchtigung der Transparenz zu unterlassen.


Wer sich um das sinkende Schiff kümmert, kann sich haftbar machen

Bundesgerichtshof bestätigt die Haftung des faktischen Geschäftsführers auch nach Novellierung der Insolvenzordnung

Eine leider nicht seltene Situation: Dem Unternehmen, hier einer GmbH geht es schlecht. Der im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer kommt seinen Verpflichtungen nur sehr mäßig nach. Ein langjähriger Angestellter springt in die Bresche und handelt für das Unternehmen, um es zu retten. Es kommt wie es kommen muss: Die Rettung misslingt, das Unternehmen wird zahlungsunfähig und ein Insolvenzverfahren eröffnet.

Was der engagierte Angestellte nicht wusste: Da er faktisch als Geschäftsführer aufgetreten ist, hätte er auch ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen müssen. Zwar sei er nicht förmlich Mitglied eines Vertretungsorgans, wie es § 15a InsO fordert, doch hätte der Gesetzgeber nach Ansicht des Bundesgerichtshof (4 StR 323/14) die Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers nicht einschränken wollen. Schon seit langem sei anerkannt, dass der faktische Geschäftsführer wie ein formell bestellter Geschäftsführer haftbar ist.

Jeder Mitarbeiter muss sich also im Klaren sein, wenn er dem ihm ans Herz gewachsenen Unternehmen helfen will, dass er auch dafür verantwortlich sein kann. Ohne eine entsprechende Versicherung kann das teuer werden. Wer, nachdem der formelle Geschäftsführer nicht mehr aufzufinden ist, dem Insolvenzverwalter noch gegenüber erklärt, er habe ja doch versucht, das Unternehmen zu retten, liefert sich naiv selbst ans Messer. Er macht sich strafbar und wird vom Insolvenzverwalter sicherlich in Regress genommen.


Abwerbeverbot nur in besonderen Fällen für höchstens 2 Jahre

Bundesgerichtshof (I ZR 245/12) schafft Klarheit bei Regelungen zwischen konkurrierenden Unternehmen zur Abwerbung von Mitarbeitern.

Die Vertragspartner waren einmal Konzerngesellschaften. Nachdem die Beteiligung an der Beklagten von einem dritten Unternehmen erworben wurde, schlossen die Parteien einen Kooperationsvertrag zum Zweck des gemeinsamen Vertriebs. In diesem Kooperationsvertrag vereinbarten sie: "Jede Partei verpflichtet sich, während sowie bis drei Jahre nach Beendigung dieses Vertrages keine Mitarbeiter der anderen Partei direkt oder indirekt abzuwerben. Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung in Satz 1 zahlt die verstoßende Partei an die andere Partei eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttojahresgehältern (einschl. Prämien, Tantiemen) des betreffenden Mitarbeiters, der unter Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß Satz 1 von der betreffenden Partei abgeworben wird, wobei zur Berechnung der Vertragsstrafe das Bruttojahresgehalt des betreffenden Mitarbeiters maßgeblich ist, das er im Jahr vor Verwirkung der Vertragsstrafe bezogen hat." Die Klägerin begehrt die vereinbarte Vertragsstrafe, da nach den Feststellungen des Gerichts die Beklagte im dritten Jahr nach Ende des Kooperationsvertrages zwei Mitarbeiter der Klägerin abwarb. Das Landgericht wies die Klage ab. In der Berufungsinstanz verurteilte das Oberlandesgericht hingegen die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe.

Nach Ansicht des BGH handelt es sich auch bei einem Abwerbeverbot um eine Sperrabrede im Sinne des § 75f HGB. Solche Sperrabreden, durch die sich ein Unternehmen verpflichtet, keine Arbeitnehmer eines anderen Unternehmens einzustellen, können gerichtlich nicht durchgesetzt werden. Zulässig ist ein Abwerbeverbot zuallererst, wenn es aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung herrührt, nachdem das Verhalten des Abwerbenden unlauter war. Ansonsten darf ein Abwerbeverbot nicht Hauptzweck einer Vereinbarung sein, sondern nur Nebenbestimmung wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses oder der besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden Vertragsparteien. Die Risikoprüfung vor dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen (Due Diligence), die Abspaltung von Unternehmensteilen oder Vertriebsvereinbarungen sind Beispiele solcher besonderen Vertrauensverhältnisse. Das Abwerbeverbot darf regelmäßig nicht mehr als zwei Jahre nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gelten. Diese Wertung findet sich nicht zuletzt in § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB und § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB. Diese Vorschriften bringen die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass die in einem Wettbewerbsverbot liegende Einschränkung der Berufsfreiheit des hierdurch gebundenen Arbeitnehmers längstens zwei Jahre gerechtfertigt ist. Gleiches muss auch für Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern in Form von Abwerbeverboten gelten, die für die hiervon betroffenen Arbeitnehmer vergleichbare Auswirkungen haben können.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gibt endlich eine klare und pragmatische Richtlinie für Absprachen zwischen konkurrierenden Unternehmen zum Verbot des Abwerbens von Mitarbeitern (= „Ausspannen“). Vor allem bei Vertriebsverträgen wie für Vertragshändler, Handelsvertreter oder Franchise, dem Erwerb von Unternehmen („M & A“) und sonstiger Umwandlung von Unternehmen sind Abwerbeverbote der Beteiligten mit einer Laufzeit von zwei Jahren grundsätzlich wirksam. Die Betonung der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) zur Begründung ist schlüssig. Die historische Erklärung (Rn. 24) lässt sich allerdings nur schwer vermitteln. Auffällig ist die fehlende Berücksichtigung des Kartellrechts (§ 1 GWB i.V.m. § 134 BGB) oder der allgemeinen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB). Die Vertragspraxis wird das jetzige Urteil dankbar umsetzen. Bisher hatte der Bundesgerichtshof sich noch nicht zur Anwendbarkeit von § 75f HGB auf Abwerbeverbote geäußert. Erstaunlich ist allerdings die eigene Abwägung jenseits der Fallgruppen zum Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gemäß § 1 GWB. Der Bundesgerichtshof hätte zumindest von einem horizontalen Kartell sprechen können, das den Wettbewerb unter Umständen spürbar beschränkt. Die fehlende Fortsetzung der Rechtsprechung in diesem Gebiet kann eigentlich nur dem Respekt des hier entscheidenden I. Senats gegenüber dem ansonsten für Kartellrecht zuständigen Kartellsenat geschuldet sein. Kryptisch ist die Bemerkung, es könne nicht „von dem konkreten Formulierungsgeschick der vertragschließenden Unternehmen…“ abhängen, ob der Anwendungsbereich des § 75f HGB eröffnet ist oder nicht (Rn. 23). Im Rahmen der Vertragserstellung kommt es indes immer auf die richtige Formulierung an, ob der Anwendungsbereich einer bestimmten Vorschrift eröffnet ist. Die Zweijahresfrist entspricht der Rechtsprechung bei Mandantenschutzklauseln (BGH, Urteil vom 29. Januar 1996 II ZR 286/94). Ausdrücklich offen lässt der Bundesgerichtshof die Frage, ob auch eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren wirksam sein kann. Für die Vertragsgestaltung sollte eine längere Laufzeit wegen der geltungserhaltenden Reduktion indes unbedenklich sein; bei Unwirksamkeit längerer Laufzeit gilt die Zweijahresfrist. Allgemein wird zu den vom Bundesgerichtshof zur Begründung zitierten Vorschriften § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB und § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB die ersatzweise Geltung der gesetzlichen Frist von zwei Jahren angenommen.


Gesellschafterstreit in der Zwei-Mann-GmbH effektiv nur im einstweiligen Verfügungsverfahren möglich

Landgericht Stuttgart (38 O 4/14 KfH) festigt Rechtsprechung zur Feststellungsbedürftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen

Zwei Gründer haben eine hervorragende Geschäftsidee, mit der sie viel Geld verdienen wollen. Leider haben Sie keine gute Vorstellung von einer funktionierenden Gesellschaft. Sie gründen eine GmbH – wegen der Haftung –, an der beide hälftig mit 50 % beteiligt sind und beide als Geschäftsführer einzelvertretungsberechtigt für die GmbH auftreten. Das Desaster ist programmiert. Die Geschäftsidee floriert. Das Unternehmen wächst hektisch. Es kommt zu Reibereien. Irgendwann wird es einem Gründer zu bunt. Er will die Gesellschaft für sich allein und versucht den anderen, aus der Gesellschaft zu werfen. Durch das Aufblähen von Kleinigkeiten wird ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gezimmert. Dann muss nur geringe Abfindung gezahlt werden. Es folgen hitzige Gesellschafterversammlungen, bei denen die Gesellschafter versuchen, den jeweils anderen als Geschäftsführer abzuberufen und als Gesellschafter auszuschließen.

In der Rechtsprechung gibt es grundsätzlich drei verschiedene Verfahren, um diesem „Wettlauf der Abberufungen“ Herr zu werden. Sie sind gekennzeichnet von unterschiedlichem Respekt gegenüber der Autonomie der Gesellschaft. Nach der strengsten Ansicht muss der abberufene/ausgeschlossene Gesellschaftergeschäftsführer innerhalb Monatsfrist analog §§ 84 Abs. 3 S. 4, 246 Abs. 1 AktG einen solchen Beschluss der Gesellschafterversammlung gerichtlich anfechten. Wird er nicht tätig, ist ein solcher, in der Regel zweifelhafter Beschluss grundsätzlich wirksam. Eine vermittelnde Ansicht verlangt zumindest eine aktienrechtlich ordnungsgemäße Feststellung des Beschlusses durch einen Versammlungsleiter. So soll über die Form ein Mindestmaß materieller Richtigkeit sichergestellt werden. Das Landgericht Stuttgart hält demgegenüber mit dem Oberlandesgericht Stuttgart (20 W 11/97) Beschlüsse in zweigliedrigen GmbHs grundsätzlich für feststellungsbedürftig. Nur so könne das materielle Recht gewahrt werden. Kehrseite dieser Rechtsprechung ist allerdings, dass bis zu einer regelmäßig sehr späten Feststellung die bisherige Organisation der Gesellschaft für ein einstweiliges Verfügungsverfahren erhalten bleibt. Im Falle des Satzungsverstoßes durch einen Gesellschafter kann also der andere Gesellschafter diese Pflichtwidrigkeit als Geschäftsführer für die Gesellschaft verfolgen. Vor allem ein Wettbewerbsverstoß durch Umgehung der Gesellschaft, Abwerben von Kunden oder Durchführung von für die Gesellschaft akquirierten Geschäften ist auch durch einen Gesellschaftergeschäftsführer möglich, der unter Umständen schon mehrfach vom anderen Gesellschafter als Geschäftsführer abberufen wurde.

In der Praxis scheint nur diese Rechtsprechung angemessen. Die strenge Ansicht der Anfechtungsbedürftigkeit kann bei einer Kaskade von Beschlüssen dazu führen, dass vom angegriffenen Gesellschafter ein Beschluss übersehen wird, weil er ihm z.B. nicht zugestellt worden ist. Bei der vermittelnden Ansicht ist die Frage der richtigen Beschlussfeststellung nur schwierig zu beantworten. Gerade bei Zweipersonen-Gesellschaften kann eine solche Vorgehensweise pure Förmelei sein. Nur wenn klar ist, dass erst nach gerichtlicher Feststellung der Beschluss einer solchen Gesellschafterversammlung wirksam wird, kann sich zumindest pro forma die Gesellschaft gegen Wettbewerbsverstöße im einstweiligen Verfügungsverfahren bis auf weiteres verteidigen. Pauschaler Ausschluss der Mängelhaftung für Gebrauchtware in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam.

Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil vom 29. Mai 2013 (BGH VIII ZR 174/12) seine deutliche Linie zur Unwirksamkeit eines pauschalen Haftungsausschlusses in Allgemeinen Geschäftsbedingungen fort.

Die Kläger, Eheleute, kauften einen gebrauchten Geländewagen mit Flüssiggasantrieb. In den Geschäftsbedingungen der Beklagten hieß es: „Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ab-lieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.“ Diese Beschränkung der Haftung sollte bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit nicht gelten.

Das Fahrzeug wurde den Klägern am 2006 übergeben. An der Gasanlage traten in der Folgezeit Funktionsstörungen auf, die auf einem fehlerhaften Einbau der Flüssiggasanlage beruhten. Die Kläger mahnten die Mängel 2008 an. Mit anschließender Klage begehren die Kläger Mängelbeseitigung. Die Beklagte hat sich vor allem auf die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen berufen.

Die ausnahmslose Abkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist unwirksam, weil sie gegen die Klauselverbote in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB verstößt. Gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB beträgt die gesetzliche Verjährungsfrist für Mängelhaftung bei Kaufvertrag zwei Jahre. Nach den Klauselverboten in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Eine Begrenzung der Haftung im Sinne des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB ist auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche durch Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen.

Hiergegen verstößt die Abkürzung der Verjährungsfrist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, da auch Schadensersatzansprüche des Käufers umfasst werden, die auf Ersatz eines Körper- oder Gesundheitsschadens wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden Mangels gerichtet oder auf grobes Verschulden des Verkäufers oder seiner Erfüllungsgehilfen gestützt sind.

Die allgemeine Einschränkung des Haftungsausschlusses für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB (kundenfeindlichste Auslegung) so auszulegen, dass von einer gegenständlichen Haftungsbeschränkung, nicht dagegen von der zeitlichen Haftungsbegrenzung auszugehen ist.

Der Bundesgerichtshof verweist auf sein Urteil vom 19. September 2007 (BGH VIII ZR 141/06), mit dem er diesen Haftungsausschluss ausdrücklich sowohl im unternehmerischen Verkehr als auch bei Gebrauchtwaren für unwirksam erklärte. Über diese Rechtsprechung lässt sich vortrefflich streiten. Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Rechtsprechung offensichtlich die Regel der Nichtanwendbarkeit der Klauselverbote in §§ 308 - 309 gegenüber einem Unternehmer gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 durch extensive Auslegung von § 310 Abs. 1 S. 2 BGB in ihr Gegenteil verkehrt. Letztendlich ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dieser Frage aber deutlich, auch wenn in der jüngsten Vergangenheit Hoffnung auf eine liberalere Rechtsprechung aufkeimte.

Diese Rechtsprechung scheint auch heutzutage noch nahezu unbekannt zu sein, so dass die Entscheidung samt erneutem Verweis des Bundesgerichtshofs hierauf zu begrüßen ist. Mit dem Brustton der Überzeugung wird immer noch vor und von unterinstanzlichen Gerichten behauptet, dass doch unter Unternehmern der pauschale Haftungsausschluss für Gebrauchtware üblich und zulässig sei. Aber auch im Hinblick auf den nichtunternehmerischen Verkehr schafft diese Entscheidung Klarheit.


Gläubiger können auch durch einen Nießbrauch des Schuldners am eigenen Grundstück benachteiligt werden - Landgericht Ulm lässt Anfechtung zu

Der Schuldner wollte die Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil gegen sich vereiteln. Sein einziger Vermögensgegenstand war ein Grundstück. An diesem Grundstück ließ sich der Schuldner noch während des Gerichtsprozesses einen Nießbrauch eintragen. Mit diesem Nießbrauch wäre eine Zwangsvollstreckung quasi unmöglich geworden. Er bliebe im geringsten Gebot einer Zwangsversteigerung bestehen und könnte nur zur Ausübung gepfändet werden. Da der Schuldner die Immobilie selbst bewohnte, war auch hier kein wirtschaftlich sinnvolles Ergebnis zu erwarten.

Die Bestellung dinglicher Rechte wie dem Nießbrauch am eigenen Grundstück ist nach dem Landgericht Ulm (Urteil vom 30.11.2012, 2 O 137/12) unmittelbar nach § 3 Abs. 1 Anfechtungsgesetz anfechtbar. Das Landgericht Ulm folgt insoweit dem Bundesfinanzhof (Urteil vom 30.3.2010, VII R 22/09). Der Wortlaut der Norm, wonach eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung anfechtbar ist, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, beschränkt ihre Anwendbarkeit nicht auf den Fall der Fremdbegünstigung. Vielmehr erschöpft sich die Bedeutung des "Wenn"-Satzes darin, den gutgläubigen Erwerber in Fällen der Fremdbegünstigung vor einer Anfechtung zu schützen. Im Fall der Selbstbestellung eines Teilrechts am eigenen Grundstück geht der Konditionalsatz ins Leere. Die Gläubigerbenachteiligung besteht darin, dass sich schon allein durch die Bestellung einer Grundstücksbelastung am eigenen Grundstück die Zugriffslage für die Gläubiger --unabhängig von einer sich daran anschließenden Übertragung des Grundeigentums-- verschlechtern kann. Denn im Fall einer Zwangsvollstreckung in das Grundstück bleibt dieses im Rang vor dem Anfechtungsgläubiger stehende Teilrecht bestehen. Im Streitfall liegen solche Verschlechterungen der Zugriffslage für die Gläubiger vor. Der an den Grundstücken bestellte Nießbrauch kann zwar grundsätzlich Gegenstand der Pfändung sein; allerdings, wie sich aus § 857 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 1059 BGB ergibt, ist er der Pfändung nur insoweit unterworfen, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Wegen seiner Unveräußerlichkeit, die auch in der Zwangsvollstreckung Bestand hat, darf der Pfändungspfandgläubiger den Nießbrauch nicht zu seiner Befriedigung verwerten, sondern ihn nur zu diesem Zweck ausüben. Dies schließt eine Überweisung des Stammrechts selbst zur Einziehung oder an Zahlungs statt nach § 857 Abs. 1, § 835 Abs. 1 ZPO ebenso aus wie eine anderweitige Verwertung durch Versteigerung oder freien Verkauf.

Dem Gläubiger, der ins Leere gehen sollte, wurde geholfen. Der Nießbrauch wurde für anfechtbar erklärt und ist deshalb bei einer Zwangsversteigerung nicht zu beachten. Merke: Das Anfechtungsrecht macht das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen nahezu unmöglich.


Kommentar von Cornel Pottgiesser zum BGH Urteil

In der aktuellen Ausgabe der EWiR (Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht) kommentiert Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser die Entscheidung des BGH vom 2. Dezember 2009 - I ZR 152/07 (OLG Stuttgart). Der Leitsatz des Gerichts lautet: „Steuerliche Vorschriften stellen grundsätzlich keine Marktverhaltensregelungen dar. Ihre Verletzung kann auch nicht unter Zuhilfenahme des Vorsprunggedankens als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden.“ (§ 4 Nr. 11, § 3 Abs. 1 UWG, § 65 Nr. 3 AO)

BGH EWiR § 4 UWG 4/10, 547 (Pottgiesser)


Kennzeichenstreitsache selbst dann, wenn der Kläger sich auf § 5 Abs. 2 UWG stützt

Landgericht Aschaffenburg bestätigt die Konzentration von Kennzeichenstreitsachen in Nordbayern beim Landgericht Nürnberg-Fürth

Mit der Ergänzung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) durch den Zusatz in § 5: „Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft.“ hatte sich die Vorrangthese des Bundesgerichtshofs (seit BGHZ 138, 349 - MAC Dog) nahezu erledigt. Nach dieser These war ein Fall ausschließlich nach dem Markengesetz zu beurteilen, wenn es um eine Marke ging. Mit der obigen Übernahme des Regelungsinhaltes der europäischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG, „UGP-Richtlinie“) kann eine diesbezügliche Markenverletzung auch ausschließlich auf § 5 Abs. 2 UWG gestützt werden.

Was bedeutet das allerdings für die konzentrierte Zuständigkeit einzelner Landgerichte in den Bundesländern bei Kennzeichenstreitsachen gemäß § 140 Markengesetz? Nach Ansicht des Landgerichts Aschaffenburg (2 HK O 73/11) sind auch Klagen, die ausschließlich auf § 5 Abs. 2 UWG geschützt werden, vor dem nach § 140 Markengesetz zuständigen Landgericht zu verhandeln, in Bayern beispielsweise also ausschließlich vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth oder dem Landgericht München. Die fachliche Kompetenz dieses Gerichts soll auch für Kennzeichenstreitigkeiten nach dem UWG genutzt werden. Das macht Sinn, ist aber auch dadurch begründet, dass auch Streitigkeiten nach § 5 Abs. 2 UWG letztendlich auf dem Markengesetz basieren, nämlich der Entscheidung, ob überhaupt eine Marke entstanden und verletzt wurde.

Die Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg, die vom Oberlandesgericht Bamberg in der Berufungsverhandlung insoweit ausdrücklich als richtig erachtet wurde, ist zu begrüßen: Sie verhindert Entscheidungen durch mit Markensachen nicht vertrauten Landgerichten. Der schon jetzt nicht gerade starken Einheitlichkeit der Rechtsprechung im gewerblichen Rechtsschutz ist damit gedient.

Auffällig ist die Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg noch im Hinblick auf die Zurückweisung eines Antrags auf einstweilige Verfügung bei Unzuständigkeit. Sie stützt die nicht besonders verbreitete Meinung von Teplitzky Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren Kapitel 55 Rn. 28 Fußn. 60 m.w.N.; Pastor/Ahrens/Bähr Wettbewerbsprozess Kapitel 56 Rn. 24. Der grundrechtlich geschützte Anspruch des Verfügungsbeklagten auf den gesetzlichen Richter und rechtliches Gehör (Art. 101 Abs. 1 S. 2, 103 Abs. 1 GG) würde unzumutbar beschnitten, dürfte der Rechtsstreit noch an das zuständige Gericht verwiesen werden. Der Verfügungsbeklagte bliebe bis zur Entscheidung des zuständigen Gerichts an ein Verbot gebunden, das mangels Zuständigkeit des erkennenden Gerichts nicht ergehen durfte. Bei gewöhnlichen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz mag das noch angehen. Angesichts der Bedeutung von Zuständigkeitsfragen in Wettbewerbsprozessen darf dieser Mangel bei Erlass der Beschlussverfügung nicht bagatellisiert werden. Die fehlende Möglichkeit der Revision zum Bundesgerichtshof gibt dem Gerichtsstand und der damit verbundenen einschlägigen Rechtsprechung des zuständigen Oberlandesgerichts entscheidende Bedeutung. Bekanntlich variiert die Rechtsprechung zwischen den verschiedenen Oberlandesgerichten erheblich.


Anwartschaftsrecht des Erwerbers eines Geschäftsanteils einer GmbH ist geschützt

Bundesgerichtshof erteilt modifizierten Gesellschafterlisten („Zwei-Listen-Modell“) eine Absage

Seit der Modernisierung des GmbH-Rechts ist der gutgläubige Erwerb eines Geschäftsanteils an einer GmbH mit gewissen Einschränkungen möglich. Zwar gilt § 16 Abs. 3 GmbHG wegen seines umständlichen Wortlauts mit geschachteltem Grundsatz/Ausnahme-Verhältnis allgemein als verunglückt, doch kann ein Erwerber bei widerspruchsloser Aufnahme eines Gesellschafters in der Gesellschafterliste über zumindest 3 Jahre den Geschäftsanteil regelmäßig gutgläubig erwerben.

Im Falle einer erst in der Zukunft wirksamen Abtretung haben verschiedene Notare diese Abtretung bereits in der Gesellschafterliste vermerkt („Zwei-Listen-Modell“). Dahinter stand das Bestreben, dem Ersterwerber nach einer aufschiebend bedingten Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils ein Mittel gegen einen gutgläubigen Erwerb dieses Anteils bei erneuter Abtretung durch den Veräußerer (Zweiterwerb) an die Hand zu geben. Der gutgläubige Erwerb vom Noch-Gesellschafter sollte so unterbunden werden.

Der Bundesgerichtshof verwirft diese Gesellschafterlisten in seiner Entscheidung (II ZB 17/10) vom 20. September 2011. Das Anwartschaftsrecht des Ersterwerbers sei stärker geschützt als sein Vollrecht, weil die Gesellschafterliste über § 161 Abs. 3 BGB den durch § 161 Abs. 1 BGB vermittelten Schutz bei aufschiebend bedingten Verfügungen nicht relativiere. Ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil könne nicht nach § 161 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs richtig. So werden Gesellschafterlisten einfach und praktikabel gehalten. § 161 Abs. 1 BGB, der die Unwirksamkeit von Verfügungen über Forderungen bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung festgelegt, wird gestärkt. Ein Bedürfnis für eine weitere Komplikation des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen, nämlich die modifizierte Gesellschafterliste („Zwei-Listen-Modell“) besteht deshalb nicht.


19 Tage sind zu langsam! Oberlandesgericht Stuttgart schafft Klarheit zur Rückwirkung der Zustellung (§ 167 ZPO)

Inkassounternehmen kennen das: Der Anspruch des Kunden droht am 31. Dezember zu verjähren. Um den wirtschaftlichen Totalverlust der Forderung zu vermeiden, wird kurz vor Jahresende noch ein Mahnbescheid beantragt oder eine Klageschrift bei Gericht eingereicht. Es wird hektisch, weil viele Kundenansprüche zu bearbeiten sind. Hoffentlich stimmt jedenfalls die Adresse des Beklagten.

Es kommt, wie es kommen muss: die Klage kann im neuen Jahr nicht zugestellt werden und das Gericht fragt eine neue, zustellungsfähige Adresse an. Jetzt gilt es schnell zu sein, um die im neuen Jahr grundsätzlich bereits eingetretene Verjährung zu verhindern. Auch wenn eine exakte Frist fehlt, muss ein solcher Mahnbescheid oder Klage in jedem Fall gemäß § 167 Zivilprozessordnung „demnächst" zugestellt werden. Dann wirkt er auf den Eingang des Antrags zurück. Diese Ausnahme von der eigentlich schon eingetretenen Verjährung ist eng auszulegen. Der Anspruchsinhaber muss alles Erforderliche tun, damit die richtige Adresse dem Gericht übermittelt und der Schriftsatz anschließend zugestellt werden kann. In Zeiten elektronischer Einwohnermeldeämter lässt sich laut Oberlandesgericht Stuttgart (7 U 175/10) vom 28. März 2011 die richtige Adresse innerhalb weniger Tage, jedenfalls schneller als in 19 Tagen ermitteln und an das Gericht übermitteln. Es bewahrheitet sich, dass „unverzüglich“ im Rechtssinn nahezu ausnahmslos schneller als 14 Tage bedeutet.


Beschleunigte Gründung von Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne in Deutschland als GmbH oder Unternehmergesellschaft - das MoMiG erleichtert auch im internationalen Bereich die Direktinvestition in Deutschland

Nachdem das „Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)“ jetzt seit gut einem halben Jahr (November 2008) in Kraft ist, können die ersten Vorteile bei der Gründung von GmbH oder Unternehmergesellschaften („UG“) festgestellt werden. Zwei Vorteile sind besonders herauszustellen: Die Abkoppelung der Handelsregistereintragung von staatlichen Genehmigungen und das weggefallene Erfordernis der Einreisemöglichkeit des Geschäftsführers. Beides sorgt für eine angenehme Beschleunigung des Eintragungsverfahrens.

  1. Abkoppelung der Handelsregistereintragung von staatlichen Genehmigungen

Bis zum Reformgesetz musste der Gründer dem Handelsregister gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG unter Umständen eine Genehmigungsurkunde für die staatliche Genehmigung der Tätigkeit der Gesellschaft wie eine Meisterqualifikation, eine Konzession für eine Gaststätte oder eine Makler-/Bauträgergenehmigung vorlegen. Besonders im handwerklichen Bereich brachte das oft Schwierigkeiten: Sobald der Unternehmensgegenstand ein zulassungspflichtiges Handwerk nahelegte, war es besonders die örtliche Handwerkskammer, die unerbittlich eine entsprechende Qualifikation verlangte. Das Handelsregister fügte sich und trug die GmbH regelmäßig erst nach Klärung aller damit verbundenen Fragen ein. Das konnte sich über Monate hinziehen. Die Eintragung der GmbH und damit regelmäßig die Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft verzögerte sich über die Maßen.

Nach Streichen dieser Vorschrift wird die Frage der staatlichen Genehmigung erst nach Eintragung der GmbH behandelt. Das Unternehmen kann seine Geschäftstätigkeit im Zweifel aber schon vorher aufnehmen.

  1. Kein Erfordernis der Einreisemöglichkeit des Geschäftsführers

Der jetzt mögliche ausländische Verwaltungssitz einer GmbH bietet Unternehmen im Inland, die eine ausländische Tochtergesellschaft gründen wollen, die einfache Möglichkeit, diese GmbH im Inland zu gründen und den Verwaltungssitz in dem betreffenden Land (EU, Schweiz, USA) zu haben. Die inländische Muttergesellschaft kann so alle Konzerngesellschaften nach deutschem GmbH-Recht organisieren. Das bedeutet eine enorme Vereinfachung der Verwaltung. Die Einzelheiten ausländischer Gesellschaftsformen muss der zuständige Geschäftsführer nicht mehr kennen.

Ein sehr willkommener Nebeneffekt des ausländischen Verwaltungssitzes ist aber auch eine Änderung der Rechtslage im Hinblick auf ausländische Geschäftsführer einer GmbH im Inland: Während früher häufig verlangt wurde, dass dieser Geschäftsführer jederzeit ins Inland einreisen konnte, also als Ausländer z.B. eine Aufenthaltsberechtigung benötigte, ist dieses Erfordernis nunmehr weggefallen. Die Prüfung der Einreisemöglichkeit durch das Registergericht verzögerte die Bestellung des ersten Geschäftsführers oft wiederum um Monate. Da der effektive Verwaltungssitz jederzeit ins Ausland, also z. B. auch in das Land des Geschäftsführers verlegt werden kann, ist eine Einreisemöglichkeit nicht mehr relevant. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (16.4.2009 - I-3 WX 85/09) bestätigte diese Einschätzung erst kürzlich. Es führte aus:

„Die Bestellung eines Nicht-EU-Ausländers als Geschäftsführer einer inländischen GmbH ist trotz fehlender Einreisemöglichkeit wirksam. Nach Neufassung des § 4a GmbHG, der es erlaubt, dass eine deutsche GmbH ihren Verwaltungssitz an jeden beliebigen Ort im Ausland verlegt, mithin ihre Geschäfte auch vollständig im oder aus dem Ausland tätigt, ist – auch mit Blick auf die denkbare Möglichkeit einer Anordnung des persönlichen Erscheinens des Geschäftsführers der GmbH durch ein inländisches Gericht oder eine inländische Behörde – nicht anzunehmen, dass ein Geschäftsführer mit Staatsangehörigkeit und Wohnsitz eines Nicht-EU-Staates seine gesetzlichen Aufgaben bei fehlender Einreisemöglichkeit typischerweise nicht erfüllen könnte.“

Das neue GmbH-Gesetz kommt zum 1. November 2008 - Einführung in das neue Recht ("MoMiG")

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist einer der juristischen Exportschlager Deutschlands. Nach mehr als 100 Jahren Dienstzeit wird sie grundsätzlich reformiert. Vor allem Existenzgründer und international operierende Unternehmen werden erhebliche Erleichterungen finden. Neben der Vereinfachung der Gründung durch weniger Formalismus entsteht eine neue Gesellschaftsform ohne Stammkapital, die Unternehmergesellschaft ("UG").

Eine weitere große praktische Änderung wird die Möglichkeit sein, mit einer deutschen GmbH seinen Verwaltungssitz im Ausland zu nehmen. So können Sie als Unternehmer Ihre Auslandsgesellschaften in der bekannten Rechtsform der GmbH führen ohne die gesamten Feinheiten des Rechts vor Ort, etwa in der Schweiz, Rumänien oder den USA zu kennen.

Am

    24. November 2008, 19.00 Uhr

wird Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser bei den Wirtschaftsjunioren der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen, Fabrikstr. 1, 73728 Esslingen, über die Gesetzesänderungen einschließlich der letzten Aktualisierung informieren, nachdem das neue Recht endlich Bundestag und Bundesrat passiert hat. Bitte sprechen Sie uns an, falls Sie eine Einladung benötigen. Am einfachsten benutzen Sie unser Kontaktformular.

Den Vortrag können Sie hier herunterladen.


Ein Zeichen wirbt gegen die guten Sitten - Bundesgerichtshof klärt Rangverhältnis der unlizensierten Nutzung von Bild- und Wortmarke

Marken sind wertvoll, auch im Gebrauchtwagengeschäft. Wer seine Dienstleistung an den Mann bringen will, muss werblich auffallen, am besten herausstechen. Vertragswerkstätten und freie Werkstätten stehen in einem harten Wettbewerb; Ketten von Werkstätten ohne Herstellerbindung bieten günstige Preise, brauchen aber einen enormen Umsatz, um trotz ihrer geringen Margen bestehen zu können.

Die Verlockung für freie Werkstätten ist groß, ihre Inspektionsdienstleistungen in der Weise anzupreisen, dass sie die Marken der betreuten Pkw-Fabrikate besonders herausstellen. Gemäß § 23 Nr. 3 Markengesetz ist das zulässig, solange die guten Sitten nicht verletzt werden. Der Dritte darf den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderhandeln Derjenige, der sich auf die privilegierte Benutzung einer Marke beruft, muss alles getan haben, um eine Beeinträchtigung der Interessen des Markeninhabers nach Möglichkeit zu vermeiden. Hierfür ist eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls erforderlich. Darf eine solche Werkstatt also auch eine überragend bekannte, also sehr werbewirksame Bildmarke eines Herstellers nutzen? Oder muss sie sich auf die weniger werbewirksame Wortmarke im Fließtext beschränken? Der BGH bejaht diese Pflicht zur bevorzugten Nutzung der Wortmarke und meint in seiner Entscheidung vom 14. April 2011 (Aktenzeichen I ZR 33/10) dazu: „Die Benutzung einer Marke ist notwendig, wenn die Information über den Zweck der Dienstleistung anders nicht sinnvoll übermittelt werden kann. Die Markennutzung muss praktisch das einzige Mittel darstellen, um der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über die Bestimmung der Dienstleistung zu liefern. Es muss ausgeschlossen sein, dass diese Information auch auf andere Art und Weise, etwa durch Angabe technischer Standards oder Normen, bewerkstelligt werden kann. Dies ist in der Regel der Fall, wenn eine Dienstleistung allein für ein Produkt einer bestimmten Marke angeboten wird… Es ist … nicht geboten, dem Dritten die Auswahl zu überlassen, welche von mehreren zur Bestimmung seiner Leistung geeigneten Marken er verwendet. Dem steht nicht entgegen, dass zwischen einzelnen Markenformen kein Rangverhältnis in ihrer Bedeutung als Kenn-zeichnungsmittel für den Markeninhaber besteht. Vielmehr kommt es für die Beurteilung, welche von mehreren Marken zur Bestimmung der Dienstleistung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht, auf die Situation der konkreten Zeichenverwendung im Einzelfall an. Regelmäßig wird allerdings die Verwendung einer Wortmarke die berechtigten Interessen des Markeninhabers weniger einschneidend berühren als die Benutzung seiner Wort/Bildmarke oder Bildmarke, weil sich die Wortmarke in erster Linie zur Beschreibung der Bestimmung der Dienstleistungen eignet. Dementsprechend gibt es unzweifelhaft Fälle, in denen nur die Verwendung des Wortzeichens eines Herstellers nicht aber die Verwendung seiner Wort-/Bildmarke die Voraussetzungen der Schutzschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG erfüllt. So ist etwa die Wirkung einer Wortmarke im Fließtext im Zusammenhang mit der angebotenen Leistung regelmäßig darauf beschränkt, nur über die Bestimmung der Leistung des Dritten zu informieren. Ein bekanntes Wort-/Bildzeichen wird - wie im Streitfall vom Berufungsgericht zutreffend angenommen - oft eine darüber hinausgehende Aufmerksamkeit erzeugen und deshalb eher die Gefahr der Rufausbeutung in sich bergen. Erforderlich ist eine Interessenabwägung.“

Dem ist nicht viel hinzuzufügen: Die Wortmarke ist zuerst zu nutzen. Die werblich reizvollere Bildmarke bleibt also außen vor. Danach sollte jeder unabhängige Anbieter von Dienstleistungen für Markenprodukte sich ausrichten. Ungerecht ist das nur, wenn man den Markenschutz als Monopolrecht grundsätzlich ablehnt wie die Open-Source-Bewegung. Ansonsten ist die Abwägung unter zwei Marken sicherlich sachgerecht.


Gemeinnützige Unternehmen bewegen sich mit ihren Geschäftsbetrieben in Grauzone

Unternehmen sind nur insoweit steuerbegünstigt, als sie gemeinnützige Tätigkeiten anbieten. Soweit sie aber Leistungen anbieten, die ohne weiteres auch durch andere gewerbliche Unternehmer durchgeführt werden können, entfällt ihre Steuerbegünstigung gemäß § 65 Abgabenordnung. Beispiele sind Blutspenden, Dritte-Welt-Läden oder auch Krankenfahrten. Sie haben dann ihre Einkünfte wie alle anderen zu versteuern. Geben Sie keine entsprechenden Steuererklärungen ab, verstoßen Sie zum einen gegen die Abgabenordnung und machen sich unter Umständen strafbar, zum anderen handeln sie aber auch unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts. Sie verschaffen sich gegenüber ihren Wettbewerbern einen Vorsprung durch Rechtsbruch.

Sprechen Sie uns an, wenn wir Sie bei einem solchen Schritt beraten können. Am einfachsten benutzen Sie unser Kontaktformular.


Gesundheitsreform passiert Bundestag - ein wenig mehr Wettbewerb unter den Krankenkassen

Am 2. Februar 2007 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (Deutscher Bundestag Drucksache 16/4200) beschlossen. Nach viel Kritik gab es zu guter Letzt noch eine kleine Verbesserung zur wirklichen Stärkung des Wettbewerbs: In § 69 SGB V, der als Beleg für den Ausschluss für den Wettbewerb bei der gesetzlichen Krankenversicherung gewertet wird, wurde klarstellend nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:

„Die §§ 19 bis 21 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten entsprechend;…“

Als Begründung heißt es: „Durch die erweiterten Fusionsmöglichkeiten der gesetzlichen Krankenkassen können Krankenkassen in einzelnen Regionen einen hohen Marktanteil erlangen. Die Anordnung der entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 19 bis 21 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) gewährleistet, dass die Kassen eine dadurch eventuell entstehende marktbeherrschende Stellung nicht missbrauchen, es zu keiner Diskriminierung der Vertragspartner der Krankenkassen und zu keinen Boykotten kommt.“

Wer die Realität kennt, weiß dass Krankenkassen ihr Nachfragemonopol bereits massiv ausnutzen. Die Verhandlungen mit der Pharmaindustrie über Preisnachlasse bei bestimmten Medikamenten und das Dumping gegenüber dem Taxigewerbe bei der Vergabe von Krankenfahrten sprechen eine deutliche Sprache. Nach der Empfehlung des Bundeskartellamtes hätte § 69 SGB V komplett gestrichen werden sollen, so dass Kartellgesetz und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb direkt anwendbar sind. Funktionierender Wettbewerb ist der beste Garant für Kosteneffektivität. Leider sieht das manch ein Staatsgläubiger in Berlin anders oder versteht es nicht besser...


Internetrecht: Ungültige Gerichtsstandsvereinbarung ist kein Wettbewerbs- verstoß

Das Landgericht Ulm (10 O 16/07) hat am 12. April 2007 entschieden, dass die unzulässige Vereinbarung eines Gerichtsstandes zum Beispiel gegenüber Verbrauchern zwar unwirksam ist, aber für den Wettbewerber keinen Vorsprung durch Rechtsbruch bedeutet. Die Unzulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung sei keine Marktverhaltensregel gem. § 4 Nr. 11 UWG.

Diese Entscheidung ist richtig. §§ 307 BGB, 38 ZPO regeln das Vertragsverhältnis untereinander, nicht aber das Marktverhalten. Ein mittelbarer Reflex dieser Regelung auf das Verhalten des Unternehmens ist für die Qualifikation als Marktverhaltensregel nicht ausreichend. Verbraucherschutz dient nicht dem Marktverhalten.


Ist Ihre Betriebshaftpflichtversicherung schon günstiger geworden? Der Bundesgerichtshof verneint eine Herstellerpflicht auf kostenlose Nachrüstung von unsicheren Produkten

Die außervertraglichen Pflichten von Herstellern von Produkten, bei denen sich Sicherheitsmängel herausgestellt haben, entsprechen nicht den vertraglichen Gewährleistungsansprüchen. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16. Dezember 2008 (Az. VI ZR 170/07) klargestellt, dass es keinen Anspruch des Erwerbers eines mit einem Sicherheitsmangel behafteten Produkts gegen den Hersteller auf Ersatz der Nachrüstungskosten gibt.

Diese Entscheidung beseitigt eine langjährige Unsicherheit über die Kostentragung der Nachrüstung. Viele Hersteller hatten aufgrund der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Düsseldorf in den letzten Jahren sich gescheut, dem Endkunden die Kosten der Nachrüstung eines unsicheren Produkts zu berechnen. Das bedeutete letztendlich, dass Produkte sicherheitstechnisch auf Kosten des Herstellers für den gesamten Produktzyklus auf dem neuesten Stand der Technik zu halten waren. Dies konnte unter Umständen eine besondere finanzielle Belastung des Herstellers bedeuten, nicht zuletzt in Form von Versicherungsprämien für die Betriebshaftpflichtversicherung.

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs sollte jeder Hersteller mit seiner Haftpflichtversicherung Kontakt aufnehmen, um eine Senkung der Versicherungsbeiträge zu verhandeln. Unter Hinweis auf diese Entscheidung sollte eine Reduktion möglich sein.

In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof hatte eine Pflegekasse geklagt. Sie hatte Pflegebetten aus der Produktion des Herstellers erworben und sie ihren Versicherten für die häusliche Pflege zur Verfügung gestellt. Nachdem die zuständigen Behörden über Sicherheitsrisiken der Betten informierten und der Hersteller die Übernahme der Nachrüstungskosten abgelehnt hatte, ließ die Pflegekasse die Betten auf eigene Kosten nachrüsten.

Die außervertraglichen Sicherungspflichten des Herstellers nach Inverkehrbringen seines Produkts („Produktbeobachtungspflicht“) könnten laut BGH auch die Verpflichtung einschließen, dafür zu sorgen, dass bereits ausgelieferte gefährliche Produkte möglichst effektiv aus dem Verkehr gezogen oder nicht mehr benutzt würden. Diese Haftung sei jedoch nicht darauf gerichtet, dem Erwerber oder Benutzer der Produkte eine mangelfreie Sache zur Verfügung zu stellen („Aquivalenzinteresse“), sondern lediglich um das Interesse des Erwerbers oder Benutzers auf Integrität seiner Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Eigentum. Die Pflegekasse habe durch ihre Warnung der Pflicht zur Gefahrenabwehr genügt. Sie habe davon ausgehen können, dass ihrer Warnung Folge geleistet werde. Zu weitergehenden Maßnahmen wie dem Ausgleich der Kosten der Nachrüstung sei sie nicht verpflichtet gewesen.

Weniger Haftung sollte daher schließlich zu weniger Versicherungsprämie führen.


Mitbestimmung - ohne mich!

Viele Unternehmer sind von der aktuellen Entwicklung in Fragen der Mitbestimmung nicht begeistert. Unternehmerische Kompetenz scheint durch einen erhöhten Bürokratieaufwand behindert zu werden.

Durch Umwandlung des Unternehmens in eine ausländische Gesellschaft, z. B. in eine englische Public Limited Company (plc) lässt sich oft ein beträchtlicher Teil der Mitbestimmung vermeiden.

Sprechen Sie uns an, wenn wir Sie bei einem solchen Schritt beraten können. Am einfachsten benutzen Sie unser Kontaktformular.


Richtiges unternehmen! Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Cornel Pottgiesser, startet neue Vortragsserie

Endlich stehen die neuen Termine für die Vorträge des einzigen Fachanwalts für Handels- und Gesellschaftsrecht in Esslingen fest:

  • Mittwoch, 8. Juni 2011: Verträge und Geschäftsbedingungen richtig formulieren
  • Mittwoch, 13. Juli 2011: Markenrecht für Einsteiger
  • Mittwoch, 11. Oktober 2011: Richtige Rechtsform: Mini-GmbH und andere Gesellschaften

Die Vorträge beginnen jeweils um 19.30 Uhr in der Kanzlei Pottgiesser & Partner, Gayernweg 17-2, 73733 Esslingen. Eine Anmeldung ist erforderlich unter info@pottgiesser.de. Die Teilnahme ist kostenlos.

Die Sozietät Pottgiesser & Partner berät mittelständische Unternehmen und Familienunternehmer. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich des Wirtschaftsrechts, Erbrechts und internationalen Rechts. Die Kanzlei wurde 1999 gegründet; ihre Partner wurden teilweise im Ausland ausgebildet und sind als Fachanwälte zugelassen.


Pflichtteilsanspruch: Verstoß gegen den deutschen ordre public bei Rechtswahl des englischen Erbrechts

Bundesgerichtshof vom 29. Juni 2022 IV ZR 110/21

Die Anwendung des gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO gewählten englischen Erbrechts verstößt jedenfalls dann gegen den deutschen ordre public im Sinne von Art. 35 EuErbVO, wenn sie dazu führt, dass bei einem Sachverhalt mit hinreichend starkem Inlandsbezug kein bedarfsunabhängiger Pflichtteilsanspruch eines Kindes besteht.


Erbenhaftung des Fiskus für Wohngeldschulden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft

Bundesgerichtshof, 5. Zivilsenat Urteil vom 14. Dezember 2018 – V ZR 309/17 f

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Fiskus (die öffentliche Hand), der zum gesetzlichen Alleinerben eines Wohnungseigentümers berufen ist, für die nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründeten Wohngeldschulden in aller Regel nur mit dem Nachlass haftet.

Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das klagende Land (im Folgenden: Kläger) ist gesetzlicher Alleinerbe eines im Juni 2006 verstorbenen Wohnungseigentümers (§ 1936 BGB). Bis Januar 2007 zog der Kläger die Mieten des seinerzeitigen Mieters der Wohnung ein und zahlte an die Beklagte Wohngeld für Januar bis März 2007. Ab Februar 2007 stand die Wohnung leer. Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, die Wohnung bis zur Veräußerung selbst zu verwalten. Auf seinen Antrag eröffnete das Insolvenzgericht im Juli 2009 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers. Der eingesetzte Insolvenzverwalter gab die Eigentumswohnung im August 2009 aus der Insolvenzmasse frei. Das Insolvenzverfahren wurde im Mai 2010 aufgehoben. Auf Antrag der Beklagten wurde die Wohnung im April 2011 zwangsversteigert.

Unterdessen erwirkte die Beklagte gegen den Kläger drei Anerkenntnisurteile betreffend das Wohngeld für einen Zeitraum ab September 2009. Aus diesen Urteilen, in denen dem Kläger jeweils die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten wurde, betreibt die Beklag die Zwangsvollstreckung. Mit der Klage (Vollstreckungsgegenklage) möchte der Kläger gestützt auf die sog. Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB erreichen, dass die Zwangsvollstreckung in sein nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen für unzulässig erklärt wird.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat der Revision stattgegeben und das Urteil des Landgerichts aufgehoben. Bei den titulierten Wohngeldschulden handelt es sich nicht um Eigenverbindlichkeiten des Klägers, sondern um Nachlassverbindlichkeiten, die den Kläger grundsätzlich zur Erhebung der Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB berechtigen.

Andere Erben als der Fiskus haften nach der Rechtsprechung des Senats für die nach dem Erbfall fällig werdenden Wohngeldschulden spätestens dann auch mit ihrem eigenen Vermögen, wenn sie die Erbschaft angenommen haben oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist. Dies lässt sich auf die Haftung des zum gesetzlichen Alleinerben berufenen Fiskus nicht übertragen, weil ihm gemäß § 1942 Abs. 2 BGB das Recht versagt ist, die Erbschaft auszuschlagen. Ob ein Verhalten des Fiskus die Qualifizierung der Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeit rechtfertigt, muss deshalb unter Berücksichtigung des Zwecks und der Besonderheiten des Fiskalerbrechts nach anderen Kriterien bestimmt werden. Hiernach stellen Wohngeldschulden in aller Regel nur Nachlassverbindlichkeiten dar. Der Fiskus nimmt eine Ordnungsfunktion wahr. Herrenlose Nachlässe sollen vermieden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung soll gesichert werden. In aller Regel wird der Fiskus deshalb bei seinen Handlungen nur seiner gesetzlichen Aufgabe nachkommen, den Nachlass abzuwickeln. Nur wenn der Fiskus seine Rolle als Nachlassabwickler verlässt, er also zu erkennen gibt, die Wohnung zu eigenen Zwecken nutzen zu wollen, ist es gerechtfertigt, die Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeiten zu qualifizieren, bei denen eine Haftungsbeschränkung ausgeschlossen ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wird durch die Annahme einer Nachlassverbindlichkeit nicht unangemessen benachteiligt. Sie kann nämlich in der Regel ihre Rechte im Wege der Zwangsversteigerung effektiv durchsetzen, weil die Wohngeldansprüche in dem Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG bevorrechtigt sind und den Rechten der nachfolgenden Rangklassen - insbesondere denjenigen von Kreditgebern und Vormerkungsberechtigten – vorgehen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fehlt es hier an einem Verhalten des Klägers, das über die Wahrnehmung der Aufgaben der Verwaltung und der Abwicklung des Nachlasses hinausgeht und den Schluss zulässt, der Kläger wolle die Wohnung für eigene Zwecke nutzen.

Die Sache wurde an das Landgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dieses hat die von ihm bislang offen gelassene Frage zu klären, ob der Nachlass tatsächlich dürftig i.S.d. § 1990 Abs. 1 BGB ist.


Zum Umfang des Beurkundungserfordernisses bei Anfechtung eines Erbvertrags

Bundesgerichtshof, 4. Zivilsenat Urteil vom 10. Juli 2013 - IV ZR 224/12

Der unter anderem für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Witwe eines bekannten ehemaligen Frankfurter Brauereibesitzers Alleinerbin ihres Ehemanns geworden ist.

Die Parteien streiten um die Erbenstellung nach dem am 17. Oktober 2010 verstorbenen Erblasser. Dieser schloss im Jahr 2002 mit seiner ersten Ehefrau einen notariellen Erbvertrag, in dem unter anderem die von ihm errichtete Stiftung, die Beklagte, als Alleinerbin eingesetzt wurde. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau heiratete der Erblasser am 30. Juli 2009 die Klägerin und bestimmte sie mit handschriftlicher letztwilliger Verfügung zu seiner Alleinerbin. Mit notarieller Urkunde vom 28. August 2009 erklärte er die Anfechtung des Erbvertrages und bat den Notar um Übermittlung einer Ausfertigung an das zuständige Nachlassgericht, wobei folgender Zusatz eingefügt ist: "Dies soll allerdings erst erfolgen, wenn ihm der Erschienene oder ein hierzu Bevollmächtigter diesbezüglich gesondert schriftlich Mitteilung macht." Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 bat der vom Erblasser eingesetzte Generalbevollmächtigte den Notar, namens des Erblassers, die Anfechtungserklärung beim Nachlassgericht einzureichen. Die Beklagte ist der Ansicht, die Anfechtungserklärung sei unwirksam. Auch die Anweisung an den Notar, die Anfechtungserklärung dem Nachlassgericht zu übermitteln (Begebung der Anfechtungserklärung), unterliege dem Beurkundungser-fordernis nach § 2282 Abs. 3 BGB.

Das Landgericht hat der Klage auf Feststellung, dass die Klägerin aufgrund letztwilliger Verfügung und Anfechtung des Erbvertrages Alleinerbin des Erblassers geworden ist, stattgegeben; das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.

Mit dem heutigen Urteil hat der Bundesgerichtshof die Revision zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt:

Der Erblasser hat die Anfechtung des Erbvertrags mit notarieller Urkunde vom 28. August 2009 wirksam erklärt. Die Anweisung an den Notar, die Anfechtungserklärung dem Nachlassgericht zu übermitteln, musste nicht gesondert notariell beurkundet werden. Nur die Erklärung der Anfechtung bedarf nach dem Wortlaut des § 2282 Abs. 3 BGB, dessen Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik der notariellen Beurkundung, nicht hingegen deren Begebung. Die Beweisregel des § 416 ZPO, nach der eine vom Aussteller unterschriebene Privaturkunde vollen Beweis dafür begründet, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden sind, erstreckt sich auf die Begebung einer schriftlichen Willenserklärung auch dann, wenn deren Übermittlung noch von einer gesonderten Weisung des Erklärenden abhängen soll.

Urteil vom 10. Juli 2013 - IV ZR 224/12Zum Umfang des Beurkundungserfordernisses bei Anfechtung eines Erbvertrags Der unter anderem für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Witwe eines bekannten ehemaligen Frankfurter Brauereibesitzers Alleinerbin ihres Ehemanns geworden ist.

Die Parteien streiten um die Erbenstellung nach dem am 17. Oktober 2010 verstorbenen Erblasser. Dieser schloss im Jahr 2002 mit seiner ersten Ehefrau einen notariellen Erbvertrag, in dem unter anderem die von ihm errichtete Stiftung, die Beklagte, als Alleinerbin eingesetzt wurde. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau heiratete der Erblasser am 30. Juli 2009 die Klägerin und bestimmte sie mit handschriftlicher letztwilliger Verfügung zu seiner Alleinerbin. Mit notarieller Urkunde vom 28. August 2009 erklärte er die Anfechtung des Erbvertrages und bat den Notar um Übermittlung einer Ausfertigung an das zuständige Nachlassgericht, wobei folgender Zusatz eingefügt ist: "Dies soll allerdings erst erfolgen, wenn ihm der Erschienene oder ein hierzu Bevollmächtigter diesbezüglich gesondert schriftlich Mitteilung macht." Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 bat der vom Erblasser eingesetzte Generalbevollmächtigte den Notar, namens des Erblassers, die Anfechtungserklärung beim Nachlassgericht einzureichen. Die Beklagte ist der Ansicht, die Anfechtungserklärung sei unwirksam. Auch die Anweisung an den Notar, die Anfechtungserklärung dem Nachlassgericht zu übermitteln (Begebung der Anfechtungserklärung), unterliege dem Beurkundungser-fordernis nach § 2282 Abs. 3 BGB.

Das Landgericht hat der Klage auf Feststellung, dass die Klägerin aufgrund letztwilliger Verfügung und Anfechtung des Erbvertrages Alleinerbin des Erblassers geworden ist, stattgegeben; das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.

Mit dem heutigen Urteil hat der Bundesgerichtshof die Revision zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt:

Der Erblasser hat die Anfechtung des Erbvertrags mit notarieller Urkunde vom 28. August 2009 wirksam erklärt. Die Anweisung an den Notar, die Anfechtungserklärung dem Nachlassgericht zu übermitteln, musste nicht gesondert notariell beurkundet werden. Nur die Erklärung der Anfechtung bedarf nach dem Wortlaut des § 2282 Abs. 3 BGB, dessen Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik der notariellen Beurkundung, nicht hingegen deren Begebung. Die Beweisregel des § 416 ZPO, nach der eine vom Aussteller unterschriebene Privaturkunde vollen Beweis dafür begründet, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden sind, erstreckt sich auf die Begebung einer schriftlichen Willenserklärung auch dann, wenn deren Übermittlung noch von einer gesonderten Weisung des Erklärenden abhängen soll.


Eine letztwillige Verfügung, mit der zum Erben die Person eingesetzt wird, die "sich bis zu meinem Tode um mich kümmert", ist nichtig.

OLG München 31. Zivilsenat Beschluss vom 22.05.2013, 31 Wx 55/13

Eine ausdrückliche Bestimmung der Person des Bedachten hat der Erblasser in diesem Zusammenhang … nicht getroffen. Diese kann auch nicht im Wege der Anwendung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze im Sinne der §§ 133, 2084 BGB festgestellt werden.

Der Erblasser hat die Zuwendung seiner Immobilie im Gegensatz zu den anderen von ihm verteilten Nachlassgegenstände nicht mit einer Namensnennung, sondern mit dem Pronomen "Wer" verknüpft. Insofern ist unklar, ob der Erblasser damit diejenigen Personen gemeint hat, die er bereits mit Einzelgegenständen bedacht hat oder ob er darunter einen Personenkreis über diese Bedachten hinaus verstanden hat. Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es jedoch nicht.

Das Testament lässt nämlich bereits offen, an welche Art von "Kümmern" der Erblasser gedacht hat, ob mit diesem Begriff also die körperliche Pflege gemeint war, die Hilfe bei der anfallenden Hausarbeit, eine seelische Stütze (vgl. dazu BayObLG FamRZ 1991, 610, 611), die Erledigung finanzieller Angelegenheiten oder nur allgemein ein Schenken von Aufmerksamkeit. Insofern steht der Inhalt einer solchen Erbeinsetzung nicht im Einklang mit den Anforderungen an eine wirksame Verfügung im Sinne des § 2065 Abs. 2 BGB.

Danach kann der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung aufgrund letztwilliger Verfügung erhalten soll, nicht einem anderen überlassen. Dies bedeutet, dass der Erblasser im Hinblick auf die Individualisierung eines Bedachten seinen Willen nicht in der Weise unvollständig äußern darf, dass es einem Dritten überlassen bleibt, nach Belieben oder Ermessen den Erblasserwillen in wesentlichen Teilen zu ergänzen (vgl. BGHZ 15, 199/200). Nur die Bezeichnung, nicht die Bestimmung darf also einem Dritten übertragen werden. Dann müssen aber die Hinweise im Testament so genau sein, dass eine jede mit genügender Sachkunde ausgestattete Person den Bedachten bezeichnen kann, ohne dass deren Ermessen auch nur mitbestimmend ist (BayObLG FamRZ 1991, 610, 611). Solche Hinweise liegen nicht vor.

Die von dem Erblasser gewählte Formulierung ist so vage, so dass die Beantwortung der Frage, ob sich jemand nach Testamentserrichtung bis zum Tode des Erblassers in der Art und Weise um den Erblasser "gekümmert" hat, wie es dieser erwartet hätte, von dem jeweiligen Begriffsverständnis des die Person des Bedachten zu bestimmenden Dritten abhängig ist (s.o). Bereits deshalb greift der Hinweis der Beteiligten zu 9 auf die Entscheidung des OLG Frankfurt (NJW-RR 1995, 711) nicht, da diese eine Erbeinsetzung zugunsten derjenigen Person betraf, die den Erblasser pflegt. Eine solche Formulierung ist im Vergleich zu der von dem Erblasser hier gewählten Formulierung eindeutiger.

Insofern beruht die Erbfolge nicht auf einer Bestimmung des Erblassers selbst, so dass dessen Anordnung gegen § 2065 Abs. 2 BGB verstößt. Ein solcher Verstoß führt zur Nichtigkeit der betreffenden letztwilligen Verfügung (Czubayko in: Burandt/Rojahn Erbrecht § 2065 Rn. 24 m.w.N.).


BFH hält Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig

Der Bundesfinanzhof (BFH II R 9/11) sieht § 19 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig an und legt dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor.

Die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften oder Anteilen daran stelle eine nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigte und damit „verfassungswidrige Überprivilegierung“ dar, so die obersten Steuerrichter. Es könne nicht unterstellt werden, dass die Erbschaftsteuer typischerweise die Betriebsfortführung gefährde; es gehe weit über das verfassungsrechtlich Gebotene und Zulässige hinaus, Betriebsvermögen ohne Rücksicht auf den Wert des Erwerbs und die Leistungsfähigkeit des Erwerbers freizustellen, und zwar auch dann, wenn die für eine Erbschaftsteuerzahlung erforderlichen liquiden Mittel vorhanden seien oder - gegebenenfalls im Rahmen einer Stundung der Steuer - ohne weiteres beschafft werden könnten. Die zusätzlich zu den Freibeträgen des § 16 ErbStG anwendbaren Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG zusammen mit zahlreichen anderen Verschonungen führten dazu, dass die Steuerbefreiung die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme sei.

Laut BFH führten die Verfassungsverstöße teils für sich allein, teils in ihrer Kumulation zu einer durchgehenden, das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung, durch die diejenigen Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen könnten, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt würden.

Die Gleichstellung von Geschwistern, Nichten und Neffen mit familienfremden Dritten bei der Erbschaftsteuer erklärte der Bundesfinanzhof dagegen für rechtens. Der im Grundgesetz verankerte Schutz von Ehe und Familie beziehe sich nur auf die Gemeinschaft von Eltern und Kindern.


Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) in Kraft - Grenzüberschreitendes Vererben und Nachlassabwicklungen in Europa vereinfacht

Am 16. August 2012 ist die EuErbVO in Kraft getreten (sog. Rom IV-Verordnung). Unmittelbare Wirkung entfaltet sie aber erst ab dem 17. August 2015. Das heißt, die neue Verordnung ist - unabhängig vom Zeitpunkt der Testamentserrichtung - erst auf Todesfälle ab dem 17. August 2015 anwendbar. Sie gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien. Ferner gilt sie auch im Verhältnis zur Staatsangehörigen und Ansässigen außerhalb der teilnehmenden Staaten. Staatsverträge, die Deutschland mit der Türkei, dem Iran und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion geschlossen hat, bleiben weiterhin vorrangig in Kraft.

Die Verordnung führt zu Änderungen und Ergänzungen beim Erbkollisionsrecht, der internationalen Zuständigkeit in Erbsachen, der Anerkennung und Vollstreckung erbrechtlicher Entscheidungen und zur Schaffung eines europäischen Nachlasszeugnisses. Künftig wird bei europäischen Erbangelegenheiten nicht mehr auf die Staatsangehörigkeit abgestellt, sondern auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Für Erbfälle nach dem 17. August 2015 kann bereits jetzt schon jeder Testierende zugunsten des Rechts des Staates dem er angehört, eine Rechtswahl treffen. So kann zum Beispiel ein Mallorca-Rentner verhindern, dass sein Nachlass sich nach spanischen Recht richtet. Für Todesfälle vor dem 17. August 2015 gilt bei testamentarischer oder erbvertraglicher Verfügung eine Rechtswahlvermutung zugunsten des deutschen Rechts - nicht hingegen bei gesetzlicher Erbfolge.

Für Erbscheinsverfahren und Erbstreitigkeiten sind künftig ausschließlich die Gerichte oder sonstigen staatlichen Stellen (zum Beispiel Notare) im letzten gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Erblassers zuständig. Ausnahmen gibt es unter anderem bei Rechtswahl, rügeloser Einlassung und für die Entgegennahme erbrechtlicher Erklärungen (wie zum Beispiel Ausschlagung und Annahme der Erbschaft). Erbrechtlichen Entscheidungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und können vollstreckt werden.

Das neue europäische Nachlasszeugnis tritt neben den deutschen Erbschein und das Testamentsvollstreckerzeugnis. Das Nachlasszeugnis führt auch Vermächtnisnehmer und Nachlassgegenstände auf und dient der einfacheren Legitimierung im gesamten Geltungsbereich. Er ist auf sechs Monate befristet, kann aber verlängert werden.


Erbverzichtsvertrag nicht sittenwidrig bei ALG II Bezug

Wie Mitte August 2012 bekannt wurde, hat das Sozialgericht Stuttgart am 8. März 2012 (S 15 AS 925/12 ER) im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden, dem Antragsteller darlehensweise Leistungen zu gewähren, obwohl dieser einen Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen hatte.

Der Antragsteller bezog seit Ende 2010 Arbeitslosengeld II. Im April 2011 schloss er mit seinem Vater, der ihm zuvor testamentarisch ein lebenslanges und unentgeltliches Wohnrecht in der Dachgeschosswohnung seines Wohnhauses eingeräumt hatte, einen Pflichtteilsverzichtsvertrag. Im Juni 2011 verstarb der Vater. Zunächst gewährte das Jobcenter die Leistungen weiter, lehnte dann aber einen weiteren Fortzahlungsantrag ab und begründete dies damit, dass der Antragsteller über verwertbares Vermögen verfüge, da der Pflichtteilsverzichtsvertrag sittenwidrig und daher unwirksam sei.

Das Gericht ist der Auffassung, dass es sich bei dem Pflichtteilverzichtsvertrag weder um einen Vertrag zu Lasten Dritter, noch die Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilsverzichts damit zu begründen sei, dass der Antragsteller seine Hilfebedürftigkeit durch den Verzicht mit Schädigungsabsicht zu Lasten des Leitungsträgers aufrechterhalte. Der Pflichtteilsverzicht sei regelmäßig kein geeignetes Mittel, um zu Lasten des Leistungsträgers zu handeln, so das Stuttgarter Sozialgericht.


Annahme der EU-Erbrechtsverordnung

Am 8. Juni 2012 nahm der Rat der Justiz- und Innenminister die EU-Erbrechtsverordnung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2012 an (sog. Rom IV-Verordnung). Die Verordnung sieht vor, dass sich das anzuwendende Recht nach dem Ort des letzten Aufenthaltes des Erblassers bestimmt. Der Erblasser kann aber auch das Recht seiner Staatsangehörigkeit wählen.

Die Verordnung beinhaltet die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses. Damit sollen Rechtskonflikte in Nachlasssachen mit Auslandsbezug in der Europäischen Union verringert werden. Die Erbrechtsverordnung wird voraussichtlich drei Jahre nach Inkrafttreten, also ab 2015 anwendbar sein. Das nationale Erbrecht der Mitgliedstaaten ändert die Verordnung hingegen nicht.


Erbschaftsteuer erneut verfassungswidrig?

Der Bundesfinanzhof (BFH) teilte in einer Pressemeldung vom 16. November 2011 mit, dass er mit Beschluss vom 5. Oktober 2011 (II R 9/11) die Verfassungsmäßigkeit, der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuer prüft und er das Bundesfinanzminsterium aufgefordert hat, dem Verfahren beizutreten. Die Überprüfung durch das oberste Finanzgericht kam nicht unerwartet. Bereits vor dem Inkrafttreten des neu gefassten Erbschaftsteuerrechts kamen erste Bedenken von Erbschaftsteuerexperten auf.

Dem jetzigen Verfahren liegt die Besteuerung eines Erbfalls aus dem Jahre 2009 zugrunde. Der Freibetrag des Klägers, der zu einem Viertel Miterbe seines verstorbenen Onkels wurde, beträgt 20.000 €, der Steuersatz 30 %. Der BFH hat nun zu prüfen, ob die Gleichstellung von Personen der (Erbschaft-) Steuerklasse II, zu denen Geschwister, Neffen und Nichten angehören mit denen der Steuerklasse III (fremde Dritte) verfassungskonform ist. Auch muss der BFH klären, ob deshalb gegen den Gleichheitssatz verstoßen wird, weil durch die Wahl bestimmter Gestaltungen (gewerbliche geprägte Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft) die Steuerfreiheit des Vermögenserwerbs ermöglicht werden kann.


Rechtsprechungsänderung des BGH: Pflichtteilsergänzungsanspruch kann auch Schenkungen des Erblassers vor der Geburt des Pflichtteilsberechtigten umfassen

Der Bundesgerichtshof gibt in seinem Urteil vom 23. Mai 2012 (IV ZR 250/11) seine bisherige Rechtsprechung auf und entschied, dass bei der Pfichtteilsergänzung auch solche Zuwendungen berücksichtigt werden, zu deren Zeitpunkt der Pflichtteilsberechtigte noch gar nicht pflichtteilsberechtigt war. Die Karlsruher Richter bestätigten damit das Berufsurteil des OLG Hamm.

Gemäß § 2325 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte bei Vorliegen einer Schenkung des Erblassers an einen Dritten als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöhen würde, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

Die Kläger machten im Wege der Stufenklage gegen ihre Großmutter ihren Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch nach dem Großvater geltend. Die Mutter der Kläger und Tochter der Großeltern war bereits vorverstorben. Die Großeltern setzten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben ein, wodurch die Abkömmlinge - hierunter auch die Kläger - für den ersten Todesfall enterbt waren. Der BGH hatte nun zu prüfen, ob den Klägern ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB zusteht, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, nicht jedoch im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt waren. Konkret ging es um die Frage, ob der Auskunftsanspruch der Kläger auch Schenkungen umfasst, die der Erblasser vor der Geburt der klagenden Enkel zugunsten seiner Ehefrau, der jetzigen Beklagten, vorgenommen hat.

Bislang forderte der BGH (IV ZR 69/71 u. IV ZR 233/06) für diesen Anspruch die Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls und im Zeitpunkt der Schenkung (sog. Theorie der Doppelberechtigung). Dies ist nun anders. Nach Ansicht der Bundesrichter kommt es jetzt nur noch darauf an, dass eine Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls bestand und die Voraussetzungen für eine Pflichtteilsergänzung vorliegen. Neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift hat der BGH auch auf den Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts abgestellt (d.h. Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers sicherzustellen). Hierfür sei es unerheblich, ob der Pflichtteilsberechtigte im Erbfall schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt war oder nicht. Die bisherige Auffassung führte zudem zu einer mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von Abkömmlingen des Erblassers und machte das Bestehen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs von dem zufälligen Umstand abhängig, ob die Abkömmlinge vor oder erst nach der Schenkung geboren waren.


Eintragung nach Erbauseinandersetzung löst Gebühren aus

Mit Beschluss vom 24. April 2012 (4 W 26/12) entschied das OLG Celle, dass die Eintragung eines Miterben als Alleineigentümer im Grundbuch infolge Erbauseinandersetzung gebührenpflichtig ist. § 60 Abs. 4 KostO soll in diesem Fall nicht anwendbar sein. Die Vorschrift besagt, dass die Gebühren für die Grundbuchberichtigung nicht erhoben werden bei Eintragung von Erben des eingetragenen Eigentümers, sofern der Eintragungsantrag binnen zwei Jahren seit dem Erbfall beim Grundbuchamt eingereicht wird. Das Privileg soll nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift dem Einzutragenden nur dann zugute kommen, wenn es sich um eine Grundbuchberichtigung durch Eintragung des Erben handelt. Der Gesetzgeber wollte seinerzeit die Grundbuchberichtigung nach einem Erbfall begünstigen, da an der Richtigkeit des Grundbuchs ein öffentliches Interesse besteht.

Im zu entscheidenden Fall ist der Miterbe nicht durch die Erbschaft, sondern erst durch die Eintragung im Grundbuch Alleineigentümer geworden. Denn der Miterbe wurde vorliegend nicht als Erbe in das Grundbuch eingetragen, sondern nur deswegen, weil er infolge eines notariellen Erbauseinandersetzungsvertrages einen Anspruch auf die Eintragung als Alleineigentümer erworben und sich das Rechtsgeschäft erst durch die Eintragung im Grundbuch vollendet hat. In diesem Fall sei das Gebührenprivileg mit dem Sinn und Zweck des § 60 Abs. 4 KostO nicht vereinbar, so die Richter des OLG Celle.

Anderer Auffassung war zuletzt das OLG München im Jahr 2006 (NJW-RR 2006, 648), das bei einer sofortigen Erbauseinandersetzung ohne Voreintragung der Erben die Gebührenfreiheit bejahte und begründete dies damit, dass eine noch nicht auseinandergesetzte Erbengemeinschaft lediglich ein Übergangsstadium sei.


Ausländische Erbschaftsteuer auf deutsche Erbschaftsteuer anrechenbar

Das Finanzgericht Köln entschied mit Urteil vom 29. Juni 2011 (9 K 2690/09), dass § 21 Abs. 1 S. 4 ErbStG auch auf die Fälle anwendbar ist, in denen zuerst die deutsche Erbschaftsteuer und anschließend die vergleichbare ausländische Erbschaftsteuer entstanden ist. Art 3 Abs. 1 GG gebiete es, dass Sachverhalte, in denen die deutsche Erbschaftsteuer vor der ausländischen Erbschaftsteuer entsteht mit denjenigen, bei denen die deutsche Erbschaftsteuer nach der ausländischen Erbschaftsteuer entsteht, gleichbehandelt werden müssen. Die im Ausland auf den Erwerb des Auslandsvermögens gezahlte Steuer kann auf die deutsche Erbschaftsteuer nur in dem Umfang angerechnet werden, in dem der Erwerb auch im Inland besteuert worden ist.


Betreuung trotz Generalvollmacht?

Nach einem Beschluss des BGH vom 7. März 2012 (XII ZB 583/11) steht eine Vorsorgevollmacht/Generalvollmacht des Bestellung eines Betreuung dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Vollmachtgebers zu besorgen. Zudem müsse die Bestellung eines Betreuers verhältnismäßig sein. Weniger einschneidende Maßnahmen müssten daher ausgeschlossen sein.

Grundsätzlich darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 BGB). Die Betreuung ist dann nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten mittels Vorsorge- bzw. Generalvollmacht ebenso gut erledigt werden können. Lediglich dann, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Vollmachtgebers zu besorgen, kommt eine Betreuung in Betracht.

Die Karlsruher Richter waren der Ansicht, dass sich die Vorinstanzen nicht hinreichend mit der Frage beschäftigt haben, ob der Bevollmächtigte mit Ausnahme einer einzelnen strittigen Handlung ungeeignet ist, die Geschäfte des Vollmachtgebers zu erledigen. Vorliegend ging es um Verzögerung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und der Liquidation eines rechtskräftigen Titels über eine Gesamtforderung von zirka 39 € gegen den Vollmachtgeber. Die Richter befanden zudem, dass die vom Amtsgericht angeordnete Betreuung mit den uneingeschränkten Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern unverhältnismäßig sei. Ob es im zu entscheidenden Fall ausgereicht hätte, einen Betreuer nur zur Sicherstellung der vorgenannten Zwangsvollstreckung zu bestellen, seine Bestellung mithin auf diese eine konkrete Maßnahme zu beschränken, kann dahinstehen, da die titulierte Forderung zwischenzeitlich gezahlt wurde.


Anrechnung des Elterngeldes auf Hartz-IV-Leistungen rechtmäßig

Das Sozialgericht Saarbrücken hat am 9. Mai 2012 entschieden, dass die Anrechnung des Elterngeldes als Einkommen auf Hartz-IV-Leistungen gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II rechtmäßig und verfassungskonform ist.

Das Gericht ist der Auffassung, dass die unterschiedliche Behandlung derjenigen Leistungsbezieher, die vor der Geburt eines Kindes erwerbstätig waren und derjenigen, die nicht erwerbstätig waren, durch Sinn und Zweck des Elterngeldes sachlich gerechtfertigt ist. Schließlich erleide der durch die Aufgabe der Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuung des Kindes erstgenannte Personenkreis Einkommenseinbußen, die durch das Elterngeld ausgeglichen werden sollen. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber einen Ausgleich vorsieht, der sich an dem im vorgeburtlichen Zeitraum erzielten Erwerbseinkommen orientiere. Demgegenüber erleide der zweite Personenkreis keine Einkommenseinbußen, so dass auch kein Ausgleich erfolgen könne.


Einziehung eines Eröffnungsprotokolls nebst notarieller letztwilliger Verfügung nicht möglich

Hat der Erblasser ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag errichtet, dann benötigen seine Erben normalerweise keinen Erbschein. Die Eröffnungsniederschrift in Verbindung mit der/den beglaubigten Kopie(n) der letztwilligen notariellen Verfügung(en) reicht in den meisten Fällen aus, um sich als Erbe zu legitimieren.

Ist ein Erbschein unrichtig, so muss das Nachlassgericht ihn von Amts wegen einziehen (§ 2361 Abs. 1 S. 1 BGB) oder für kraftlos erklären (§ 2361 Abs. 2 BGB). Das Einziehungsverfahren gemäß §§ 2361 BGB, 352 Abs. 3, 353 FamFG gibt es aber nur in Hinsicht auf die Einziehung eines Erbscheins. Das Verfahren ist also daran geknüpft, dass ein Erbschein bereits erlassen wurde. Nach dem Wortlaut der Vorschriften ist die Einziehung einer Eröffnungsniederschrift nebst beglaubigter notarieller Verfügung nicht vorgesehen. Auch ist es nach Sinn und Zweck nicht erforderlich, diese Urkunden einzuziehen; ein öffentlicher Glaube wird - im Gegensatz zum Erbschein - hierdurch nicht geschützt.

Das Amtsgericht Hamm (Saale) - Nachlassgericht - entschied daher zurecht mit Beschluss vom 19. Januar 2012 (40 128/12), dass die §§ 352 Abs. 3, 353 FamFG die Einziehung eines Eröffnungsprotokolls nebst notarieller letztwilliger Verfügung nicht erlauben. Zudem gestatte § 49 FamFG dem Nachlassgericht nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen einen anderen Miterben auf Verbot eines bestimmten Verhaltens. Diesbezüglich seien die allgemeinen Regelungen über den vorläufigen Rechtschutz anzuwenden.

Der von den Klägern geltend gemachte Verbotsantrag bezog sich nicht auf ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß §§ 23 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 GVG, 348-362 FamFG. Das Gericht ist der Auffassung, dass dem/den Miterben aber zum Beispiel gegenüber Banken die normalen Rechtsschutzmöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes zur Seite stünden. Soweit ein Miterbe befürchte, dass ein vermeintliche Erbe mit dem Eröffnungsprotokoll beim Grundbuchamt einen Erbnachweis führt, sei eine einstweilige Anordnung gemäß § 76 GBO möglich.


Keine Erbschaftsteuerpflicht für Abfindung an weichenden Erbprätendenten

In seinem am 15. Juni 2011 veröffentlichten Urteil vom 4. Mai 2011 (II R 34/09) änderte der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung zur Erbschaftsteuerpflicht bezüglich der Abfindung an einen weichenden Erbprätendenten. Hatte der Erblasser mehrere Testamente errichtet, in denen er jeweils verschiedene Personen als Alleinerben eingesetzt hat, und war die Wirksamkeit der Testamente zwischen den potentiellen Erben streitig, ist eine aufgrund eines Prozessvergleichs gezahlte Abfindung an den weichenden Erbprätendenten kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 3 ErbStG.

Die Erblasserin setzte in ihren Testamenten aus dem Jahr 1986 und 1997 ihren Neffen zum Alleinerben ein und verfügte Vermächtnisse zugunsten weiterer Personen. In einem weiteren Testament aus dem Jahr 2002 vermachte sie ihr Sparguthaben an eine Freundin beziehungsweise deren Tochter. Die Freundin war zum Zeitpunkt des Ablebens der Erblasserin bereits vorverstorben. Nach dem Tod der Erblasserin kam es wegen der Erbfolge zum Rechtsstreit zwischen dem Neffen und der Tochter der Freundin. In einem Vergleich nahm der Neffe von seinen potentiellen Erbansprüchen Abstand, da sich die Tochter der Freundin zur Zahlung von 45.000 € verpflichtete.

Das Finanzamt sah in der Abfindungszahlung einen erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb und setzte gegen den Neffen eine Erbschaftsteuer von 7.155 € fest. Dessen Einspruch und die anschließende Klage vor dem Finanzgericht blieben ohne Erfolg. Obwohl die Abfindungszahlung an einen weichenden potentiellen Erben im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist, sah das Finanzgericht die Abfindung des Neffen als Erbanfall im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an und berief sich auf die ständige Rechtsprechung des BFH.

Der BFH hat entgegen seiner früheren Rechtsprechung jetzt entschieden, dass die Abfindung des Neffen nicht der Erbschaftsteuer unterliege. In § 3 ErbStG seien alle Vorgänge, die als Erwerb von Todes wegen in Betracht kommen, abschließend aufgezählt (z.B. Erbanfall, Vermächtnis, Pflichtteilsanspruch). Alle anderen Erwerbsvorgänge unterlägen nicht der Erbschaftsteuer, auch wenn sie im Zusammenhang mit einem Erbfall entstanden seien. Eine analoge Anwendung scheide mangels Lücke aus.

Falls erbschaftsteuerliche Freibeträge überschritten werden, ist künftig nur derjenige zur Zahlung der Erbschaftsteuer verpflichtet, dem die Erbschaft nach einem Vergleich zufällt. Miterben, die nach dem jetzigen Urteil nur deshalb einen Vergleich schließen wollen, um die Erbschaftsteuer zu umgehen oder zu reduzieren, werden es schwer haben. Das Erbrecht kann weiterhin nicht mit dinglicher Wirkung durch einen Vergleich begründet beziehungsweise abgelehnt werden. Erbvergleiche, die in der Praxis gemeinhin zur Beendigung eines Rechtsstreits über Erbquoten, die Höhe ausgleichungspflichtiger Vorempfänge oder zur Erbauseinandersetzung geschlossen werden, fallen nicht unter das Urteil.


Verfassungsgericht nimmt Beschwerden gegen neues Erbschaftsteuerrecht nicht an

Die Verfassungsbeschwerden dreier Erblasser richten sich gegen die unterschiedlichen Steuersätze, Freibeträge und Steuerbefreiungen nach dem zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Die Beschwerdeführer sehen sich in ihrer Testierfreiheit eingeschränkt. Sie sind Eigentümer erheblichen, vererbbaren Vermögens, darunter Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie ein mittelständisches Unternehmen, das nach ihrem Vorbringen nicht unter die Steuerbefreiung beziehungsweise die steuerlichen Vergünstigungen nach dem ErbStG fällt. Sie wenden ein, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Steuerbefreiung von Familienheimen sowohl gegenüber sonstigem Vermögen als auch im Hinblick auf die Wohnflächenbegrenzung gleichheitswidrig sei. Außerdem sei es diskriminierend, dass das Familienheim für Ehegatten und gleichgeschlechtliche Lebenspartner, nicht hingegen für verwandtschaftliche Einstandsgemeinschaften steuerfrei gestellt werde. Die Erbschaftsteuer stelle daher einen Anreiz dar, Betriebe oder Immobilien vor dem Erbfall zu veräußern und das Vermögen ins erbschaftsteuerfreie Ausland zu verlagern.

Am 3. Dezember 2010 wurde bekannt, dass die Karlsruher Richter mit Beschlüssen vom 30. Oktober 2010 (1 BvR 3196/09, 1 BvR 3197/09, 1 BvR 3198/09), die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen hat. Die Verfassungsbeschwerden seien unzulässig, da sie die erforderliche Selbstbetroffenheit der Beschwerdeführer durch das seit 2009 geltende Erbschaftsteuergesetz nicht hinreichend erkennen lassen würde. Richten sich Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen eine gesetzliche Vorschrift oder einen sonstigen Hoheitsakt, so muss der Beschwerdeführer darlegen, durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein. Steuerpflichtig ist allein der Erbe, nicht der Erblasser, so dass es bereits an der Selbstbetroffenheit fehlt. Die von den Beschwerdeführern angegriffenen Regelungen des Erbschaftsteuerrechts lassen die Testierfreiheit des Erblassers unberührt. Es ist allen potentiellen Erblassern weiterhin unbenommen, als Erben einzusetzen, wen sie wollen, und frei über die Zuwendung ihrer Vermögensgegenstände zu entscheiden. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GG umfasst, soweit er den Erblasser betrifft, lediglich dessen Recht zu vererben, das heißt die Testierfreiheit als Verfügungsbefugnis über den Tod hinaus, die auch durch eine ausschließlich an den Erben adressierte Erbschaftsteuer nicht ausgehöhlt werden darf.

Rechtlich musste sich das Verfassungsgericht nicht im Detail mit dem neuen ErbStG auseinandersetzen. Es bleibt daher abzuwarten, wie es bei Klagen von Erben entscheiden wird.


Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung betreffend die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Nachlassverzeichnisses (§§ 2314, 260 Abs. 2 BGB)

Die Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung betreffend die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Nachlassverzeichnisses erforderte die substantiierte Darlegung eines Grundes für die Annahme, dass das Nachlassverzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden ist.

LG Dessau-Roßlau, Teilurteil vom 14. Juni 2011 (4 O 23/07)


Aufforderung auf Notizzettel kein Testament

Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts München (31 Wx 042/08) stellt die auf einem Notizzettel eigenhändig geschriebene und unterschriebene Aufforderung, „anliegende“ Unterlagen dem Notar zu geben, „damit der Erbschein für Dich ausgestellt werden kann“, mangels hinreichend sicher feststellbaren Testierwillens keine formwirksame letztwillige Verfügung dar.

Die Witwe des Erblassers hatte den Text eines gemeinschaftlichen Testaments niedergeschrieben, aber nicht unterschrieben. Der Erblasser hatte darunter den Zusatz: „Den Verfügungen dieses Testaments schließe ich mich an“ geschrieben und unterschrieben. Auf einem an seine Frau adressierten Notizzettel im Format hatte der Erblasser außerdem folgende Worte eigenhändig nieder- und unterschrieben: „Gib diese Unterlagen nach meinem Tode an den Notar, damit der Erbschein für Dich ausgestellt werden kann. Auf Grund, dass der Längerlebende das Testament ändern kann, kannst Du ja später alles ändern.“ Nach Ansicht des Gerichts stellen beide Schriftstücke keine wirksamen letztwilligen Verfügungen dar. Das von der Witwe geschriebene, aber nicht von ihr eigenhändig unterzeichnete gemeinschaftliche Testament ist formunwirksam (vgl. § 2267 BGB). Beim Notizzettel des Erblassers fehlt es an einem ernstlichen Testierwillen.


Behindertentestament nicht sittenwidrig

Mit Urteil vom 19. Januar 2011 (IV ZR 7/10) entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Behindertentestament, das ein durch den Sozialhilfeträger unterstütztes Kind im Schlusserbfall nur als Vorerben auf einen den Pflichtteil kaum übersteigenden Erbteil einsetzt und es durch Vor- und Nacherbschaft beschränkt, nicht gegen die guten Sitten verstößt. Auch der zwischen dem behinderten Kind und seinen Eltern abgeschlossene Pflichtteilsverzichtsvertrag ist im Fall des Bezugs von Sozialleistungen nicht sittenwidrig.

Vorliegend setzten sich die Eltern des behinderten Kindes für den ersten Todesfall gegenseitig zu Alleinerben ein. Als Schlusserbe setzten sie die behinderte Tochter zu 34/200 als nicht beschränkten Vorerben ein. Nacherbe wurde eines ihrer Geschwister. Ferner ordneten sie Dauertestamentsvollstreckung an. Die behinderte Tochter und ihre Geschwister verzichteten in einem notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach dem erstversterbenden Elternteil.

Die Karlsruher Richter hielten an ihrer bisherigen Rechtsprechung zu den Behindertentestamenten fest. Die Eltern können ihre Verfügung von Todes wegen so gestalten, dass das behinderte Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann. Der Bundesgerichtshof befand, dass dieses Vorgehen nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus ist.

Auch der von dem behinderten Kind als Leistungsbezieherin erklärte Pflichtteilsverzicht verstößt weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau mit dem elterlichen Testament gegen die guten Sitten und ist daher wirksam. Grundsätzlich sei jeder frei in seiner Entscheidung, ob er Erbe eines anderen werden oder auf andere Art etwas aus dessen Nachlass bekommen will, so die Bundesrichter. Es gäbe keine Pflicht zu erben oder sonst etwas aus dem Nachlass anzunehmen, auch wenn dies zu Lasten der Allgemeinheit gehe.


BGH-Grundsatzurteil zum Patientenwillen: Recht auf menschenwürdiges Lebensende gestärkt u. Klarheit zwischen zulässiger passiver und verbotener aktiver Sterbehilfe geschaffen

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 25. Juni 2010 (2 StR 454/09) für mehr Klarheit beim Thema passive Sterbehilfe gesorgt. Er hat entschieden, dass der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen durch Ärzte, Pfleger und Betreuer künftig nicht mehr strafbar ist, wenn dies der Patient in einer Patientenverfügung festgelegt hat. Der Behandlungsabbruch ist nicht nur wie bisher durch Unterlassen der weiteren Ernährung gerechtfertigt, sondern - und das ist neu - auch durch aktives Tun, das heißt zum Beispiel auch durch Abschalten einer Maschine.

Die Karlsruher Richter sprachen damit einen Rechtsanwalt vom Vorwurf des gemeinschaftlichen versuchten Totschlags frei. Dieser hatte seiner Mandantin geraten, den Schlauch für die künstliche Ernährung ihrer Mutter zu durchtrennen und die seit fünf Jahren im Wachkoma liegende Frau sterben zu lassen. Eine Besserung des Gesundheitszustandes war nicht mehr zu erwarten. Die Frau hatte vor ihrer Erkrankung mehrfach mündlich geäußert, dass sie in solchen Fällen keine Behandlung mehr wolle. Auf Anraten ihres Rechtsanwalts schnitt die Tochter den Schlauch zwar durch, die Heimpflegekräfte legten der schwerkranken Mutter jedoch erneut eine Sonde. Die Mutter starb wenige Wochen später eines natürlichen Todes. Der Bundesgerichtshof hob die vom Landgericht Fulda wegen versuchten Totschlags den zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilen Rechtsanwalts auf. Die Tochter war bereits vom Landgericht Fulda freigesprochen worden, weil sie sich aufgrund der Beratung ihres Rechtsanwalts zum Behandlungsabbruch berechtigt gesehen hatte.

Das Gericht berief sich vor allem auf das neue Gesetz zu Patientenverfügungen aus dem Jahr 2009. Danach sei der Wille des Patienten in allen Lebenslagen zu beachten.


Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB berechnet sich bei widerruflicher Bezugsrechtseinräumung von Lebensversicherungsverträgen - in aller Regel - nach deren Rückkaufswert.

Unter Aufgabe der reichsgerichtlichen Rechtsprechung der 30er Jahre (RGZ 128, 187), die bei der Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen an die Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien anknüpfte, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28. April 2010 (IV ZR 73/08) nunmehr entschieden, dass es allein auf den Wert ankommt, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können. Dabei ist in aller Regel auf den Rückkaufswert abzustellen.

Je nach Lage des Einzelfalls kann gegebenenfalls auch ein - objektiv belegter - höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein, insbesondere wenn der Erblasser die Ansprüche aus der Lebensversicherung zu einem höheren Preis an einen gewerblichen Ankäufer hätte verkaufen können. Der objektive Marktwert ist aufgrund abstrakter und genereller Maßstäbe unter Zugrundelegung der konkreten Vertragsdaten des betreffenden Versicherungsvertrages festzustellen. Eine schwindende persönliche Lebenserwartung des Erblassers aufgrund subjektiver, individueller Faktoren - wie insbesondere ein fortschreitender Kräfteverfall oder Krankheitsverlauf - darf bei der Wertermittlung allerdings ebenso wenig in die Bewertung einfließen, wie das erst nachträglich erworbene Wissen, dass der Erblasser zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich verstorben ist.

Abgeänderte und gekürzte Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 89/2010 vom 28.04.2010;


Einfachere Regelung von Erbsachen mit Auslandsbezug

Die Europäische Kommission nahm am 14. Oktober 2009 einen Vorschlag an, durch den die Abwicklung von Nachlasssachen mit Auslandsbezug in der Europäischen Union erheblich vereinfacht werden soll. Der Vorschlag enthält gemeinsame Vorschriften, mit deren Hilfe sich die zuständige Behörde und das auf den gesamten Nachlass anwendbare Recht unabhängig von der Belegenheit der Nachlassgegenstände leicht ermitteln lassen. Nutznießer dieser Vorschriften sind die Bürger. Die Verordnung stärkt nicht nur die Rechte der Erben, Vermächtnisnehmer und sonstigen Beteiligten, sondern gibt dem Erblasser auch Gelegenheit, seinen Nachlass besser zu regeln, indem er ihm die Wahl des Rechts überlässt, nach dem der Übergang des Nachlasses vonstatten gehen soll. Die Kommission schlägt auch die Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses vor, das Erben und Nachlassverwaltern überall in der Union den problemlosen Nachweis ihrer Rechtsstellung ermöglichen soll.

Jacques Barrot, für den Bereich Justiz, Freiheit und Sicherheit zuständiger Kommissar und Vizepräsident der Europäischen Kommission, nahm die Annahme des Vorschlags mit Befriedigung zur Kenntnis: „ Sowohl Bürger als auch Rechtsanwender müssen die Rechtsvorschriften, die auf einen Nachlass unabhängig von der Belegenheit der einzelnen Nachlassgegenstände anwendbar sind, verstehen und bis zu einem gewissen Grad auch selbst wählen können. Der Vorschlag sieht daher vor, dass, soweit nichts anderes bestimmt ist, sich die zuständige Behörde und das anzuwendende Recht nach dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers richten; gleichzeitig erhält dieser aber die Möglichkeit zu bestimmen, dass der Nachlass nach dem Recht seiner Staatsangehörigkeit geregelt wird. Dies bedeutet nicht nur mehr Rechtssicherheit, sondern auch mehr Flexibilität, so dass der Erblasser der Regelung seines Nachlasses etwas gelassener entgegensehen kann. Durch die Einführung des europäischen Nachlasszeugnisses können Erben und Nachlassverwalter überall in der Union ohne weitere Formalitäten ihre Rechtsstellung nachweisen. Die Verordnung ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einem echten europäischen Rechtsraum auf dem Gebiet des Zivilrechts."

Jedes Jahr fallen in der Europäischen Union 450 000 neue internationale Erbrechtsfälle an, bei denen es um ein geschätztes Vermögen von insgesamt mehr als 120 Mrd. EUR geht. Die Rechtsvorschriften, die dabei zum Zuge kommen, sind äußerst komplex und im Voraus nur schwer absehbar. Nicht nur die Zuständigkeitsregeln, sondern auch die Vorschriften über das anwendbare Recht variieren von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich. Hieraus entsteht ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit, das oft Unmut hervorruft: bei den Erben, die sich im Falle eines in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Nachlasses einem unübersehbaren Dickicht an Rechts- und Verwaltungsvorschriften gegenübersehen, aber auch bei denen, die ihren Nachlass im Voraus regeln möchten.

Mit dem Vorschlag wird ein dreifaches Ziel verfolgt: Er soll die Gewähr für berechenbare und kohärente Vorschriften bieten und damit für mehr Rechtssicherheit sorgen; er soll den Betroffenen bei der Wahl des auf ihren Nachlass anzuwendenden Rechts mehr Spielraum verschaffen und schließlich soll er die Rechte von Erben und/oder Vermächtnisnehmern, aber auch von sonstigen Beteiligten (beispielsweise Gläubigern) wahren. Die Verordnung lässt das materielle Erbrecht der Mitgliedstaaten unberührt. Fragen wie „Wer ist erbberechtigt“ oder „Welcher Anteil entfällt auf meine Kinder und welcher auf meinen Ehegatten“ werden weiterhin vom jeweiligen nationalen Erbrecht beantwortet. Auch in das Güter- und das Familienrecht der Mitgliedstaaten wird in keiner Weise eingegriffen. Die Verordnung ändert ebenfalls nichts an den auf den Nachlass anwendbaren Steuervorschriften, die nach wie vor einzelstaatlichem Recht unterliegen.

Wie sieht die neue Regelung aus? Der Vorschlag sieht vor, dass, soweit nichts Anderes bestimmt ist, für die Zuständigkeit einer Behörde und das anzuwendende Recht in einer grenzübergreifenden Erbsache ein einziges Kriterium maßgebend ist, nämlich der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers. Wer im Ausland wohnhaft ist, kann jedoch beschließen, dass auf seinen gesamten Nachlass das Recht seiner Staatsangehörigkeit anwendbar ist. Sämtliche Bestandteile des Nachlasses unterliegen somit ein und demselben Recht. Dadurch verringert sich das Risiko, dass die Mitgliedstaaten einander widersprechende Entscheidungen fällen. Ein einziges Gericht ist auch für die Abwicklung des Nachlasses zuständig, nämlich dasjenige am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers, es sei denn, dieses verweist die Sache an das Gericht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besitzt, wenn dieses Gericht die Sache besser beurteilen kann. Entscheidungen und Urkunden in einer Erbsache werden gegenseitig uneingeschränkt anerkannt.

Außerdem wird ein europäisches Nachlasszeugnis eingeführt, mit dessen Hilfe jemand ohne weitere Formalitäten seine Eigenschaft als Erbe oder Nachlassverwalter bzw. Testamentsvollstrecker nachweisen kann. Im Vergleich zur jetzigen Situation, wo der Weg zum Recht bisweilen doch sehr steinig ist, ist dies ein echter Fortschritt. Die Folge sind kürzere Verfahren und geringere Kosten.

Pressemeldung Europäische Kommission: IP/09/1508


Erbengemeinschaft kann Mietvertrag kündigen

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 11. November 2009 (XII ZR 210/05) zur Frage Stellung genommen, ob eine Erbengemeinschaft einen Mietvertrag kündigen kann, der im Rahmen des Erbfalls als Vertrag auf die Erben übergegangen ist. Für die Erbengemeinschaft handelt es sich um ein großes Problem, da diese grundsätzlich einzelne Nachlassteile nur auseinandersetzen kann, wenn alle Miterben zustimmen. Einzelne Miterben konnten so bislang die Auseinandersetzung blockieren. Das Gericht hat im Kündigungsbereich die Auseinandersetzung nun dadurch erleichtert, dass es einen Mehrheitsbeschluss als ausreichend angesehen hat, wenn die Kündigung wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Die Erben können nun ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt.


Erbfall im Restschuldbefreiungsverfahren

Tritt der Erbfall in der Wohlverhaltensphase ein, entsteht die Obliegenheit des Schuldners, die Hälfte des Wertes des Vermächtnisses an den Treuhänder abzuführen, erst mit der Annahme des Vermächtnisses.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 10. März 2011 (IX ZB 168/09) entschieden, dass der Verzicht auf die Geltendmachung eines Vermächtnisses, Pflichtteilsanspruchs oder auch die Ausschlagung einer Erbschaft keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO darstellt.


Erbrechtsreform - Reform oder Reförmchen

Am 2. Juli 2009 hat der Bundestag die von der Bundesregierung vorgeschlagene Reform des Erb- und Verjährungsrechts verabschiedet (Erbrechtsreform, BT-Drucks. 16/8954). Am 18. September 2009 ließ der Bundesrat die Reform passieren, so dass die neuen Regelungen zum 1. Januar 2010 in Kraft treten.

Das bislang geltende Erbrecht besteht seit über 109 Jahren weitestgehend unverändert. Nicht zuletzt weil sich das fünfte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches bewährt hatte. Änderungen müssen auch mit Bedacht vorgenommen werden, da zwischen dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung und dem Eintritt des Erbfalls oftmals viele Jahrzehnte liegen.

Jahrelang wurde diskutiert wie man das Erbrecht in seiner Struktur erhalten und dennoch den gesellschaftlichen Entwicklungen gerecht werden kann. Da der Gesetzgeber die Reform noch in dieser Legislaturperiode durchboxen wollte, sind von den ursprünglich geplanten Änderungen im Rechtsausschuss des Bundestages nur noch wenige übrig geblieben. Erbrechtler sprechen daher mehr von einem Reförmchen als von einer richtigen Reform. Weitere als die nun beschlossenen Änderungen wären nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig gewesen. Weitere Neuerungen wird es nach unserer Einschätzung in naher Zukunft dennoch nicht geben. Wäre allerdings die Reform jetzt nicht beschlossen worden, so wäre sie sehr wahrscheinlich dem Grundsatz der Diskontinuität zum Opfer gefallen. Das heißt, die Reformpläne wären unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl eingestampft worden. Der Gesetzgeber hätte sich dann von Neuem mit den Reformplänen beschäftigen müssen. Wir betrachten es dennoch als positiv, dass zumindest die Reform in der jetzigen Fassung beschlossen wurde.

Im Folgenden die wichtigsten Änderungen zusammengefasst:

  1. Verkürzung des Verjährungsrechts

    Die Verjährung von familien- und erbrechtlicher Ansprüchen wird an die im Rahmen der Schuldrechtsreform im Jahr 2001 eingeführte dreijährige Regelverjährung angepasst. In der Praxis führte die teilweise Sonderverjährung von 30 Jahren häufig zu Schwierigkeiten. Künftig verjähren nun auch Vermächtnisansprüche in drei Jahren.

  2. Pflichtteilsentziehungsgründe

    Das Pflichtteilsrecht lässt nahe Angehörige auch dann am Nachlass teilhaben, wenn der Erblasser sie im Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen hat (sog. Mindestteilhabe am Nachlass). Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Hieran ändert sich - anders als ursprünglich geplant - nichts. Bislang konnte der Pflichtteilsberechtigte nur in wenigen Fällen gänzlich vom Nachlass ausgeschlossen werden. Zudem wurden die Entziehungsgründe für alle Personen vereinheitlicht. Künftig kann der Erblasser den Pflichtteil in folgenden Fällen entziehen:

    • rechtskräftige Verurteilung des Pflichtteilsberechtigten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung; zudem muss es dem Erblasser unzumutbar sein, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches gilt bei Straftaten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden;

    • Pflichtteilsberechtigte trachtet dem Erblassers oder ihm nahestehenden Personen nach dem Leben oder begeht gegenüber ihnen eine besonders schwere Straftat;

    Neu ist auch, dass die Gründe für eine Pflichtteilsentziehung in der letztwilligen Verfügung des Testierenden genannt werden müssen.

  3. Erweiterung der Stundungsgründe (§ 2331a BGB)

    Besteht das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Eigenheim oder einem Unternehmen, müssen die Erben diese Vermögenswerte nicht selten nach dem Tod des Erblassers verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Die bereits bestehende Stundungsregelung, die bislang nur dem pflichtteilsberechtigten Erben (zumeist Abkömmlinge und Ehegatte) gegolten hat wird nun auf alle Erben ausgedehnt. Künftig kann der Erbe die Stundung des geltend gemachten Pflichtteils verlangen, wenn die Erfüllung des gesamten Anspruchs für ihn eine „unbillige Härte“ wäre, insbesondere wenn sie den Erben und seine Familie zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde.

  4. Pflichtteilsergänzung

    Schenkungen des Erblassers können zu einem Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils gegen den Erben oder den Beschenkten führen. Sinn und Zweck des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist, den Pflichtteilsberechtigten so zu stellen, als hätte der Erblasser zu seinen Lebzeiten keine Schenkungen gemacht und dadurch den Pflichtteilsanspruch gemindert. Schenkungen wurden bislang in voller Höhe berücksichtigt, wenn zwischen der Zuwendung und dem Erbfall zehn Jahre noch nicht verstrichen waren. Nach Ablauf der zehn Jahre hatte der Pflichtteilsberechtigte keinerlei Ansprüche mehr, es sei denn, die Schenkung erfolgte an den anderen Ehegatten oder der Schenker sich umfangreiche Nutzungsrechte vorbehalten hatte. Die starre Frist wurde oft als ungerecht empfunden. Starb der Erblasser einen Tag nach Ablauf der Frist, blieb die Zuwendung unberücksichtigt. Starb der Erblasser hingegen einen Tag früher, wurde die Zuwendung dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet und der Pflichtteilsberechtigte erhielt hieraus seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch („alles-oder-nichts“-Prinzip). Die Reform sieht nun vor, dass die Schenkung für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs pro Jahr immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zurück liegt. Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird voll in die Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt. Die gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsanspruch wurde während des Gesetzgebungsprozesses auch als Pro-Rata-Regelung oder als Abschmelzungsmodell bezeichnet.

    Die künftige Regelung berücksichtigt den Wunsch des Schenkers frei in der Wahl des Zeitpunkts der Zuwendung zu sein. Künftig wird einerseits der Pflichtteilsberechtigte geschützt, wenn der Erblasser kurz vor seinem Tod Schenkungen vornimmt, andererseits wird auch dem Wunsch des Schenkers Rechnung getragen, indem er in der Wahl des Zeitpunkts der Schenkung frei ist. Den Erben als auch die Beschenkten wird künftig mehr Planungssicherheit eingeräumt.

  5. Bessere Honorierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich

    Mit der Reform werden Pflegeleistungen bei der Erbauseinandersetzung besser berücksichtigt. Bislang wurden bei der Auseinandersetzung des Nachlasses erbrachte Pflegeleistungen nur dann ausgeglichen, wenn ein Abkömmling des Erblassers unter Verzicht auf berufliches Einkommen Pflegeleistungen über eine längeren Zeitraum erbracht hat. Trifft der Erblasser in seinem Testament keine Ausgleichsregelung, geht der pflegende Abkömmling heute oftmals leer aus. Künftig besteht ein Ausgleichsanspruch gegenüber dem nicht oder nur wenig pflegenden Abkömmling auch ohne Einkommensverlust. Der pflegende Abkömmling erhält nun vor der Nachlassteilung einen Ausgleich für seine erbrachten Pflegeleistungen. Wünschenswert wäre eine Erweiterung des Personenkreises der Ausgleichsberechtigten gewesen, da oftmals die Pflege von den Schwiegerkindern oder anderen Familienmitglieder vorgenommen wird.

Die vorgenannten Änderungen gelten für Erbfälle ab dem 1. Januar 2010, unabhängig davon, ob sie an Ereignisse aus der Zeit vor dem Inkrafttreten dieser Vorschriften anknüpfen. Für Erbfälle vor dem 1. Januar 2010 gelten nach wie vor die alten Vorschriften.


Erbschaftsteuerrecht verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat die lange erwartete Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts veröffentlicht:

In dem Beschluss wird festgestellt, dass die Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, da sie an Werte anknüpft, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genügt. Der Gesetzgeber wird daher verpflichtet, spätestens bis zum 31.12.2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis dahin ist das bisherige Recht weiter anwendbar (BVerfG vom 7.11.2006, Az. 1 BvL 10/02).

Bei der Neuregelung solle sich der Gesetzgeber auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert als maßgeblichem Bewertungsziel orientieren. Er dürfe jedoch bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe durch Verschonungsregelungen den Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände begünstigen. Die Begünstigungswirkungen müssten ausreichend zielgenau und innerhalb des Begünstigtenkreises möglichst gleichmäßig eintreten. Auch durch Differenzierungen beim Steuersatz könne eine steuerliche Lenkung erfolgen.

In der Wahl der Wertermittlungsmethode sei der Gesetzgeber grundsätzlich frei. Die Bewertungsmethoden müssten aber gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden.

Im geltenden Erbschaftsteuerrecht sahen die Verfassungsrichter folgende Verstöße gegen den Gleichheitssatz:

  1. Betriebsvermögen:

    Die weitgehende Übernahme der Steuerbilanzwerte führe dazu, dass Betriebsvermögen in den meisten Fällen mit einem unter dem gemeinen Wert liegenden Steuerwert angesetzt wird. Diese Begünstigungswirkung trete völlig ungleichmäßig und damit willkürlich ein. Durch den Steuerbilanzwertansatz sei die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage davon abhängig, ob und in welchem Umfang der Erblasser oder Schenker bilanzpolitische Maßnahmen ergriffen hat. Zudem fehle es der Regelung an einer ausreichend zielgerichteten Ausgestaltung. Der Gesetzgeber wollte insbesondere mittelständische Personenunternehmen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer entlasten. Tendenziell werde aber gerade der Erwerb ertragstarker Unternehmen begünstigt, bei denen Entnahmen zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld am ehesten möglich seien. Das Fehlen eines Nachversteuerungsvorbehalts führe zusätzlich dazu, dass auch Erwerber eines Betriebsvermögens begünstigt werden, die das Unternehmen nicht fortführen.

  2. Grundvermögen:

    Bei bebauten Grundstücken werde durch das vereinfachte Ertragswertverfahren mit einem starren Einheitsvervielfältiger von 12,5 eine Bewertung mit dem gemeinen Wert regelmäßig verfehlt: Die Einzelergebnisse differierten in vielen Fällen zwischen weniger als 20% und über 100% des gemeinen Werts. Es sei offensichtlich, dass ein einheitlicher Vervielfältiger für bebaute Grundstücke ohne Berücksichtigung der Grundstücksart und der Lage zu erheblichen Bewertungsunterschieden führe.

    Bei der Bewertung von Erbbaurechten und mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken (§ 148 BewG) werde der Grundbesitzwert des belasteten Grundstücks schematisch starr durch einheitliche Vervielfältigung des jährlichen Erbbauzinses mit dem Faktor 18,6 bestimmt, ohne dass die Restlaufzeit des Erbbaurechts oder das Fehlen einer Heimfallentschädigung berücksichtigt oder die Höhe des Erbbauzinses hinterfragt würden. Dies führe dazu, dass in einer Vielzahl von Fällen sowohl bei der Bewertung des Grundstücks als auch der des Erbbaurechts teils zugunsten des Erwerbers, teils zu seinen Lasten erheblich vom gemeinen Wert abgewichen wird.

    Auch die Wertermittlung für unbebaute Grundstücke (§ 145 BewG) sei verfassungswidrig. Grund hierfür sei die bis Ende 2006 geltende Festschreibung der Wertverhältnisse auf den 1.1.1996, die die Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt nicht ausreichend berücksichtigt.

  3. Anteile an Kapitalgesellschaften:

    Bei den zu schätzenden, nicht börsennotierten Anteilen führe der vom Gesetzgeber angeordnete Steuerbilanzwertansatz häufig zu Steuerwerten, die unter dem gemeinen Wert liegen. Dies gelte obwohl nach den gesetzlichen Vorgaben - anders als beim Betriebsvermögen - die Ertragsaussichten des Unternehmens zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus wirke sich die Übernahme der Steuerbilanzwerte für die Anteile an Kapitalgesellschaften in ganz unterschiedlicher Weise aus, da die Gesellschaften in höchst unterschiedlichem Maße in der Lage seien, von den Bilanzierungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.

    Außerdem ergebe sich auch eine große Kluft gegenüber den übrigen Anteilen an Kapitalgesellschaften, deren Bewertung anhand des Kurswerts beziehungsweise aus zeitnahen Verkäufen abgeleitet erfolgt und darum im Regelfall zu deutlich höheren Werten führt.

  4. Land- und forstwirtschaftliches Vermögen:

    Für den Betriebsteil ist der Ertragswert als Bewertungsziel vorgegeben. Damit werde bereits strukturell eine Erfassung der im Vermögenszuwachs liegenden Steigerung der Leistungsfähigkeit des Erben oder Beschenkten verfehlt. Die gesteigerte Leistungsfähigkeit spiegele sich nämlich nicht allein in dem aus dem Vermögen erzielbaren Ertrag, sondern auch in dem bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis wieder.

    Die Bewertung von Wohnteil und Betriebswohnungen orientiert sich am gemeinen Wert als Wertkategorie. Insoweit gelte das zum Grundvermögen Gesagte entsprechend.


Erbschaftsteuerreform tritt zum Jahreswechsel in Kraft

Nach monatelangem Gezerre hat der Bundestag am 27. November 2008 die Reform der Erbschaftsteuer verabschiedet. Am 5. Dezember 2008 stimmte der Bundesrat der Gesetzesänderung zu. Das Gesetz setzt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts- urteils vom 7. November 2006 um, alle Vermögensarten auf Marktniveau zu erfassen. Die Reform tritt für Vermögensübertragungen ab dem 1. Januar 2009 in Kraft. Ein Wahlrecht zwischen altem und neuem Recht besteht nur für Erbfälle aus den Jahren 2007 und 2008, nicht hingegen für Schenkungen.

Die Höherbewertung des Vermögens soll durch höhere Freibeträge für Ehegatten, Kinder und Enkel ausgeglichen werden. Für Ehegatten wird der Freibetrag von 307.000 € auf 500.000 € steigen, für Kinder von 205.000 € auf 400.000 € und für Enkel von 51.200 € auf 200.000 € (Steuerklasse I). Geschwister, Neffen und Nichten (Steuerklasse II) müssen wie andere Erben (Steuerklasse III) mehr Steuer zahlen, auch wenn der Freibetrag von 5.200 € beziehungsweise 10.300 € auf 20 000 € steigt. Die größte Steigerung der Freibeträge verzeichnen die eingetragenen Lebenspartner; sie können statt 5.200 € nun 500.000 € steuerfrei erben. Wie bisher bleiben Hausrat im Wert von 40.000 € und Gegenstände im Wert von 12.000 € steuerfrei. Der zusätzliche Versorgungsfreibetrag für Ehegatten von 256.000 € bleibt ebenfalls bestehen.

Der Steuertarif in der Steuerklasse I bleibt unverändert und beträgt je nach Vermögenshöhe weiter zwischen 7 und 30 %. In der Steuerklasse II und III steigt der Steuertarif bei einem Vermögenserwerb bis 6 Millionen € auf 30 %, darüber auf 50 %.

Die Vererbung einer selbst genutzten Wohnimmobilie an einen Ehegatten beziehungsweise eingetragenen Lebenspartner bleibt steuerfrei, sofern sie nach dem Erwerb zehn Jahre lang vom Erwerber selbst zu Wohnzwecken genutzt wird. Wird sie an die Kinder oder an Enkel vererbt, fällt nur dann keine Erbschaftsteuer an, wenn ein Elternteil bereits verstorben ist und die Fläche unter 200 qm beträgt und die Wohnimmobilie ebenfalls zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken genutzt wird. Der anteilige Grundstückswert, der auf die 200 qm übersteigende Wohnfläche entfällt, ist zu versteuern, sofern der persönliche Freibetrag bereits überschritten wurde. Wird die Wohnimmobilie allerdings innerhalb der 10-Jahres-Frist verkauft oder vermietet, so entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend. Es besteht lediglich dann eine Ausnahmemöglichkeit, wenn dafür zwingende Gründe“ vorliegen, zum Beispiel bei Tod oder Pflegebedürftigkeit.

Das Erben von Firmen kann bei bestimmten Voraussetzungen steuerfrei bleiben. Es wird zukünftig für Firmenerben zwei Optionen geben, deren Wahl bindend ist und nachträglich nicht rückgängig gemacht werden kann. Bei Nichteinhalten der Auflagen, gilt die normale Besteuerung.

Regelverschonung: Firmenerben, die den geerbten Betrieb im Kern sieben Jahre fortführen, werden von der Besteuerung von 85 % des übertragenen Betriebsvermögens verschont, wenn die Lohnsumme nach sieben Jahren nicht weniger als 650 % der Lohnsumme zum Erbzeitpunkt beträgt. Daneben darf der Anteil des Verwaltungsvermögens am betrieblichen Gesamtvermögen höchstens 50 % betragen. Bei Kleinstbetrieben wird ein gleitenden Abzugsbetrag von 150.000 € gewährt.

Verschonungsoption: Firmenerben, die den geerbten Betrieb im Kern zehn Jahre fortführen, werden vollständig von der Erbschaftsteuer verschont, wenn die Lohnsumme nach 10 Jahren nicht weniger als 1000 % der Lohnsumme zum Erbzeitpunkt beträgt. Daneben darf der Anteil des Verwaltungsvermögens am betrieblichen Gesamtvermögen höchstens 10 % betragen.

Ausnahmen wird es für die Landwirtschaft geben.


Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments mit zeitlicher Verzögerung

Das Oberlandesgericht München entschied mit Beschluss vom 1. Dezember 2011 (31 Wx 249/10), dass ein gemeinschaftliches Testament (sog. Ehegattentestament) auch dann wirksam errichtet sein kann, wenn der andere Ehegatte erst nach längerer Zeit beitritt, sofern im Zeitpunkt des Beitritts der Wille des ersttestierenden Ehegatten zur gemeinschaftlichen Testierung weiterhin besteht. Wird ein gemeinschaftliches Testament dergestalt errichtet, das zunächst ein Ehegatte das Testament schriftlich niedergelegt und der andere Ehegatte dies - hier nach über sechs Jahren - zu einem späteren Zeitpunkt mit unterzeichnet, so steht dies einer Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments nicht entgegen. Allerdings muss im Zeitpunkt der Gegenzeichnung noch die Zustimmung des anderen erst errichtenden Ehegatten gegeben sein.


EU-Erbrechtsverordnung - Abwicklung europäischer Erbangelegenheiten

Künftig wird bei grenzüberschreitenden Erbschaften der gesamte Nachlass nach nur einem Recht behandelt und von einem Nachlassverwalter abgewickelt. Nachdem am 1. März 2012 der EU-Rechtsausschuss den Berichtsentwurf zur geplanten Erbrechtsverordnung angenommen hatte, stimmte am 13. März 2012 auch das Plenum des EU-Parlaments zu. Damit die Verordnung in Kraft tritt, muss in den nächsten Wochen noch der EU-Rat zustimmen.

Maßgebliches Kriterium zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist der Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers. Nachlassspaltungen (bewegliches Vermögen wird nach dem Recht des Heimatlandes vererbt, unbewegliches Vermögen hingegen nach dem Recht des Belegenheitsstaates) werden künftig vermieden, da die neuen Regelungen sowohl für Immobiliar- als auch für Mobiliarvermögen gelten werden. Unabhängig hiervon wird dem Erblasser ein Wahlrecht zu Gunsten seines Heimatrechts eingeräumt.

Ein fakultatives EU-Nachlasszeugnis, das von dem für die Erbangelegenheit zuständigen Gericht erteilt wird, soll in Zukunft eine rasche Nachlassabwicklung bei grenzüberschreitenden Nachlässen möglich machen. Das jeweilige nationale Erbrecht wird durch die neue EU-Verordnung nicht berührt.


Gericht darf Teilungsplan nicht abändern

Mit Beschluss vom 22. November 2010 (1 W 63/10) bestätigte das Oberlandesgericht Karlsruhe, dass ein Gericht nicht befugt ist, den Teilungsplan eines Klägers von sich aus abzuändern. Der Anspruch auf Zustimmung zum begehrten Teilungsplan und zur entsprechenden Auszahlung der Guthaben gemäß § 2042 BGB ist eine Leistungsklage und keine rechtsgestaltende Klage. Es stellte klar, dass der Nachlass teilungsreif sein müsse. Dies sei nicht der Fall, wenn eventuell Schadensersatzansprüche bestünden, die in den Nachlass fielen.


Gleiche Erbschaftsteuer für Homosexuelle

Das Bundesverfassungsgericht gab am 17. August 2010 bekannt, dass die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) verfassungswidrig ist. Dies geht aus einem Grundsatzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 (1 BvR 611/07 u. 1 BvR 2464/07) hervor. Homosexuelle Lebenspartner dürfen bei der Erbschaftsteuer gegenüber Ehepartnern nicht benachteiligt werden. Es sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Artikel 3 Grundgesetz unvereinbar, homosexuelle Lebenspartner beim persönlichen Freibetrag und beim Steuersatz schlechter zu stellen, heißt es in der Begründung.Homosexuelle Lebenspartner lebten „wie Ehegatten in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft". Auch ihnen komme bereits zu Lebzeiten das Vermögen ihres eingetragenen Lebenspartners zugute und sie erwarteten, den gemeinsamen Lebensstandard im Falle des Todes des Lebenspartners halten zu können, so die Richter.

Das höchste deutsche Gericht gab damit den Verfassungsbeschwerden eines Mannes und einer Frau statt, deren jeweilige Lebenspartner im Jahr 2001 und 2002 gestorben waren. Das Finanzamt setzte in beiden Fällen die Erbschaftsteuer nach einem Steuersatz der Klasse III fest und gewährte den geringsten Freibetrag in Höhe von damals 5.200 €. Bei Ehegatten betrug der Freibetrag 307.000 €. Die hiergegen erhobenen Klagen blieben jedoch vor den Finanzgerichten ohne Erfolg.

Nach dem Entwurf der Bundesregierung zum Jahressteuergesetz 2010 ist eine vollständige Gleichstellung von Lebenspartnern und Ehegatten im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht beabsichtigt. Das Verfassungsgericht befand nun, dass dies auch für die Steuersätze gelten muss und forderte die Regierung auf, bis zum 31. Dezember 2010 eine verfassungskonforme Neuregelung zu finden, die rückwirkend bis 2001 gilt.

Mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz zum 1. Januar 2009 wurden zwar die Vorschriften zugunsten gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften geändert. Der persönliche Freibetrag sowie der Versorgungsfreibetrag für Lebenspartner und Ehegatten wurden zwar gleich bemessen, allerdings wurden bislang eingetragene Lebenspartner weiterhin wie Fremde mit den höchsten Steuersätzen besteuert.


Grabpflegekosten sind keine Beerdigungskosten i.S.d. § 1968 BGB

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat in seinem Urteil vom 6. Oktober 2009, 3 U 98/08, entschieden, dass laufende Grabpflegekosten nach erstmaliger Herstellung der Grabstätte keine Beerdigungskosten im Sinne des § 1968 BGB darstellen und daher bei der Ermittlung des Nachlasswertes nicht abgezogen werden dürfen.

Im zu entscheidenden Fall machte das enterbte Kind gegen die testamentarisch als Alleinerbin eingesetzte Lebensgefährtin des Erblassers seinen Pflichtteilsanspruch geltend. Für die Berechnung der Pflichtteilshöhe ist der Nachlasswert zu ermitteln. Vorliegend ging es darum, ob die laufenden Grabpflegekosten als Beerdigungskosten nach § 1968 BGB zu qualifizieren sind.

Nach ständiger Rechtsprechung und herrschenden Meinung in der Literatur sind diese Kosten nicht berücksichtigungsfähig. Die Beerdigung ist mit der erstmaligen Herrichtung der Grabstätte abgeschlossen.

In den vergangenen Jahren gab es vereinzelt andere Auffassungen. Begründet wurde dies zumeist damit, dass die Grabpflegekosten im Rahmen der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig seien. Eine Übertragung der steuerlichen Grundsätze auf das Pflichtteilsrecht lehnte das Gericht ab. Bei der steuerlichen Norm des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG geht es darum, von dem steuerpflichtigen Erwerb Nachlassverbindlichkeiten abzusetzen, um die Bemessungsgrundlage für die Steuer bestimmen zu können. § 1968 BGB regelt dagegen allein die rein privatrechtliche Pflicht der Erben zur Tragung der Beerdigungskosten. Dies sei nicht miteinander vergleichbar. Außerdem bestünde kein zwingender Gleichlauf zwischen Wertungen des Steuerrechts und des Zivilrechts. Des Weiteren hätte der Gesetzgeber den Wortlaut der Vorschrift seit der Änderung des Erbschaftsteuerrechts im Jahr 1974 ändern können, was er aber nicht getan habe.

Anders wäre es nur, wenn der Erblasser die entsprechende Verbindlichkeit als Erblasserschuld bereits zu Lebzeiten begründet oder die Grabpflege testamentarisch den Erben auferlegt hätte. Dies war vorliegend nicht der Fall.


Keine Schenkungssteuer bei Übertragung des Eigentums an einem nur teilweise als Familienwohnung genutzten Haus

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 26. Februar 2009 (II R 69/06) entschieden, dass die Schenkung eines zum Teil von der Familie selbst bewohnten Hauses in Bezug auf diesen Teil schenkungsteuerfrei ist, wenn ein Ehegatte dem anderen Ehegatten seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück schenkt. Damit folgte der Bundesfinanzhof nicht der Auffassung der Finanzverwaltung, die auf R 43 Abs. 1 Satz 5 ff. der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003 bezugnehmend bei nicht ausschließlicher Nutzung eines Hauses zu eigenen Wohnzwecken die Steuerbefreiung insgesamt versagte. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG a.F. bleiben Zuwendungen unter Lebenden steuerfrei, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum oder Miteigentum an einem im Inland belegenen, zu eigenen Wohnzwecken genutzten Haus oder einer im Inland belegenen, zu eigenen Wohnzwecken genutzten Familienwohnheim verschafft. In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte ein Ehegatte seinen Anteil an einem im Miteigentum der Ehegatten stehenden Dreifamilienhaus auf den anderen Ehegatten übertragen. Lediglich zwei Wohnungen wurden aber von den Ehegatten und ihren Kindern zu eigenen Wohnzwecken und in untergeordnetem Umfang von einem Ehegatten als Büro genutzt. Die dritte Wohnung bewohnte die Mutter eines Ehegatten aufgrund eines dinglichen Rechts. Das Büro war an den Arbeitgeber des Ehegatten vermietet. Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Steuerbefreiung anteilig für die von der Familie genutzten Wohnungen einschließlich des Arbeitszimmers beansprucht werden kann. Die Vermietung des Büros an den Arbeitgeber des Ehegatten wurde als unerheblich angesehen, da dieses innerhalb des Wohnbereichs der Ehegatten belegen war und auch von einem der Ehegatten genutzt wurde. Für die dritte Wohnung scheide die Steuerbefreiung hingegen aus, weil der darin wohnende Elternteil keinen gemeinsamen Hausstand mit den Ehegatten führe. Für die Zukunft hat dieses Urteil nur noch eine eingeschränkte Bedeutung. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz zum 1. Januar 2009 neu gefasst. Diese neue Regelung entspricht der vom Bundesfinanzhof in diesem Urteil bereits zum bisherigen Recht vertretenen Auffassung, nach der die Steuerbefreiung anteilig für die von den Ehegatten zu eigenen Wohnzwecken genutzte(n) Wohnung(en) zu gewähren ist. Bedeutsam bleiben insbesondere die Ausführungen im Urteil zur Einbeziehung häuslicher Arbeitszimmer in die Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken und zur Abgrenzung der eigenen Wohnzwecke der Eheleute von Fremden.


Keine Sittenwidrigkeit eines Behindertentestaments sowie eines Pflichtteilsverzichtsvertrags

Das Oberlandesgericht Köln bestätigt mit Urteil vom 9. Dezember 2009 (2 U 46/09) die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der 90er Jahre: Eine Verfügung von Todes wegen, mit der Eltern ihr behindertes, durch den Sozialhilfeträger unterstütztes Kind nur als Vorerben auf einen den Pflichtteil kaum übersteigenden Erbteil einsetzen und bei seinem Tod ein anderes Kind als Nacherben berufen (sog. Behindertentestament), verstößt nicht gegen die guten Sitten. Auch sah das Gericht einen vom behinderten Kind mit seinen Eltern lebzeitig abgeschlossenen Pflichtteilsverzichtsvertrag auch dann nicht als sittenwidrig an, wenn Sozialleistungen bezogen wurden.

Bei einem Behindertentestament handelt es sich um letztwillige Verfügungen der Eltern, durch die das Nachlassvermögen vor dem Zugriff des ihr behindertes Kind alimentierenden staatlichen Sozialhilfeträgers geschätzt werden soll. Hierbei gibt es mehrere Möglichkeiten. Beim klassischen Behindertentestament wird das Gestaltungsmodell der Vor- und Nacherbschaft mit Testamentsvollstreckung gewählt. Das behinderte Kind wird als nicht befreiter Vorerbe nach dem letztsterbenden Elternteil auf einen den Pflichtteil kaum übersteigenden Erbteil eingesetzt. Nacherbe des behinderten Kindes sind zumeist die Geschwister.

Der BGH hat bereits in seinem Urteil vom 20. Oktober 1993 (IV ZR 231/92) zugunsten der Testierfreiheit entschieden. Damals stützte er sich zum einen darauf, dass sich dem Sozialhilferecht weder ein gesetzliches Verbot der gewählten Gestaltung noch ein Schutzzweck des Inhalts entnehmen lasse, dass dem Sozialhilfeträger der Zugriff auf das Vermögen der Eltern spätestens bei deren Tod gesichert werden müsse. Auch könne eine Nichtigkeit der Nacherbfolge auch nicht aus der Nachrangigkeit der Sozialhilfe hergeleitet werden. Abgesehen vom Pflichtteil stünden dem Kind keine anderweitigen Ansprüche auf den Nachlass zu.

Hinsichtlich des Pflichtteilsverzichts existiert bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung, weshalb das OLG Köln die Revision zugelassen hat. Der BGH wird nun klären, ob die Privatautonomie vor dem Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe Vorrang genießt. Anders als bei Unterhaltsverzicht, den der BGH in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2006 (XII ZR 144/04) für sittenwidrig ansah, verfügt der Pflichtteilsverzichtende noch nicht über ein subjektives Recht, sondern lediglich über eine ungesicherte Erwerbschance (noch ist offen, ob und in welcher Höhe Vermögen im Erbfall vorliegen wird). Hiergegen wird zu Recht eingewendet, dass die Gestaltung in den meisten Fällen nur deshalb gewählt wurde, um vorhandenes Vermögen dem Zugriff des zugleich in Anspruch genommenen Sozialhilfeträgers zu entziehen.


Klarheit bei Schenkung von Grundbesitz

Mit Urteil vom 19. Juli 2011 (X ZR 140/10) schränkt der Bundesgerichtshof den Zugriff des Staates auf verschenkte Immobilien ein. Bislang konnten die Sozialleistungsträger auch Jahrzehnte nach einer Schenkung - zumeist eine Immobilie an die Kinder - diese zurückfordern, wenn der Schenker nunmehr seine Betreuung nicht mehr finanzieren kann. Der BGH entschied jetzt, dass der Staat nur noch auf Immobilien zurückgreifen kann, wenn die Schenkung noch keine zehn Jahre her ist, selbst dann wenn sich der Schenker an dem verschenkten Grundstück ein lebenslanges Nutzungsrecht (Nießbrauch) eintragen ließ. Demnach kann der Schenker weiter selbst in der Wohnung oder dem Haus wohnen bleiben oder sich bei Fremdvermietung die Miete auszahlen lassen.


Lebenslängliche Rente gegen Pflichtteilsverzicht nicht mehr einkommensteuerpflichtig

Der Bundesfinanzhof entschied in seinem erst jetzt veröffentlichten Urteil vom 9. Februar 2010 (VIII R 43/06), dass die Rente nicht einkommensteuerpflichtig ist, wenn ein Kind gegenüber seinen Eltern gegen Zahlung einer lebenslänglichen Rente auf seine Pflichtteilsrechte beim Tode der Eltern verzichtet.

Die Tochter war auf Grund einer frühkindlichen Erkrankung versorgungsbedürftig. Sie verzichtete in einem notariellen Vertrag auf ihre Pflichtteilsrechte beim Tode ihrer Eltern. Der Verzicht umfasste nur Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Das gesetzliche Erbrecht sollte unberührt bleiben. Im Gegenzug erhielt die Tochter von ihren Eltern eine Einmalzahlung von 1 Million DM und ab 1994 eine monatliche Geldzahlung auf Lebenszeit in Höhe des Grundgehaltes eines bayrischen Beamten der Besoldungsgruppe A 13. Die Beteiligten vereinbarten, die monatlichen Zahlungen bei Änderungen der Leistungsfähigkeit der Eltern oder der Bedürftigkeit der Tochter gemäß § 323 ZPO anzupassen. Das für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige Finanzamt setzte für die Einmalzahlung und den Kapitalwert der Leibrente zu Recht Schenkungsteuer fest. Bei der Veranlagung der Tochter zur Einkommensteuer beurteilte das Finanzamt im Jahr 1996 die Leibrente allerdings als steuerpflichtige Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG und erfasste die Zahlungen mit dem Ertragsanteil von 65/100.

Der Bundesfinanzhof (BFH) ist der Auffassung des Finanzamts nicht gefolgt und entschied, dass die an die Tochter geleisteten monatlichen Zahlungen weder ganz noch mit einem Zins- oder Ertragsanteil der Einkommensbesteuerung unterliegen. Verzichte ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür im Gegenzug von den Eltern wiederkehrende Zahlungen, so liege darin kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Kindes an die Eltern, befanden die obersten Steuerrichter.

Der BFH entschied bereits in seinem Urteil vom 20. Oktober 1999 (X R 132/95), dass der vor Eintritt des Erbfalls erklärte Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht ein erbrechtlicher Vertrag ist, der der Regulierung der Vermögensnachfolge und ihrer Modalitäten im Todesfall des potentiellen Erblassers dienen soll. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) handelt es sich zivilrechtlich um einen unentgeltlichen Vorgang, wenn ein pflichtteilsberechtigtes Kind für den Verzicht auf seinen künftigen Anspruch von seinen Eltern als den potentiellen Erblassern eine Abfindung erhält. Dieser Ansicht folgte jetzt auch der BFH, der sich damit ausdrücklich von seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 4. Februar 1975 (VIII R 71/70) verabschiedet. Nun sieht auch der BFH in dem vor dem Erbfall erklärten Erb- oder Pflichtteilsverzicht einen unentgeltlichen Vorgang, der gegebenenfalls der Besteuerung nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz unterliegt, nicht aber der Einkommensteuer.

Die Rechtslage ist allerdings anders zu beurteilen, wenn der Erbfall bereits eingetreten ist und ein Pflichtteilsberechtigter vom Erben unter Anrechnung auf seinen Pflichtteil wiederkehrende Leistungen erhält. In einem solchen Fall kann eine Überlassung von Kapital zur Nutzung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vorliegen (BFH, Urteil vom 26. November 1992, X R 187/87).


Neuer Friedhofswegweiser für Esslingen

Ab Februar 2012 wird die zweite Auflage der einhundert seitigen Broschüre kostenlos bei städtischen und kirchlichen Einrichtungen sowie bei den mitwirkenden Berufsgruppen ausliegen. Der Wegweiser gibt den Bürgern bei der Auseinandersetzung mit dem Lebensende und den Angehörigen im Todesfall Hilfestellung. Die Broschüre beschreibt die verschiedenen Bestattungsformen und Grabarten, Grabpflege, Formalitäten im Sterbefall, und Grundlegendes zum Erb- und Steuerrecht. Sie enthält zudem alle wichtigen Rufnummern im Notfall.

Bei der Präsentation des Friedhofswegweisers am 20. Januar 2012 erklärte der Esslinger Oberbürgermeister Dr. Jürgen Zieger, dass es ihm ein wichtiges Anliegen sei, den Esslinger Bürgern ein Stück Wegweisung an die Hand zu geben. Ein Trauerfall sei eine krisenhafte Situation, in der rationales Handeln oftmals eingeschränkt sei.

Der Friedhofswegweiser ist ab sofort kostenlos in unserer Kanzlei erhältlich.


Notarielles Testament nebst Eröffnungsniederschrift als Nachweis der Erbenstellung ausreichend

Nach einem Urteil des Landgerichts Lüneburg (6 O 28/08) ist der Erbe ist bei Vorlage einer beglaubigten Abschrift eines notariellen Testaments in Verbindung mit der Niederschrift der Testamentseröffnung nicht verpflichtet sein Erbrecht gegenüber einer Bank zusätzlich durch einen Erbschein nachzuweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (u.a. ZEV 2005, 170 u. 388) reicht dies zum Nachweis der Erbenstellung aus. Das Urteil ist rechtskräftig nachdem die hiergegen eingelegte Berufung der Bank zum Oberlandesgericht Celle (3 U 111/08) - wohl wegen Aussichtlosigkeit - zurückgenommen wurde.

Die Bank stütze sich auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen und verlangte einen Erbschein, für den die Erben insgesamt mehrere tausend Euro bezahlen mussten. Die Erben wollten diese Kosten und den entstandenen Zinsschaden von der kontoführenden Bank zu Recht erstattet haben.


Patientenverfügung - Bundestag beschließt gesetzliche Verankerung

Am 18. Juni 2009 hat der Deutsche Bundestag in dritter Lesung den Vorschlag des SPD-Abgeordneten Stünker für eine gesetzliche Regelung zur Wirksamkeit und Reichweite von Patientenverfügungen beschlossen. Der Bundesrat stimmte am 10. Juli 2009 zu, so dass das Gesetz am 1. September 2009 in Kraft treten wird.

Bei einer Patientenverfügung handelt es sich um die schriftliche Festlegung für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit, ob bestimmte ärztliche Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden sollen. Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass nahe Angehörige befugt wären, die notwendigen Entscheidungen für einen zu treffen. Nur durch eine Patientenverfügung kann das Recht auf Selbstbestimmung bei der Wahl der Behandlungsmethode und bei der Frage eines Behandlungsabbruchs gewahrt werden. Der in der Patientenverfügung erklärte Verzicht auf die weitere Therapierung einer tödlich verlaufenden Krankheit bedeutet nie eine völlige Einstellung der ärztlichen Behandlung. Es geht somit um eine Therapiereduktion, das heißt um den Verzicht auf bestimmte Medikamente, Transfusionen, Reanimationen oder Operationen. Diese Maßnahmen haben dann nicht mehr eine Heilung zum Ziel, sondern sollen eine bestmögliche Lebensqualität für den Patienten erreichen. Es muss dabei stets eine ausreichende pflegerische Versorgung, menschliche Zuwendung, Stillung des Hunger- und Durstgefühls sowie eine ausreichende Zufuhr von Schmerzmitteln sichergestellt sein.

Die Patientenverfügung gesetzlich zu verankern wurde lange diskutiert. Seit Ende der 90er Jahre werden Patientenverfügungen weitestgehend anerkannt. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Beschlüssen aus den Jahren 2003 und 2005 bereits die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts bei ärztlichen Maßnahmen und die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung bestätigt. Das Bundesministerium der Justiz legte 2004 einen Referentenentwurf für eine gesetzliche Regelung vor.

Die Abgeordneten konnten sich nun nach monatelangen Streitigkeiten zwischen den drei konkurrierenden Gesetzesentwürfen „Stünker (SPD)“, „Zöller/Faust (CSU/CDU)“ und „Bosbach (CDU)“ entscheiden. Der Zöller-Entwurf verlangte keine schriftliche Verfügung. Danach hätten auch durch Zeugen übermittelte Bekundungen Geltung. Ärzte, Betreuer und gegebenenfalls weitere Angehörige müssten jeweils darüber beraten, ob die Verfügung auf die konkrete Situation des Patienten nach wie vor noch zutrifft. Der Entwurf des Abgeordneten Bosbach war an mehrere Vorgaben geknüpft. So sollte der Grad der Verbindlichkeit der Patientenverfügung davon abhängig gemacht werden, ob die Patientenverfügung notariell beurkundet wurde und ob der Verfügende im Vorfeld der Erstellung der Patientenverfügung ärztlich beraten wurde. Auch durfte die Verfügung nicht älter als fünf Jahre sein.

Der nun beschlossene Entwurf Stünkers knüpft die Selbstbestimmung des Verfügenden weder an hohe bürokratische Anforderungen noch an Art oder Stadium der Erkrankung. Eine schriftliche Patientenverfügung gilt damit in jeder Lebensphase. Somit kann nun jeder geschäftsfähige Volljährige in einer schriftlichen Patientenverfügung im Voraus festlegen, ob und wie er später ärztlich behandelt werden will, wenn er seinen Willen nicht mehr selbst äußern kann. Eine Begrenzung der Reichweite, die den Patientenwillen kraft Gesetzes in bestimmten Fällen für unbeachtlich erklärt, gibt es nun nicht. Ärzte, Betreuer und Bevollmächtigte sind im Fall der Entscheidungsunfähigkeit des Patienten an dessen Patientenverfügung gebunden. Sie müssen allerdings prüfen, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung noch dem der aktuellen Lebens-​ und Behandlungssituation entsprechen. Existiert keine Patientenverfügung oder treffen die Festlegungen in der Patientenverfügung nicht die aktuelle Situation, muss der Betreuer oder Bevollmächtigte unter Beachtung des mutmaßlichen Patientenwillens entscheiden, ob er in die Untersuchung, die Heilbehandlung oder den ärztlichen Eingriff einwilligt. Die Entscheidung über die Durchführung einer ärztlichen Maßnahme wird im Dialog zwischen Arzt und Betreuer beziehungsweise Bevollmächtigtem vorbereitet. Der behandelnde Arzt prüft, was medizinisch indiziert ist und erörtert die Maßnahme mit dem Betreuer oder Bevollmächtigten, möglichst unter Einbeziehung naher Angehöriger und sonstiger Vertrauenspersonen. Sind sich Arzt und Betreuer beziehungsweise Bevollmächtigter über den Patientenwillen einig, bedarf es keiner Einbindung des Vormundschaftsgerichts. Bestehen hingegen Meinungsverschiedenheiten, müssen weitreichende Entscheidungen vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden.

Erfreulich für all diejenigen, die bereits eine Patientenverfügung errichtet haben: Bestehende Patientenverfügungen haben damit weiterhin Gültigkeit.


Patientenverfügungsgesetz verschoben

Die für Ende Mai 2009 geplante Abstimmung im Bundestag über das Patientenverfügungsgesetz wurde abgesetzt. Die federführenden Initiatoren wollen sich für eine Abstimmung noch vor der Bundestagswahl im September stark machen. Die Unterschiede zwischen den Gesetzesentwürfen der Gruppe um Zöller/Faust (CSU/CDU) sowie Stünker (SPD) sind gering. Weitgehend einig sind sich die Abgeordneten, dass eine Patientenverfügung nicht notariell beurkundet werden muss. Mehrheitlich wird gefordert, dass die Patientenverfügung für den Arzt nur noch dann bindend sein soll, wenn diese im Fünf-Jahres-Abstand aktualisiert wird und vor der Erstellung eine ärztliche Beratung erfolgte. Ansonsten würde die Patientenverfügung nur gelten, wenn die Krankheit einen tödlichen Verlauf angenommen hat. Auch über erst kürzlich getroffene Äußerungen des Patienten, die seinem Willen in einer früher verfassten Patientenverfügung entgegen steht oder diesen erweitert, besteht Uneinigkeit, ob die mündliche Erklärung ausschlaggebend sein soll. Da bislang kein Entwurf eine ausreichende Mehrheit hat, fordert die FDP einen Kompromiss. Zwischenzeitlich liegt ein weiterer Antrag aus der Unionsfraktion vor, der es bei der derzeitigen Situation belassen und kein Patientenverfügungsgesetz verabschieden will.


Pflichtteilsberechnung bei Zuwendung im Wege vorweggenommener Erbfolge

Erfolgt eine Zuwendung „im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich“, ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshof vom 27. Januar 2010 (IV ZR 91/09) für die Pflichtteilsberechnung im Auslegungsweg zu ermitteln, ob der Erblasser damit eine Ausgleichung, eine Anrechnung oder kumulativ eine Ausgleichung und eine Anrechnung anordnen wollte. Ausschlaggebend für den Willen des Erblassers ist, so die Bundesrichter, ob mit seiner Zuwendung zugleich auch eine Enterbung des Empfängers mit bloßer Pflichtteilsberechtigung festgelegt (Anrechnung) oder aber nur klargestellt werden sollte, dass der Empfänger lediglich zeitlich vorgezogen bedacht wird, es im Übrigen aber bei den rechtlichen Wirkungen einer Zuwendung im Erbfall verbleiben soll (Ausgleichung).


Richtig Vererben!

Fachanwalt für Erbrecht, Frank Felix Höfer, startet neue Vortragsserie

Endlich stehen die neuen Termine für die Vorträge des einzigen Fachanwalts für Erbrecht in Esslingen fest:

  • Donnerstag, 12. Mai 2011: Selbstbestimmung wahren mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
  • Dienstag, 28. Juni 2011: Richtig vererben und enterben
  • Dienstag, 12. Juli 2011: Was tun mit der Erbschaft?

Die Vorträge beginnen jeweils um 19.30 Uhr in der Kanzlei Pottgiesser & Partner, Gayernweg 17-2, 73733 Esslingen. Eine Anmeldung ist erforderlich unter info@pottgiesser.de. Die Teilnahme ist kostenlos.

Die Sozietät Pottgiesser & Partner berät mittelständische Unternehmen und Familienunternehmer. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich des Wirtschaftsrechts, Erbrechts und internationalen Rechts. Die Kanzlei wurde 1999 gegründet; ihre Partner wurden teilweise im Ausland ausgebildet und sind als Fachanwälte zugelassen.


Testamentsvollstreckerhonorar: Neue Rheinische Tabelle auch bei hohen Nachlässen anwendbar

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom 25. August 2009 (Az. 3 U 46/08) kann bei der Bestimmung der angemessenen Vergütung des Testamentsvollstreckers die sogenannte Neue Rheinische Tabelle - auch bei einem Bruttonachlasswert von über drei Millionen Euro - als Anhalt herangezogen werden, sofern die Vollstreckungstätigkeit auch die Schuldenregulierung umfasst. Die Vorinstanz, das Landgericht Lübeck, war der Ansicht, dass die Tabelle grundsätzlich angewandt werden könne, aber im vorliegenden Fall ein Vergütungsgrundbetrag von 1 % anstatt der üblichen 2 % des Bruttonachlasswerts angemessen sei. Eine Erhöhung des Bruttonachlasswerts um die Vorausempfänge der Erben zu Lebzeiten findet hingegen nicht statt, so die Richter des Berufungsgerichts. Sofern der Testamentsvollstrecker sich mit dieser Problematik befassen musste, kann er dies im Rahmen von Zuschlägen berücksichtigen. Das Gericht befasste sich auch mit der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen der Anspruch des Testamentsvollstreckers auf eine angemessene Vergütung verwirkt sein könnte und entschied, dass dies nur bei schwerwiegenden vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstößen des Testamentsvollstreckers gegen seine Amtspflichten möglich ist.


Vollständige erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder geplant

Seit 1970 steht nichtehelichen Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, ein gesetzliches Erbrecht zu. Nichteheliche und eheliche Kinder wurden damit größtenteils erbrechtlich gleichgestellt. Nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, gelten bis heute mit ihren Vätern als nicht verwandt. Ihnen steht daher auch kein gesetzliches Erbrecht zu.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 28. Mai 2009 entschieden, dass die bisher im deutschen Erbrecht vorgesehene Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht.

Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sieht nun vor, dass alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder künftig gesetzliche Erben ihrer Väter werden. Für künftige Sterbefälle werden alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder ehelichen Kindern gleichgestellt. Sie beerben ihre Väter als gesetzliche Erben. Dieses Erbrecht der vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder soll aber nicht zu Lasten von hinterbliebenen Ehefrauen und Lebenspartnern gehen. Um deren Vertrauen in die frühere Regelung zu schützen, soll ihnen eine gesetzliche Vorerbschaft eingeräumt werden. Dies bedeutet, dass beim Tod des Vaters zunächst seine Ehefrau oder sein Lebenspartner erben; erst wenn auch diese sterben, geht ihr Anteil als sogenannte Nacherbschaft an die nichtehelichen Kinder. Bei Inkrafttreten der Reform käme es erstmals zu einer gesetzlichen Anordnung von Vor- und Nacherbfolge.

Bei Sterbefällen vor Inkrafttreten der geplanten Neuregelung ist das Vermögen des Verstorbenen bereits auf die nach bisheriger Rechtslage auf den/die Erben übergegangen. Um ihr Vertrauen in die entstandene Eigentumslage zu schützen, unterliegt eine rückwirkende Entziehung solcher Erbschaften sehr engen verfassungsrechtlichen Grenzen. Das Bundesjustizministerium prüft derzeit mögliche Regelungen.


Weniger Erbschaft- und Schenkungsteuer für Geschwister sowie Neffen und Nichten

Die Erbschaftsteuersätze in der Steuerklasse II wurden ab dem 1. Januar 2010 von 30-50% auf 15-43% gesenkt. Dadurch wurde die von vielen als ungerecht empfundene Steuerlast für Geschwister sowie Neffen und Nichten nach der Erbschaftsteuerreform zum 1. Januar 2009 behoben. Auslöser für die Gesetzesänderung waren die geringen Freibeträge und Steuersätze in der Steuerklasse II. Der Freibetrag beträgt hier nur 20.000 €. Geschwister und Geschwisterkinder wurden behandelt wie Nichtverwandte. Bei einem zu versteuernden Vermögen von 75.000 € bis 300.000 € greift künftig ein Steuersatz von 20% statt 30%. Auch Firmenerben erhalten bei der Übernahme von Unternehmen in Zukunft Vergünstigungen. Die Änderungen greifen erst für Schenkungen und Erbfälle ab 2010.


Zentrales Testamentsregister gestartet

Am 1. Januar 2012 hat das von der Bundesnotarkammer in Berlin geführte Zentrale Testamentsregister (ZTR) seinen Betrieb aufgenommen. Das elektronisch geführte Register wird jetzt bei jedem Todesfall von Amts wegen bundesweit auf vorhandene Verfügungen von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) des Verstorbenen geprüft. Es meldet dann an das zuständige Nachlassgericht, ob, wo und gegebenenfalls welche Urkunden der Verstorbene errichtet hat. Erfasst werden künftig sämtliche in notarieller oder gerichtlicher Verwahrung befindlichen erbfolgerelevanten Urkunden. Nicht erfasst werden privatschriftliche Testamente, die der Erblasser nicht in amtliche Verwahrung gegeben hat.

Umfangreicher und langwieriger Schriftverkehr zwischen den verschiedenen Behörden dürfte jetzt der Vergangenheit angehören. Testamente und Erbverträge werden nun zeitnah aufgefunden, so dass für die Erben künftig schneller ein Erbschein erteilt werden kann.

Ähnlich wie beim Zentralen Vorsorgeregister (ZVR) - ebenfalls bei der Bundesnotarkammer geführt - beinhaltet auch dieses Register aus Gründen des Datenschutzes nicht den Text der jeweiligen Urkunden und damit auch nicht den beziehungsweise die Erben, sondern nur die verschlüsselt gespeicherten Personaldaten des Erblassers und wo sich der letzte Wille in Verwahrung befindet. Auf Wunsch können beispielsweise auch Angaben zur Abkömmlingen oder Auskunftsgebern erfasst werden. Damit sollen zeitaufwendige Anfragen bei Standesämtern vermieden werden. Auf das Register können nur Gerichte und Notarinnen/Notare zugreifen.


Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers regelmäßig Dienstvertrag und kein Arbeitsvertrag

Grundsätzlich stellt ein auf (entgeltliche) Geschäftsführung gerichteter Anstellungsvertrag einen auf besondere Dienstleistungen (die Führung des Geschäftsführeramtes) gerichteten Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 675, 611 BGB dar, der den Regeln des freien Dienstvertrags, nicht denen des Arbeitsvertrags unterliegt.

Schuldrechtliche Grundlage der Geschäftsführer-Tätigkeit kann aber auch ein Arbeitsvertrag sein, etwa wenn ein Arbeitnehmer der Gesellschaft zum Geschäftsführer bestellt und hierbei kein neuer Geschäftsführer-Anstellungsvertrag geschlossen wird.

OLG Nürnberg, Urteil vom 30.03.2022 - 12 U 3303/19


Das Geschlecht der Lehrkraft als zulässige berufliche Anforderung im Sportunterricht?

Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts kann nach § 8 Abs. 1 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung nur zulässig sein, wenn es um den Zugang zur Beschäftigung einschließlich der zu diesem Zweck erfolgenden Berufsbildung geht und ein geschlechtsbezogenes Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

Der Kläger hatte sich im Juni 2017 ohne Erfolg bei dem Beklagten, einer genehmigten Privatschule in Bayern, auf die für eine „Fachlehrerin Sport (w)“ ausgeschriebene Stelle beworben. Mit seiner Klage verlangt er von dem Beklagten eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG* mit der Begründung, der Beklagte habe ihn entgegen den Vorgaben des AGG wegen seines Geschlechts benachteiligt. Der Beklagte meint, die Nichtberücksichtigung des Klägers im Stellenbesetzungs-verfahren sei nach § 8 Abs. 1 AGG** zulässig gewesen. Das Schamgefühl von Schülerinnen könnte beeinträchtigt werden, wenn es bei Hilfestellungen im nach Geschlechtern getrennt durchgeführten Sportunterricht zu Berührungen der Schülerinnen durch männliche Sportlehrkräfte komme bzw. diese die Umkleideräume betreten müssten, um dort für Ordnung zu sorgen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte nicht den Vorgaben des AGG und des Unionsrechts entsprechend dargetan, dass für die streitgegenständliche Stelle ein geschlechtsbezogenes Merkmal eine wesentliche und entscheidende sowie angemessene berufliche Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG ist. Über die Höhe der Entschädigung konnte der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht selbst entscheiden. Dies führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung.


Islamisches Kopftuch und Annahmeverzug

Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar (Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24. September 2014 - 5 AZR 611/12).

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

Die Klägerin, die dem islamischen Glauben angehört, ist seit 1996 bei der beklagten Krankenanstalt - zuletzt als Krankenschwester - angestellt. Arbeitsvertraglich sind die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF) sowie die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Bezug genommen. Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Danach war sie arbeitsunfähig krank. Im April 2010 bot die Klägerin schriftlich eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung an. Dabei teilte sie der Beklagten mit, dass sie das von ihr aus religiösen Gründen getragene Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen wolle. Die Beklagte nahm dieses Angebot nicht an und zahlte keine Arbeitsvergütung. Mit der Zahlungsklage fordert die Klägerin Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 23. August 2010 bis zum 31. Januar 2011.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Zwar kann einer Arbeitnehmerin in einer kirchlichen Einrichtung regelmäßig das Tragen eines islamischen Kopftuchs untersagt werden, es ist aber nicht geklärt, ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist. Zudem ist offen, ob die Klägerin im Streitzeitraum leistungsfähig war. Das Angebot, die Tätigkeit auf der Grundlage eines vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans aufzunehmen, indiziert die fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerin.


Vorbeschäftigungsverbot besteht zeitlich uneingeschränkt

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 7 Sa 64/13

Leitsätze:

  1. Entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 06.04.2011 - 7 AZR 716/09 - und 21.09.2011 - 7 AZR 375/10) besteht das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich uneingeschränkt. Das ergibt seine Auslegung im Lichte der vom BVerfG für die Auslegung von Gesetzen aufgestellten Grundsätze (vgl. 25.01.2011 - 1 BvR 918/10).

  2. Das so bewertete Vorbeschäftigungsverbot ist verfassungsgemäß.

  3. Im Übrigen wären die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung oder einer richterlichen Rechtsfortbildung qua teleogischer Reduktion überschritten.


Keine Haftung des Personalvermittlers bei Diskriminierung Bundesarbeitsgericht vom 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13

Ansprüche auf Entschädigung bei Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nach § 15 Abs. 2 müssen gegen den Arbeitgeber gerichtet werden. Wird bei der Ausschreibung von Stellen ein Personalvermittler eingeschaltet, haftet dieser für solche Ansprüche nicht.

Der Kläger bewarb sich im September 2011 auf eine im Internet ausgeschriebene Stelle als Personalvermittler. Die Stelle sollte bei „unserer Niederlassung Braunschweig“ bestehen. Die Bewerbung sollte an die UPN GmbH in Ahrensburg gerichtet werden. Am Ende der Stellenausschreibung wurde wegen etwaiger „Kontaktinformationen für Bewerber“ auch auf eine UP GmbH in Ahrensburg verwiesen. Der Kläger bewarb sich unter der angegebenen E-Mail-Adresse, das Bewerbungsschreiben richtete er an die UP GmbH. Er erhielt eine Absage per E-Mail, deren Absenderin die UPN GmbH war. Der Kläger verlangte von der UPN GmbH ohne Erfolg eine Entschädigung, worauf die UPN GmbH die Bewerbungsablehnung inhaltlich näher begründete. Schließlich verklagte der Kläger die UPN GmbH auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Im Prozess berief sich die UPN GmbH darauf, nicht sie, sondern die UP GmbH habe die Stelle für deren Standort Braunschweig ausgeschrieben.

Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Klage auch vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Der vom Kläger gegen die UPN GmbH gerichtete Entschädigungsanspruch besteht nicht. Die UPN GmbH war lediglich Personalvermittlerin. Arbeitgeberin wäre bei einer Einstellung die UP GmbH geworden. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann nur gegen den „Arbeitgeber“ gerichtet werden. Der Senat hatte nicht darüber zu entscheiden, ob gegen den Personalvermittler andere Ansprüche entstehen können. Jedenfalls der Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Schäden nach § 15 Abs. 2 AGG richtet sich ausschließlich gegen den Arbeitgeber.


Dauer der Arbeitszeit bei fehlender ausdrücklicher Vereinbarung

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 -

Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart. Nach ihr bemessen sich die Pflichten des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Diese Grundsätze gelten auch für außertarifliche Angestellte.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als „außertarifliche Mitarbeiterin“ beschäftigt und bezieht ein Jahresgehalt von ca. 95.000,00 Euro brutto. Nach dem Arbeitsvertrag muss die Klägerin „auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig … werden“. Weitere Regelungen zur Arbeitszeit enthält der Vertrag nicht. Im Herbst 2010 hatten sich nach Angaben der Beklagten nahezu 700 Minusstunden angesammelt. Seit Oktober 2010 forderte die Beklagte die Klägerin auf, eine tägliche Arbeitszeit von mindestens 7,6 Stunden bzw. die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden einzuhalten. Die Klägerin kam dem nicht nach. Die Beklagte kürzte die Gehälter der Klägerin bis Januar 2011 um insgesamt ca. 7.000,00 Euro brutto, weil die Klägerin ihre Arbeitspflicht nicht vollständig erfüllt und zB im Dezember nur 19,8 Stunden, im Januar nur 5,5 Stunden im Betrieb gearbeitet habe.

Die Klägerin macht mit der Klage geltend, sie sei vertraglich nicht verpflichtet, 38 Stunden pro Woche zu arbeiten. Sie müsse überhaupt nicht an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten im Betrieb sein. Ihre Arbeit sei nicht in Zeiteinheiten zu messen. Sie erfülle ihre Arbeitspflicht ohne Rücksicht auf den zeitlichen Aspekt schon dann, wenn sie die ihr von der Beklagten übertragenen Aufgaben erledige. Deshalb müsse die Beklagte ihr auch das volle Gehalt unabhängig von der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden zahlen.

Die Klage blieb - wie schon in den Vorinstanzen - auch vor dem 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Der Arbeitsvertrag der Parteien setzt als Maß der zu leistenden Arbeit die betriebsübliche Arbeitszeit voraus. Anhaltspunkte für die Vereinbarung einer dem Zeitmaß enthobenen Arbeitspflicht bestehen nicht. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, Vergütung für Zeiten zu leisten, in denen die Klägerin nicht gearbeitet hat.


Unser Rechts-Tipp bei Arbeitszeugnissen in der Eßlinger Zeitung vom 21./22. Juli 2012

Versteckte Formulierung? - Klage gegen Zeugnis auf Berichtigung

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein schriftliches Arbeitszeugnis. „Zeugnisse müssen wahrheitsgemäß, vollständig und wohlwollend formuliert sein, um die weitere berufliche Zukunft des Arbeitnehmers nicht zu gefährden“, erläutert der Esslinger Rechtsanwalt Frank Felix Höfer. Daher habe sich eine Zeugnissprache entwickelt, in der vermeintlich positive Formulierungen in Wirklichkeit abwertende Bedeutung haben. „Da diese Geheimsprache mittlerweile bekannt ist, werden vermehrt positive Bewertungen reduziert oder weggelassen“, so Höfer. „Dies fällt oft nur Experten auf.“

Ist ein Arbeitszeugnis unrichtig oder ist der Arbeitnehmer mit der enthaltenen Bewertung nicht einverstanden, kann er vor dem Arbeitsgericht auf Berichtigung klagen. Will der Arbeitnehmer eine bessere Note als „befriedigend“, so muss er beweisen, dass er überdurchschnittliche Arbeitsleistungen erbracht hat. „Dies kann der Arbeitnehmer etwa durch früher geführte Mitarbeitergespräche, ausgehändigte Beurteilungsbögen und Zwischenzeugnisse belegen. Arbeitskollegen stehen häufig nicht zur Verfügung“, so Höfer.


Unser Rechts-Tipp zur betrieblichen Übung in der Eßlinger Zeitung vom 24./25. März 2012

Betriebliche Übung - Wer dreimal zahlt…

Die Zeiten sind gut. Die Mitarbeiter haben hart gearbeitet. Der Chef zahlt ein halbes Monatsgehalt als Bonus. Das nächste Jahr läuft wieder gut, dieselbe Bezahlung. Das wiederholt sich noch einmal, dann kühlt die Konjunktur ab. Der Chef will oder kann keinen Bonus mehr zahlen. Der sei ja ohnehin freiwillig gewesen. „Irrtum!“ so Cornel Pottgiesser, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Esslingen.

„Freiwillige Zuwendungen des Arbeitgebers an seine Mitarbeiter, die nicht besonders geregelt sind, verpflichten den Arbeitgeber, wenn sie zur betrieblichen Übung geworden sind. Das ist bei jährlichen Gratifikationszahlungen schon nach drei Jahren der Fall“. Dazu zählen Prämien, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Urlaubsregelungen. Bisher konnte sich der Arbeitgeber durch eine gegenläufige Betriebsübung von der Verpflichtung wieder lösen. Er musste den Mitarbeitern klar mitteilen, dass bisherigen Vergünstigungen in Zukunft nur freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruches erbracht werden. Widersprachen die Arbeitnehmer dem innerhalb drei Jahren nicht, bestand keine Verpflichtung des Arbeitgebers mehr. Das Bundesarbeitsgericht hat nun wegen geändertem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen anders entschieden: Nur noch eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung oder Änderungskündigung beseitigt die betrieblich Übung.


Unser Rechts-Tipp zu Kameras am Arbeitsplatz in der Eßlinger Zeitung vom 14./15. Januar 2012

Nur bei konkretem Verdacht erlaubt

Die Werkshalle sieht ordentlichen aus. Die Maschinen sind sauber, alle Produktionsmittel geordnet. Doch aus einer Ecke wacht eine Kamera. Kein Mitarbeiter ist noch motiviert. Hält uns den der Chef alle für Diebe, nur weil einmal etwas fehlte?

„Nur bei einem konkreten Verdacht darf der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer auch mit einer Überwachungskamera beobachten,“ erklärt Cornel Pottgiesser, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Esslingen. Das seit 2009 geltende neue Bundesdatenschutzgesetz verlangt für die Zulässigkeit der Videoüberwachung, dass Anhaltspunkte den Verdacht begründen, der Betroffene habe im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat wie Diebstahl, Unterschlagung, Sachbeschädigung begangen. Eine Überwachung sei zur Aufdeckung erforderlich und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Überwachung überwiege nicht. Falls schließlich ein Betriebsrat vorhanden ist, muss auch der gehört werden. „Die Hürden sind also hoch, zumal die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts streng ist“, resümiert Pottgiesser. kein Arbeitgeber sollte mit Kanonen auf Spatzen schießen. Fortlaufender Schwund mache eine Überwachung aber irgendwann zulässig.


Unser Rechts-Tipp zur Vergütung von Überstunden in der Eßlinger Zeitung vom 9./10. Juli 2011

Überstunden - Nachvollziehbar und detailliert belegen

Bei Mehrarbeit stellt sich oft die Frage, ob die Stunden bereits mit dem Monatslohn abgegolten sind, dem Arbeitnehmer Freizeitausgleich oder schlicht die Bezahlung der Überstunden zusteht. Eine klare Regelung könnte sich im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag finden. „Besteht keine Regelung, sind Überstunden wie normale Arbeitszeit zu vergüten“, erläutert Rechtsanwalt Frank Felix Höfer. „Nur Sonntagsarbeit ist regelmäßig durch Freizeit auszugleichen.“

Voraussetzung für die Vergütung von Überstunden sei, dass diese vom Arbeitgeber angeordnet, zumindest aber bewusst geduldet wurden. Macht der Arbeitnehmer von sich aus Überstunden, kann er keine Vergütung verlangen. Im Streitfall muss der Arbeitnehmer vor Gericht jede seiner Überstunden beweisen. Besteht im Unternehmen Gleitzeit, muss der Arbeitnehmer sogar jeden Arbeitstag nach Datum und Stunde aufschlüsseln, wie er seine reguläre Arbeitszeit gestaltet hat.

„Um sicher zu gehen, sollte der Arbeitnehmer seine Überstunden detailliert und nachvollziehbar auflisten und möglichst bald von seinem Vorgesetzten abzeichnen lassen“, so Höfer.


Unser Rechts-Tipp zur Bestellung zum Geschäftsführer in der Eßlinger Zeitung vom 21./22. Mai 2011

Geschäftsführer ist kein Arbeitnehmer

Endlich hat ein langjähriger Mitarbeiter es geschafft und beerbt seinen großen Chef, wird also zum Beispiel zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt. Der Mitarbeiter freut sich, aber es kommt, wie es kommen muss: Nach nur wenigen Monaten sind Gesellschafterversammlung und Beirat unzufrieden und entlassen den Geschäftsführer fristlos. Und jetzt?

„Ein Geschäftsführer ist kein Arbeitnehmer“, erläutert Cornel Pottgiesser, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. „Geschäftsführer unterliegen keinen Weisungen wie Arbeitnehmer, sondern sind juristisch die Organe des Arbeitgebers.“ Sie geben selbst Weisungen und haben deshalb so gut wie keinen Kündigungsschutz. Die Gültigkeit einer Kündigung wird daher auch nicht von einem Arbeitsgericht, sondern von einem ordentlichen Gericht wie dem Landgericht geprüft. Das Kündigungsschutzgesetz gilt nicht.

„Jeder Mitarbeiter, der es bis in die Unternehmensleitung geschafft hat, sollte darauf achten, dass sein Vertrag als Geschäftsführer zumindest für fünf Jahre unkündbar ist.“, so Pottgiesser. Alle Verträge müssen von den Organen der GmbH (Gesellschafterversammlung, Geschäftsführung oder Beirat) unterschrieben werden, um gültig zu sein.


Unser Rechts-Tipp zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen in der Eßlinger Zeitung vom 9./10. April 2011

Erst mal Ruhe bewahren

Wer die Kündigung erhält, ist in der Regel erst mal tief betroffen. Was tun? „Zuerst sollte der Betroffene Ruhe bewahren, um nicht unüberlegt einen wirklichen Kündigungsgrund, etwa wegen Beleidigung des Arbeitgebers zu liefern“, rät Cornel Pottgiesser, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Dann ist die Wirksamkeit zu prüfen: Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Die Unterschrift des Vertretungsberechtigten beim Arbeitgeber muss auf dem Schriftstück sein. Kopie, E-Mail oder mündliche Mitteilung genügen nicht. eine Kündigung ohne Originalvollmacht kann sofort zurückgewiesen werden. Falls ein Betriebsrat besteht, muss dieser vor der Kündigung angehört werden. Bei Betrieben mit mehr als zehn Vollzeitmitarbeitern muss nach Ablauf von sechs Monaten ein Kündigungsgrund vorliegen, entweder im Verhalten, der Person oder im Betrieb. Vertragswidriges Verhalten muss vorher abgemahnt worden sein. Bei betriebsbedingten Kündigungen muss sozial ausgewählt werden. Der Gekündigte muss aufgrund Betriebszugehörigkeit, unterhaltsberechtigten Familienmitgliedern oder Alter am wenigsten schutzbedürftig und eine anderweitige Verwendung ausgeschlossen sein. Jede Kündigung wird wirksam, wenn sie nicht innerhalb drei Wochen mit einer Kündigungsschutzklage angefochten wird.


Unser Rechts-Tipp zur Mitarbeit im Familienbetrieb in der Eßlinger Zeitung vom 12./13. Februar 2011

Im Familienbetrieb - Mitarbeit schriftlich und eindeutig regeln

„Arbeitsverhältnisse unter Ehegatten sind ohne Ausnahme schriftlich und eindeutig zu regeln und anschließend auch durchzuführen“, so Rechtsanwalt Höfer. Gerade in Familienunternehmen arbeiten Ehegatten oft ohne Arbeitsvertrag und Lohn mit. Sie machen die Buchhaltung des Ehegatten, beraten einzelne Kunden oder stehen im Notfall bereit, so Höfer.

Solange sich alle verstehen, denke niemand an Probleme. Was aber geschieht, wenn die Ehe geschieden wird? Ohne Arbeitsvertrag wird es laut Höfer kompliziert: War die Mitarbeit der stillschweigende Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, selbst bei Gütertrennung? Die Berechnung dieser Ausgleichsansprüche aus einer sogenannten Ehegatteninnengesellschaft ist schwierig, mit viel Ärger für alle Beteiligten verbunden und kann zur Insolvenz des Betriebs führen.

Schließlich lassen sich Steuern nur mit einem vorab schriftlich abgeschlossenen und tatsächlich durchgeführten Arbeitsvertrag sparen. Das Finanzamt prüft genau, ob ein echtes Arbeitsverhältnis vorliegt oder nur ein Scheinvertrag, um Steuern zu hinterziehen. Es vergleicht den eigenen Vertrag mit der üblichen Gestaltung und Durchführung „wie unter fremden Dritten“.


Unser Rechts-Tipp zu Mobbing am Arbeitsplatz in der Eßlinger Zeitung vom 29./30. Januar 2011

Mobbing? Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht

„Mobbing“ heißt es immer öfter, wenn es um Konflikte am Arbeitsplatz geht. Aber nicht jede Unstimmigkeit zwischen Kollegen ist Mobbing, so Rechtsanwalt Cornel Pottgiesser vom Esslinger Anwaltsverein. Typisch seien ständige Kritik an der Arbeit, Zuweisung sinnloser Arbeitsaufgaben, systematische Verbreitung falscher Tatsachen oder soziale Isolation.

Wenn sich ein Mitarbeiter über Mobbing beschwert, müsse der Arbeitgeber handeln, um seiner Fürsorgepflicht nachzukommen. Schlecht beraten sei, wer versuche, den Konflikt auszusitzen oder die Vorwürfe zu bagatellisieren. Er riskiere nicht nur die Verurteilung zu Schadensersatz, vor allem Schmerzensgeld, sondern auch die fristlose Kündigung seines Mitarbeiters ohne Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Falls eine einvernehmliche Konfliktlösung etwa durch einen Mediator scheitert, müsse der Arbeitgeber vielmehr gegen den Mobber vorgehen durch Abmahnung, Versetzung oder gar Kündigung.

Arbeitgeber sollten aber nicht erst handeln, wenn es brennt, sondern Mobbing vorbeugen. Regelmäßige Mitarbeitergespräche und Fortbildung von Führungskräften seien geeignete Mittel für ein positives Betriebsklima. Die frühzeitige Beratung und Unterstützung durch einen Mediator lasse keinen Raum für Mobbing, so Pottgiesser.


Anspruch auf Grundgehalt und Zulagen während Schwangerschaft und Mutterschaftsurlaub

Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 1. Juli 2010 (C-194/08 u. C-471/08) stehen Arbeitnehmerinnen, die aufgrund ihrer Schwangerschaft beurlaubt oder auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt sind, ihr monatliches Grundgehalt und diejenigen Gehaltszulagen weiter zu, die an ihre berufliche Stellung anknüpfen. Darunter fallen zum Beispiel Zulagen, die an eine leitende Position, an die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder die berufliche Qualifikation gekoppelt sind.

Auf Zulagen und Vergütungen, mit denen Nachteile ausgeglichen werden sollen, die mit der Ausübung bestimmter Tätigkeiten unter besonderen Umständen verbunden sind, haben schwangere Arbeitnehmerinnen jedoch keinen Anspruch, wenn sie diese Tätigkeiten aufgrund ihrer Schwangerschaft tatsächlich nicht mehr ausüben. So hat eine Flugbegleiterin in der Position einer Kabinenchefin, die während ihrer Schwangerschaft vorübergehend eine Bürotätigkeit am Boden zugewiesen wird, während dieser Tätigkeit keinen Anspruch auf Zulagen für die Funktion als Kabinenchefin. Für die Dauer der schwangerschaftsbedingten anderen Beschäftigung hat die Arbeitnehmerin aber grundsätzlich Anspruch auf die mit diesem Arbeitsplatz verbundenen Arbeitsentgelte und Zulagen.

Der EuGH weist in seinem Urteil darauf hin, dass Arbeitnehmerinnen im Mutterschaftsurlaub nicht mit Arbeitnehmerinnen, die tatsächlich an ihrem Arbeitsplatz tätig sind, gleichgesetzt werden können. Daher können sie weder die Zahlung ihres Gesamtarbeitsentgelts, noch die Zahlung von Zulagen, die Nachteile der Tätigkeit ausgleichen sollen, verlangen. Die Mindestbezüge der Arbeitnehmerinnen während des Mutterschaftsurlaubs müssen aber dem vergleichbaren Lohn im Falle einer krankheitsbedingten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit entsprechen.


Arbeit auf Abruf jetzt zulässig - flexible Arbeitszeiten im Arbeitsvertrag vereinbaren

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass „echte“ Arbeit auf Abruf in einem Arbeitsvertrag vereinbart werden kann. Danach kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit um bis zu 25 % herauf und um bis zu 20 % bei entsprechender Anpassung der Vergütung herabsetzen. So können Unternehmen flexibel auf Schwankungen beim Arbeitsanfall reagieren. Beispiel: Bei einem Arbeitsvertrag mit vereinbarter Wochenarbeitszeit von 30 Stunden, kann der Arbeitgeber eine Arbeitszeit von 24 bis 37,5 Stunden abrufen.

Sprechen Sie uns an, wenn wir Sie bei der Gestaltung neuer Arbeitsverträge beraten können. Am einfachsten benutzen Sie unser Kontaktformular.


Bereits die Androhung einer betriebsbedingten Kündigung kann einen Rechtsschutzfall auslösen

Erklärt der Arbeitgeber, an seiner im Arbeitsvertrag gegenüber dem Arbeitnehmer übernommenen Pflicht zur Beschäftigung nicht mehr festhalten zu wollen, ist die für den Arbeitnehmer Rechtsschutz auslösende Pflichtverletzung begangen. Und zwar unabhängig davon, ob die in Aussicht gestellte Kündigung rechtmäßig wäre. Die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr verwirklicht sich vielmehr schon im Moment der Androhung, da die Rechtsposition des Versicherungsnehmers durch sie beeinträchtigt wird. Der eventuelle spätere tatsächliche Ausspruch der Kündigung ist nur noch die rein formale Umsetzung der vom Arbeitgeber bereits getroffenen Entscheidung.


Betriebliche Übung - Für „immer und ewig“ gebunden?

Freiwillige Zuwendungen des Arbeitgebers an seine Mitarbeiter, die nicht in den Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen oder den Arbeitsverträgen geregelt sind, können oft unerwartet zu „betriebliche Übungen“ werden und damit Leistungsverpflichtungen begründen.

Unter Betriebsübungen versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter gleichförmiger Verhaltensweisen des Arbeitgebers, die bei den Arbeitnehmern das Vertrauen entstehen lassen, dass die bestimmte Vergünstigung ihnen auf Dauer gewährt werden soll. Die häufigsten Fälle sind Zahlungen von Gratifikationen, Prämien, Weihnachts- und Urlaubsgeld, sowie Regelungen zu Pausen und Urlaubsgewährung. Zahlen Sie als Unternehmer also über mindestens drei Jahre etwa Gratifikationen in gleicher Art und Weise, so ist eine betriebliche Übung im Unternehmen entstanden, auf die Ihre Mitarbeiter einen Anspruch haben.

In Krisenzeiten bedeuten solche Vergünstigungen häufig eine Belastung für das Unternehmen, wovon sich der Unternehmer und Arbeitgeber befreien möchte. Das war nach bisheriger Rechtsprechung durch eine gegenläufige Betriebsübung möglich. Der Arbeitgeber musste seinen Mitarbeitern unmissverständlich mitteilen, dass die bisherigen Vergünstigungen in Zukunft nur freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruches erbracht werden. Widersprachen die Arbeitnehmer dem über einen Zeitraum von drei Jahren nicht, bestand keine Verpflichtung des Arbeitgebers mehr.

Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 hat das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 18. März 2009 (10 AZR 281/08) diese Rechtsprechung aufgegeben. Nach § 308 Nr.5 BGB ist eine Regelung unwirksam, in der dem Schweigen des Arbeitnehmers ein bestimmter Erklärungswert beigemessen wird. Arbeitgebern wird es damit praktisch unmöglich, sich von Vergünstigungen, die aufgrund betrieblicher Übung entstanden sind, wieder zu befreien. Der Anspruch des Mitarbeiters auf Gewährung der Vergünstigung kann nur durch eine entsprechende ausdrückliche vertragliche Vereinbarung oder Änderungskündigung beseitigt werden.

Am besten ist es daher für ein Unternehmen, wenn erst gar keine Betriebsübung entsteht. Als Arbeitgeber sollten sie daher Vergünstigungen von vorneherein nur unter dem eindeutigen und unmissverständlichen Vorbehalt der Freiwilligkeit und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs gewähren. So kann eine Betriebsübung verhindert werden.


Bewegung in der deutschen Tariflandschaft

Verhandlungen zwischen Tarifparteien waren in der Vergangenheit gekennzeichnet durch kollektive Gespräche auf überbetrieblicher Ebene zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. In den letzten Jahren haben jedoch auch einzelbetriebliche Lösungen an Bedeutung gewonnen. Rechtliche Grundlagen hierfür sind das Grundgesetz, das den Tarifparteien sowohl positive als auch negative Koalitionsfreiheit gewährt und das Tarifvertragsgesetz, das die Bestimmungen zur kollektiven Lohnfindung, wie zum Beispiel die Tarifgebundenheit der Tarifvertragsparteien und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen regelt. Das Prinzip der Tarifeinheit wird hingegen nicht durch das Tarifvertragsgesetz festgelegt, sondern wurde durch das Bundesarbeitsgericht im Laufe der Jahre entwickelt.

Vor kurzem ließ das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung jedoch den Grundsatz der Tarifeinheit fallen und hat damit den Weg frei gemacht für eine Neuausrichtung des deutschen Tarifrechts (BAG 4 AZR 549/08). Zukünftig können demnach mehrere Tarifverträge in einem Betrieb gelten. Das entspricht der wachsenden Bedeutung von Spartengewerkschaften.

Während die großen Gewerkschaften in den letzten Jahren stetig Mitglieder verlieren, haben sich eigenständige Spartengewerkschaften gebildet, die zum Teil ohne Dachverband berufsbezogene Tarifverträge mit Arbeitgeberverbänden und Unternehmen ausgehandelt haben. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind die Gewerkschaften der Piloten, die Vereinigung Cockpit und der Krankenhausärzte, der Marburger Bund. Mit der zunehmenden Spezialisierung auf einzelne Berufsgruppen wird das Prinzip der Tarifeinheit mehr und mehr in Frage gestellt und es entsteht eine Tarifpluralität, die zu einer Wettbewerbssituation zwischen verschiedenen Tarifen innerhalb eines Unternehmens führt.

Allgemein unterscheidet man bei Tarifverträgen zwei Wettbewerbssituationen: Tarifpluralität und Tarifkonkurrenz. Gelten in einem Unternehmen für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Tarifverträge, besteht Tarifpluralität. Tarifkonkurrenz ist gegeben, wenn ein einzelnes Arbeitsverhältnis im Unternehmen von mehreren Tarifverträgen erfasst werden kann. Bisher wurde hier die Tarifeinheit durch die Prinzipien der Spezialität und Repräsentativität erhalten. Standen mehrere Tarifverträge in Konkurrenz, so fand derjenige Anwendung, der dem Betrieb räumlich, betrieblich und fachlich am nächsten stand und somit besser auf die Eigenheiten des Betriebes abgestimmt war. Konnte die Spezialität nicht eindeutig festgelegt werden, kam das Kriterium der Repräsentativität hinzu. Es sollte derjenige Tarifvertrag Anwendung finden, der von der Gewerkschaft ausgehandelt wurde, die mehr Arbeitnehmer im Unternehmen repräsentierte.

Nachdem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts soll in Zukunft auch Tarifkonkurrenz in einem Unternehmen möglich sein. Mehrere Tarifverträge können damit parallel in einem Betrieb gelten, ohne dass eine Verdrängung eines Tarifes zugunsten eines anderen stattfindet.

Die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Tarifeinheit hat damit zwei Effekte: Zum einen würde die heute mancherorts bereits faktische Tarifpluralität auch rechtlich möglich und es wäre damit eine Verstärkung der berufsgruppenspezifischen Spartengewerkschaften zu erwarten und zum anderen könnten in Zukunft in einem Betrieb für ein Arbeitsverhältnis konkurrierende Tarifverträge nebeneinander bestehen. Homogene Arbeitnehmergruppen werden jedoch wahrscheinlich wenig Interesse daran haben, sich in unterschiedliche Gewerkschaftsgruppen zu zersplittern. Insoweit ist fraglich, ob die Tarifkonkurrenz die Gewerkschaftslandschaft verändern wird. Auf jeden Fall wird Bewegung in die deutsche Tariflandschaft kommen. Ob eine - wie auch immer geartete - Tarifeinheit weiterbestehen wird, hängt von der Durchsetzungskraft der einzelnen Interessengruppen ab.


Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) - der Joker im Kündigungsschutzprozess

Ist ein Arbeitnehmer innerhalb von 12 Monaten mehr als 6 Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben, so ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Ziel der Vorschrift ist, festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu Ausfallzeiten gekommen ist, und ob die Möglichkeit besteht, durch veränderte Arbeitsbedingungen die Fehlzeiten künftig zu verringern und eine Kündigung zu vermeiden.

Möchte der Arbeitgeber dennoch krankheitsbedingt kündigen, muss er beachten, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine personenbedingte Kündigung ist - das heißt die Kündigung ist nicht allein wegen nicht durchgeführter BEM unwirksam - jedoch konkretisiert das BEM den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Kündigungsschutzrecht mit der Folge, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt wäre, wenn das BEM nicht, oder mangelhaft durchgeführt wurde. Der Arbeitnehmer würde im Kündigungsschutzprozess seiner Darlegungs- und Beweislast in der Folge allein mit der Behauptung genügen, er würde bei anderen Arbeitsbedingungen nicht mehr oder weniger häufig erkranken.

Wird das BEM jedoch ordnungsgemäß mit dem Ergebnis durchgeführt, dass keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, ist der Arbeitgeber im Vorteil: Der Arbeitnehmer muss dann substantiiert und unter Beweisantritt darlegen, dass eine leidensgerechte Beschäftigung möglich ist und diese Möglichkeit sich erst nach dem BEM ergeben habe.

De facto ist das BEM Voraussetzung für eine wirksame Kündigung, wenn im Unternehmen die Möglichkeit einer alternativen Weiterbeschäftigung besteht.

Wer den „Joker“ der Beweislastumkehr im Kündigungsprozess ziehen kann, entscheidet die Durchführung des BEM: Unterbleibt ein BEM, ist der Arbeitnehmer im Vorteil. Wurde das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt, ist der Arbeitgeber im Vorteil, wenn es zu einem negativen Ergebnis führt.


Detaillierter Nachweis geleisteter Mehrarbeit ist Voraussetzung für Überstundenvergütung

Ein Arbeitnehmer kann die Bezahlung geleisteter Überstunden vor Gericht nur dann erfolgreich einklagen, wenn er die zusätzliche Arbeitszeit nachvollziehbar aufgelistet hat (LAG Mainz, 6 Sa 799/04). Pauschale oder unklare Aufzeichnungen gehen nach ständiger Rechtsprechung zu Lasten des Mitarbeiters, da er für die von ihm erbrachten Überstunden beweispflichtig ist.

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist der Arbeitnehmer vertraglich zur Erbringung seiner Arbeitsleistung verpflichtet, der Arbeitgeber zur Zahlung des entsprechenden Lohnes. Oft leistet der Arbeitnehmer aber auch Arbeit über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus. Diese Mehrarbeit wird je nach vertraglicher Vereinbarung in Freizeit oder Vergütung ausgeglichen. In vielen Fällen häufen sich jedoch nicht abgegoltene Überstunden an. Endet das Arbeitsverhältnis wird deren Vergütung oft zur Streitfrage.

Ein Arbeitnehmer, der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die ausstehende Vergütung von Überstunden fordert, muss im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Er muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich darüber hinaus gearbeitet hat. Fehlt eine feste Arbeitszeit wie etwa bei vereinbarter Gleitzeit, muss der Arbeitnehmer für jeden Arbeitstag nach Datum und Stunde aufschlüsseln, wie die Arbeitszeit gestaltet wurde.

Dem Arbeitgeber obliegt es im Streitfall dem Vortrag des Mitarbeiters substantiiert entgegenzutreten. Bleibt danach streitig, ob der Mitarbeiter Mehrarbeit erbracht hat, muss der Arbeitnehmer darlegen, welche geschuldeten Tätigkeiten er genau ausgeführt hat.

Weitere Voraussetzung für einen Anspruch auf Überstundenvergütung ist, dass die Mehrarbeit vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurde, oder jedenfalls zur Erledigung der angeordneten Arbeit notwendig war. Der Schluss auf eine stillschweigende Überstundenanordnung ist aber nicht allein durch Zuweisung von Tätigkeiten erbracht. Die Rechtsprechung geht nämlich davon aus, dass der Arbeitgeber grundsätzlich möchte, dass die zugewiesene Arbeit innerhalb der üblichen Arbeitszeit erledigt wird. Hinzukommen muss also die Weisung des Arbeitgebers, erforderlichenfalls über die reguläre Arbeitszeit hinauszugehen.


Dreiwöchige Klagefrist auch bei unrichtiger Kündigungsfrist maßgeblich

Das Bundesarbeitsgericht entschied mit Urteil vom 1. September 2010 (5 AZR 700/09), dass der Arbeitnehmer bei einer ordentlichen Kündigung seines Arbeitgebers die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist innerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen muss, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedürfte die Kündigung der Umdeutung in eine Kündigung mit zutreffender Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen“ Termin, wenn die Kündigungsschutzklage nicht binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben worden ist.


Erfolgreiches Eingliederungsmanagement durch Mediation

Ist das BEM ordnungsgemäß durchgeführt worden und zu einem positiven Ergebnis gelangt, muss der Arbeitgeber die entsprechenden Maßnahmen zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes umsetzen oder einen anderen Arbeitsplatz frei machen.

Das Bundesarbeitsgericht hat das Verfahren des BEM aktuell in zwei Entscheidungen konkretisiert und gesetzliche Mindestvoraussetzungen genannt. Danach sollen neben Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Interessenvertretung des Arbeitnehmers, gegebenenfalls der Betriebsarzt und Ämter wie das Integrationsamt und Rehabilitationsträger an einem verlauf- und ergebnisoffenen Suchprozess beteiligt werden. Alle eingebrachten Vorschläge sollen erörtert werden, wobei ein bestimmtes Ergebnis der Erörterung nicht von vornherein ausgeschlossen werden darf.

Verständigen sich die Teilnehmer auf einen Vorschlag, muss der Arbeitgeber diesen umsetzen. Das geht soweit, dass ein anderer Arbeitsplatz, auf dem der Arbeitnehmer leidensgerecht beschäftigt werden kann, frei gemacht werden muss - gegebenenfalls durch Versetzung des dort Beschäftigten, wenn dies in der BEM erörtert wurde. Die Durchführung und Umsetzung einer BEM kann so zu einer „echten Herausforderung“ für das Unternehmen werden. Mediation als effektives Verfahren zur Problemlösung hilft, jenseits der Forderungsebene Interessen - und bedürfnisgerechte Lösungen für die beteiligten Parteien zu finden. Der Mediator unterstützt die am BEM beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Entwicklung einer konstruktiven, für beide Seiten tragbaren Lösung für die Zukunft.


Flexible Arbeitszeiten - Geltendmachung von Arbeitszeitguthaben

Flexible Arbeitszeiten sind ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für Unternehmer, die für ihre Mitarbeiter zunehmend Arbeitszeitkonten führen, um Überstundenvergütungen und damit die Erhöhung der Personalkosten zu vermeiden. Der Arbeitnehmer erhält für seine Mehrarbeit keinen Lohn, sondern eben Zeitguthaben auf seinem Arbeitszeitkonto. Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist dieses Guthaben innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten durch bezahlte Freistellung auszugleichen. Danach hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Auszahlung seines Guthabens. Das Arbeitszeitguthaben entspricht dann einem Vergütungsanspruch für noch nicht bezahlte Arbeit.

Endet das Arbeitsverhältnis müssen Arbeitszeitguthaben ebenfalls an den Arbeitnehmer ausbezahlt werden. Im Streitfall sollte der Arbeitnehmer unbedingt auf Ausschlussfristen für die Geltendmachung seiner Ansprüche achten. Durch diese zumeist in Tarifverträgen geregelten Ausschlussfristen verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb der in Ausschlussklauseln festgelegten Zeit geltend gemacht werden. Dabei genügt es bei den sogenannten einstufigen Ausschlussfristen, den Arbeitgeber innerhalb des festgelegten Zeitraumes außergerichtlich zur Zahlung der Vergütung aufzufordern. Bei den zweistufigen Ausschlussfristen muss der Arbeitnehmer seinen Anspruch darüber hinaus innerhalb einer weiteren Frist gerichtlich geltend machen, wenn die außergerichtliche Zahlungsaufforderung nicht zum Erfolg geführt hat. Ihre Rechtfertigung finden diese Ausschlussfristen darin, in unklaren und streitanfälligen Angelegenheiten schnell für klare Verhältnisse zu sorgen. Der Schuldner soll in einem überschaubaren Zeitraum Überblick darüber haben, mit welchen Forderungen er konfrontiert werden wird.

Hat der Arbeitgeber jedoch dem Arbeitnehmer einmal dessen Arbeitszeitguthaben schriftlich und ohne Vorbehalt mitgeteilt, gelten die Ausschlussfristen für die Geltendmachung nicht mehr. Durch den schriftlichen Nachweis des Arbeitgebers über das Arbeitszeitguthaben des Arbeitnehmers besteht Klarheit über den Umfang des Vergütungsanspruches. Der Zweck der Ausschlussfristen, in einer festgelegten Zeit Klarheit zu schaffen, ist in diesen Fällen durch die Mitteilung des Arbeitgebers nämlich bereits realisiert. Der Vergütungsanspruch aus dem abrechneten Arbeitszeitguthaben wird nicht mehr durch die Ausschlussfristen erfasst und verfällt nicht mehr nach deren Ablauf.


Leistungsfähig durch Mediation

Wer mit seinem Team gut aufgestellt ist, verfügt über entscheidende Wettbewerbsvorteile.

Die Verteilungskämpfe werden in diesen Tagen härter, das Jobkarussell dreht sich schneller, die Beziehungen im Unternehmen werden heikler. Oft werden nur noch „Fronten“ wahrgenommen. Aber Konflikte sind Motivationskiller, die Arbeitsabläufe empfindlich stören. Mobbing, Ausfallzeiten, „Dienst nach Vorschrift“ und hohe Fluktuation von Arbeitskräften senken die Produktivität und richten großen wirtschaftlichen Schaden an. Das Forsa-Institut schätzt den Schaden, der der deutschen Wirtschaft aufgrund von Konflikten entsteht, auf 50 Milliarden Euro pro Jahr. Und: Die Hälfte ihrer Zeit verwenden Führungskräfte auf die Beilegung von Konflikten. Kosten, für die nichts hergestellt oder verkauft wird.

Wenn gar nichts mehr geht, werden die Konflikte am Arbeitsplatz mit den Mitteln des Arbeitsrechtes gelöst. Das ist dann leider oft eine „endgültige“ Lösung. Dabei steckt im Konflikt die Chance, mit Hilfe von Mediation aus Streitparteien Partner der Lösungsfindung zu machen und damit ein leistungsfähiges Team für die Zukunft zu schmieden. Das Verfahren der Mediation folgt dabei dem Harvard - Konzept, mit dem Jimmy Carter der Friedensvertrag von Camp David gelang. Dieses Konzept ist eine Verhandlungsstrategie, die die Parteien von der Positions- beziehungsweise Forderungsebene weg zu den Interessen und Bedürfnissen führt, die sich jeweils hinter den Standpunkten verstecken. So sagt Roger Fisher von der Harvard-Universität, “Der Schlüssel zu jedem Konflikt ist nicht die objektive Wahrheit, sondern das, was sich in den Köpfen der Beteiligten abspielt.”

Diesen Schlüssel können Konfliktparteien in der Kommunikation finden. In Konflikten ist die Kommunikation aber häufig gestört oder sogar abgebrochen. Die Parteien nehmen oft gegensätzliche Standpunkte ein, ohne die diesen Positionen zugrunde liegenden Interessen überhaupt in den Blick zu bekommen. Daher ist es das zentrale Anliegen von Mediation, die Konfliktparteien wieder in ein konstruktives Gespräch zu bringen und die neu beginnende Kommunikation dabei so zu steuern, dass die Streitparteien es schaffen, Menschen und ihre Interessen getrennt voneinander zu behandeln, sich auf die Interessen der Beteiligten und nicht auf ihre Positionen zu konzentrieren und so zeiteffizient Entscheidungsoptionen zu entwickeln, die den Interessen beider Parteien dienen. Auf diese Weise dient der Einsatz mediativer Techniken bei Umstrukturierungsmaßnahmen, Teambildungen und der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gerade auch der Konfliktprävention. Das „Zauberwort“ hierbei heißt Wertschätzung. Indem die Interessen und Bedürfnisse, die den Entscheidungen und Forderungen der Beteiligten zugrunde liegen die Ebene der Lösungsmöglichkeiten darstellen, wird ein blindes Positionsgerangel vermieden. Neben dem offiziellen Arbeitsvertrag existiert der „psychologische Vertrag“, der über die Leistungsbereitschaft des Einzelnen entscheidet. Wer also für sein Unternehmen hohe Ziele verfolgt, sollte diese Interessen gegenüber seinen Mitarbeitern mit Wertschätzung kommunizieren, denn eine starke Identifikation mit dem Unternehmen sorgt für eine niedrige Fluktuation und Kontinuität in der Führung und damit letztlich für Erfolg.

Artikel von Susanne Korff, veröffentlicht im IHK Magazin Wirtschaft 05/2009


Mobbing am Arbeitsplatz

Das Kunstwort „Mobbing“ fällt immer häufiger, wenn es um Konflikte am Arbeitsplatz geht. Das mit „Mobbing“ beschriebene Phänomen wird in unserer Arbeitswelt schon immer existiert haben, jedoch hat es aus verschiedenen Gründen in den letzten Jahren in großem Maß zugenommen. Ein verändertes Werteverständnis, neue Führungsmethoden und insbesondere die Angst vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes zählen dazu. Nicht jede alltägliche Konfliktsituation am Arbeitsplatz fällt unter den Begriff „Mobbing“. Dennoch müssen sich immer mehr Arbeitgeber mit Mobbingvorwürfen innerhalb ihres Unternehmens beschäftigen und damit ihrer Rechtspflicht, das Persönlichkeitsrecht, sowie Gesundheit und Ehre ihrer Arbeitnehmer zu schützen, nachkommen.

Werden einem Arbeitgeber Mobbingvorgänge im Unternehmen bekannt, so muss er die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Abhilfe zu schaffen. Arbeitsrechtliche Sanktionsmittel gegen einen „Mobber“ sind dabei Abmahnung, Versetzung und Kündigung.

Um nicht mit Schadensersatzansprüchen von Mobbingopfern konfrontiert zu werden, die auf § 3 Abs.3 AGG oder ein Organisationsverschulden gestützt werden, sollten Arbeitgeber präventive Maßnahmen treffen. Regelmäßige Mitarbeitergespräche, Fortbildung von Führungskräften in Personalentwicklung, und gegebenenfalls Unterstützung durch einen Mediator sind hier die geeigneten Mittel.


Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann für den Arbeitgeber teuer werden

Vor vier Jahren trat das AGG in Kraft und bescherte der Antidiskriminierungsstelle des Bundes 10.000 Anfragen. Die meisten Beschwerden drehten sich um die Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz. Aber schon in der Bewerbungsphase kann ein Verstoß gegen das AGG für den Arbeitgeber teuer werden. So sprach das Bundesarbeitsgericht einem Juristen eine Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts zu. Das Unternehmen hatte über eine Anzeige „eine(n) junge(n) engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen“ gesucht. Der 49-jährige Bewerber wurde zugunsten einer 33-jährigen Mitbewerberin abgelehnt. Die Richter des BAG (8 AZR 530/09) sahen in der Stellenausschreibung ein klares Indiz für Diskriminierung, da sie nicht altersneutral formuliert gewesen sei. Da das Unternehmen nicht beweisen konnte, dass es bei der Einstellung altersunabhängig entschieden hat, stand dem älteren Bewerber eine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das AGG zu.

Um nicht wegen diskriminierender Anforderungen mit Entschädigungsforderungen konfrontiert zu werden, sollten Arbeitgeber daher in ihren Stellenanzeigen auf Kriterien wie persönliche Merkmale, Religion, Geschlecht, Alter, Familienstand und ethnische Herkunft verzichten und sich ausschließlich auf die gewünschte fachliche Qualifikation beschränken.

Wer nicht qualifiziert ist, kann nicht diskriminiert werden. Fällt die Entscheidung für einen Bewerber, sollten die Ablehnung der übrigen Bewerber ebenfalls nur mit der fehlenden fachlichen Qualifikation begründet werden. Denn nach weiteren Urteilen des Bundesarbeitsgerichts (8 AZR 466/09, 8 AZR 370/09) haben Arbeitgeber nun bei Einstellungen mehr Sicherheit: Das Fehlen einer ausreichenden Qualifikation wiegt danach schwerer als eine mögliche Benachteiligung nach dem AGG. Bewerber können sich demgemäß nur dann auf Diskriminierung berufen, wenn sie über die geforderten Qualifikationen verfügen und wenn ihre Bewerbung zum Zeitpunkt der der Stellenbesetzung überhaupt schon vorlag.


Der Solidaritätszuschlag war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig. Das SolZG 1995 i.d.F. durch Art. 4 des 2. FamEntlastG vom 1.12.2020 (BGBl I 2020, 2616) verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 oder Art. 14 GG.

BFH, Urteil v. 17.1.2023, IX R 15/20

Durch die Erhebung des Solidaritätszuschlags mit einem Zuschlagsatz von 5,5 % wird die Finanzordnung des GG nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt; die "Aushöhlungsschwelle" ist nicht überschritten.

Ferner ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben.

Unerheblich ist zudem, ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zweckgebunden für den "Aufbau Ost" verwendet wurden. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben wann in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich einer gerichtlichen Nachprüfung entzieht.

Schließlich liegt kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG) in Gestalt nicht hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit vor. Der Begriff "Solidaritätszuschlag" ist insbesondere nicht irreführend.


Vertrauensschutz bei nachträglichen Anschaffungskosten – Nachweis von Gesellschafterforderungen

Steuerpflichtige, die ihrer GmbH als Gesellschafter bis zum 27.09.2017 eine (ehemals) eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe geleistet haben, können den Ausfall ihrer Rückzahlungs- oder Regressansprüche im Fall der Veräußerung oder Auflösung der Gesellschaft als nachträgliche An-schaffungskosten geltend machen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 02.07.2019 - IX R 13/18 bekräftigt. Bestreitet das Finanzamt (FA), dass eine in der Bilanz der Gesellschaft ausgewiesene Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter bestand, spricht die Feststellung des Jahresabschlusses indiziell dafür, dass dem Gesellschafter eine Forderung in der ausgewiesenen Höhe zustand.

Mit Urteil vom 27.09.2017 - IX R 36/15 (BFHE 258, 427, BStBl. II 2019, 208) hat der BFH seine langjährige Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) geändert. Obwohl der Grund für die Änderung der Rechtsprechung schon seit 2008 bestand (Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen --MoMiG--), hat der BFH in jener Entscheidung angekündigt, die bisherigen Grundsätze in allen Fällen weiter anzuwenden, in denen der Sachverhalt am 27.09.2017 bereits verwirklicht war. Im Streitfall ist das Finanzgericht (FG) dieser Rechtsprechung entgegen getreten.

Der BFH hat die Sichtweise der Vorinstanz zurückgewiesen. Nach dem Urteil des BFH hat der Gesetzgeber des MoMiG die Folgen der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts für das Steuerrecht weder bedacht noch geregelt. Demzufolge ergeben sich aus dem MoMiG auch keine verbindlichen gesetzlichen Vorgaben für die Anwendung von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG. Ändert der BFH bei im Üb-rigen unverändertem Wortlaut der anzuwendenden Norm seine langjährige Rechtsprechung verschärfend, kann er typisierenden Vertrauensschutz gewähren.

Im Streitfall war der Kläger Alleingesellschafter und –geschäftsführer einer GmbH. In einem Darlehensrahmenvertrag war seit 1999 vereinbart, dass Auslagen und sonstige Einlagen des Klägers bei der GmbH auf einem Darlehenskonto erfasst werden sollten. Das Darlehen sollte in der Krise der Gesellschaft stehen bleiben. Seit 2009 liquidierte der Kläger die GmbH. Die letzte Bilanz weist nur noch das gezeichnete Kapital und die verbliebene Verbindlichkeit gegenüber dem Kläger aus. Das FA1 bestritt den Bestand der Forderung und machte, soweit Unterlagen noch zur Verfügung standen, Mängel der Buchführung geltend. Das FG hat die Klage abgewiesen und u.a. ausgeführt, der Kläger müsse den Endbestand des Darlehens über den gesamten Zeitraum seiner Entstehung lückenlos nachweisen. Das sei ihm nicht gelungen.

Demgegenüber konnte das FG nach dem Urteil des BFH im Streitfall nicht nach der Feststellungs-last (zu Lasten des Klägers) entscheiden. Denn der Bestand der (ausgefallenen) Gesellschafterfor-derung ergab sich indiziell dem Grunde und der Höhe nach aus dem festgestellten Jahresabschluss der GmbH. Mit der förmlichen Feststellung des Jahresabschlusses bestätigten die Gesellschafter zugleich die darin abgebildeten Rechtsverhältnisse untereinander und im Verhältnis zur Gesellschaft. Steuerrechtlich ergab sich daraus zumindest ein Indiz für das Bestehen der Gesellschafterforderung. Im Streitfall reichte dem BFH dieses Indiz, um das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Welche Anforderungen an die Darlegung und den Nachweis einer Gesellschafterforderung zu stellen sind, wenn der Jahresabschluss der GmbH nicht förmlich festgestellt ist (z.B. weil sich die Gesellschafter nicht einigen können), war im Streitfall nicht zu entscheiden.


BFH hält Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig

Der Bundesfinanzhof (BFH II R 9/11) sieht § 19 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig an und legt dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor.

Die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften oder Anteilen daran stelle eine nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigte und damit „verfassungswidrige Überprivilegierung“ dar, so die obersten Steuerrichter. Es könne nicht unterstellt werden, dass die Erbschaftsteuer typischerweise die Betriebsfortführung gefährde; es gehe weit über das verfassungsrechtlich Gebotene und Zulässige hinaus, Betriebsvermögen ohne Rücksicht auf den Wert des Erwerbs und die Leistungsfähigkeit des Erwerbers freizustellen, und zwar auch dann, wenn die für eine Erbschaftsteuerzahlung erforderlichen liquiden Mittel vorhanden seien oder - gegebenenfalls im Rahmen einer Stundung der Steuer - ohne weiteres beschafft werden könnten. Die zusätzlich zu den Freibeträgen des § 16 ErbStG anwendbaren Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG zusammen mit zahlreichen anderen Verschonungen führten dazu, dass die Steuerbefreiung die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme sei.

Laut BFH führten die Verfassungsverstöße teils für sich allein, teils in ihrer Kumulation zu einer durchgehenden, das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung, durch die diejenigen Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen könnten, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt würden.

Die Gleichstellung von Geschwistern, Nichten und Neffen mit familienfremden Dritten bei der Erbschaftsteuer erklärte der Bundesfinanzhof dagegen für rechtens. Der im Grundgesetz verankerte Schutz von Ehe und Familie beziehe sich nur auf die Gemeinschaft von Eltern und Kindern.


Deutschland und Schweiz ergänzen Steuerabkommen

Am 5. April 2012 haben beide Länder ein Ergänzungsprotokoll zum geplanten Steuerabkommen vom 21. September 2011 unterzeichnet. Mit dem geänderten Abkommen soll ein wichtiger Beitrag zur Steuergerechtigkeit geleistet werden. Das Abkommen berücksichtigt einerseits den in der Schweiz geltenden Schutz der Privatsphäre von Bankkunden und gewährleistet anderseits die Durchsetzung berechtigter Steueransprüche Deutschlands.

Folgende Punkte werden ergänzt:

  • Nach dem Inkrafttreten des Abkommens werden anfallende Erbschaften erfasst. Im Erbschaftsfall müssen die Erben entweder der Erhebung einer 50 % Steuer oder der Offenlegung zustimmen.

  • Bei der pauschalen Besteuerung für die Vergangenheit wurde die Bandbreite der Steuerbelastung erhöht. Statt wie bisher vorgesehen zwischen 19 und 34 Prozent liegt der Steuersatz mindestens bei 21 und höchstens bei 41 Prozent.

  • Zudem wurde die Anzahl möglicher Auskunftsersuchen nach Inkrafttreten des Abkommens von maximal 999 auf maximal 1300 Gesuche innerhalb von zwei Jahren erhöht. Diese Möglichkeit erweitert und ergänzt den Auskunftsaustausch nach dem OECD-Mindeststandard.

  • Bereits mit Inkrafttreten des Abkommens zum 1. Januar 2013 ist keine Verlagerung von Vermögen deutscher Steuerbürger aus der Schweiz in Drittstaaten ohne Meldung möglich. Der relevante Stichtag wurde vom 31. Mai 2013 auf den 1. Januar 2013 vorgezogen.

  • Es wurde klargestellt, dass Zinszahlungen, die von dem Zinsbesteuerungsabkommen zwischen der Europäischen Union erfasst sind oder in Zukunft erfasst werden, vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen sind. Damit konnten die Bedenken der EU-Kommission bezüglich der Vereinbarkeit mit EU-Recht wie schon beim Steuerabkommen der Schweiz mit Großbritannien ausgeräumt werden.

  • Die Regelungen zur Verteilung des Aufkommens in Deutschland werden aus dem Steuerabkommen herausgenommen. Im Rahmen eines deutschen Gesetzgebungsverfahrens kann daher hinsichtlich der pauschalen Nachbesteuerung ein höherer Anteil der Länder und Kommunen ausgereicht werden, als sich aus dem Verteilungsschlüssel bei Kapitalertragsteuern ergeben würde.

  • Einzelne Gestaltungsmodelle, die unter die Missbrauchsbestimmung fallen, werden nunmehr beschrieben. Zudem wurde die Überwachung des Abkommensvollzugs durch die zuständige Schweizer Behörde und durch ein unabhängiges Revisionsunternehmen sowie die Aufnahme von Ländervertretern in den so genannten gemeinsamen Ausschuss ausdrücklich niedergelegt.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums vom 5. April 2012


Neue Erbschaftsteuer-Richtlinien

Nachdem der Bundesrat am 16. Dezember 2011 den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 (ErbStR 2011) und den Richtlinien für das Bewertungsgesetz (BewG) zugestimmt hat, hat das Bundesministerium für Finanzen diese nun veröffentlicht (BStBl 2011 I Sondernummer 1/2011 S. 2). Mit Inkrafttreten der neuen Richtlinien werden die bis dato gültigen Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003 vom 17. März 2003 aufgehoben. Die Neuregelungen waren notwendig geworden, da nach Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht sich grundlegend geändert hatte. Auch andere Gesetzte wie das Wachstumsbeschleunigungsgesetz Ende 2009, das Jahressteuergesetz 2010 (JStG), das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts und das Steuervereinfachungsgesetz 2011 hatte Neuregelungen zu unentgeltlichen Zuwendungen unter Lebenden und von Todes wegen gebracht. Die Erbschaftsteuer-Richtlinien sind Weisungen für die Finanzämter und sollen zu einer einheitlichen Anwendung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) und des Bewertungsgesetzes (BewG) führen. Die Finanzgerichte sind an die „Richtschnur“ für die Verwaltung nicht gebunden.

Die ErbStR 2011 gelten für alle Erwerbsfälle, für die die Steuer nach dem 2. November 2011 entstanden ist. Darüber gelten sie auch für alte Erwerbsfälle, wenn die ErbStR 2003 aufgrund der seither erfolgten gesetzlichen Änderungen keine Regelung vorsah.

Erfreulich ist, dass die Richtlinien 2011 neu gegliedert wurden. Jetzt sind die Abschnittsnummerierungen mit dem entsprechenden Paragrafen im ErbStG und BewG gleichlautend (z.B. R E 4 verweist § 4 ErbStG und R B 3 verweist auf § 3 BewG). Hilfreich sind nun auch die in den Richtlinien enthaltenen Erläuterungen zu den jeweiligen gesetzlichen Regelungen.

Die Richtlinien berücksichtigen unter anderem die Anwendung der Steuerbefreiung für die Unternehmensnachfolge (z.B. Lohnsummenermittlung, Optionsverschonung, begünstigtes Vermögen), die Bewertung von Immobilien nach dem Sach-, Ertrags- und Vergleichswertverfahren, die Steuerbefreiung beim eigengenutzten Familienwohnheim, die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehegatten und Neuregelungen bei Zugewinngemeinschaften. Noch nicht enthalten sind aktuelle Änderungen im ErbStG und BewG wie zum Beispiel Schenkungen nach dem EU-Beitreibungsgesetz.


Erbschaftsteuer erneut verfassungswidrig?

Der Bundesfinanzhof (BFH) teilte in einer Pressemeldung vom 16. November 2011 mit, dass er mit Beschluss vom 5. Oktober 2011 (II R 9/11) die Verfassungsmäßigkeit, der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuer prüft und er das Bundesfinanzminsterium aufgefordert hat, dem Verfahren beizutreten. Die Überprüfung durch das oberste Finanzgericht kam nicht unerwartet. Bereits vor dem Inkrafttreten des neu gefassten Erbschaftsteuerrechts kamen erste Bedenken von Erbschaftsteuerexperten auf.

Dem jetzigen Verfahren liegt die Besteuerung eines Erbfalls aus dem Jahre 2009 zugrunde. Der Freibetrag des Klägers, der zu einem Viertel Miterbe seines verstorbenen Onkels wurde, beträgt 20.000 €, der Steuersatz 30 %. Der BFH hat nun zu prüfen, ob die Gleichstellung von Personen der (Erbschaft-) Steuerklasse II, zu denen Geschwister, Neffen und Nichten angehören mit denen der Steuerklasse III (fremde Dritte) verfassungskonform ist. Auch muss der BFH klären, ob deshalb gegen den Gleichheitssatz verstoßen wird, weil durch die Wahl bestimmter Gestaltungen (gewerbliche geprägte Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft) die Steuerfreiheit des Vermögenserwerbs ermöglicht werden kann.


Erhöhung der Grunderwerbsteuer

Der Landtag von Baden-Württemberg wird am 26. Oktober 2011 die Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 3,5 auf 5 Prozent beschließen. Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Laut Mitteilung des Staatsministeriums soll die Verkündung am 4. November 2011 erfolgen, so dass ab dem 5. November 2011 die höhere Steuer gelten würde. Der Zeitpunkt für den Besitz- und Nutzungsübergang soll keine Rolle spielen. Maßgeblich sei lediglich auf den Tag der notariellen Beurkundung.


Steuervereinfachungsgesetz 2011

Am 23. September 2011 haben Bundestag und Bundesrat dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 und damit 35 Steuervereinfachungen zugestimmt. Mit Ausnahme von zwei Regelungen werden alle weiteren erst 2012 in Kraft treten. Die wichtigsten Änderungen sind:

  • Der Arbeitnehmerpauschbetrag steigt bereits für 2011 von 920 € auf 1.000 €. Dies bedeutet, dass zirka 550.000 steuerpflichtige Arbeitsnehmer sich künftig das Belegesammeln sparen können.

  • Mit der Steuererklärung für 2012 können Eltern Kinderbetreuungskosteneinfacher absetzen. Ob Betreuungskosten aus beruflichen oder privaten Gründen anfallen, spielt künftig keine Rolle mehr.

  • Die Einkommensüberprüfung bei volljährigen Kindern unter 25 Jahren für Kindergeld und Kinderfreibeträge entfällt. Die Eltern bekommen weiter das volle Kindergeld, wenn ihr Kind während seiner ersten Berufsausbildung oder seines Erststudiums hinzuverdient.

  • Einfachere Vergleichsberechnung bei der Entfernungspauschale: Wer für den Arbeitsweg abwechselnd öffentliche Busse oder Bahnen und das Auto benutzt, muss die Kosten dann nicht mehr für jeden Tag einzeln belegen. Das Finanzamt vergleicht künftig nur noch die Jahreskosten.

  • Unternehmen können durch die geplante erleichterte elektronische Rechnungsstellung pro Jahr rund vier Milliarden Euro Bürokratiekosten sparen.

  • Bundeseinheitliche Standards für eine zeitnahe Betriebsprüfung wurden festgelegt. Lange Zeiträume zwischen der Steuerentstehung und einer Betriebsprüfung sollen künftig vermieden werden.

Nicht durchgesetzt hat sich hingegen die Möglichkeit der zweijährigen Steuererklärung.


Ausländische Erbschaftsteuer auf deutsche Erbschaftsteuer anrechenbar

Das Finanzgericht Köln entschied mit Urteil vom 29. Juni 2011 (9 K 2690/09), dass § 21 Abs. 1 S. 4 ErbStG auch auf die Fälle anwendbar ist, in denen zuerst die deutsche Erbschaftsteuer und anschließend die vergleichbare ausländische Erbschaftsteuer entstanden ist. Art 3 Abs. 1 GG gebiete es, dass Sachverhalte, in denen die deutsche Erbschaftsteuer vor der ausländischen Erbschaftsteuer entsteht mit denjenigen, bei denen die deutsche Erbschaftsteuer nach der ausländischen Erbschaftsteuer entsteht, gleichbehandelt werden müssen. Die im Ausland auf den Erwerb des Auslandsvermögens gezahlte Steuer kann auf die deutsche Erbschaftsteuer nur in dem Umfang angerechnet werden, in dem der Erwerb auch im Inland besteuert worden ist.


Zivilprozesskosten sind als außergewöhnliche Belastungen abziehbar

Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses unabhängig von dessen Gegenstand bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.

Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes können bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Außergewöhnliche Belastungen sind dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehende größere Aufwendungen, die über die der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehenden Kosten hinausgehen. Kosten eines Zivilprozesses hatte die Rechtsprechung bisher nur ausnahmsweise bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung anerkannt.

Mit dem Urteil vom 12. Mai 2011 hat der BFH diese enge Gesetzesauslegung aufgegeben und entschieden, dass Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen allerdings nur, wenn die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg sei.

Im entschiedenen Fall war die Klägerin Anfang des Jahres 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem ihr Arbeitgeber (nach sechs Wochen) seine Gehaltszahlungen einstellte, nahm die Klägerin ihre Krankentagegeldversicherung in Anspruch. Nach rund einem halben Jahr wurde bei der Klägerin zusätzlich zur Arbeitsunfähigkeit auch Berufsunfähigkeit diagnostiziert. Aufgrund dieses Befundes stellte die Krankenversicherung die Zahlung des Krankentagegelds ein, weil nach Eintritt der Berufsunfähigkeit keine Verpflichtung zur Zahlung von Krankentagegeld mehr bestehe. Daraufhin erhob die Klägerin erfolglos Klage auf Fortzahlung des Krankengeldes. Die Kosten des verlorenen Zivilprozesses in Höhe von rund 10.000 € machte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Das Finanzamt berücksichtigte diese Kosten jedoch nicht und wurde darin zunächst vom Finanzgericht (FG) bestätigt, denn die Klägerin lebe in intakter Ehe und könne auf ein Familieneinkommen von ca. 65.000 € "zurückgreifen".

Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und das Verfahren an das FG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang sei zu prüfen, ob die Führung des Prozesses gegen die Krankenversicherung aus damaliger Sicht hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe.

Pressemitteilung Nr. 52 des Bundesfinanzhofs vom 13. Juli 2011 Pressestelle Tel. (089) 9231-233, Pressereferent Tel. (089) 9231-300


Keine Erbschaftsteuerpflicht für Abfindung an weichenden Erbprätendenten

In seinem am 15. Juni 2011 veröffentlichten Urteil vom 4. Mai 2011 (II R 34/09) änderte der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung zur Erbschaftsteuerpflicht bezüglich der Abfindung an einen weichenden Erbprätendenten. Hatte der Erblasser mehrere Testamente errichtet, in denen er jeweils verschiedene Personen als Alleinerben eingesetzt hat, und war die Wirksamkeit der Testamente zwischen den potentiellen Erben streitig, ist eine aufgrund eines Prozessvergleichs gezahlte Abfindung an den weichenden Erbprätendenten kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 3 ErbStG.

Die Erblasserin setzte in ihren Testamenten aus dem Jahr 1986 und 1997 ihren Neffen zum Alleinerben ein und verfügte Vermächtnisse zugunsten weiterer Personen. In einem weiteren Testament aus dem Jahr 2002 vermachte sie ihr Sparguthaben an eine Freundin beziehungsweise deren Tochter. Die Freundin war zum Zeitpunkt des Ablebens der Erblasserin bereits vorverstorben. Nach dem Tod der Erblasserin kam es wegen der Erbfolge zum Rechtsstreit zwischen dem Neffen und der Tochter der Freundin. In einem Vergleich nahm der Neffe von seinen potentiellen Erbansprüchen Abstand, da sich die Tochter der Freundin zur Zahlung von 45.000 € verpflichtete.

Das Finanzamt sah in der Abfindungszahlung einen erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb und setzte gegen den Neffen eine Erbschaftsteuer von 7.155 € fest. Dessen Einspruch und die anschließende Klage vor dem Finanzgericht blieben ohne Erfolg. Obwohl die Abfindungszahlung an einen weichenden potentiellen Erben im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist, sah das Finanzgericht die Abfindung des Neffen als Erbanfall im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an und berief sich auf die ständige Rechtsprechung des BFH.

Der BFH hat entgegen seiner früheren Rechtsprechung jetzt entschieden, dass die Abfindung des Neffen nicht der Erbschaftsteuer unterliege. In § 3 ErbStG seien alle Vorgänge, die als Erwerb von Todes wegen in Betracht kommen, abschließend aufgezählt (z.B. Erbanfall, Vermächtnis, Pflichtteilsanspruch). Alle anderen Erwerbsvorgänge unterlägen nicht der Erbschaftsteuer, auch wenn sie im Zusammenhang mit einem Erbfall entstanden seien. Eine analoge Anwendung scheide mangels Lücke aus.

Falls erbschaftsteuerliche Freibeträge überschritten werden, ist künftig nur derjenige zur Zahlung der Erbschaftsteuer verpflichtet, dem die Erbschaft nach einem Vergleich zufällt. Miterben, die nach dem jetzigen Urteil nur deshalb einen Vergleich schließen wollen, um die Erbschaftsteuer zu umgehen oder zu reduzieren, werden es schwer haben. Das Erbrecht kann weiterhin nicht mit dinglicher Wirkung durch einen Vergleich begründet beziehungsweise abgelehnt werden. Erbvergleiche, die in der Praxis gemeinhin zur Beendigung eines Rechtsstreits über Erbquoten, die Höhe ausgleichungspflichtiger Vorempfänge oder zur Erbauseinandersetzung geschlossen werden, fallen nicht unter das Urteil.


Steuervorteile für Familien

Die Bundesregierung hat am 2. Februar 2011 den Entwurf zum Steuervereinfachungsgesetz beschlossen. Künftig können alle Eltern Kinderbetreuungskosten steuerlich absetzen. Bislang waren Betreuungskosten für die Kinder nur dann als Werbungskosten absetzbar, wenn beide Eltern arbeiteten. Alle anderen Eltern mussten besondere persönliche Umstände nachweisen, um die Betreuungskosten absetzen zu können. Bald werden alle Eltern zwei Drittel der Betreuungskosten pro Kind und höchstens 4.000 € als Sonderausgaben von der Steuer absetzen können. Zugleich werden Betreuungskosten vom Einkommen abgezogen, wenn es um die Berechnung des Anspruchs etwa auf BAföG oder Wohngeld geht.

Auch wird die Beantragung des Kindergelds vereinfacht. Ab dem 1. Januar 2012 müssen Eltern und volljährige Kinder erst nach Abschluss der ersten Berufsausbildung nachweisen, dass das Kind neben der Ausbildung nicht mehr als 20 Stunden pro Woche gearbeitet hat. Bislang müssen Eltern und volljährige Kinder nachweisen, dass das Einkommen des Kindes weniger als 8.004 € pro Jahr beträgt.


Verfassungsgericht nimmt Beschwerden gegen neues Erbschaftsteuerrecht nicht an

Die Verfassungsbeschwerden dreier Erblasser richten sich gegen die unterschiedlichen Steuersätze, Freibeträge und Steuerbefreiungen nach dem zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Die Beschwerdeführer sehen sich in ihrer Testierfreiheit eingeschränkt. Sie sind Eigentümer erheblichen, vererbbaren Vermögens, darunter Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie ein mittelständisches Unternehmen, das nach ihrem Vorbringen nicht unter die Steuerbefreiung beziehungsweise die steuerlichen Vergünstigungen nach dem ErbStG fällt. Sie wenden ein, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Steuerbefreiung von Familienheimen sowohl gegenüber sonstigem Vermögen als auch im Hinblick auf die Wohnflächenbegrenzung gleichheitswidrig sei. Außerdem sei es diskriminierend, dass das Familienheim für Ehegatten und gleichgeschlechtliche Lebenspartner, nicht hingegen für verwandtschaftliche Einstandsgemeinschaften steuerfrei gestellt werde. Die Erbschaftsteuer stelle daher einen Anreiz dar, Betriebe oder Immobilien vor dem Erbfall zu veräußern und das Vermögen ins erbschaftsteuerfreie Ausland zu verlagern.

Am 3. Dezember 2010 wurde bekannt, dass die Karlsruher Richter mit Beschlüssen vom 30. Oktober 2010 (1 BvR 3196/09, 1 BvR 3197/09, 1 BvR 3198/09), die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen hat. Die Verfassungsbeschwerden seien unzulässig, da sie die erforderliche Selbstbetroffenheit der Beschwerdeführer durch das seit 2009 geltende Erbschaftsteuergesetz nicht hinreichend erkennen lassen würde. Richten sich Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen eine gesetzliche Vorschrift oder einen sonstigen Hoheitsakt, so muss der Beschwerdeführer darlegen, durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein. Steuerpflichtig ist allein der Erbe, nicht der Erblasser, so dass es bereits an der Selbstbetroffenheit fehlt. Die von den Beschwerdeführern angegriffenen Regelungen des Erbschaftsteuerrechts lassen die Testierfreiheit des Erblassers unberührt. Es ist allen potentiellen Erblassern weiterhin unbenommen, als Erben einzusetzen, wen sie wollen, und frei über die Zuwendung ihrer Vermögensgegenstände zu entscheiden. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GG umfasst, soweit er den Erblasser betrifft, lediglich dessen Recht zu vererben, das heißt die Testierfreiheit als Verfügungsbefugnis über den Tod hinaus, die auch durch eine ausschließlich an den Erben adressierte Erbschaftsteuer nicht ausgehöhlt werden darf.

Rechtlich musste sich das Verfassungsgericht nicht im Detail mit dem neuen ErbStG auseinandersetzen. Es bleibt daher abzuwarten, wie es bei Klagen von Erben entscheiden wird.


Arbeitszimmer steuerlich absetzbar

Das Bundesverfassungsgericht kippte mit Beschluss vom 6. Juli 2010 (2 BvL 13/09) die seit 2007 geltende Verschärfung der steuerlichen Absetzbarkeit für häusliche Arbeitszimmer. Nach Ansicht der Karlsruher Richter verstoße das geltende Steuerrecht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes und sei damit verfassungswidrig. Die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer müssten umfangreicher steuerlich absetzbar sein als bisher. In den letzten drei Jahren konnten die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer und die Kosten der Ausstattung nur dann steuerlich abgesetzt werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete. Dem widersprachen die Richter. Aufwendungen für häusliche Arbeitszimmer müssten auch dann von der Steuer abgesetzt werden können, wenn der Steuerpflichtige dort nur einen Teil seiner Arbeit verrichtet. Voraussetzung dafür sei, dass kein Arbeitsplatz vom Arbeitgeber zur Verfügung stehe. Im zu entscheidenden Fall erkannte das Finanzamt die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer eines Lehrers nicht als Werbungskosten an. An der Schule des Lehrers stand kein Arbeitsplatz zur Verfügung, an dem er seinen Unterricht vor- und nachbereiten sowie Korrekturen vornehmen konnte. Die Verfassungsrichter verpflichteten den Gesetzgeber rückwirkend zum 1. Januar 2007 eine Neuregelung zu schaffen.


DBA mit Frankreich bzgl. Erbschaftsteuer

Am 2. April 2009 wurde das Abkommen vom 12. Oktober 2006 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe, Erbschaften und Schenkungen (kurz DBA ErbSt Frankreich) durch Austausch der Ratifikationsurkunden ratifiziert. Das Abkommen tritt am 3. April 2009 in Kraft und findet folglich Anwendung auf Nachlässe von Personen, die am oder nach dem Tag des Inkrafttretens des Abkommens sterben und auf Schenkungen, die am oder nach dem Tag des Inkrafttretens des Abkommens ausgeführt werden. Die deutsche Fassung des DBA ErbSt Frankreich können Sie sich hier downloaden.


Einspruchsfrist gegen Einspruchsentscheidung

Nach einem Urteil des Finanzgerichts Köln vom 11. März 2009 (5 K 1396/05) gilt die ansonsten übliche Frist von einem Monat und drei Tagen für die Einreichung einer Klage dann nicht, wenn der Einspruchsbescheid per Fax versandt wurde.

Gemäß 47 Abs. 1 S. 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Das Finanzamt hatte im vorliegenden Fall die Einspruchsentscheidungen dem Kläger mittels Telefax übermittelt, da § 366 AO für die Bekanntgabe von Einspruchsentscheidungen keine förmliche Zustellung vorschreibt. Die durch Telefax übermittelte Einspruchsentscheidung muss vom empfangenden Telefaxgerät auch ausgedruckt sein. Denn erst mit dem Ausdruck ist sie zugegangen, d.h. schriftlich verkörpert derart in den Machtbereich des Bekanntgabeadressaten gelangt, dass diesem die Kenntnisnahme möglich ist. Ausweislich der Empfangsberichte auf den Kopien der mit der Klagebegründung übersandten Einspruchsentscheidungen sind diese dem Bevollmächtigten des Klägers allesamt übermittelt worden. Der Kläger konnte sich vorliegend nicht auf die Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO berufen. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Telefax sei keine Übermittlung durch die Post oder damit vergleichbar, so das Gericht. Die zusätzlichen drei Tage dürfen daher nicht einbezogen werden. Es bleibe somit für die Einreichung der Klage nur ein Monat. Wegen Versäumung der Klagefrist kam auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.


Erbschaftsteuerrecht verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat die lange erwartete Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts veröffentlicht:

In dem Beschluss wird festgestellt, dass die Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, da sie an Werte anknüpft, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genügt. Der Gesetzgeber wird daher verpflichtet, spätestens bis zum 31.12.2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis dahin ist das bisherige Recht weiter anwendbar (BVerfG vom 7.11.2006, Az. 1 BvL 10/02).

Bei der Neuregelung solle sich der Gesetzgeber auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert als maßgeblichem Bewertungsziel orientieren. Er dürfe jedoch bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe durch Verschonungsregelungen den Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände begünstigen. Die Begünstigungswirkungen müssten ausreichend zielgenau und innerhalb des Begünstigtenkreises möglichst gleichmäßig eintreten. Auch durch Differenzierungen beim Steuersatz könne eine steuerliche Lenkung erfolgen.

In der Wahl der Wertermittlungsmethode sei der Gesetzgeber grundsätzlich frei. Die Bewertungsmethoden müssten aber gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden.

Im geltenden Erbschaftsteuerrecht sahen die Verfassungsrichter folgende Verstöße gegen den Gleichheitssatz:

  1. Betriebsvermögen:

    Die weitgehende Übernahme der Steuerbilanzwerte führe dazu, dass Betriebsvermögen in den meisten Fällen mit einem unter dem gemeinen Wert liegenden Steuerwert angesetzt wird. Diese Begünstigungswirkung trete völlig ungleichmäßig und damit willkürlich ein. Durch den Steuerbilanzwertansatz sei die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage davon abhängig, ob und in welchem Umfang der Erblasser oder Schenker bilanzpolitische Maßnahmen ergriffen hat. Zudem fehle es der Regelung an einer ausreichend zielgerichteten Ausgestaltung. Der Gesetzgeber wollte insbesondere mittelständische Personenunternehmen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer entlasten. Tendenziell werde aber gerade der Erwerb ertragstarker Unternehmen begünstigt, bei denen Entnahmen zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld am ehesten möglich seien. Das Fehlen eines Nachversteuerungsvorbehalts führe zusätzlich dazu, dass auch Erwerber eines Betriebsvermögens begünstigt werden, die das Unternehmen nicht fortführen.

  2. Grundvermögen:

    Bei bebauten Grundstücken werde durch das vereinfachte Ertragswertverfahren mit einem starren Einheitsvervielfältiger von 12,5 eine Bewertung mit dem gemeinen Wert regelmäßig verfehlt: Die Einzelergebnisse differierten in vielen Fällen zwischen weniger als 20% und über 100% des gemeinen Werts. Es sei offensichtlich, dass ein einheitlicher Vervielfältiger für bebaute Grundstücke ohne Berücksichtigung der Grundstücksart und der Lage zu erheblichen Bewertungsunterschieden führe.

    Bei der Bewertung von Erbbaurechten und mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken (§ 148 BewG) werde der Grundbesitzwert des belasteten Grundstücks schematisch starr durch einheitliche Vervielfältigung des jährlichen Erbbauzinses mit dem Faktor 18,6 bestimmt, ohne dass die Restlaufzeit des Erbbaurechts oder das Fehlen einer Heimfallentschädigung berücksichtigt oder die Höhe des Erbbauzinses hinterfragt würden. Dies führe dazu, dass in einer Vielzahl von Fällen sowohl bei der Bewertung des Grundstücks als auch der des Erbbaurechts teils zugunsten des Erwerbers, teils zu seinen Lasten erheblich vom gemeinen Wert abgewichen wird.

    Auch die Wertermittlung für unbebaute Grundstücke (§ 145 BewG) sei verfassungswidrig. Grund hierfür sei die bis Ende 2006 geltende Festschreibung der Wertverhältnisse auf den 1.1.1996, die die Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt nicht ausreichend berücksichtigt.

  3. Anteile an Kapitalgesellschaften:

    Bei den zu schätzenden, nicht börsennotierten Anteilen führe der vom Gesetzgeber angeordnete Steuerbilanzwertansatz häufig zu Steuerwerten, die unter dem gemeinen Wert liegen. Dies gelte obwohl nach den gesetzlichen Vorgaben - anders als beim Betriebsvermögen - die Ertragsaussichten des Unternehmens zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus wirke sich die Übernahme der Steuerbilanzwerte für die Anteile an Kapitalgesellschaften in ganz unterschiedlicher Weise aus, da die Gesellschaften in höchst unterschiedlichem Maße in der Lage seien, von den Bilanzierungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.

    Außerdem ergebe sich auch eine große Kluft gegenüber den übrigen Anteilen an Kapitalgesellschaften, deren Bewertung anhand des Kurswerts beziehungsweise aus zeitnahen Verkäufen abgeleitet erfolgt und darum im Regelfall zu deutlich höheren Werten führt.

  4. Land- und forstwirtschaftliches Vermögen:

    Für den Betriebsteil ist der Ertragswert als Bewertungsziel vorgegeben. Damit werde bereits strukturell eine Erfassung der im Vermögenszuwachs liegenden Steigerung der Leistungsfähigkeit des Erben oder Beschenkten verfehlt. Die gesteigerte Leistungsfähigkeit spiegele sich nämlich nicht allein in dem aus dem Vermögen erzielbaren Ertrag, sondern auch in dem bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis wieder.

    Die Bewertung von Wohnteil und Betriebswohnungen orientiert sich am gemeinen Wert als Wertkategorie. Insoweit gelte das zum Grundvermögen Gesagte entsprechend.


Erbschaftsteuerreform tritt zum Jahreswechsel in Kraft

Nach monatelangem Gezerre hat der Bundestag am 27. November 2008 die Reform der Erbschaftsteuer verabschiedet. Am 5. Dezember 2008 stimmte der Bundesrat der Gesetzesänderung zu. Das Gesetz setzt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts- urteils vom 7. November 2006 um, alle Vermögensarten auf Marktniveau zu erfassen. Die Reform tritt für Vermögensübertragungen ab dem 1. Januar 2009 in Kraft. Ein Wahlrecht zwischen altem und neuem Recht besteht nur für Erbfälle aus den Jahren 2007 und 2008, nicht hingegen für Schenkungen.

Die Höherbewertung des Vermögens soll durch höhere Freibeträge für Ehegatten, Kinder und Enkel ausgeglichen werden. Für Ehegatten wird der Freibetrag von 307.000 € auf 500.000 € steigen, für Kinder von 205.000 € auf 400.000 € und für Enkel von 51.200 € auf 200.000 € (Steuerklasse I). Geschwister, Neffen und Nichten (Steuerklasse II) müssen wie andere Erben (Steuerklasse III) mehr Steuer zahlen, auch wenn der Freibetrag von 5.200 € beziehungsweise 10.300 € auf 20 000 € steigt. Die größte Steigerung der Freibeträge verzeichnen die eingetragenen Lebenspartner; sie können statt 5.200 € nun 500.000 € steuerfrei erben. Wie bisher bleiben Hausrat im Wert von 40.000 € und Gegenstände im Wert von 12.000 € steuerfrei. Der zusätzliche Versorgungsfreibetrag für Ehegatten von 256.000 € bleibt ebenfalls bestehen.

Der Steuertarif in der Steuerklasse I bleibt unverändert und beträgt je nach Vermögenshöhe weiter zwischen 7 und 30 %. In der Steuerklasse II und III steigt der Steuertarif bei einem Vermögenserwerb bis 6 Millionen € auf 30 %, darüber auf 50 %.

Die Vererbung einer selbst genutzten Wohnimmobilie an einen Ehegatten beziehungsweise eingetragenen Lebenspartner bleibt steuerfrei, sofern sie nach dem Erwerb zehn Jahre lang vom Erwerber selbst zu Wohnzwecken genutzt wird. Wird sie an die Kinder oder an Enkel vererbt, fällt nur dann keine Erbschaftsteuer an, wenn ein Elternteil bereits verstorben ist und die Fläche unter 200 qm beträgt und die Wohnimmobilie ebenfalls zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken genutzt wird. Der anteilige Grundstückswert, der auf die 200 qm übersteigende Wohnfläche entfällt, ist zu versteuern, sofern der persönliche Freibetrag bereits überschritten wurde. Wird die Wohnimmobilie allerdings innerhalb der 10-Jahres-Frist verkauft oder vermietet, so entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend. Es besteht lediglich dann eine Ausnahmemöglichkeit, wenn dafür zwingende Gründe“ vorliegen, zum Beispiel bei Tod oder Pflegebedürftigkeit.

Das Erben von Firmen kann bei bestimmten Voraussetzungen steuerfrei bleiben. Es wird zukünftig für Firmenerben zwei Optionen geben, deren Wahl bindend ist und nachträglich nicht rückgängig gemacht werden kann. Bei Nichteinhalten der Auflagen, gilt die normale Besteuerung.

Regelverschonung: Firmenerben, die den geerbten Betrieb im Kern sieben Jahre fortführen, werden von der Besteuerung von 85 % des übertragenen Betriebsvermögens verschont, wenn die Lohnsumme nach sieben Jahren nicht weniger als 650 % der Lohnsumme zum Erbzeitpunkt beträgt. Daneben darf der Anteil des Verwaltungsvermögens am betrieblichen Gesamtvermögen höchstens 50 % betragen. Bei Kleinstbetrieben wird ein gleitenden Abzugsbetrag von 150.000 € gewährt.

Verschonungsoption: Firmenerben, die den geerbten Betrieb im Kern zehn Jahre fortführen, werden vollständig von der Erbschaftsteuer verschont, wenn die Lohnsumme nach 10 Jahren nicht weniger als 1000 % der Lohnsumme zum Erbzeitpunkt beträgt. Daneben darf der Anteil des Verwaltungsvermögens am betrieblichen Gesamtvermögen höchstens 10 % betragen.

Ausnahmen wird es für die Landwirtschaft geben.


Gleiche Erbschaftsteuer für Homosexuelle

Das Bundesverfassungsgericht gab am 17. August 2010 bekannt, dass die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) verfassungswidrig ist. Dies geht aus einem Grundsatzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 (1 BvR 611/07 u. 1 BvR 2464/07) hervor. Homosexuelle Lebenspartner dürfen bei der Erbschaftsteuer gegenüber Ehepartnern nicht benachteiligt werden. Es sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Artikel 3 Grundgesetz unvereinbar, homosexuelle Lebenspartner beim persönlichen Freibetrag und beim Steuersatz schlechter zu stellen, heißt es in der Begründung.Homosexuelle Lebenspartner lebten „wie Ehegatten in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft". Auch ihnen komme bereits zu Lebzeiten das Vermögen ihres eingetragenen Lebenspartners zugute und sie erwarteten, den gemeinsamen Lebensstandard im Falle des Todes des Lebenspartners halten zu können, so die Richter.

Das höchste deutsche Gericht gab damit den Verfassungsbeschwerden eines Mannes und einer Frau statt, deren jeweilige Lebenspartner im Jahr 2001 und 2002 gestorben waren. Das Finanzamt setzte in beiden Fällen die Erbschaftsteuer nach einem Steuersatz der Klasse III fest und gewährte den geringsten Freibetrag in Höhe von damals 5.200 €. Bei Ehegatten betrug der Freibetrag 307.000 €. Die hiergegen erhobenen Klagen blieben jedoch vor den Finanzgerichten ohne Erfolg.

Nach dem Entwurf der Bundesregierung zum Jahressteuergesetz 2010 ist eine vollständige Gleichstellung von Lebenspartnern und Ehegatten im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht beabsichtigt. Das Verfassungsgericht befand nun, dass dies auch für die Steuersätze gelten muss und forderte die Regierung auf, bis zum 31. Dezember 2010 eine verfassungskonforme Neuregelung zu finden, die rückwirkend bis 2001 gilt.

Mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz zum 1. Januar 2009 wurden zwar die Vorschriften zugunsten gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften geändert. Der persönliche Freibetrag sowie der Versorgungsfreibetrag für Lebenspartner und Ehegatten wurden zwar gleich bemessen, allerdings wurden bislang eingetragene Lebenspartner weiterhin wie Fremde mit den höchsten Steuersätzen besteuert.


Gleichstellung Lebenspartner und Steuerrecht

Die Bundesregierung hat am 19. Mai 2010 im Jahressteuergesetz beschlossen, dass künftig Lebenspartner im Bereich der Erbschaft-, Schenkung- und Grunderwerbsteuer wie Ehegatten behandelt werden. Lebenspartner, die in einer Partnerschaft leben und sich gegenseitig unterhaltspflichtig sind und ihren Partner gegebenenfalls bis zum Tode pflegen, werden nicht nun nicht mehr wie Fremde behandelt. Parteiübergreifend wurde bereits im Vorfeld Zustimmung zu diesem Entwurf signalisiert.


Keine Schenkungssteuer bei Übertragung des Eigentums an einem nur teilweise als Familienwohnung genutzten Haus

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 26. Februar 2009 (II R 69/06) entschieden, dass die Schenkung eines zum Teil von der Familie selbst bewohnten Hauses in Bezug auf diesen Teil schenkungsteuerfrei ist, wenn ein Ehegatte dem anderen Ehegatten seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück schenkt. Damit folgte der Bundesfinanzhof nicht der Auffassung der Finanzverwaltung, die auf R 43 Abs. 1 Satz 5 ff. der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003 bezugnehmend bei nicht ausschließlicher Nutzung eines Hauses zu eigenen Wohnzwecken die Steuerbefreiung insgesamt versagte. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG a.F. bleiben Zuwendungen unter Lebenden steuerfrei, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum oder Miteigentum an einem im Inland belegenen, zu eigenen Wohnzwecken genutzten Haus oder einer im Inland belegenen, zu eigenen Wohnzwecken genutzten Familienwohnheim verschafft. In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte ein Ehegatte seinen Anteil an einem im Miteigentum der Ehegatten stehenden Dreifamilienhaus auf den anderen Ehegatten übertragen. Lediglich zwei Wohnungen wurden aber von den Ehegatten und ihren Kindern zu eigenen Wohnzwecken und in untergeordnetem Umfang von einem Ehegatten als Büro genutzt. Die dritte Wohnung bewohnte die Mutter eines Ehegatten aufgrund eines dinglichen Rechts. Das Büro war an den Arbeitgeber des Ehegatten vermietet. Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Steuerbefreiung anteilig für die von der Familie genutzten Wohnungen einschließlich des Arbeitszimmers beansprucht werden kann. Die Vermietung des Büros an den Arbeitgeber des Ehegatten wurde als unerheblich angesehen, da dieses innerhalb des Wohnbereichs der Ehegatten belegen war und auch von einem der Ehegatten genutzt wurde. Für die dritte Wohnung scheide die Steuerbefreiung hingegen aus, weil der darin wohnende Elternteil keinen gemeinsamen Hausstand mit den Ehegatten führe. Für die Zukunft hat dieses Urteil nur noch eine eingeschränkte Bedeutung. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz zum 1. Januar 2009 neu gefasst. Diese neue Regelung entspricht der vom Bundesfinanzhof in diesem Urteil bereits zum bisherigen Recht vertretenen Auffassung, nach der die Steuerbefreiung anteilig für die von den Ehegatten zu eigenen Wohnzwecken genutzte(n) Wohnung(en) zu gewähren ist. Bedeutsam bleiben insbesondere die Ausführungen im Urteil zur Einbeziehung häuslicher Arbeitszimmer in die Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken und zur Abgrenzung der eigenen Wohnzwecke der Eheleute von Fremden.


Lebenslängliche Rente gegen Pflichtteilsverzicht nicht mehr einkommensteuerpflichtig

Der Bundesfinanzhof entschied in seinem erst jetzt veröffentlichten Urteil vom 9. Februar 2010 (VIII R 43/06), dass die Rente nicht einkommensteuerpflichtig ist, wenn ein Kind gegenüber seinen Eltern gegen Zahlung einer lebenslänglichen Rente auf seine Pflichtteilsrechte beim Tode der Eltern verzichtet.

Die Tochter war auf Grund einer frühkindlichen Erkrankung versorgungsbedürftig. Sie verzichtete in einem notariellen Vertrag auf ihre Pflichtteilsrechte beim Tode ihrer Eltern. Der Verzicht umfasste nur Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Das gesetzliche Erbrecht sollte unberührt bleiben. Im Gegenzug erhielt die Tochter von ihren Eltern eine Einmalzahlung von 1 Million DM und ab 1994 eine monatliche Geldzahlung auf Lebenszeit in Höhe des Grundgehaltes eines bayrischen Beamten der Besoldungsgruppe A 13. Die Beteiligten vereinbarten, die monatlichen Zahlungen bei Änderungen der Leistungsfähigkeit der Eltern oder der Bedürftigkeit der Tochter gemäß § 323 ZPO anzupassen. Das für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige Finanzamt setzte für die Einmalzahlung und den Kapitalwert der Leibrente zu Recht Schenkungsteuer fest. Bei der Veranlagung der Tochter zur Einkommensteuer beurteilte das Finanzamt im Jahr 1996 die Leibrente allerdings als steuerpflichtige Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG und erfasste die Zahlungen mit dem Ertragsanteil von 65/100.

Der Bundesfinanzhof (BFH) ist der Auffassung des Finanzamts nicht gefolgt und entschied, dass die an die Tochter geleisteten monatlichen Zahlungen weder ganz noch mit einem Zins- oder Ertragsanteil der Einkommensbesteuerung unterliegen. Verzichte ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür im Gegenzug von den Eltern wiederkehrende Zahlungen, so liege darin kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Kindes an die Eltern, befanden die obersten Steuerrichter.

Der BFH entschied bereits in seinem Urteil vom 20. Oktober 1999 (X R 132/95), dass der vor Eintritt des Erbfalls erklärte Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht ein erbrechtlicher Vertrag ist, der der Regulierung der Vermögensnachfolge und ihrer Modalitäten im Todesfall des potentiellen Erblassers dienen soll. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) handelt es sich zivilrechtlich um einen unentgeltlichen Vorgang, wenn ein pflichtteilsberechtigtes Kind für den Verzicht auf seinen künftigen Anspruch von seinen Eltern als den potentiellen Erblassern eine Abfindung erhält. Dieser Ansicht folgte jetzt auch der BFH, der sich damit ausdrücklich von seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 4. Februar 1975 (VIII R 71/70) verabschiedet. Nun sieht auch der BFH in dem vor dem Erbfall erklärten Erb- oder Pflichtteilsverzicht einen unentgeltlichen Vorgang, der gegebenenfalls der Besteuerung nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz unterliegt, nicht aber der Einkommensteuer.

Die Rechtslage ist allerdings anders zu beurteilen, wenn der Erbfall bereits eingetreten ist und ein Pflichtteilsberechtigter vom Erben unter Anrechnung auf seinen Pflichtteil wiederkehrende Leistungen erhält. In einem solchen Fall kann eine Überlassung von Kapital zur Nutzung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vorliegen (BFH, Urteil vom 26. November 1992, X R 187/87).


Nachzahlungszinsen nicht absetzbar - Erstattungszinsen steuerpflichtig

Nach einem am 23. Dezember 2008 veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs (Az. VIII R 2/07) können Nachzahlungszinsen nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden. Erstattungszinsen hingegen müssen weiterhin als Einnahmen aus Kapitalvermögen versteuert werden. Das Gericht ließ keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 12 Nr. 3 EStG.

Dies hat zur Folge, dass ein Steuerzahler, der einen voraussichtlichen Nachzahlungs- betrag vor der Überweisung an das Finanzamt gewinnbringend angelegt hat, die daraus erzielten Zinsen zu versteuern hat; ungeachtet dessen er vielleicht sogar im Gesamten einen Verlust erzieht hat! Auch im umgekehrten Fall bleibt der Steuerzahler auf seinen Kosten sitzen. Zahlt er im Laufe des Jahres zu viel Steuern und muss er deshalb einen Kredit aufnehmen, kann er die Sollzinsen nicht als Werbungskosten absetzen.

Seit Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2009 darf das Finanzamt die tatsächlichen Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften nicht mehr berücksichtigen.


Pflicht zur Zusammenveranlagung auch bei steuerlichen Verlusten möglich

Der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18. November 2009 (XII ZR 173/06) entschieden, dass ein Ehegatte auch dann verpflichtet sein kann, dem Antrag des anderen Ehegatten auf Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer zuzustimmen, wenn er während der Zeit des Zusammenlebens steuerliche Verluste erwirtschaftet hat, die er im Wege des Verlustvortrags in einem späteren Veranlagungszeitraum zur Verminderung seiner eigenen Steuerlast einsetzen könnte. Wenn die Ehegatten die mit Rücksicht auf eine infolge der Verluste zu erwartende geringere Steuerbelastung zur Verfügung stehenden Mittel für ihren Lebensunterhalt oder eine Vermögensbildung, an der beide Ehegatten teilhaben, verwendet haben, ist es dem Ehegatten im Verhältnis zu dem anderen verwehrt, für sich die getrennte steuerliche Veranlagung zu wählen. Der Ehegatte, der die Zustimmung zur Zusammenveranlagung verweigerte, macht sich schadensersatzpflichtig.


Strafbefreiende Selbstanzeige nur bei Rückkehr zur Steuerehrlichkeit

Der Bundesgerichtshof verwarf mit Beschluss vom 20. Mai 2010 (1 StR 577/09) die Revision des Angeklagten gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts München II. Dieses hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und Betruges in mehreren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Angeklagte, ein Geschäftsführer einer US-amerikanischen Gesellschaft, schädigte Anleger um knapp drei Millionen Euro und unterließ es pflichtwidrig, eine inländische Steuererklärung abzugeben. Aufgrund seines dauerhaften Aufenthalts in Deutschland war er hier unbeschränkt steuerpflichtig. Der Angeklagte war der Ansicht, dass er nicht wegen Steuerhinterziehung hätte verurteilt werden dürfen, da er im Rahmen einer Durchsuchung eine Selbstanzeige erstattet und die von ihm hinterzogenen Steuern auch nachbezahlt hätte.

Die Richter waren der Auffassung, dass dem Steuerhinterzieher mit einer strafbefreienden Selbstanzeige aus fiskalischen Gründen die Möglichkeit nachträglich Straffreiheit zu erlangen gegeben wird, wenn dieser durch Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben gegenüber dem Finanzamt dem Fiskus bislang verborgene Steuerquellen offenbart. Hinzukommen müsse insbesondere die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit.

Eine Strafbefreiung scheide dann aus, wenn die Steuerhinterziehung bereits entdeckt sei oder der Steuerhinterzieher nur diejenigen Taten offenbare, deren Aufdeckung er fürchte. Um in den Genuss der Straffreiheit zu gelangen, müsse der Steuerhinterzieher “reinen Tisch” machen. Im Falle einer Durchsuchung wegen des Verdachts einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit kommt eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr in Betracht (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO). Dies gelte auch für solche Taten, die mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehen.


Weniger Erbschaft- und Schenkungsteuer für Geschwister sowie Neffen und Nichten

Die Erbschaftsteuersätze in der Steuerklasse II wurden ab dem 1. Januar 2010 von 30-50% auf 15-43% gesenkt. Dadurch wurde die von vielen als ungerecht empfundene Steuerlast für Geschwister sowie Neffen und Nichten nach der Erbschaftsteuerreform zum 1. Januar 2009 behoben. Auslöser für die Gesetzesänderung waren die geringen Freibeträge und Steuersätze in der Steuerklasse II. Der Freibetrag beträgt hier nur 20.000 €. Geschwister und Geschwisterkinder wurden behandelt wie Nichtverwandte. Bei einem zu versteuernden Vermögen von 75.000 € bis 300.000 € greift künftig ein Steuersatz von 20% statt 30%. Auch Firmenerben erhalten bei der Übernahme von Unternehmen in Zukunft Vergünstigungen. Die Änderungen greifen erst für Schenkungen und Erbfälle ab 2010.


Eine „Standesamts-Scheidung“ aus dem EU-Ausland, die eine Vereinbarung der Ehegatten über die Ehescheidung enthält, ist von einem deutschen Standesamt anzuerkennen.

"Demnach muss jede Entscheidung solcher nicht gerichtlichen Behörden, die in einem Mitgliedstaat mit Ausnahme des Königreichs Dänemark in Ehescheidungssachen zuständig sind, nach Art. 21 der Brüssel‑IIa-Verordnung in den anderen Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Königreichs Dänemark automatisch anerkannt werden."

Europäischer Gerichtshof, Urt. v. 15.11.22, C-646/20


Neue Düsseldorfer Tabelle ab dem 1.1.2020

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die ab dem 1.1.2020 geltende Fassung der Düsseldorfer Tabelle bekannt gegeben

Die Änderungen betreffen im Wesentlichen die Bedarfssätze minderjähriger und volljähriger Kinder, den Bedarf eines Studierenden, der nicht mehr bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, und die sogenannten Selbstbehalte.


Exhumierung zur Feststellung der Vaterschaft

Der u.a. für das Familienrechtrecht zuständige XII. Zivilsenat hat entschieden (XII ZB 20/14 - Beschluss vom 29. Oktober 2014), dass das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen im Falle einer für die Feststellung der Vaterschaft erforderlichen DNA-Untersuchung und einer damit einhergehenden Exhumierung regelmäßig hinter das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zurücktritt.

Die im Jahr 1944 geborene und in der früheren DDR aufgewachsene Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass der 2011 verstorbene S. ihr Vater sei. Die Antragstellerin hat behauptet, dass S. in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit ihrer Mutter gehabt habe. Diese habe ihr an ihrem 18. Geburtstag die Vaterschaft von S. offenbart. Ihre Mutter habe sie in den Nachkriegsjahren zu der Familie S. in Westdeutschland reisen lassen, wo sie engen Kontakt zu ihrer "S.-Oma" gehabt habe. Bei einem späteren Treffen mit S. sei dieser selbstverständlich davon ausgegangen, ihr Vater zu sein.

Das Amtsgericht hat die Anträge der Antragstellerin, die Leiche von S. zu exhumieren, eine Gewebeprobe zu entnehmen und die Vaterschaft festzustellen, zurückgewiesen. Auf ihre Beschwerde hat das Oberlandesgericht die Exhumierung der Leiche zum Zwecke der Erstellung eines DNA-Abstammungsgutachtens angeordnet. Der eheliche Sohn von S. hat die Einwilligung in die Exhumierung und Gewebeprobenentnahme verweigert. Mit einem Zwischenbeschluss hat das Oberlandesgericht diese Weigerung für unberechtigt erklärt. Hiergegen wendet sich der Sohn des Verstorbenen mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde blieb erfolglos. Der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft ist zulässig, weil die Angaben der Antragstellerin ausreichende Anhaltspunkte für eine Vaterschaft des S. enthalten, ihre Behauptung also nicht ins Blaue hinein erfolgt ist. Die Exhumierung ist auch deshalb erforderlich, weil sich der Sohn des S. geweigert hat, eigenes DNA-Material für die Begutachtung zur Verfügung zu stellen.

Dem verfassungsrechtlich geschützten Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist gegenüber der Totenruhe des Verstorbenen grundsätzlich der Vorrang einzuräumen. Sowohl nach der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch nach dem Grundgesetz kommt dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung besondere Bedeutung zu. Sofern im Einzelfall durch die Untersuchung eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen droht und damit das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zurückzutreten hat, kann dem im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung des entsprechend anzuwendenden § 178 Abs. 1 FamFG* hinreichend Rechnung getragen werden. Solche besonderen Gründe, die gegen eine Exhumierung und eine Begutachtung sprechen könnten, lagen im vorliegenden Fall nicht vor.

Das Interesse der Antragstellerin an der Feststellung der Vaterschaft wird nicht dadurch geschmälert, dass sie bereits seit langer Zeit über die mögliche Vaterschaft des S. informiert gewesen war bzw. keine Zweifel mehr an seiner Vaterschaft hatte. Ihr Interesse ist auch deswegen nicht geringer zu bewerten, weil sie damit vor allem die Geltendmachung eines Erbrechts verfolgt. Das Wissen um die eigene Herkunft ist von zentraler Bedeutung für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Individualität. Daran ändert nichts, dass im Einzelfall bei der Klärung der Abstammungsfrage vermögensrechtliche Interessen im Vordergrund stehen können. Zudem stellt die Teilhabe an dem väterlichen Erbe ein legitimes Interesse des leiblichen Kindes dar.Stärkung des Umgangsrechts leiblicher, nicht rechtlicher Väter

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) begrüßt in seiner Stellungnahme vom 20. Juli 2012 grundsätzlich den „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters“. Der Kammer greift der Entwurf aber zu kurz und weist daraufhin, dass ein Recht auf Umgang auch Pflichten beinhaltet. Schließlich sei gemäß § 1684 Abs. 1 BGB jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Dies müsse auch dem leiblichen Vater klar gemacht werden. Zudem sollen leibliche Väter, welche die Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung nicht erhoben haben, von dem neuen Umgangs- und Auskunftsrecht ausgeschlossen werden.


Gemeinsames Sorgerecht für nicht miteinander verheiratete Eltern

Am 4. Juli 2012 hat das Bundeskabinett eine Reform des Sorgerechts für Kinder nicht verheirateter Eltern beschlossen. Weitere Artikel zu diesem Thema finden Sie weiter unten.

Künftig kann der Vater die gemeinsame Sorge auch dann erlangen, wenn die Mutter dem nicht zustimmt. Wie bereits im Referentenentwurf vorgeschlagen, soll zunächst die Kindesmutter das alleinige Sorgerecht haben. Wenn die Mutter das gemeinsame Sorgerecht ablehnt, kann der Vater sich an das Jugendamt wenden, um noch eine Einigung mit der Mutter zu erreichen. Scheitert dies oder besteht von vornherein keine Aussicht auf Erfolg muss er beim Familiengericht einen Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge stellen.


Neues EU-Familienrecht

Ab dem 21. Juni 2012 ändert sich durch das Inkrafttreten der Rom III-Verordnung (Rom III-VO, VO 1259/2010) das Internationale Scheidungsrecht grundlegend. Gemischtnationale Ehepaare können nun einvernehmlich festlegen, nach welchem Recht sich ihre Trennung beziehungsweise Ehescheidung richten soll. Bei fehlender Rechtswahl gilt nunmehr das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts. Es findet damit ein Wechsel vom Staatsangehörigkeits- zum Aufenthaltsprinzip statt. Bei einer Ehescheidung von zwei Ausländern mit gleicher Staatsangehörigkeit, die in Deutschland leben, findet jetzt deutsches Recht Anwendung. Dies gilt jedoch nicht für Folgesachen. Bei einem im Ausland lebenden Deutschen gilt im damit künftig das ausländische Recht seines Aufenthaltsortes, so zum Beispiel bei „Mallorca-Rentner“ das spanische Recht.


Anrechnung des Elterngeldes auf Hartz-IV-Leistungen rechtmäßig

Das Sozialgericht Saarbrücken hat am 9. Mai 2012 entschieden, dass die Anrechnung des Elterngeldes als Einkommen auf Hartz-IV-Leistungen gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II rechtmäßig und verfassungskonform ist.

Das Gericht ist der Auffassung, dass die unterschiedliche Behandlung derjenigen Leistungsbezieher, die vor der Geburt eines Kindes erwerbstätig waren und derjenigen, die nicht erwerbstätig waren, durch Sinn und Zweck des Elterngeldes sachlich gerechtfertigt ist. Schließlich erleide der durch die Aufgabe der Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuung des Kindes erstgenannte Personenkreis Einkommenseinbußen, die durch das Elterngeld ausgeglichen werden sollen. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber einen Ausgleich vorsieht, der sich an dem im vorgeburtlichen Zeitraum erzielten Erwerbseinkommen orientiere. Demgegenüber erleide der zweite Personenkreis keine Einkommenseinbußen, so dass auch kein Ausgleich erfolgen könne.


Unser Rechts-Tipp zur Mitarbeit im Familienbetrieb in der Eßlinger Zeitung vom 12./13. Februar 2011

Im Familienbetrieb - Mitarbeit schriftlich und eindeutig regeln

„Arbeitsverhältnisse unter Ehegatten sind ohne Ausnahme schriftlich und eindeutig zu regeln und anschließend auch durchzuführen“, so Rechtsanwalt Höfer. Gerade in Familienunternehmen arbeiten Ehegatten oft ohne Arbeitsvertrag und Lohn mit. Sie machen die Buchhaltung des Ehegatten, beraten einzelne Kunden oder stehen im Notfall bereit, so Höfer.

Solange sich alle verstehen, denke niemand an Probleme. Was aber geschieht, wenn die Ehe geschieden wird? Ohne Arbeitsvertrag wird es laut Höfer kompliziert: War die Mitarbeit der stillschweigende Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, selbst bei Gütertrennung? Die Berechnung dieser Ausgleichsansprüche aus einer sogenannten Ehegatteninnengesellschaft ist schwierig, mit viel Ärger für alle Beteiligten verbunden und kann zur Insolvenz des Betriebs führen.

Schließlich lassen sich Steuern nur mit einem vorab schriftlich abgeschlossenen und tatsächlich durchgeführten Arbeitsvertrag sparen. Das Finanzamt prüft genau, ob ein echtes Arbeitsverhältnis vorliegt oder nur ein Scheinvertrag, um Steuern zu hinterziehen. Es vergleicht den eigenen Vertrag mit der üblichen Gestaltung und Durchführung „wie unter fremden Dritten“.


Versorgungsausgleich bei privaten Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht

Mit Beschluss vom 18. April 2012 (Az XII ZB 325/11) entschied der Bundesgerichtshof, dass private Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr dem Versorgungsausgleich unterliegen, selbst wenn das Kapitalwahlrecht nach Ende der Ehezeit und vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung ausgeübt wurde. Ein Ausgleich kann somit nur güterrechtlich durchgeführt werden.


Gemeinsame elterliche Sorge nichtverheirateter Eltern

Nach § 1626 a Abs. 1 Nr. 3 BGB-Referenten-Entwurf des Bundesjustizministeriums vom 28. März 2012 soll zukünftig nicht miteinander verheirateten Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zustehen, soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt. Das Familiengericht überträgt auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kind nicht widerspricht.

Der Entwurf des Ministeriums sieht folglich vor, dass das gemeinsame Sorgerecht nicht mit ernannter verheirateter Eltern nicht kraft Gesetzes entsteht, sondern infolge gerichtlicher Übertragung.


Steuervorteile für Familien

Die Bundesregierung hat am 2. Februar 2011 den Entwurf zum Steuervereinfachungsgesetz beschlossen. Künftig können alle Eltern Kinderbetreuungskosten steuerlich absetzen. Bislang waren Betreuungskosten für die Kinder nur dann als Werbungskosten absetzbar, wenn beide Eltern arbeiteten. Alle anderen Eltern mussten besondere persönliche Umstände nachweisen, um die Betreuungskosten absetzen zu können. Bald werden alle Eltern zwei Drittel der Betreuungskosten pro Kind und höchstens 4.000 € als Sonderausgaben von der Steuer absetzen können. Zugleich werden Betreuungskosten vom Einkommen abgezogen, wenn es um die Berechnung des Anspruchs etwa auf BAföG oder Wohngeld geht.

Auch wird die Beantragung des Kindergelds vereinfacht. Ab dem 1. Januar 2012 müssen Eltern und volljährige Kinder erst nach Abschluss der ersten Berufsausbildung nachweisen, dass das Kind neben der Ausbildung nicht mehr als 20 Stunden pro Woche gearbeitet hat. Bislang müssen Eltern und volljährige Kinder nachweisen, dass das Einkommen des Kindes weniger als 8.004 € pro Jahr beträgt.


Gemeinsames Sorgerecht nicht verheirateter Eltern?

Künftig sollen ledige Väter mehr Rechte bekommen. Bisher sah das Gesetz für unverheiratete Väter keine Möglichkeit vor, gegen den Willen der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht durchzusetzen. Wie bereits mehrfach berichtet, haben der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Bundesverfassungsgericht diesen Zustand beanstandet und den Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert. In Zukunft sollen Väter die Mitsorge auch dann erlangen, wenn die Mutter dem nicht zustimmt. Die Bundesregierung hat sich nun auf eine Lösung verständigt (Referentenentwurf), die nicht miteinander verheiratete Eltern zu einer einvernehmlichen gemeinsamen Sorge ermutigen will und die Übertragung der gemeinsamen Sorge auf Antrag in einem beschleunigten Verfahren vorsieht, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Der Familienrechtsausschuss des Deutschen Anwaltverein (DAV) fordert sogar ein gemeinsames Sorgerecht nicht verheirateter Eltern ab rechtlicher Feststellung der Vaterschaft.


Unbefristeter Unterhaltsanspruch bei 30-jähriger Ehe und Ausbildungsabbruch

Wie am 5. April 2012 bekannt wurde, hat das Oberlandesgericht Brandenburg am 21. Februar 2012 entschieden (10 UF 253/11), dass einer geschiedenen Ehefrau ein unbefristeter Unterhaltsanspruch bei einer über 30-jährigen Ehe und einem infolge der Eheschließung und der Kinderbetreuung erfolgten Abbruch ihrer Ausbildung zusteht. Die Richter haben die Rechtsbeschwerde zum BGH nicht zugelassen.

Seit der Reform des Unterhaltsrecht im Jahr 2008 gilt nach einer Ehescheidung der Grundsatz der Eigenverantwortung. Der geringer verdienende Ehegatte hat gegen den früheren Ehegatten nach der Ehescheidung nur dann einen Unterhaltsanspruch, wenn er zum Beispiel ehebedingte Nachteile erlitten hatte und er mit seinen Einkünften den bisherigen Lebensstandard nicht aufrechterhalten kann (sog. Aufstockungsunterhalt).

Im zu entscheidenden Fall brach die heute 50-jährige Ehefrau mit 17 Jahren ihre Ausbildung ab, weil das erste gemeinsame Kind geboren wurde. Nach der Eheschließung holte sie aufgrund der Betreuung der zwei gemeinsamen Kinder keine Berufsausbildung mit einem Berufsabschluss nach, sondern übte lediglich verschiedene Nebentätigkeiten aus.

Der Ehemann wollte seine Verpflichtung zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt auf einen angemessenen Zeitraum befristen. Nach Auffassung des OLG Brandenburg gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau ohne die Ehe, die Kinderbetreuung und die in der Ehe praktizierte Rollenverteilung auch heute ungelernten Tätigkeiten nachgehen würde. Diese Ansicht vertrat der Ehemann. Da die Ehefrau sich seinerzeit bereits seit einem Jahr in Ausbildung befand, sei nach allgemeiner Erfahrung auszugehen, dass sie diese auch abgeschlossen hätte, so die Richter. Sie hätte heutzutage ein dem Ehemann entsprechendes Einkommen erzielen können, so dass der Ehemann angesichts der über 30-jährigen Ehedauer unbefristet und ohne Abzüge den Einkommensunterschied ausgleichen müsse.


Anwaltverein für gemeinsames Sorgerecht nicht verheirateter Eltern

Der Deutsche Anwaltverein e.V. (DAV) setzt sich für ein gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern ab rechtlicher Feststellung der Vaterschaft - sei es durch Anerkennung oder durch Vaterschaftsfeststellung - ein. Der Familienrechtsausschuss des DAV vertritt der Auffassung, dass es für Kindeswohl förderlich sei, wenn beide Elternteile die Verantwortung für das gemeinsame Kind und damit die gemeinsame elterliche Sorge tragen. Schließlich sei es aus der Sicht des Kindes unerheblich, ob die Eltern miteinander verheiratet seien oder nicht. Der Kindsmutter soll es möglich sein, eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu beantragen, wenn es nicht gelingt, eine ausreichende Kommunikation zwischen den Eltern herbeizuführen, die dem Wohl des Kindes entspricht. Einzelheiten zur Stellungnahme des DAV können Sie hier nachlesen.


Rechte biologischer Väter eingeschränkt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schränkte mit Urteil vom 22. März 2012 die Rechte leiblicher Väter ein. Die Straßburger Richter wiesen die Klagen zweier deutscher Väter auf rechtliche Anerkennung ihrer Vaterschaft ab und folgten damit den Entscheidungen der deutschen Gerichte. Einer der Väter ist nachgewiesen der biologische Vater, der andere vermutet es lediglich. Die Richter billigten es, dass der Erzeuger eines Kindes keine Möglichkeit bekommt, seine Vaterschaft rechtlich feststellen zu lassen, wenn die Mutter mit einem Mann in enger und sozialer Bindung zusammenlebt, der als rechtlicher Vater gilt. Die europäischen Richter waren der Auffassung, dass im Interesse des Kindeswohls in den zu entscheidenden Fällen die bestehende Familie vor Störungen geschützt bleiben soll. Sie sagten aber auch, dass es familiäre Konstellationen geben könnte, in denen das Begehren des biologischen Vaters als nicht so störend empfunden werden würde. In früheren Entscheidungen räumten die Straßburger Richter beim Kindesumgang des leiblichen Vaters mit seinem Kind gelegentliche Treffen ein.


Änderungen für Familien zum Jahreswechsel - keine Düsseldorfer Tabelle 2012

Zum 1. Januar 2012 werden mehrere gesetzliche Änderungen in Kraft treten, von denen junge Familien profitieren können. Unter anderem werden bürokratische Hürden beim Beantragen von Kindergeld beseitigt, zwei Drittel der Kinderbetreuungskosten - pro Kind bis zu 4.000 € jährlich - können als Sonderausgaben abgesetzt werden und mit der neu eingeführten Familienpflegezeit soll es künftig möglich sein, Angehörige besser zu pflegen und gleichzeitig die eigene materielle Existenz sicherzustellen.

Keine Änderung wird es beim Unterhalt geben. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wird für 2012 keine neue Düsseldorfer Tabelle herausgeben. Da keine gesetzlichen oder steuerlichen Änderungen eine Anpassung erfordern, gilt auch nach dem Jahreswechsel die Düsseldorfer Tabelle 2011 mit den dort festgesetzten Unterhaltsbeiträgen und Selbstbehaltssätzen fort.


Mütter müssen den Namen des Vaters nennen

Mit Urteil vom 9. November 2011 (XII ZR 136/09) entschied der Bundesgerichtshof, dass Mütter den Namen des Kindsvaters preisgeben müssen. Er schränkte damit das bisherige Schweigerecht der Mütter ein, die künftig nicht mehr den Namen des Mannes verheimlichen dürfen, mit dem sie ein Kind gezeugt haben. Mit dieser Entscheidung stärkte das Gericht das Recht von Männern, denen ein Kind untergeschoben wurde (sog. Kuckuckskinder). Geklagt hatte ein Mann, der mit der Kindsmutter in einer knapp zweijährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebte und sich zunächst für den Vater des Kindes hielt und Unterhalt bezahlte. Als er herausfand, dass er nicht der leibliche Vater ist, wollte er von der Mutter den Namen des tatsächlichen Erzeugers wissen. Er wollte den leiblichen Vater auf Rückzahlung des von ihm gezahlten Unterhalts in Anspruch nehmen. Die Kindsmutter hingegen verweigerte die Auskunft. Die Karlsruher Richter bestätigten die Urteile der Vorinstanzen und gaben dem klagenden Mann Recht. Sie befanden, dass die Kindsmutter dem Mann helfen müsse, seinen wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Die Kindsmutter könne sich nicht auf den Schutz ihrer Privatsphäre zurückziehen, sondern schulde dem vermeintlichen Kindsvaters „nach Treu und Glauben Auskunft über die Person, die ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei regelmäßig nicht stärker als der ebenfalls geschützte Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung.“ Bezweifelt wird, dass in der Praxis nun alle Mütter die Auskunft über den Erzeuger erteilen werden. Es ist davon auszugehen, dass sich viele auf einen One-Night-Stand berufen und behaupten werden, den Namen des Geschlechtspartners nicht zu wissen.


Grundsätzliche Verpflichtung zur Vollzeitarbeit für Alleinerziehende

In einem am 2. August 2011 veröffentlichten Urteil vom 15. Juni 2011 (XII ZR 94/09) erhöhte der Bundesgerichtshof den Druck auf alleinerziehende Väter und Mütter zur Vollzeitarbeit, sobald das Kind drei Jahre alt ist. Seit der Unterhaltsrechtsreform 2008 besteht für geschiedene Alleinerziehende grundsätzlich nur ein Unterhaltsanspruch bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes. Eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist dann möglich, wenn die Gründe in der nachehelichen Solidarität liegen oder ein Betreuungsmangel besteht. In der Praxis war häufig die Ausnahme die Regel. Die Karlsruher Richter entschieden nun, dass der Anspruch auf Betreuungsunterhalt gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil nur dann besteht, wenn der betreuende Elternteil schlüssig nachweisen kann, dass eine Vollzeittätigkeit wegen fehlender Betreuungsmöglichkeit nicht möglich ist. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Kinderbetreuung neben einer Vollzeittätigkeit grundsätzlich keine „überobligatorische Belastung“ des betreuenden Elternteils darstelle, sondern jeweils im Einzelfall geprüft und entschieden werden müsse. Eine überobligatorische Belastung muss zudem vom betreuenden Elternteil nachgewiesen werden.

Im zu entscheidenden Fall hatte die geschiedene Mutter einer Zweitklässlerin halbtags gearbeitet und von ihrem geschiedenen Ehemann zusätzlich 440 € Betreuungsunterhalt im Monat erhalten. Aufgrund der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Unterhaltsreform wollte der Vater keinen weiteren Unterhalt für die Mutter zahlen und klagte vor dem Amtsgericht Grevenbroich und vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Beide wiesen seine Klage ab, da sie eine nicht zumutbare Mehrbelastung der Kindsmutter sahen. Der BGH verwies das Urteil an das OLG Düsseldorf zurück, weil dieses keine individuellen Einzelumstände aufführte, warum das Kind am Nachmittag von der Mutter betreut werden müsse.


Änderungen der Düsseldorfer Tabelle 2011

Die Düsseldorfer Tabelle wird voraussichtlich zum 1. Januar 2011 folgende Änderungen mit sich bringen: Der notwendige Eigenbedarf (Selbstbehalt) wird für Erwerbstätige, die für Kinder bis zum 21. Lebensjahr unterhaltspflichtig sind, von 900 € auf 950 € erhöht. Für nicht erwerbstätige Unterhaltsverpflichtete bleibt es beim bisherigen Betrag von 770 €. Die Selbstbehalte bei Unterhaltspflichten gegenüber Ehegatten, Mutter/Vater eines nichtehelichen Kindes, volljährigen Kinder oder Eltern werden ab 2011 angehoben.

Unterhaltspflicht gegenüber

  • Kindern bis 21 Jahre (im Haushalt eines Elternteils und allgemeine Schulausbildung), Unterhaltspflichtiger erwerbstätig: von 900 € auf 950 €;
  • Kindern bis 21 Jahre (im Haushalt eines Elternteils und allgemeine Schulausbildung), Unterhaltspflichtiger nicht erwerbstätig: keine Änderung (770 €),
  • anderen volljährigen Kinder: von 1.100 € auf 1.150 €,
  • Ehegatte oder Mutter/Vater eines nichtehelichen Kindes: von 1.000 € auf 1.050 €,
  • Eltern: von 1.400 € auf 1.500 €,

Die Anpassung auf 950 € lehnt sich an die Erhöhung der SGB II-Sätze („Hartz IV“) zum 1. Januar 2011 an. Die übrigen Selbstbehalte sind wegen der nicht so engen familiären Bindungen und wegen des geringeren Schutzbedürfnisses der unterhaltsberechtigten Erwachsenen höher. Auch der Bedarfskontrollbetrag wird in jeder Einkommensgruppe um 50 € erhöht. Der Bedarfskontrollbetrag soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern, Ehegatten und Eltern gewährleisten. Mit steigendem Einkommen des Unterhaltsverpflichteten soll ihm selbst auch ein höherer Betrag verbleiben.

Der angemessene Gesamtunterhaltsbedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern wohnt, wird von 640 € auf 670 € erhöht. Darin sind 280 € (bisher 270 €) für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Dieser Bedarfssatz kann auch für ein Kind mit eigenem Haushalt angesetzt werden. Durch die Erhöhung wird der Unterhaltsbedarf an den zum 1. Oktober 2010 erhöhten BAföG-Höchstsatz angepasst.

Die in der Düsseldorfer Tabelle genannten Unterhaltsbeträge gehen - wie bereits 2010 - von zwei Unterhaltsberechtigten aus. Bei mehr als zwei Unterhaltsberechtigten kann einzelfallabhängig gegebenenfalls die Einstufung in eine niedrigere Einkommensgruppe in Betracht kommen. Die Änderungen stehen unter dem Vorbehalt, dass der Bundesrat den vom Bundestag beschlossenen Existenzminimum-Berichten am 17. Dezember 2010 zustimmen wird.

Quelle: Zusammenfassung der Pressemeldung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. November 2010

Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung vor der Weihnachtspause am 17. Dezember 2010 dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen für Hartz IV-Empfänger nicht zugestimmt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung kann damit vorerst nicht in Kraft treten. Nun wird der Vermittlungsausschuss am 7. Januar 2011 versuchen, erste Kompromissmöglichkeiten zu sondieren und auszuarbeiten.


Bevollmächtigte können nicht gegenseitig Vollmacht widerrufen

Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. Februar 2010 hat kein Bevollmächtiger die Befugnis, die Vollmacht eines weiteren Bevollmächtigten zu widerrufen. Vor Eintritt der Geschäftsunfähigkeit kann nur der Vollmachtgeber selbst darüber befinden, ob er eine von ihm erteilte Vollmacht widerrufen will. Nach Eintritt seiner Geschäftsunfähigkeit kann das Widerrufsrecht mangels abweichender Bestimmungen nur vom gesetzlichen Vertreter, also einem Betreuer oder einem Vollmachtsüberwachungsbetreuer gemäß § 1896 Abs. 3 BGB ausgeübt werden.


Bundesverfassungsgericht stärkt Unterhaltsansprüche Geschiedener

Wie am 11. Februar 2011 bekannt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht am 25. Januar 2011 (1 BvR 918/10)ein Urteil des Bundesgerichtshofes aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Damit stärkte das höchste deutsche Gericht die Ansprüche Geschiedener auf Unterhalt vom Ex-Partner. Es war der Ansicht, dass der Maßstab für den Unterhalt unabhängig davon bestimmt werden müsse, ob der unterhaltspflichtige Partner erneut geheiratet hat. Entscheidend seien die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung.

Die Frau war 24 Jahre lang verheiratet gewesen. Nach der Scheidung erhielt sie zunächst 618 Euro Unterhalt im Monat. Ihr geschiedener Ehemann heiratete erneut und wollte weniger Unterhalt zahlen. Das Amtsgericht bezog sich auf die vom Bundesgerichtshof in 2008 entwickelte Dreiteilungsmethode, die auch die Einkommensverhältnisse und den Bedarf des neuen Partners einbezieht, und setzte den Unterhalt der Frau auf 488 Euro herab. Danach werden die Einkünfte der beiden geschiedenen Ehepartner und des neuen Partners addiert und durch drei geteilt. Auf dieser Basis wird der Bedarf des früheren Partners berechnet. Der Bundesgerichtshof habe mit der Dreiteilungsmethode einen Systemwechsel eingeleitet. Er sei damit durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen zu weit gegangen, heißt es in dem Beschluss.

Die Verfassungsrichter befanden, dass diese Regelung den geschiedenen Ehegatten einseitig zugunsten des Unterhaltspflichtigen und dessen nachfolgenden Ehegatten belaste. Sie widerspreche auch der Absicht des Gesetzgebers, der festgehalten hat, dass für den Unterhalt die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung ausschlaggebend sein sollen.


Gleichstellung Lebenspartner und Steuerrecht

Die Bundesregierung hat am 19. Mai 2010 im Jahressteuergesetz beschlossen, dass künftig Lebenspartner im Bereich der Erbschaft-, Schenkung- und Grunderwerbsteuer wie Ehegatten behandelt werden. Lebenspartner, die in einer Partnerschaft leben und sich gegenseitig unterhaltspflichtig sind und ihren Partner gegebenenfalls bis zum Tode pflegen, werden nicht nun nicht mehr wie Fremde behandelt. Parteiübergreifend wurde bereits im Vorfeld Zustimmung zu diesem Entwurf signalisiert.


Grundsatzentscheidung des BGH: Schwiegereltern können nach der Scheidung Zuwendungen zurückverlangen

Der für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied am 3. Februar 2010 (XII ZR 189/06), dass Schwiegereltern, die ihrem Schwiegerkind einen erheblichen Geldbetrag zugewandt hatten, diesen nach dem Scheitern der Ehe unter erleichterten Voraussetzungen zurückverlangen können. Das Urteil ist bislang noch nicht veröffentlicht.

Damit ändert der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zu diesem Thema. Bislang konnten Schwiegereltern Zuwendungen an das Schwiegerkind, die sie mit Rücksicht auf dessen Ehe mit ihrem Kind und zur Begünstigung des ehelichen Zusammenlebens nach der Ehescheidung nicht zurückfordern, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten. Der Senat sah hierin bisher ein Rechtsgeschäft sui generis (eigener Art) und behandelte die Vermögensvorteile wie ehebedingte unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten.

Der Bundesgerichtshof stellt in seiner Pressemeldung vom 4. Februar 2010 klar, dass der Familiensenat die Zuwendungen der Schwiegereltern nunmehr als „echte“ Schenkungen behandelt, da sie alle Tatbestandsmerkmale einer Schenkung erfüllen würden. Die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage seien auch hier anwendbar. Die Geschäftsgrundlage einer solcher Schenkung sei regelmäßig, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen Kind und Schwiegerkind fortbestehe und das eigene Kind in den fortdauernden Genuss der Schenkung komme. Mit dem Scheitern der Ehe würde diese Geschäftsgrundlage entfallen.

Im Wege der richterlichen Vertragsanpassung wird damit die Möglichkeit einer zumindest partiellen Rückabwicklung eröffnet. Hat das eigene Kind allerdings über einen längeren Zeitraum von der Schenkung an das Schwiegerkind ebenfalls hiervon profitiert, ist nach Ansicht des Senats nur eine teilweise Rückzahlung möglich. Wollen die Schwiegereltern dies vermeiden, so müssten sie ihr eigenes Kind direkt beschenken. Die Rückabwicklung der Schenkung hat grundsätzlich unabhängig von güterrechtlichen Erwägungen (Zugewinnausgleich) zu erfolgen.

Die Vorinstanzen, das Landgericht Berlin (22 O 234/05, Urteil vom 4. November 2005) und das Kammergericht Berlin (22 U 195/05, Urteil vom 25. Oktober 2006), begründeten ihre Ablehnung insbesondere mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Weitere Informationen finden Sie von Frank Felix Höfer bei Advogarant. Sie können sich den veröffentlichten Artikel auch hier herunterladen.


Grundsatzentscheidung zum nachehelichen Betreuungsunterhalt

Der für Familiensachen zuständige Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte am 18. März 2009 (Az. XII ZR 74/08) erstmals seit Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform über den nachehelichen Betreuungsunterhalt zu entscheiden.

In der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung des § 1570 BGB kann ein geschiedener Ehegatte von anderen Ehegatten wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Die Dauer des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht. In der Rechtsprechung und Literatur war seither heftig umstrittenen, unter welchen Voraussetzungen dem betreuenden Elternteil eines Kindes Betreuungsunterhalt zusteht und ob dieser Anspruch zeitlich befristet werden kann.

Mit der Einführung des sogenannten Basisunterhalts hat der Gesetzgeber dem betreuenden Elternteil die Entscheidung überlassen, ob er das Kind in den ersten drei Lebensjahren selbst erziehen oder eine andere Betreuungsmöglichkeit in Anspruch nehmen will. Der betreuende Elternteil kann während dieser Zeit eine schon bestehende Erwerbstätigkeit wieder aufgeben und sich voll der Erziehung und Betreuung des Kindes widmen. Erzielt er gleichwohl eigene Einkünfte, weil das Kind anderweitig betreut wird, kann das überobligatorisch erzielte Einkommen teilweise angerechnet werden. Dies ist jedoch nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden. Ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes steht dem betreuenden Elternteil seit Inkrafttreten der Unterhaltsreform nur noch ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus Billigkeitsgründen zu. Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kind- und elternbezogenen Gründe ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich. Ein abrupter Wechsel von der elterlichen Vollbetreuung quasi über Nacht zur Vollzeiterwerbstätigkeit ist damit ausgeschlossen.

Vorrangig ist nun im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Betreuung des Kindes auf andere Weise gesichert werden kann. Ein Vorrang der persönlichen Betreuung durch die Eltern gegenüber anderweitigen Betreuungsmöglichkeiten (Tagespflege, Hort etc.) besteht nun nicht mehr. Soweit die Betreuung des Kindes sichergestellt oder auf andere Weise kindgerecht möglich ist, können einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils allerdings auch andere Gründe entgegenstehen, insbesondere der Umstand, dass der ihm verbleibende Betreuungsanteil neben der Erwerbstätigkeit zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen kann. Hinzu kommen weitere Gründe nachehelicher Solidarität, etwa ein in der Ehe gewachsenes Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung.

Im konkreten Fall hatte eine Studienrätin mit einem Kind eine 70 %-Stelle. Das Kammergericht Berlin hatte der Frau wegen der Betreuung des Kindes monatlich rund 840 € Unterhalt von ihrem Ex-Mann zugesprochen. Die Lehrerin müsse nicht voll arbeiten. Die Karlsruher Richter urteilten hingegen, dass der Geschiedenen ab dem siebten Geburtstag ihres Kindes grundsätzlich eine Ganztagsarbeit zumutbar sei, wenn für das Kind nach der Schule eine Betreuungsmöglichkeit bestehe. Das Kammergericht hatte zuvor die Reduzierung der Arbeit allein mit dem Kindesalter begründet. Dies sei vom neuen Recht aber nicht gedeckt, so die Bundesrichter und verwiesen den Fall an das Kammergericht zur Prüfung, ob im konkreten Fall Gründe für einen erhöhten Betreuungsbedarf des Kindes bestehen, zurück.

Die vom Ex-Mann begehrte Befristung des Betreuungsunterhalts scheidet aus, weil die neue Fassung des § 1570 BGB eine Sonderregelung für diese Billigkeitsabwägung enthält und insoweit bereits alle Umstände des Einzelfalles abschließend zu berücksichtigen sind. Das schließt es aber nicht aus, die Höhe des Betreuungsunterhalts in Fällen, in denen keine ehe- oder erziehungsbedingten Nachteile mehr vorliegen, nach Ablauf einer Übergangszeit zu begrenzen. Im Einzelfall kann dann der von einem höheren Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgeleitete Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen auf einen Unterhaltsanspruch nach der eigenen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten herabgesetzt werden. Diese Voraussetzungen lagen im vorliegenden Fall jedoch nicht vor, weshalb die Bundesrichter die Entscheidung des Kammergerichts, den Unterhalt nicht zusätzlich zu begrenzen, gebilligt haben.


Keine Fremdbetreuung bei achtjährigem Kind

Nach der Scheidung ist nach einem Urteil des Kammergerichts Berlin (16 UF 149/08) der betreuende Elternteil des gemeinsamen achtjährigen Kindes nach neuem Unterhaltsrecht nicht verpflichtet, das Kind abweichend von der während der Ehe praktizierten Kindesbetreuung ganztägig in eine Fremdbetreuung zu geben, um selbst einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen zu können und seinen Unterhaltsbedarf selbst zu decken. Selbst bei der Möglichkeit einer Fremdbetreuung im Hort in der Zeit zwischen 8.00 und 16.00 Uhr, kann von der betreuenden Mutter regelmäßig keine vollschichtige Erwerbstätigkeit erwartet werden.


Keine Unterbrechung des Trennungsjahres

Anders als im Steuerrecht wird die Trennungsfrist nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. Januar 2010 (3 UF 162/09) im Familienrecht nicht dadurch unterbrochen, dass es nach der räumlichen Trennung der Ehegatten zu intimen Kontakten gekommen ist. Laut einer jetzt veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 14. September 2009 (6 WF 98/09) stellt ein Zeitraum von drei Monaten die Obergrenze dar, bis zu der noch ein „Zusammenleben über kürzere Zeit“ im Sinne des § 1567 Abs. 2 BGB und damit ein den Lauf des Trennungsjahres nicht beeinflussender Versöhnungsversuch angenommen werden kann.


Kinder müssen Elternunterhalt auch bei Streit zahlen

Mit Urteil vom 15. September 2010 (XII ZR 148/09) entschied der Bundesgerichtshof, dass erwachsene Kinder für den Unterhalt der pflegebedürftigen Eltern auch dann aufkommen müssen, wenn sie keine schöne Kindheit hatten.

Damit haben die Karlsruher Richter nochmals die grundsätzliche Unterhaltspflicht von erwachsenen Kindern gegenüber ihren pflegebedürftigen Eltern betont. Ein Wegfall der Unterhaltspflicht der Kinder bleibe auf wenige Ausnahmefälle beschränkt. Weder ein zerrüttetes Verhältnis, noch eine vermeintlich vernachlässigte Kindheit entbinden die Kinder von dieser Verpflichtung. Das Gesetz fordere familiäre Solidarität, auch wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis seit Jahrzehnten zerstritten war.

Der Sozialhilfeträger, der die Kosten für einen im Pflegeheim lebenden Elternteil übernommen hat, kann von dessen Kindern die Erstattung seiner Kosten verlangen. Der Kläger, Sohn einer psychisch kranken Mutter, die in einem Pflegeheim untergebracht war, weigerte sich, für die Heimkosten seiner inzwischen verstorbenen Mutter aufzukommen. Der Kläger argumentierte, dass seine Mutter ihn nie gut behandelt hätte. Daher wäre es für ihn eine unbillige Härte, wenn er nun für den Unterhalt seiner Mutter in Höhe von zirka 40.000 € aufkommen müsse.

Die Bundesrichter betonten erneut, dass die schicksalsbedingte Krankheit der Mutter und deren Auswirkungen auf den Kläger es nicht rechtfertigten, die Unterhaltslast dem Staat aufzubürden. Eine psychische Erkrankung der Mutter könne nicht als ein schuldhaftes Fehlverhalten betrachtet werden, aus dem ein Wegfall des Unterhaltsanspruches gegenüber dem Sohn folgen würde.

Nur im Ausnahmefall sei ein Wegfall der Unterhaltspflicht rechtens. Die Richter verwiesen hierbei auf ein Urteil aus dem Jahr 2004, dem sogenannten „Kriegsheimkehrer-Fall“. Dort hatte der psychisch kranke Vater für den Staat seine Gesundheit geopfert.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Kinder auch dann nicht für die Heimkosten der Eltern aufkommen, wenn dies mit erheblichen Einschnitten in den Lebensstandard oder die Altersvorsorge verbunden wäre.


Kürzere Verfahrensdauer in Familiensachen

Am 1. September 2009 tritt das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) in Kraft. Alle spezifisch familiengerichtlichen Vorschriften der Zivilprozessordnung wurden gestrichen und in dem neuen Gesetz konzentriert. Die Verfahrensdauer in umgangsrechtlichen Verfahren soll verkürzt werden, da diese künftig vorrangig und beschleunigt bearbeitet werden müssen.


Mehr Geld für Familien

Am 6. Januar 2010 trat rückwirkend zum 1. Januar 2010 die neue Düsseldorfer Tabelle in Kraft. In der vom Oberlandesgericht Düsseldorf in Abstimmung mit anderen Oberlandesgerichten und dem Deutschen Familiengerichtstag herausgegebene Tabelle werden Unterhaltsleitlinien sowie Regelsätze für den Kindesunterhalt festgelegt. Die Anpassung war notwendig, weil zum Jahreswechsel die steuerlichen Kinderfreibeträge und das Kindergeld erhöht wurden.

Neben der Erhöhung des Kindergeldes von 164 € auf 184 € für das erste und zweite Kind und 190 € für das dritte Kind sowie für das vierte und jedes weitere Kind monatlich 215 € wurde die Einkommensgrenze für den Kindergeldbezug bei erwachsenen Kindern von 7.680 € auf 8.004 € pro Jahr angehoben.

Die für jedes Kind beiden Elternteilen zustehenden steuerlichen Freibeträge für „das sächliche Existenzminimum“ (Kinderfreibetrag) und für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf steigen von 6.024 € auf 7.008 €. Dabei erhöht sich der Kinderfreibetrag von 3.864 € auf jetzt 4.368 € für beide Elternteile zusammen. Der gesetzliche Mindestunterhalt steigt rückwirkend zum 1. Januar 2010

  • für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres von 281 € auf 317 €,
  • für Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres von 322 € auf 364 € und
  • für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres von 377 € auf 426 €.

Der unterhaltspflichtige Elternteil kann hiervon das hälftige nun erhöhte Kindergeld abziehen.

Weitere steuerliche Vereinfachungen und Entlastungen sind die steuerliche Absetzbarkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung und das neue Faktorverfahren bei der Lohnsteuer.


Mehr Kindergeld

Ab dem 1. Januar 2009 erhöht sich das staatliche Kindergeld. Das Kindergeld steigt um 10 € für die ersten beiden Kinder von 154 € auf jeweils 164 €. Für das dritte Kind erhalten die Eltern 170 € statt bisher 154 €. Für jedes weitere Kind steigt das Kindergeld auf jeweils 195 €. Die Erhöhung des Kindergeldes wirkt sich auch auf den Kindesunterhalt aus. Der Kinderfreibetrag in der Einkommensteuer wird um 200 € auf 3.864 € angehoben. Zusammen mit dem Freibetrag für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung werden nun insgesamt 6.024 € für jedes Kind steuerfrei gestellt. Ebenfalls geändert hat sich ab dem 1. Januar 2009 die Düsseldorfer Tabelle, die diese Änderungen umsetzt. Kinder und Jugendliche in bedürftigen Familien erhalten ab diesem Jahr zu jedem Schuljahresbeginn 100 € extra für Schulmaterialien.


Mehr Rechtssicherheit für gemischt-nationale Ehen

Deutschland hat sich am 4. Juni 2010 dem Vorschlag der EU-Kommission für Scheidungsregeln bei gemischten Ehen angeschlossen, wodurch gemischt-nationale Ehepaare bei Scheidungsangelegenheiten mehr Rechtssicherheit erhalten sollen. Ehepaare können künftig selbst entscheiden, nach welchem Landesrecht sie sich scheiden lassen wollen. Können sich die Ehepartner nicht einigen, werden hierüber die Gerichte nach einem einheitlichen Verfahren entscheiden. Die neuen Rechtsvorschriften richten sich an Ehepaare unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, die in verschiedenen Ländern leben oder zusammen in einem anderen Land als ihrem Heimatland leben. Ziel war insbesondere, Kinder bei der Ehescheidung weniger stark zu belasten und den schwächeren Partner bei Streitigkeiten zu schätzen. Die abschließenden Verhandlungen über den Verordnungsvorschlag sollen noch vor der Sommerpause beginnen.


Nachträgliche Begrenzung und Befristung von Altersunterhalt

Mit Urteil vom 29. Juni 2011 (XII ZR 157/09) hat der Bundesgerichtshof entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein zwischen den geschiedenen Ehegatten vereinbarter Unterhaltsanspruch nach Erreichen des Rentenalters noch begrenzt und/oder zeitlich befristet werden kann.

Die Parteien hatten im Jahr 1968 geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Die Trennung erfolgte 1980. Der Ehemann und Kläger war als Arzt und später als Chefarzt tätig. Die Ehefrau war bis 1970 als technische Assistentin beschäftigt. Sie führte zudem den ehelichen Haushalt. Nach der Trennung arbeitete die Ehefrau wieder halbtags als technische Assistentin. Zwei Jahre später gebar sie ein nicht vom Ehemann abstammendes Kind. Nach der Geburt war die Ehefrau nicht mehr berufstätig, sondern kümmerte sich um die Erziehung ihres Kindes. 1985 verpflichtete sich der Ehemann vor dem Familiengericht zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 3.500 DM. Der Kläger hatte sich im Juni 1985 beim Scheidungstermin vor dem FamG zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 3.500 DM (= 1.789,52 €) an die im Zeitpunkt der Scheidung 43-jährige Ehefrau verpflichtet.

Nachdem die Ehefrau im Jahre 2006 das allgemeine Rentenalter erreicht hatte, klagte der Ehemann mittels Abänderungsklage, den inzwischen als Altersunterhalt zu qualifizierenden Unterhaltsbetrag sowohl herabzusetzen als auch zeitlich zu befristen. Das Familiengericht Hamburg wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Hamburg gab dem Herabsetzungsbegehren des Ehemannes teilweise statt, wies aber sein Befristungsverlangen zurück. Auf die Revision des Ehemannes hob der für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenatdas Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück.

Die Ansprüche des Ehemanns und Klägers waren sowohl hinsichtlich einer weitergehenden Herabsetzung als auch hinsichtlich einer möglichen Befristung des nach der Herabsetzung gegebenenfalls noch verbleibenden Unterhaltsbetrages berechtigt. Für den Zeitraum August 2006 bis Ende Dezember 2007 richtete sich die Frage der Herabsetzung des Unterhalts nach altem Recht (§ 1578 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.; jetzt § 1578 b Abs. 1 BGB). Die dort vorgesehene Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf bedeutet, dass nur noch der Bedarf abgedeckt wird, den der Unterhaltspflichtige ohne die Ehe zum jetzigen Zeitpunkt aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Hat der Unterhaltsberechtigte das Rentenalter erreicht, kommt es darauf an, ob die tatsächlich erzielten Alterseinkünfte hinter denjenigen zurückbleiben, die er ohne die ehebedingte Einschränkung seiner Berufstätigkeit an Alterseinkommen hätte erwerben können. Vorliegend waren die während der Ehe entstandenen Nachteile vollständig durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen. Die nach der Ehe erlittenen weiteren Einbußen waren unabhängig von der Ehe eingetreten, da diese auf der Geburt und Betreuung eines außerehelichen Kindes beruhten. Bei hinweg gedachter Ehe stand der Ehefrau daher kein höheres als das tatsächlich vorhandene Alterseinkommen zur Verfügung. Der angemessene Lebensbedarf war somit vollständig durch die vorhandenen Alterseinkünfte gedeckt, so dass der noch zu zahlende Unterhalt maximal bis auf Null herabgesetzt werden kann. Hierüber muss das Berufungsgericht im weiteren Verfahren nach Billigkeitsgesichtspunkten erneut entscheiden, wobei auch eine teilweise oder stufenweise Herabsetzung möglich sein kann.

Sollte nach der Herabsetzung ein Restunterhalt verbleiben, ist für die Zeit ab Januar 2008 auch die Frage der Befristung nach § 1578 b Abs. 2 BGB zu prüfen. Nach dieser am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Vorschrift kommt - anders als nach der Vorgängervorschrift des § 1573 Abs. 5 BGB a.F. - u.a. auch eine Befristung des Unterhalts wegen Alters in Betracht. Eine Anpassung der Unterhaltsregelung an die neue Rechtslage ist nach § 36 Nr. 1 EGZPO zumutbar, wenn kein schützenswertes Vertrauen des Unterhaltsberechtigten entgegensteht. Schutzwürdig ist das Vertrauen sowohl eines Unterhaltsberechtigten als auch eines Unterhaltsverpflichteten, der sich auf den Fortbestand der vormals getroffenen Regelung eingestellt hat. Dabei kommt es maßgebend darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte im berechtigten Vertrauen auf den weiteren Fortbestand des Unterhaltstitels Entscheidungen getroffen wie beispielsweise eine noch abzuzahlende Investition getätigt oder einen langfristigen Mietvertrag geschlossen hat. Geschützt wird also nicht generell das Vertrauen in den Fortbestand des Unterhalts, sondern vor allem das Vertrauen als Grundlage getroffener Entscheidungen, die nicht oder nicht sogleich rückgängig gemacht werden können.

Quelle des noch nicht veröffentlichten Urteils: BGH-Pressemitteilung vom 1. Juli 2011


Neue europäische Unterhaltsverordnung

Am 18. Juni 2011 wird die neue europäische Unterhaltsverordnung in Kraft treten. Mit der neuen Verordnung wird die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen EU-weit erleitert. Unterhaltsverpflichtete können besser aufgespürt und zur Zahlung aufgefordert werden. Insbesondere können Unterhaltsentscheidungen aus anderen EU-Staaten einfacher und kostengünstiger vollstreckt werden. Ein deutscher Unterhaltsberechtigter kann künftig direkt in einem anderen EU-Staat einen Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung beauftragen. Bislang mussten ausländische Unterhaltsentscheidungen im jeweiligen Aufenthaltsort des Unterhaltsschuldners erst für vollstreckt erklärt werden. Die jeweiligen EU-Staaten werden zentrale Behörden einrichten, die bei Unterhaltsstreitigkeiten zusammenarbeiten. In Deutschland wird dies das Bundesamt für Justiz sein.

Die neue Verordnung muss nicht in deutsches Recht umgesetzt werden, jedoch sind begleitende Durchführungsbestimmungen erforderlich. Den Entwurf hierfür hat das Bundeskabinett im Dezember 2010 verabschiedet. Er sieht ein eigenständiges Aus- und Durchführungsgesetz vor.


Neuer Deutsch-Französischer Wahlgüterstand

Das Bundeskabinett hat am 2. Februar 2011 den Regierungsentwurf zur Umsetzung des deutsch-französischen Wahlgüterstandes beschlossen. Gemischt-nationiale Ehepaare aus diesen Ländern können sich künftig für einen Wahlgüterstand entscheiden und damit ihre Vermögensverhältnisse regeln. Der neue Wahlgüterstand orientiert sich am deutschen Modell, berücksichtigt aber auch französische Besonderheiten. Unklarheiten, etwa beim gemeinsamen Erwerb eines Grundstücks in Deutschland werden in Zukunft vermieden. Auch im Steuerrecht wird künftig sichergestellt, dass der neue Wahlgüterstand bei der Erbschaft- und Schenkungssteuer genauso behandelt wird wie die deutsche Zugewinngemeinschaft.

Der deutsch-französische Wahlgüterstand soll zum Pilotprojekt für weitere vergleichbare Angleichungen des Familienrechts in Mitgliedstaaten mit ähnlicher Rechtstradition werden. Er steht auch anderen Mitgliedstaaten der EU offen.

Der Regierungsentwurf wird jetzt über den Bundesrat dem Deutschen Bundestag zur parlamentarischen Beratung zugeleitet.


Neues Vormundschaftsgesetz

Der Bundesrat stimmte am 27. Mai 2011 der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zu. Die Vormundschaft ist vor allem für Kinder da, bei denen der Schutz der Familie versagt hat. Wenn Eltern ihre Kinder vernachlässigen und deshalb das Sorgerecht verlieren, steht den Kindern ein Vormund zur Seite. Der Vormund trifft alle wichtigen Entscheidungen für das Kind. Das neue Gesetz soll für mehr persönlichen Kontakt zwischen Vormund und Kind sorgen und sicherstellen, dass jeder Amtsvormund seine Schützlinge regelmäßig sieht. Ob der jetzt vorgesehene einmalige Kontakt im Monat ausreichend ist, wird bezweifelt. Der Vormund hat die Pflicht, den Mündel persönlich zu fördern und seine Erziehung zu gewährleisten. Auch darf ein amtlicher Vormund künftig nicht mehr als 50 Kinder betreuen. In der Vergangenheit musste ein Amtsvormund oft über 100 Kinder gleichzeitig betreuen, im Extremfall waren es bei einem Vormund 240 Kinder. Ein persönlicher Kontakt war praktisch nicht möglich. Zudem werden die Aufsichtspflichten des Gerichtes und die Berichtspflichten des Vormundes ausgeweitet. Bei der Amtsvormundschaft soll das Jugendamt künftig das Kind vor der Übertragung der Aufgaben des Vormundes auf einen Mitarbeiter anhören.

Auch im Betreuungsrecht - rechtliche Betreuung von Erwachsenen - wird nun mit der Neuregelung ein unzureichender persönlicher Kontakt als Grund für die Entlassung von Betreuern ausdrücklich genannt. Diese Regelung soll insbesondere dazu führen, dass der persönliche Kontakt besser dokumentiert und vom Gericht stärker beaufsichtigt wird.


Neuordnung des Versorgungsausgleichs

Der Versorgungsausgleich soll durch das Reformgesetz zum 1. September 2009 grundlegend geändert werden. Das bisherige fehlerbehaftete Prinzip der Verrechnung aller Anrechte und des Einmalausgleichs über die gesetzliche Rentenversicherung hätte damit ein Ende. Das Reformgesetz sieht vor, dass künftig jedes in der Ehe aufgebaute Versorgungsanrecht gesondert im jeweiligen Versorgungssystem zwischen den Ehegatten geteilt wird. Durch diese Teilung erhält der jeweils berechtigte Ehegatte einen eigenen Anspruch gegen den Versorgungsträger des jeweils verpflichteten Ehegatten. So können künftig auch die Anrechte aus der betrieblichen und privaten Altersvorsorge schon bei der Ehescheidung vollständig geteilt werden. Nachträgliche Ausgleichs- und Abänderungsverfahren werden damit weitgehend entbehrlich. Bei einer kurzen Ehezeit von bis zu drei Jahren wird der Versorgungsausgleich nur noch durchgeführt, wenn ein Ehegatte die Durchführung beantragt. Stimmt der Bundesrat zu, wird das neue Reformgesetz am 1. September 2009 in Kraft treten - zeitgleich mit der Reform des familiengerichtlichen Verfahrens. Es wird für Scheidungen gelten, die ab diesem Zeitpunkt beim Familiengericht eingeleitet werden. Bereits bei Gericht anhängige Versorgungsausgleichssachen, die nicht mehr mit der Scheidung verbunden sind, werden nach neuem Recht entschieden, wenn sie nach dem 1. September 2009 weiter betrieben werden. Spätestens ab dem 1. September 2010 soll das neue Recht dann für alle Versorgungsausgleichssachen gelten, die in der ersten Instanz noch nicht entschieden sind. Weitere Informationen finden Sie unter www.bmj.de/versorgungsausgleich


Neuregelung des Versorgungsausgleichs

Am 3. April 2009 ist das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Das Gesetz tritt am 1. September 2009 in Kraft. Durch die Reform wird sowohl das materielle Recht als auch das Verfahrensrecht des Versorgungsausgleichs neu geregelt. Künftig wird jedes während der Ehe aufgebaute Versorgungsanrecht gesondert im jeweiligen Versorgungssystem zwischen den Ehegatten geteilt.


Pflicht zur Zusammenveranlagung auf bei steuerlichen Verlusten möglich

Der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18. November 2009 (XII ZR 173/06) entschieden, dass ein Ehegatte auch dann verpflichtet sein kann, dem Antrag des anderen Ehegatten auf Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer zuzustimmen, wenn er während der Zeit des Zusammenlebens steuerliche Verluste erwirtschaftet hat, die er im Wege des Verlustvortrags in einem späteren Veranlagungszeitraum zur Verminderung seiner eigenen Steuerlast einsetzen könnte. Wenn die Ehegatten die mit Rücksicht auf eine infolge der Verluste zu erwartende geringere Steuerbelastung zur Verfügung stehenden Mittel für ihren Lebensunterhalt oder eine Vermögensbildung, an der beide Ehegatten teilhaben, verwendet haben, ist es dem Ehegatten im Verhältnis zu dem anderen verwehrt, für sich die getrennte steuerliche Veranlagung zu wählen. Der Ehegatte, der die Zustimmung zur Zusammenveranlagung verweigerte, macht sich schadensersatzpflichtig.


Private Krankenversicherung und Unterhalt

Die Kosten für die private Krankenversicherung eines Kindes sind in den Unterhaltsbeträgen, die in den Unterhaltstabellen ausgewiesen sind, nicht enthalten. Das OLG Koblenz hat in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2010 (11 UF 620/09) die Kosten für die private Krankenversicherung als angemessenen Unterhalt des Kindes i.S.d. § 1610 BGB angesehen, wenn das Kind seit seiner Geburt - wie auch seine Eltern während des ehelichen Zusammenlebens - privat krankenversichert war und der in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebende unterhaltspflichtige Elternteil auch nach der Trennung privat krankenversichert bleibt. Beinhaltet die gesetzliche Krankenversicherung die Kombination mit einer privaten Zusatzversicherung, kann das Kind auf einen Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung mit privater Zusatzversicherung verwiesen werden, sofern dies die wirtschaftlich sinnvollere Alternative ist.


Reform des Güterrechts

Der Rechtsausschuss berät zurzeit über den Regierungsentwurf zur Reform des Güterrechts. Es ist davon auszugehen, dass die Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts ebenfalls zum 1. September 2009 in Kraft tritt. Bislang gilt: wer mit Schulden heiratet, dessen Anfangsvermögen wird später bei der Scheidung mit Null bewertet. Dies führt oft zu ungerechten Ergebnissen. Mit der Neuregelung zum Zugewinnausgleich soll nun auch negatives Anfangsvermögen berücksichtigt werden.

Beispiel: A heiratet B. A hat bei Beginn der Ehe 200.000 € Schulden, B hat kein Vermögen. A und B verdienen während ihrer langjährigen Ehe gut. Beide erwirtschaften während dieser Zeit je 250.000 €. Das Vermögen bei Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft beträgt somit bei A 50.000 € und bei B 250.000 €. Weil es nach bisherigem Recht kein negatives Anfangsvermögen gibt, beträgt der Zugewinn des A 50.000 €, das der B 250.000 €. Das bedeutet, dass die B dem A einen Zugewinn von 100.000 € bezahlen muss. Künftig würde der Zugewinn bei A und B jeweils 250.000 € betragen, so dass kein Zugewinn zu zahlen wäre.


Sorgerecht für unverheiratete Väter

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BvR 420/09) die derzeitige Regelung des Sorgerechts für unverheiratete Väter für verfassungswidrig erklärt. Bislang konnten nicht verheiratete Väter nur mit Zustimmung der Kindsmutter ein gemeinsames Sorgerecht erhalten. Verweigerte die Mutter die Zustimmung, war der Vater gegenüber seinem Kind rechtlos gestellt. Da es an einer Überprüfung durch das Familiengericht fehlte, gab es für Väter ohne Trauschein nahezu keine Möglichkeit, das Sorgerecht gegen den Willen der Mutter zu bekommen. Bislang konnte der ledige Vater nur dann das alleinige Sorgerecht für das gemeinsame Kind erhalten, wenn der Mutter das Sorgerecht wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen wurde oder die Mutter verstarb. Die Karlsruher Richter befanden in dem am 3. August 2010 veröffentlichten Beschluss, dass die bisherige Regelung gegen das grundgesetzlich geschützte Elternrecht des Vaters verstößt. Sie setzten damit ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009 um. Das Straßburger Gericht hatte gerügt, dass das deutsche Kindschaftsrecht ledige Mütter gegenüber den Vätern bevorzuge und damit gegen das Diskriminierungsverbot in der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoße. Nicht höchstrichterlich beanstandet wurde, dass die Kindsmutter grundsätzlich das Sorgerecht für ein nichteheliches Kind bekommt. Jetzt werden die Familiengerichte das gemeinsame Sorgerecht von Vater und Mutter anordnen, wenn dies dem Kindeswohl entspricht.

Das Bundesjustizministerium arbeitet bereits an einer gesetzlichen Neuregelung. In der Diskussion sind gegenwärtig zwei Varianten. Bei der Widerspruchslösung erhält der Vater - sobald die Vaterschaft feststeht - neben der Mutter automatisch das Sorgerecht. Will die Mutter dies verhindern, zum Beispiel weil sie Bedenken hat, muss sie innerhalb einer Frist widersprechen. Anschließend wird das Familiengericht prüfen, ob die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspricht. Bei der Antragslösung muss der Vater das gemeinsame Sorgerecht vor dem Familiengericht beantragen, so dass dieses in jedem Fall tätig wird.

Ab sofort können betroffene Väter eine gerichtliche Entscheidung beantragen, wenn dem gemeinsamen Sorgerecht die Zustimmungsverweigerung der Mutter entgegensteht. Vorläufige Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts schaffen neue Rechtsschutzmöglichkeiten. Betroffene Väter müssen nicht auf die gesetzliche Neuregelung warten.

Weitere Informationen zur geplanten Neuregelung finden Sie unter www.bmj.de/sorge-umgangsrecht. Antworten auf die häufigsten Fragen zum gemeinsamen Sorgerecht finden Sie hier.


Vollständige erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder geplant

Seit 1970 steht nichtehelichen Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, ein gesetzliches Erbrecht zu. Nichteheliche und eheliche Kinder wurden damit größtenteils erbrechtlich gleichgestellt. Nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, gelten bis heute mit ihren Vätern als nicht verwandt. Ihnen steht daher auch kein gesetzliches Erbrecht zu.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 28. Mai 2009 entschieden, dass die bisher im deutschen Erbrecht vorgesehene Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht.

Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sieht nun vor, dass alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder künftig gesetzliche Erben ihrer Väter werden. Für künftige Sterbefälle werden alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder ehelichen Kindern gleichgestellt. Sie beerben ihre Väter als gesetzliche Erben. Dieses Erbrecht der vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder soll aber nicht zu Lasten von hinterbliebenen Ehefrauen und Lebenspartnern gehen. Um deren Vertrauen in die frühere Regelung zu schützen, soll ihnen eine gesetzliche Vorerbschaft eingeräumt werden. Dies bedeutet, dass beim Tod des Vaters zunächst seine Ehefrau oder sein Lebenspartner erben; erst wenn auch diese sterben, geht ihr Anteil als sogenannte Nacherbschaft an die nichtehelichen Kinder. Bei Inkrafttreten der Reform käme es erstmals zu einer gesetzlichen Anordnung von Vor- und Nacherbfolge.

Bei Sterbefällen vor Inkrafttreten der geplanten Neuregelung ist das Vermögen des Verstorbenen bereits auf die nach bisheriger Rechtslage auf den/die Erben übergegangen. Um ihr Vertrauen in die entstandene Eigentumslage zu schützen, unterliegt eine rückwirkende Entziehung solcher Erbschaften sehr engen verfassungsrechtlichen Grenzen. Das Bundesjustizministerium prüft derzeit mögliche Regelungen.


Vorschlag für europäisches Scheidungsrecht

Die EU-Kommission hat am 24. März 2010 ihren Vorschlag für eine europaweite Regelung für grenzüberschreitende Scheidungen vorgelegt (Rom III). Mit der Regelung soll das auf einen grenzüberschreitenden Scheidungsfall anzuwendende nationale Recht leichter zu erkennen sein und so die Rechtssicherheit für internationale Paare verbessert werden. Nachdem bereits 2008 der Vorschlag einer Verordnung am schwedischen Widerstand scheiterte, wählte die Kommission jetzt erstmals das Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit nach Art 20 EUV, 326 ff. AEUV. Laut dem jetzigen Vorschlag können Paare auch ohne konkrete Trennungsabsicht das anzuwendende Recht wählen, vorausgesetzt, dass ein Ehepartner eine Verbindung zu diesem Land hat (z.B. Staatsangehörigkeit). Falls sich die Partner nicht auf ein nationales Recht einigen können, haben die Gerichte der Teilnehmerstaaten eine einheitliche Formel zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts zu gebrauchen. Davon profitiert vor allem der finanziell schwächere Ehepartner, da es nun nach Trennung und Wegzug eines Partners in einen anderen Teilnehmerstaat schwieriger ist, die Scheidung nach dortigem Recht zu beantragen („forum shopping“). Rat und Parlament müssen der Verstärkten Zusammenarbeit noch zustimmen.


Verkehrssicherungspflichten im Hoteleingangsbereich

Der Bundesgerichtshof hat zur Frage Stellung genommen, welche Wirkung das Aufstellen von Warnschildern hat, die auf Rutschgefahr hinweisen, Urteil vom 14. Januar 2020 - X ZR 110/18

Der Kläger macht gegen das beklagte Reiseunternehmen Ansprüche aufgrund eines Unfalls geltend, der sich im Rahmen einer bei der Beklagten gebuchten Pauschalreise nach Lanzarote ereignet hat.

Der Kläger ist linksseitig oberschenkelamputiert, trägt eine Prothese und ist auf eine Unterarmstütze angewiesen. Am Tag nach der Ankunft geriet der Kläger beim Verlassen des Hotels zu Fall, als er die regennasse Rollstuhlrampe vor dem Hoteleingang zu Fuß passieren wollte. Infolge des Sturzes erlitt er eine Handgelenksfraktur.

Das Landgericht hat die unter anderem auf Rückzahlung des Reisepreises, Ersatz materieller Schäden, Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und Schmerzensgeld gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.

Der für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die zweitinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses wird im weiteren Prozessverlauf klären müssen, ob der Bodenbelag der Rollstuhlrampe den für die Hotelanlage maßgeblichen örtlichen Bauvorschriften entsprach.

Das Berufungsgericht hat diese Frage als nicht entscheidungserheblich angesehen, weil es als ausreichend betrachtet hat, einen Hotelgast vor einer Rutschgefahr bei Nässe mit einem Warnschild zu warnen.

Der Bundesgerichtshof hat diese Beurteilung nur für den Fall als zutreffend angesehen, dass die Rollstuhlrampe den maßgeblichen örtlichen Bauvorschriften entsprach und damit den Sicherheitsstandard bot, den ein Hotelgast erwarten durfte. Sollte die Rollstuhlrampe diesem Standard nicht entsprochen haben, bestand hingegen eine besondere Gefährdungslage, in der ein Warnschild im Bereich der Rampe nicht ausreichte.


Ein ordentliches Kündigungsrecht von zwei Monaten zum Monatsende in einem Vertrag über die Betreuung eines Kindes in einer Kinderkrippe ist zulässig. Für die Dauer der Eingewöhnungsphase gibt es kein fristloses Lösungsrecht

Der Bundesgerichtshof (III ZR 126/15) bestätigt die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung eines Vertrags über die Betreuung eines Kindes in einer Kinderkrippe wegen Unwohlseins und Schlafschwierigkeiten in der Eingewöhnungsphase.

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Vertrag über die Betreuung eines Kleinkindes in einer Kinderkrippe.

Für die Zeit ab 1. September 2013 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Vertrag über die Betreuung seines am 3. Mai 2012 geborenen Sohnes. In diesen Vertrag einbezogen wurden die Regelungen in der "Betreuungsverordnung" der Beklagten, worin unter anderem Folgendes bestimmt ist: "Die Kündigung bedarf der Schriftform und ist von beiden Seiten ordentlich und mit einer Frist von 2 Monaten zum Ende eines Monats auszusprechen.“

Sein Sohn besuchte die Kinderkrippe vom 9. bis zum 19. September 2013. An diesem Tag teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er die Betreuung nicht mehr in Anspruch nehmen wolle und bat um Rückzahlung der Kaution. Die Beklagte bestand demgegenüber auf der Einhaltung des Vertrags und verweigerte die Rückzahlung. Mit Anwalts-schreiben vom 25. September 2013 kündigte der Kläger den Betreuungsvertrag „mit sofortiger Wirkung“

Die Beklagte kann vom Kläger die Betreuungsvergütung für die Monate September bis November 2013 - mit Ausnahme der Verpflegungs- und Pflegemittelpauschale für Oktober und November 2013 – beanspruchen. Ein Kündigungsrecht nach § 627 Abs. 1 BGB, das durch AGB grundsätzlich nicht wirksam abbedungen werden kann, stand dem Kläger nicht zu. Denn bei dem vorliegenden Betreuungsvertrag handelt es sich zwar um einen Dienstvertrag (§ 611 BGB); die Voraussetzungen des § 627 Abs. 1 BGB liegen aber nicht vor. Unabhängig von der Frage, ob Dienste höherer Art geschuldet sind, ist der vorliegende Betreuungsvertrag nämlich als ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen einzuordnen.

Ohne Rechtsfehler haben beide Vorinstanzen auch einen Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB verneint. Unwohlsein und Schlafschwierigkeiten in der Eingewöhnungsphase reichen dafür nicht.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist schon deshalb zu begrüßen, weil es etwas Licht ins Dunkel der Nutzungsbedingungen von Kindergärten bzw. Kindertagesstätten bringt. Der Markt für Kinderbetreuung wird ständig größer, nicht zuletzt auch durch die Ausgestaltung der Nutzung der Einrichtungen kommunaler Träger in privatrechtlicher Form und nicht durch eine öffentlich-rechtliche Satzung mit Gebühren. Zur Gestaltung oder Prüfung solcher Geschäftsbedingungen halten wir insbesondere fest:

  1. Ein Vertrag zur Betreuung von Kindern kann nicht ohne wichtigen Grund gemäß § 627 Abs. 1 BGB fristlos gekündigt werden. Es handelt sich um ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen. Insofern ist ein solcher Vertrag nicht anders zu beurteilen als ein Privatschulvertrag (BGH III ZR 74/07).

  2. Auch bei Kleinstkindern wie hier im Alter von einem Jahr ist eine zweimonatige ordentliche Kündigungsfrist nicht zu beanstanden.

  3. Ein wichtiger Grund liegt auch nicht ohne weiteres schon darin, dass ein Kleinkind nach Aufnahme in eine Kinderkrippe Unwohlsein und Schlafschwierigkeiten zeigt. Diese Folgen der Eingewöhnungsphase sind verbreitet und fallen grundsätzlich in den Risikobereich der Eltern.

  4. Der Kindergartenbetreiber kann keine erhebliche „Kaution“ zur freien Verfügung verlangen.

  5. Eine Nutzungspflicht, um Fördergelder für den Kindergartenbetreiber zu sichern, kann nicht vereinbart werden.


Neues Mediationsgesetz

Nachdem Bundestag und Bundesrat den Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses akzeptiert haben, ist am 26. Juli 2012 ist das Mediationsgesetz in Kraft getreten. In Umsetzung einer europäischen Richtlinie stellt das Gesetz erstmals gesetzliche Rahmenbedingungen für die Mediation auf. Das Gesetz soll die außergerichtliche Streitlösung stärken und die Justiz entlasten. Private und geschäftliche Streitigkeiten sollen künftig vermehrt einvernehmlich, schnell und kostengünstig in einem gesetzlich strukturierten Mediationsverfahren gelöst werden. Das Gesetz im Wortlaut finden Sie unter anderem hier: www.gesetze-im-internet.de/mediationsg/index.html.

Das „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ enthält viele Neuerungen aus den begleitenden Änderungen der verschiedenen Prozessordnungen. Da nun auch die Finanzgerichtsbarkeit mit einbezogen wurde, erstreckt sich das neue Gesetz auf alle fünf Gerichtszweige.

Künftig soll der Kläger / Antragsteller in der Klage / im Antrag mitteilen, ob der Versuch einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung stattgefunden hat. Die Gerichte können dann den Prozessbeteiligten eine Mediation oder ein anderes streitbeilegendes Verfahren vorschlagen. Im sogenannten Güterichtermodell darf der Güterichter - im Gegensatz zum Mediator - rechtliche Bewertungen vornehmen und einen Vorschlag zur Lösung des Konfliktes unterbreiten. Die öffentliche Verhandlung vor dem Güterichter sowie die Protokollerstellung findet nur bei Zustimmung der Beteiligten statt.


Kundenparkplätze müssen nicht vollständig schnee- und eisfrei sein

Am 10. Januar 2012 entschied das Oberlandesgericht Koblenz (5 U 1418/11) in einer am 15. Februar 2012 veröffentlichen Entscheidung, dass öffentliche Kundenparkplätze nicht komplett schnee- und eisfrei gehalten werden müssen und bei kleinen und gut sichtbaren vereisten Flächen vielmehr Vorsicht beim Benutzer geboten ist.

Der Kläger stürzte vor knapp zwei Jahren auf dem Weg vom Kundenparkplatz zu seiner Bankfiliale und zog sich eine Verletzung zu. Da die Bank nach seiner Ansicht den Parkplatz nicht vollständig geräumt hätte, begehrte der vor dem Landgericht Koblenz Schadensersatz und Schmerzensgeld. Diese wies die Klage ab. Zwar bestehe grundsätzlich die Verpflichtung, den Parkplatz so von Schnee und Eis zu befreien, dass dieser gefahrlos benutzt werden kann. Der Parkplatz sei an diesem Nachmittag aber großflächig von Eis befreit gewesen. Lediglich vereinzelt hätte es noch vereiste Stellen gegeben, denen der Kläger problemlos hätte ausweichen können. Einen Pflichtverstoß der Bank konnte das Landgericht nicht erkennen. Der Kläger hätte seinen Sturz selbst zu verantworten. In der vom Kläger verfolgten Berufung teilte das OLG Koblenz in einem Beschluss mit, dass die Vorinstanz richtig entschieden und die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hätte. Es stellte dabei klar, dass die Bank keine weitergehenden Verkehrssicherungspflichten trifft als die Kommune. Daher unterlägen die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht den gleichen Regeln. Daraufhin nahm der Kläger die Berufung zurück.


Aufstellungsbeschluss macht Baugrundstück mangelhaft - Oberlandesgericht Stuttgart lässt Verkäufer für alle aufgrund eines Aufstellungsbeschlusses erlassenen Baubeschränkungen haften

Eine alltägliche Situation: Ein Grundstück, für das ein gültiger Bebauungsplan besteht, soll verkauft werden. Der potentielle Käufer (Bauträgergesellschaft) hat nur ein Interesse an einem Baugrundstück. Alle Beteiligten suchen die Baurechtsbehörde auf und prüfen den Bebauungsplan. Aufgrund der möglichen Bebauung wird der Kaufpreis festgesetzt. Etwaige Risiken scheint es nicht zu geben. Trotzdem wird die Bauplatzeigenschaft zugesichert. Nach Erwerb des Grundstücks reicht der Käufer seinen dem Bebauungsplan entsprechenden Bauantrag ein. Die Gemeinde sieht die Nutzung der bestehenden Bebauung gefährdet und stellt den Bauantrag zurück, erlässt schließlich Veränderungssperre und einen abweichenden Bebauungsplan, der eine wirtschaftliche Bebauung unmöglich macht. Grundlage ist ein mehr als 15 Jahre alter Aufstellungsbeschluss der Gemeinde, den weder die Gemeinde, noch Käufer oder Verkäufer kannten. Alle sind verärgert. Wer muss für die nun fehlende Bebaubarkeit des Grundstücks haften?

Zwar verneint das Oberlandesgericht Stuttgart in seiner Entscheidung vom 10. Januar 2012 (12 U 94/10) eine Garantie der Bauplatzeigenschaft, da allen Beteiligten klar gewesen sein musste, dass der Verkäufer nicht verschuldensunabhängig für die Bebaubarkeit einstehen wollte, doch bejaht es eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung. Bauplatzeigenschaft schließt also das Fehlen eines Aufstellungsbeschlusses der Gemeinde ein. Das klingt schlüssig. Mit einem Aufstellungsbeschluss kann die Gemeinde die Bebaubarkeit eines Grundstücks grundlegend ändern. Dieses Risiko fällt in die Sphäre des Verkäufers, wenn es um ein Baugrundstück geht. Die Möglichkeit eines späteren Aufstellungsbeschlusses ändert daran nichts. Diese alternative Kausalität ändert nichts an der Kausalität des vor Abschluss des Kaufvertrages schon erlassenen Aufstellungsbeschlusses für die nachfolgende Beschränkung der Bebaubarkeit.

Das Urteil ist rechtskräftig. Das Oberlandesgericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu, doch wollte der Verkäufer den Rechtsstreit nicht weiter verfolgen.

Der Artikel ist in der Datenbank für Bau-, Vergabe- und Immobilienrecht bei ibr-online veröffentlicht.


Diebstahl angebotener Ware berechtigt zur vorzeitigen Beendigung der eBay-Auktion

Der Bundesgerichtshof hat am 8. Juni 2011 über das Recht eines Anbieters zur vorzeitigen Beendigung einer eBay-Auktion bei Diebstahl entschieden (VIII ZR 305/10). Der Beklagte stellte auf der Online-Plattform eBay eine Digitalkamera nebst Zubehör ein. Er beendete das Angebot vorzeitig und berief sich darauf, die Kamera sei ihm gestohlen worden. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger der Höchstbietende. Er forderte vom Beklagten Schadensersatz in Höhe der Differenz seines Gebots und dem von ihm behaupteten Verkehrswert.

Gemäß § 10 Abs. 1 der AGB von eBay heißt es unter anderem: „Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.“ Ergänzend wird auf der Website von eBay für jedermann zugänglich als Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung unter anderem der Verlust des angebotenen Artikels genannt.

Die Karlsruher Richter bestätigten nun, dass der Anbieter berechtigt war, das Angebot im Falle eines Diebstahls zurückzunehmen. Die in den AGB von eBay enthaltene Bezugnahme auf eine „gesetzliche“ Berechtigung zur Angebotsbeendigung sei nicht im Sinne einer Verweisung nur auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung von Willenserklärungen zu verstehen. Denn in den allen Auktionsteilnehmern zugänglichen Hinweisen zum Auktionsablauf würde auch der Verlust des Verkaufsgegenstandes als rechtfertigender Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung genannt. Darunter falle auch ein Diebstahl.


Außerordentliche Kündigungsrecht des Vermieters bei unpünktlicher Mietzahlung

Der Bundesgerichtshof entschied am 1. Juni 2011 (VII ZR 91/10), dass dem Vermieter ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zustehenden kann, wenn der Mieter dauerhaft und trotz wiederholter Abmahnung des Vermieters die Miete unpünktlich bezahlt.

Im Mietvertrag war vereinbart, dass der Mietzins jeweils zum dritten Werktag eines Monats zu zahlen ist. In der zu entscheidenden Angelegenheit erfolgte die Zahlung aber regelmäßig erst zur Monatsmitte oder gar noch später. Der Vermieter mahnte die unpünktliche Zahlung mehrfach ab und erhob schließlich Räumungsklage. Nach Klagabweisung der Vorinstanzen wandte sich der Vermieter an den BGH, der sich dessen Auffassung anschloss.

Die Karlsruher Richter sahen die fortwährende und trotz Abmahnung weiter verspätet eingegangene Mietzahlung eine so gravierende Pflichtverletzung dar, dass sie eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 545 Abs. 1, Abs. 3 BGB rechtfertige. Dies gelte selbst dann, wenn der Mieter nur fahrlässig gehandelt habe und wegen eines vermeidbaren Irrtums fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass er die Miete erst später habe zahlen müssen.


Mediation soll aufwendige und kostspielige Gerichtsverfahren vermeiden

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen zukünftig mehr Streitigkeiten außergerichtlich beigelegt werden. Das Kabinett beschloss am 12. Januar 2011 einen Gesetzentwurf, nach dem Mediation vor allem im arbeitsrechtlichen und zivilrechtlichen Bereich, sowie in Sozialgerichtsverfahren zum Einsatz kommen soll. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht in dem möglichen Gesetz eine Chance für den Bürger, Konflikte wirklich zu lösen und nicht nur entscheiden zu lassen. Damit ist das Instrument der Mediation nach Angaben des Ministeriums vor allem dann sinnvoll, wenn es darum geht, die Beziehungen der Streitbeteiligten zu erhalten.

Schon die Hälfte der Bundesländer hat in den letzten zehn Jahren mit Schlichtungs- und Mediationsverfahren positive Erfahrungen im Zivilrecht gesammelt. Das gilt in der Wirtschaft ebenso wie bei Privatpersonen. Laut der Ministerin kann Justitia ihr Schwert in Zukunft immer öfter zu Hause lassen, wenn diese Erfahrungen weiter Schule machen.

Im deutschen Recht steht „Mediation“ für außergerichtliche Streitbeilegung. Die Teilnahme an dem Verfahren ist freiwillig. Die Konfliktparteien erarbeiten mit Hilfe eines unabhängigen Mediators eine verbindliche Einigung, die ihren Interessen gerecht wird. Scheitert die Mediation, kommt der Streit vor Gericht.


Bußgelder in Deutschland nun vollstreckbar

Bislang durften in Deutschland nur Bußgelder aus Verkehrsverstößen in Österreich eingetrieben werden. “Knöllchen” aus anderen EU-Staaten konnte man bislang ignorieren. Konsequenzen waren nur dann zu befürchten, wenn man wieder in dieses Land einreiste. Am 28. Oktober 2010 trat nun das Gesetz zur Vollstreckung von europäischen Bußgeldern in Kraft. Damit können nun alle europäische Behörden deutsche Behörden beauftragen, Geldsanktionen ab 70 € (Geldbuße + Verwaltungskosten) einzutreiben. In den meisten europäischen Ländern reicht bereits eine geringe Ordnungswidrigkeit aus, um diese Grenze zu erreichen. Das Vollstreckungsabkommen mit Österreich bleibt weiter bestehen, so dass wie in der Vergangenheit bereits eine Geldsanktion von 25 € ausreicht, um diese in Deutschland zu vollstrecken.

Bei dem Gesetz geht es ausschließlich um Geldsanktionen. Anders als in dem Land, in dem der Verstoß begangen wurde, können die deutschen Behörden für Verstöße im Ausland keine Punkte in Flensburg geben und auch kein Fahrverbot verhängen.

Die Anträge der europäischen Behörden richten sich künftig an das Bundesamt für Justiz (BfJ), welches dem Betroffenen eine zweiwöchige Frist zu Stellungnahme einräumt. Anschließend entscheidet das BfJ, ob die Vollstreckung bewilligt wird. Gegen diese Entscheidung kann der Betroffene Einspruch einlegen und die Angelegenheit wird dann vor Gericht verhandelt. Andernfalls wird das BfJ die Geldsanktion per Gerichtsvollzieher beitreiben.


Ab 2018 nur noch freie Notare in ganz Baden-Württemberg

Der Landtag hat die lange ersehnte Notariats- und Grundbuchamtsreform in Baden-Württemberg beschlossen. Damit findet die Aufsplitterung des Notariats in Baden-Württemberg ein Ende. Die unterschiedlichen Systeme in Württemberg (Bezirksnotare, freie Notare und Anwaltsnotare) und Baden (Amtsnotare) weichen einem modernen sog. Nurnotariat wie es z.B. in Bayern erfolgreich arbeitet. Dort werden nur die besten Juristen Notare, so dass ein sehr guter Standard der notariell beurkundeten Verträge gewährleistet ist.

„Wir hoffen, dass in Baden-Württemberg die Qualität der Notarverträge insgesamt steigt, auch wenn das weniger Arbeit für uns Rechtsanwälte bedeutet “ kommentiert der Seniorpartner Cornel Pottgiesser diese Entwicklung. „Wir können dann nur noch wenige Fehler ausbügeln“.


Beifügung Mietspiegel bei Mieterhöhungsverlangen kann entbehrlich sein

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 11. März 2009 (VIII ZR 74/08) entschieden, dass es für ein ordnungsgemäßes Mieterhöhungsverlangen nicht erforderlich ist, den Mietspiegel beizufügen, wenn dieser im Kundencenter des Vermieters eingesehen werden kann. Die Klägerin - Vermieterin einer Wohnung in Wiesbaden - verlangte von den Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der Grundmiete. Zur Begründung des Erhöhungsverlangens berief sich die Klägerin auf den Mietpreisspiegel der Landeshauptstadt Wiesbaden und wies in ihrem Mieterhöhungsverlangen darauf hin, dass der Mietspiegel unter anderem beim Mieterschutzverein in Wiesbaden erhältlich sei und auch in ihrem Kundencenter eingesehen werden könne. Die Beklagten stimmten der Mieterhöhung nicht zu. Der Bundesgerichtshof urteilte nun, dass die Beifügung des Mietspiegels zur ordnungsgemäßen Begründung des Mieterhöhungsverlangens nicht erforderlich sei, wenn dieser allgemein zugänglich ist. In einem solchen Fall ist zur Prüfung der Angaben des Vermieters dem Mieter zumutbar, auf den ohne weiteres zugänglichen Mietspiegel zuzugreifen. Nichts anderes gilt, wenn die Einsichtnahme in den Mietspiegel wie im hier zu entscheidenden Fall im Kundencenter des Vermieters gewährleistet ist. Die Beifügung des Mietspiegels ist auch nicht deswegen erforderlich, um eine rechtliche Beratung des Mieters - etwa durch einen Rechtsanwalt - zu ermöglichen, weil dessen Kenntnis von dem Inhalt des Mietspiegels vorausgesetzt werden kann. Das Landgericht Wiesbaden wird nunmehr festzustellen haben, ob das Mieterhöhungsverlangen auch materiell berechtigt war.


Bundesverfassungsgericht kippt Hartz IV - Regelleistungen nach SGB II nicht verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem seit langem erwarteten Urteil vom 9. Februar 2010 (Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) die bisherige Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze als verfassungswidrig eingestuft.

Die Karlsruher Richter entschieden, dass die seit 2005 geltenden Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene und Kinder gegen das Grundgesetz verstoßen. Leistungen seien nicht korrekt ermittelt worden. Auch würden die gesetzlichen Vorschriften nicht dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Artikel 1 des Grundgesetzes genügen. Die bisherigen Vorschriften würden zudem gegen das in der Verfassung garantierte Sozialstaatsprinzip verstoßen.

Die Richter bemängelten, dass ein kinderspezifischer Bedarf überhaupt nicht ermittelt werde. Die Festsetzung des Sozialgelds für Kinder auf 60% der Erwachsenen beruhe auf keiner vertretbaren Methode zur Bestimmung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Dies umfasse neben der „physischen Existenz“ auch ein „Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“, so die Karlsruher Richter. Für unabweisbare besondere Notwendigkeiten sei eine Härte-Klausel erforderlich.

Enttäuschend dürfte für viele Hartz IV-Bezieher sein, dass der Senat in seiner Entscheidung ausdrücklich offen ließ, ob das Arbeitslosengeld II erhöht werden muss oder nicht. Der Senat gab dem Gesetzgeber auf, bis spätestens zum 31. Dezember 2010 die Berechnungsgrundlage neu zu regeln. Bis dahin gelten die bisherigen Regelungen weiter. Das Gericht stellte klar, dass in Ausnahmefällen Betroffene Zusatzleistungen sofort erhalten müssen. Daraufhin hat sich das Bundesarbeitsministerium mit der Bundesagentur für Arbeit am 16. Februar 2010 auf einen Katalog verständigt, in dem eine Reihe von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen anerkannt wird. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf den Seiten des Ministeriums.


Einwendungen gegen Betriebskostenabrechnungen müssen für jedes Abrechnungsjahr neu geltend gemacht werden

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Mai 2010 (VIII ZR 185/09) entschieden, dass ein Wohnungsmieter eine Einwendung gegen eine vom Vermieter erstellte Betriebskostenabrechnung auch dann innerhalb der dafür vorgesehenen Zwölf-Monats-Frist erheben muss, wenn er die der Sache nach gleiche Einwendung schon gegenüber früheren Betriebskostenabrechnungen geltend gemacht hat.


Haftung für unzureichend gesicherten WLAN-Anschluss

In seinem Urteil vom 12. Mai 2010 entschied der Bundesgerichtshof (I ZR 121/08), dass Privatpersonen auf Unterlassung - nicht dagegen auf Schadensersatz - in Anspruch genommen werden können, wenn ihr nicht ausreichend gesicherter WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten für Urheberrechtsverletzungen im Internet genutzt wird.


Mietminderung bei falscher Angabe der Wohnfläche - keine zusätzliche Toleranzschwelle bei „ca.“-Zusatz

Der Bundesgerichtshof hat am 10. März 2010 (VIII ZR 144/09) entschieden, dass bei der Berechnung der Mietminderung wegen Unterschreitung der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche auch dann keine zusätzliche Toleranzschwelle zu berücksichtigen ist, wenn die Wohnflächenangabe im Vertrag einen "ca."-Zusatz enthält.

Die Wohnungsgröße wurde im vorliegenden Rechtsstreit im Mietvertrag mit „ca. 100 m2“ angegeben. Da die Wohnung lediglich über eine Wohnfläche von 81 m2 verfügte, verlangten die Mieter Rückzahlung wegen überzahlter Miete. Das Amtsgericht hatte der Klage teilweise stattgegeben. Die Mieter legten wegen des teilweisen Unterliegens Berufung ein. Das Landgericht wies die Berufung mit der Begründung zurück, dass die Minderung nicht aus einer Wohnfläche von 100 m2, sondern mit Rücksicht auf die „ca.“-Angabe im Mietvertrag lediglich aus einer Fläche 95 m2 zu berechnen sei.

Die dagegen gerichtete Revision der Mieter hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass dem Zusatz „ca.“ für die Bemessung der Mietminderung keine Bedeutung zukommt. Die Minderung soll die Herabsetzung der Gebrauchstauglichkeit ausgleichen. Daraus folgt, dass die Höhe des Minderungsbetrages dem Umfang der Mangelhaftigkeit zu entsprechen hat. Die Mangelhaftigkeit liegt aber darin, dass die Wohnfläche mehr als 10% von der angegebenen Quadratmeterzahl abweicht. Damit hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung bekräftigt, dass die Abweichung von einer als Beschaffenheit vereinbarten Wohnfläche um mehr als zehn Prozent zum Nachteil des Mieters einen zur Minderung berechtigenden Sachmangel darstellt. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn der Mietvertrag zur Größe der Wohnfläche nur eine „ca.“-Angabe enthält (vgl. z.B. Urteil vom 22. April 2009, VIII ZR 86/08). Mit der jetzigen Entscheidung wird klargestellt, dass der relativierende Zusatz „ca.“ auch bei der Berechnung der Minderung keine zusätzliche Toleranzschwelle wie vorliegend vom Landgericht angenommen in Höhe von 5% rechtfertigt.


Mietspiegel der Nachbargemeinde zulässig

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Grundsatzurteil vom 16. Juni 2010 (VIII ZR 99/09) entschieden, dass Vermieter bei einer Mieterhöhung notfalls auch den Mietspiegel eines vergleichbaren Nachbarorts heranziehen können. Die Karlsruher Richter befanden, dass ein einfacher Mietspiegel grundsätzlich ausreiche, um die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln. Ein qualifizierter Mietspiegel mit wissenschaftlichem Gutachten eines vereidigten Sachverständigen muss dagegen nicht zwingend eingeholt werden. Dem Mieter bleibt vorbehalten, dass er begründete Einwände gegen die Zuverlässigkeit des örtlichen Mietspiegels erheben kann.

Die Richter gaben damit einem Vermieter Recht, der vom Mieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung in Backnang den Mietspiegel der Nachbarstadt Schorndorf herangezogen hatte, da diese von Lage, Größe und Infrastruktur eine mit Backnang vergleichbare Gemeinde sei und Backnang keinen eigenen Mietspiegel hatte. So verfügten beide Kommunen jeweils über einen S-Bahn-Anschluss und seien von Stuttgart ungefähr gleich weit entfernt.

Der Bundesgerichtshof hat weiter entschieden, dass auch nach Einführung des qualifizierten Mietspiegels im Jahr 2001 ein einfacher Mietspiegel alleinige Grundlage der dem Gericht obliegenden Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein kann. Zwar kommt dem einfachen Mietspiegel nicht die dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene gesetzliche Vermutungswirkung dahingehend zu, dass die im Mietspiegel genannten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben. Der einfache Mietspiegel stellt aber ein Indiz für diese Annahme dar. Ob diese Indizwirkung im Einzelfall zum Nachweis der Ortsüblichkeit der verlangten Miete ausreicht, hängt davon ab, welche Einwendungen der Mieter gegen den Erkenntniswert des Mietspiegels erhebt (z.B. fehlende Sachkunde, sachfremde Erwägungen, unzureichendes Datenmaterial). Im vorliegenden Fall hatte der Mieter jedoch keine Einwendungen erhoben, durch die die Indizwirkung des – einfachen – Mietspiegels für Schorndorf erschüttert worden ist. Das Landgericht Stuttgart hat sich somit zu Recht auf diesen Mietspiegel gestützt und die Ortsüblichkeit der vom Vermieter verlangten Miete festgestellt.


Reform zum Notarkostenrecht

Die von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eingesetzte Expertenkommission aus Vertretern der Notare, der Länder, der Richterschaft und des Bundesjustizministeriums hat Vorschläge für eine Modernisierung der Notarkosten erarbeitet. Die seit über 70 Jahren geltende Kostenordnung sei nicht mehr zeitgerecht. Die Reform des Notarkostenrechts soll einfacher und transparenter sein, zugleich die Modernisierung des Justizkostenrechts abrunden, deren wesentlicher Teil mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz bereits 2004 abgeschlossen wurde. Die derzeitigen Gebührenregelungen gehen noch von der gerichtlichen Zuständigkeit für die Beurkundung aus. Die neuen Regelungen sollen künftig unmittelbar auch für die Notare gelten. Abzuwarten bleibt nun, wie sich die Vorschläge der Kommission in der Praxis auswirken würden. Erst im Anschluss an diesen Prüfungsschritt würden die Vorschläge in den Referentenentwurf einfließen.

Die Kommission schlägt insbesondere folgende Änderungen vor:

  • klare und übersichtliche Struktur
  • transparente Darstellung der Gebühren- und Auslagentatbestände in einem Kostenverzeichnis
  • Angleichung an die übrigen Kostengesetze
  • Verzicht auf Auffangtatbestände
  • leistungsorientiertere Ausgestaltung der Gebührenregelungen, insbesondere für vorzeitig beendete Beurkundungsverfahren und für von einem Notar gefertigte Entwürfe
  • Anhebung der Gebühren im untersten Wertbereich
  • Einführung von Rahmengebühren bei Tätigkeitsbereichen, in denen starre Gebühren zu unangemessenen Ergebnissen führen können
  • Möglichkeit einer Gebührenvereinbarung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag bei Tätigkeiten als Mediator oder Schlichter, soll eine zugelassen werden.

Verfassungsbeschwerde gegen Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen erfolglos

Wie am 3. September 2010 bekannt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 6. Juli 2010 (2 BvR 1447/10) die Verfassungsbeschwerde eines Autofahrers gegen die Verurteilung zu einer Geldbuße wegen fahrlässiger Unterschreitung des im Straßenverkehr erforderlichen Sicherheitsabstands nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verurteilung stützte sich insbesondere auf das Ergebnis einer durch eine geeichte Anlage vorgenommenen Abstandsmessung sowie die dabei angefertigten Videoaufnahmen, auf denen der Autofahrer eindeutig zu erkennen war.

Die Karlsruher Richter sahen in der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung. Zudem sei der Autofahrer durch die angegriffenen Entscheidungen weder in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt noch verstoßen diese gegen das Willkürverbot. Als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen ist § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO nicht zu beanstanden. Die Norm erlaubt die Anfertigung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Dies gilt sowohl für die Anfertigung von Einzelaufnahmen als auch von Videoaufnahmen. Auch die Auslegung und Anwendung dieser Norm durch die Fachgerichte zeige keine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts, so die Richter des Verfassungsgerichts. Zwar stellen Bildaufnahmen mittels einer Identifizierungskamera einen Eingriff in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung dar. Der Zweck derartiger Maßnahmen der Verkehrsüberwachung, nämlich die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit der Schutz von Rechtsgütern mit erheblichem Gewicht, rechtfertigen jedoch eine Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass, auch wenn es sich um verdeckte Datenerhebungen handelt, nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet werden, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind. Die Maßnahme zielt zudem nicht auf Unbeteiligte, sondern ausschließlich auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben haben, da der Verdacht eines bußgeldbewehrten Verkehrsverstoßes besteht. Schließlich entfaltet die Maßnahme über die Ahndung der Verkehrsordnungswidrigkeit hinaus grundsätzlich keine belastenden Wirkungen für den Betroffenen. Denn es bestehen in § 101 StPO hinreichende grundrechtssichernde Verfahrensvorschriften über die Benachrichtigung sowie zur Kennzeichnung und Löschung von Daten. Vor diesem Hintergrund und angesichts des bezweckten Schutzes der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben im Straßenverkehr bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden verkehrsrechtlichen Maßnahme.

Soweit im vorliegenden Fall auch Übersichtsaufnahmen von einer Brücke aus angefertigt wurden, ist bereits ein Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung zu verneinen. Denn zum einen war nach den amtsgerichtlichen Feststellungen eine Identifizierung der Fahrer oder Kennzeichen anhand der dauerhaftangefertigten Übersichtsaufnahmen nicht möglich. Zum anderen sind die Übersichtsaufnahmen nach ihrer Zweckbestimmung nicht auf eine Individualisierung des Betroffenen ausgerichtet; diese soll vielmehr ausschließlich durch die verdachtsabhängige Anfertigung von Bildaufnahmen mittels der am Fahrbahnrand aufgestellten Identifizierungskamera erfolgen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 71/2010 des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2010, Text geändert und gekürzt


Verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters bei Wohnungsräumung

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt die eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch einen Vermieter eine unerlaubte Selbsthilfe dar, für deren Folgen der Vermieter verschuldensunabhängig nach § 231 BGB haftet, Urteil vom 14. Juli 2010 (VIII ZR 45/09). Die Karlsruher Richter bekräftigten damit ihre früheren Entscheidungen.

Der Vermieter, der eine Wohnung in Abwesenheit des Mieters ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels durch verbotene Eigenmacht in Besitz nimmt, hat sich aufgrund der ihn treffenden Obhutspflicht nicht nur zu entlasten, soweit ihm die Herausgabe nachweislich vorhandener Gegenstände unmöglich wird oder nachweislich eine Verschlechterung an herauszugebenden Gegenständen eintritt. Er muss aufgrund seiner Obhutspflicht die Interessen des an einer eigenen Interessenwahrnehmung verhinderten Mieters auch dadurch wahren, dass er bei der Inbesitznahme ein aussagekräftiges Verzeichnis der verwahrten Gegenstände aufstellt und deren Wert schätzen lässt. Kommt er dem nicht nach, hat er zu beweisen, in welchem Umfang Bestand und Wert der der Schadensberechnung zugrunde gelegten Gegenstände von den Angaben des Mieters abweichen, soweit dessen Angaben plausibel sind.


Fortbildung 2023: „Geschäftsbedingungen für Unternehmer – AGB-Kontrolle und typische Vertragsklauseln im Handelsrecht“

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser wird am

  • 15. März 2023 in Düsseldorf

zum Vertragswerk im unternehmrerichen Rechtsverkehr referieren. Allgemeine Geschäftsbedingungen oder kurz AGB begegnen einem überall im Rechtsverkehr, vom Fitness Abo bis zum Börsengang. An die Wirksamkeit von Geschäftsbedingungen wird ein sehr viel strengerer Maßstab der Wirksamkeit angelegt als an individuell ausgehandelte Vereinbarungen. Oft sind AGB daher unwirksam. In diesem Seminar erwerben und vertiefen Sie vor allem Ihre Kenntnisse, wie Sie Geschäftsbedingungen wirksam gestalten. Die wirksame Einbeziehung oder auch die Umgehung der Anwendbarkeit des strengen AGB-Maßstabs sind aber ebenso Inhalt wie die Geltendmachung der Unwirksamkeit vor Gericht. Weitere Informationen finden Sie unter VDA - Verband Deutscher Anwälte e. V.

Fortbildung 2021: „Das neue Personengesellschaftsrecht (MoPeG)“

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser wird am

  • 26. Oktober 2021 auf den Schwetzinger Handels- und Gesellschaftsrechtstagen

zur Jahrhundertreform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft referieren. Der Vortrag betrifft vor allem auch die GmbH & Co. KG. Weitere Informationen zu den Vorträgen finden Sie unter Seminare im Schloss - SiS


Pottgiesser & Partner setzt auf Nachhaltigkeit - Elektroladestelle (22 kW) für Mandanten kostenlos nutzbar

Seit 2021 können Mandanten während der Besprechung ihr Fahrzeug an der Ladestelle der Kanzlei kostenlos laden. Der Strom wird ausschließlich von einem regionalem Anbieter im Schwarzwald aus Wasserkraft erzeugt. Partner Cornel Pottgiesser: "Wir freuen uns, so mit unseren Mandanten einen kleinen Beitrag für das Klima leisten zu können".


Fortbildung 2020: „Gesellschafterstreit – Vertragsgestaltung und Gerichtsprozess“

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser wird am

  • 13. März 2020 in Stuttgart
  • 8. Mai 2020 in Frankfurt am Main
  • 22. Mai 2020 in Düsseldorf
  • 23. Oktober 2020 in Hamburg
  • 11. Dezember 2020 in Berlin
  • 18. Dezember 2020 in München

zum Thema „Gesellschafterstreit – Vertragsgestaltung und Gerichtsprozess“ referieren. Weitere Informationen zu den Vorträgen finden Sie unter DASV (Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.)


Fortbildung 2017: „Optimale Gestaltung von Gesellschaftsverträgen“

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser wird am

  • 27. Januar 2017 in Leipzig
  • 10. März 2017 in Stuttgart
  • 28. April 2017 in Düsseldorf
  • 12. Mai 2017 in Hamburg
  • 22. September 2017 in Frankfurt/Main
  • 13. Oktober 20147 in Berlin
  • 10. November 2017 in München

zum Thema „Optimale Gestaltung von Gesellschaftsverträgen - Update 2017“ referieren. Weitere Informationen zu den Vorträgen finden Sie in Kürze bei DASV (Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.)


Kemptener Tagesseminar Geschäftsbedingungen und Rahmenverträge

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Cornel Pottgiesser, referiert am Freitag, 1. Februar 2013, zum Thema „Geschäftsbedingungen und Rahmenverträge“. Anmeldemöglichkeiten finden Sie auf der Homepage von Thümlein & Kollegen Seminar GbR.


Optimale Gestaltung von Gesellschaftsverträgen

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Cornel Pottgiesser, referiert am 27. Oktober 2012 in Schwetzingen zum Thema „Optimale Gestaltung von Gesellschaftsverträgen“. Anmeldemöglichkeiten finden Sie auf der Homepage von SiS - Seminare im Schloss.


Fortbildung 2013: „Optimale Gestaltung von Gesellschaftsverträgen“ und „Geschäftsbedingungen und Rahmenverträge für Hightech“

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser wird am

  • 19. April 2013 in Berlin
  • 7. Juni 2013 in Düsseldorf
  • 5. Juli 2013 in München
  • 27. September 2013 in Stuttgart
  • 8. November in Hamburg
  • 13. Dezember in Frankfurt/Main

zum Thema „Optimale Gestaltung von Gesellschaftsverträgen - Update 2013“ und am

  • 11. Oktober 2013 in Stuttgart
  • 22. November 2013 in Düsseldorf
  • 29. November 2013 in München

zum Thema „Geschäftsbedingungen und Rahmenverträge für Hightech - Update 2013“ referieren. Weitere Informationen zu den Vorträgen finden Sie auf der Homepage des DASV (Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.) unter Gesellschaftsverträge und Hightech.


„Die Cloud und das Recht“

Vortrag von Rechtsanwalt Cornel Pottgiesser bei der Pecha Kucha Night Esslingen #01 am 19. September 2012 im Alten Rathaus Esslingen:

„Unser Leben wird immer virtueller. Bei dem Begriff Briefkasten denken wir kaum noch an die Blechdose vor unserer Haustür. Kontoauszüge mit der Post haben wir schon lange nicht mehr und unsere Urlaubsbilder werden nur noch selten gedruckt.

Was geschieht mit meinen Daten in der Computerwolke "Cloud"? Wer darf damit was tun? Was passiert, wenn etwas nicht so ist, wie ich es gerne hätte? Welches Gericht hilft mir, wenn mein virtueller Anbieter nicht mitspielt? Hilft mir mein deutsches Recht überhaupt weiter? Die Möglichkeiten moderner Datenkommunikation mittels Smartphone, Internet und Datentransfer bieten jede Menge Chancen, doch lauern auch Gefahren. Scoring und Profiling schaffen einen sehr durchsichtigen Nutzer. Hier ist der Schutz des Rechts gefragt.

Mein Vortrag soll Ihnen die Leitlinien zum Grundverständnis darstellen. Auch ein paar Tipps zur Vorbeugung und zur Reaktionsmöglichkeiten können nicht schaden."


Wie gestalte ich meine Nachlassregelung? - Gute Gründe, ein Testament zu machen und Fehler, die Sie dabei vermeiden können

Rechtanwalt und Fachanwalt Frank Felix Höfer macht dieses Jahr den Auftakt der Vortragsreiche des Malteser Hilfsdienst e.V. Bezirk Stuttgart.

 Termin: Mittwoch, 21. März 2012 
 Uhrzeit: 15.00 Uhr
 Ort: Salemer Pfleghof (Kaiserzimmer), Esslingen
 Referent: Rechtsanwalt und Fachanwalt Frank Felix Höfer

„Das Gut rinnt wie das Blut“, sagt der Volksmund über das deutsche Erbrecht. Gemeint ist, dass nur die Ehegatten und nächsten Verwandten erben, wenn kein Testament vorhanden ist. Wer Streit vermeiden und aufteilen möchte, wer was erhält, muss seinen letzten Willen niederschreiben.

In diesem Vortrag wird Ihnen erläutert, wie Sie ein gültiges Testament aufsetzen und aufbewahren, wer erbt, wenn kein Testament vorhanden ist, was Sie in einem Testament regeln können, wie Sie Fehler bei der Nachlassgestaltung vermeiden können.

Anmeldung: Malteser Hilfsdienst e.V. Bezirk Stuttgart unter 0711 / 92582-44 oder kontakt@malteser-stuttgart.de.


Vorträge zum Thema Testamentsgestaltung

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Frank Felix Höfer wird am

  • 9. Mai 2012 in Düsseldorf,
  • 13. Juni 2012 in Hamburg,
  • 20. Juni 2012 in Stuttgart,
  • 19. September 2012 in Berlin,
  • 10. Oktober 2012 in Frankfurt/Main,
  • 7. November 2012 in München,
  • 14. November 2012 in Dresden (Termin vom 21. November 2012 vorverlegt)

zum Thema „Testamentsgestaltung“ referieren. Behandelt werden u.a. Einzel- und Ehegattentestamente, Testamente für Geschiedene und Patchworkehen, Behindertentestamente, Testamente bei überschuldetem Erben, Unternehmertestamente sowie Testamente und andere Verträge zur Pflichtteilsreduzierung. Weitere Informationen zum Vortrag finden Sie auf der Homepage des DASV (Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.) und und der DANSEF (Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e.V.).


Richtig unternehmen! und Richtig vererben!

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Cornel Pottgiesser, und Fachanwalt für Erbrecht, Frank Felix Höfer, starten neue Vortragsserien

Endlich stehen die neuen Termine für die Vorträge der einzigen Fachanwälte für Handels- und Gesellschaftsrecht und Erbrecht in Esslingen fest:

Richtig unternehmen!

  • Mittwoch, 8. Juni 2011: Verträge und Geschäftsbedingungen richtig formulieren
  • Mittwoch, 13. Juli 2011: Markenrecht für Einsteiger
  • Mittwoch, 11. Oktober 2011: Richtige Rechtsform: Mini-GmbH und andere Gesellschaften

Richtig vererben!

  • Donnerstag, 12. Mai 2011: Selbstbestimmung wahren mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
  • Dienstag, 28. Juni 2011: Richtig vererben und enterben
  • Dienstag, 12. Juli 2011: Was tun mit der Erbschaft?

Die Vorträge beginnen jeweils um 19.30 Uhr in der Kanzlei Pottgiesser & Partner, Gayernweg 17-2, 73733 Esslingen. Eine Anmeldung ist erforderlich unter info@pottgiesser.de. Die Teilnahme ist kostenlos.

Die Sozietät Pottgiesser & Partner berät mittelständische Unternehmen und Familienunternehmer. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich des Wirtschaftsrechts, Erbrechts und internationalen Rechts. Die Kanzlei wurde 1999 gegründet; ihre Partner wurden teilweise im Ausland ausgebildet und sind als Fachanwälte zugelassen.


Wir haben Recht!

Esslinger Wirtschaftsrechtssozietät stellt neue PR-Kampagne vor

„Mit unserem Public Relations-Partner konnten wir jetzt einen frischen und frechen Auftritt unserer Sozietät realisieren,“ freut sich Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser. „Wir sind sicher, dass wir uns mit der neuen pointierten Anzeige von unserem Wettbewerb unterscheiden“, ergänzt er. Herkömmliche Imageanzeigen von Rechtsanwälten seien oft ein wenig bieder. Trotz der Botschaft seriöser Rechtsberatung müsse Werbung von Rechtsanwälten nicht langweilig sein.

Die jetzige Kampagne basiert auf den Erfahrungen aus den Demonstrationen für und gegen den neuen Bahnhof in Stuttgart (S 21). Mit derselben Beharrlichkeit muss auch ein guter Rechtsanwalt die Interessen seines Mandanten verfolgen und verteidigen. Er muss unbequem sein, neue Wege gehen und darf das Ziel nicht aus den Augen verlieren.


„Vorsorgen und vererben“ - Vortrag im Rahmen der Reihe fit4Bizz der Wirtschaftsjunioren Esslingen

 Termin: Dienstag, 15. Februar 2011 
 Uhrzeit: um 19.00 Uhr
 Ort: IHK, Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen, Fabrikstraße 1, 73728 Esslingen
 Referent: Rechtsanwalt Frank Felix Höfer

Jeder kann unerwartet in Lebenssituationen geraten, in denen es ihm nicht mehr möglich ist, eigenverantwortlich zu handeln. Wenn Sie sichergehen wollen, bei Krankheit und im Alter gut versorgt zu werden und für den Todesfall alle Angelegenheiten geregelt zu haben, müssen Sie rechtzeitig Vorsorge treffen. Streitigkeiten im Krankheitsfall und beim Erbe haben schon viele Familien auseinander gebracht.

Mit einer Patientenverfügung und einer Vorsorgevollmacht können Sie sich ein hohes Maß an Selbstbestimmung erhalten, sobald Sie nicht mehr selbst entscheiden können. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass die Familie oder der Ehepartner befugt wären, notwendige Entscheidungen zu treffen.

Auch das Erbrecht betrifft Sie immer mehr. In den nächsten Jahren werden große Vermögenswerte an die nächste Generation übertragen. Streitige Auseinandersetzungen und Gerichtsverfahren werden zunehmen, weil im Bereich des Erbrechts oft Unkenntnis und Unklarheit über einzelne Sachverhalte und Fragen bestehen. Durch eine klare Regelung im Testament können Sie Streit vermeiden.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Wirtschaftsjunioren Esslingen. Dort können Sie sich auch über ein Anmeldeformular oder per E-Mail zum Vortrag anmelden.


Kompetenz im Erbrecht gestärkt

Pottgiesser & Partner, Rechtsanwälte, begrüßen ihren Partner Frank Felix Höfer als ersten Fachanwalt für Erbrecht in Esslingen

„Wir freuen uns sehr, dass unsere Kompetenz bei der Beratung von erbrechtlichen Angelegenheiten jetzt auch amtlich dokumentiert ist“, freut sich Cornel Pottgiesser, Partner der Sozietät und bereits seit mehreren Jahren einziger in Esslingen niedergelassener Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. „Unsere Mandanten suchen immer stärker den kombinierten Rechtsrat, wenn sie ihr Unternehmen ihren Kindern übertragen wollen.“ so Pottgiesser. Eine gute Nachfolgeregelung müsse sowohl das Unternehmen als auch den Unternehmer im Visier haben. Nur, wenn die gesellschaftsrechtlichen Strukturen mit den erbrechtlichen Anforderungen übereinstimmen, könne ein Mandant zufrieden gestellt werden. In Zeiten der so genannten Erbengeneration könne hier viel falsch gemacht werden, vor allem auch unnötige Steuern anfallen.


„Zusammen arbeiten, zusammen gehören?“

Christliche, jüdische und muslimische Unternehmer diskutieren die Praxis der Integration von Mitarbeitern verschiedener Religionen

Auf Einladung des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU e. V.) und des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer Regionalgruppe Württemberg (AEU) trafen am 16. November 2010 im Großen Saal des Hauses der Katholischen Kirche in Stuttgart Prof. Dr. Ulrich Goll MdL, Integrationsbeauftragter, Justizminister und stv. Ministerpräsident Baden-Württembergs und Prof. Dr. Urs Baumann, Institut für Ökumenische Forschung, Eberhard Karls Universität Tübingen, Unternehmer verschiedener Religionen: Wolf Ehrenberg, Geschäftsführender Gesellschafter der Neumo GmbH+Co. KG, Knittlingen, Sami Erkurt, Geschäftsführender Gesellschafter der Itikat Helal GmbH, Altbach, und Dr. Alfred Odendahl, Geschäftsführer der Bosch Management Support GmbH, Leonberg waren als Unternehmer geladen.

Prof. Goll zeichnete in seinem Impulsreferat das Bild der nach seiner Ansicht gelungenen Integration ausländischer Arbeitnehmer in Baden-Württemberg. „Arbeit, Sprache und Verfassung sind die wichtigsten Voraussetzungen für Integration.“, erläuterte Goll die Politik der Landesregierung. Ein sicherer Arbeitsplatz auf Grund einer starken Wirtschaft sei die beste Voraussetzung für Integration. Aber auch frühkindliche Sprachentwicklung müsse gefördert werden. Danach untersuche das Land Vorschulkinder auf ihre Deutschkenntnisse und fördere bei Bedarf. 44 % der Migrantenkinder müssten danach geschult werden. In einem säkularen Staat habe schließlich die Verfassung Werte vorzugeben. Diese Werte seien auch ausreichend. Leitkultur sei etwas womit er nichts anfangen könne. Deutsche Leitkultur à la Costa Brava im Sommer würde bei ihm nur Kopfschütteln hervorrufen.

Prof. Baumann führte anschließend in die religiöse Dimension ein. Er forderte, dass sich auch die aufnehmende Nation bei der Integration ändern, auf die Migranten zugehen müsse („Inkulturation“). Die Mehrheit der kaum noch aktiven Christen hier dürfe sich auch nicht empören, dass vor allem Muslime Religion ernst nähmen. Religionsfreiheit stünde für alle unter dem Schutz der Verfassung. Baumann zeigte aber auf, dass die Gemeinsamkeit der großen Weltreligionen überwögen. Die von ihm unterstützte Initiative „Weltethos“ sei ein Motor für weltweit gültige Werte. Er führte ein in die konkreten religiösen Herausforderungen des Unternehmeralltags wie Feiertage, Essensverbote, Beträume und Kopftücher.

BKU AEU

BKU AEU

Auf dem Podium unterstrichen alle Unternehmer ihren pragmatischen Ansatz. „Wer den Menschen als Subjekt in den Mittelpunkt stelle, habe auch mit Mitarbeitern unterschiedlicher Religionen keine Probleme“, unterstrich Dr. Odendahl die Wertorientierung in der Bosch-Gruppe. Dort würden die Bedürfnisse der Mitarbeiter konkret und vor Ort, z. B. wegen Feiertagen oder schweinefleischfreiem Essen berücksichtigt. „Selbstverständlich gibt es bei uns in der Kantine ein vegetarisches Gericht, das sowohl „helal“ für Muslime als auch „koscher“ für Juden ist,“ dokumentierte Ehrenberg die konkreten Einzelheiten integrationsfreundlicher Unternehmenspolitik. „In einem Familienunternehmen wie Neumo ist aber vor allem gute Führung entscheidend. Die Leute wissen aber auch, dass sie in einem jüdischen Unternehmen arbeiten, in dem herabbelastende Äußerungen über die Religion des anderen strikt verboten sind, und sie halten sich daran.“, so Ehrenberg. Mit dieser Wertschätzung gegenüber dem anderen Mitarbeiter sei Integration täglich verwirklicht. Nicht zuletzt wirtschaftlicher Erfolg mache Integration sehr viel einfacher, eine Feststellung, der die anderen Unternehmer uneingeschränkt zustimmten.

Auch ohne den leider verhinderten Sami Erkurt zeigte die Veranstaltung, dass sich die Praxis der Integration bei weitem besser darstelle, als es die teilweise hysterische öffentliche Diskussion glauben macht. „Offensichtlich haben wir mit der These gelungener Integration offene Türen eingerannt“, schloss Moderator Cornel Pottgiesser, Rechtsanwalt und stv. Vorsitzender der Diözesangruppe Stuttgart.

Die Diözesangruppe Stuttgart des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU e. V.) ist Teil des katholischen Unternehmerverbands in Deutschland, einem Zusammenschluss von Unternehmern, Leitenden Angestellten und Selbständigen. In seinen Arbeitskreisen entstehen innovative Konzepte zur Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der Verband sieht sich als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Kirche und Politik.


Kommentar von Cornel Pottgiesser zum BGH Urteil

In der aktuellen Ausgabe der EWiR (Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht) kommentiert Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser die Entscheidung des BGH vom 2. Dezember 2009 - I ZR 152/07 (OLG Stuttgart). Der Leitsatz des Gerichts lautet: „Steuerliche Vorschriften stellen grundsätzlich keine Marktverhaltensregelungen dar. Ihre Verletzung kann auch nicht unter Zuhilfenahme des Vorsprunggedankens als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden.“ (§ 4 Nr. 11, § 3 Abs. 1 UWG, § 65 Nr. 3 AO)

BGH EWiR § 4 UWG 4/10, 547 (Pottgiesser)


Dicker Turm - eine Sommerakademie mit Freunden

Tatsächlich ohne Regen konnten unsere Mandanten und Freunde den Esslinger Stadtweinberg begehen und besichtigen. Unter dem „Dicken Turm“ der Esslinger Burg begeisterte der Vorstandsvorsitzende der Esslinger Weingärtner, Albrecht Sohn. Pinot Grigio junge Blätter, Restsüße und Trockenmauern kennen wir jetzt. Aus dieser Theorie wurde Praxis…

Sommerakademie 2010 Sommerakademie 2010 Sommerakademie 2010 Sommerakademie 2010 Sommerakademie 2010 Sommerakademie 2010

Wir freuen uns auf die nächste Sommerakademie mit Freunden.


Bewahren Sie Ihr Recht auf Selbstbestimmung!

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht nach der Gesetzesänderung vom 18. Juni 2009

      Mittwoch, 15. Juli 2009, 19.30 Uhr
      Zentrum Zell, Clubraum,
      Alleenstr. 1, Esslingen
      Vortrag von Rechtsanwalt Frank Felix Höfer

Der Deutsche Bundestag hat am 18. Juni 2009 eine gesetzliche Regelung zur Wirksamkeit und Reichweite von Patientenverfügungen beschlossen. Nur durch eine schriftliche Patientenverfügung können Sie für den Fall, dass Sie Ihren Willen nicht mehr bilden oder verständlich äußern können, festlegen, ob bestimmte ärztliche Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden. Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass nahe Angehörige befugt wären, diese notwendigen Entscheidungen zu treffen.

Eine Vorsorgevollmacht ist die Bevollmächtigung einer Vertrauensperson für den Fall der Entscheidungs- beziehungsweise Handlungsunfähigkeit. Der Gesetzgeber hat bisher keine Regelung geschaffen, wonach die Familie oder der Ehepartner diese Verantwortung übernehmen kann. Wenn Sie keine Vorsorge treffen, wird das Vormundschaftsgericht einen Amtsbetreuer einsetzen, auf dessen Auswahl Sie keinerlei Einfluss haben.

Der Vortrag wird Ihnen zeigen, welche Änderungen der Gesetzgeber beschlossen hat und welche Vorsorgeregelung Sie für ein selbstbestimmtes Leben treffen können und welche Risiken damit verbunden sind.

Bitte melden Sie sich bis spätestens zum 10. Juli 2009 über unser Kontaktformular an.


BKU Abend-Workshop „Wirtschaftsmediation“ 25. September, 19.00 Uhr im Best Western Premier Hotel Park Consul, Esslingen

„Wenn wir die Vergangenheit und die Gegenwart miteinander streiten lassen, verlieren wir die Zukunft.“(W. Churchill)

Was bedeutet Mediation? Der Rechtsstreit gräbt in der Vergangenheit, die Mediation schaut nach vorne. Die Fragen: „Wer hat Recht?“ und „Wer hat Schuld?“ werden hier nicht gestellt. Mediation strebt eine Lösung des gegenwärtigen Konfliktes an - kein Urteil über vergangenes Verhalten.

Frau Rechtsanwältin Susanne Korff wird den Teilnehmern einen praktischen Einblick in ihre Erfahrungen der Wirtschaftsmediation geben. Sie veranschaulicht, wie Streitparteien ihren Konflikt mit Hilfe eines Mediators selbst nachhaltig lösen und damit eine tragfähige Basis für eine gemeinsame Zukunft schaffen können.


Bundesgerichtshof folgt unserer Argumentation

In seinem Beschluss vom 22. Oktober 2009 (Aktenzeichen V ZB 77/09) bestätigt der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshof verbindlich, dass Zwangsverwalter keinen Anspruch auf Vergütung haben, wenn sie ihre Treuepflicht gegenüber den Verfahrensbeteiligten vorsätzlich, mindestens aber grob leichtfertig verletzt haben. Bei einer solchen Treuepflichtverletzung sei der Verlust des Anspruchs auf die Vergütung nicht unverhältnismäßig. Der Zwangsverwalter habe zur Verfolgung seiner wirtschaftlichen Vorteile sich grob rücksichtslos über die Interessen der anderen Verfahrensbeteiligten hinweggesetzt.

Pottgiesser & Partner hatten diese Rechtsansicht bereits in beiden vorherigen Instanzen vertreten. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird als wichtige Entscheidung in der Rechtsprechungssammlung veröffentlicht.


bwcon: Bericht zum Vortrag von Cornel Pottgiesser vom 26. April 2010

„Die Limited ist tot, die Unternehmergesellschaft lebt“ - betrachtet man die wachsende Anzahl der Firmengründungen in der Rechtsform einer sogenannten „Mini-GmbH“, scheint diese Aussage durchaus zutreffend. Das Gesetz zur neuen Unternehmergesellschaft, einer Sonderform der GmbH, wurde vor anderthalb Jahren unter dem Druck der zunehmenden Gründung von Unternehmen als Limited verabschiedet. Wie hat sich die neue Rechtsform seither bewährt?

Einen der größten Vorteile der neuen Rechtsform sieht Rechtsanwalt Cornel Pottgiesser darin, dass man sich mit der UG auch bei der Gründung oder dem Erwerb von Unternehmen im Ausland nach wie vor im deutschen und damit kontintentalen Recht bewegt. „Die rechtliche Due-Dilligence wird bspw. durch den gutgläubigen Erwerb von Anteilen deutlich vereinfacht“. Die Haftung im Bereich des Gesellschaftrechtes orientiert sich auch im Außenverhältnis am deutschen Recht. (...)

Die vollständige Mitteilung finden Sie auf der Seite von bwcon.


bwcon: Business Roundtable "Schneller, einfacher, "billiger" - die Unternehmergesellschaft lebt

am 26. April 2010 der MFG Baden-Württemberg, bwcon: Meeting Area

Die Veranstaltung wird nach gut einem Jahr des Rechts zur neuen Unternehmergesellschaft die ersten Eindrücke bei der Gründung und der täglichen Praxis wiedergeben.

Das Gesetz zur neuen Unternehmergesellschaft (UG, "Mini-GmbH") hat nicht nur zu einer Vereinfachung von Unternehmensgründungen geführt, sondern auch die Attraktivität der GmbH für bestehende mittelständische Unternehmen erhöht, z.B.:

  • Sie können jetzt den Verwaltungssitz Ihres Unternehmens ins Ausland verlegen, ohne eine ausländische Gesellschaft gründen zu müssen. Ihre betriebsinternen Prozesse oder auch Ihre Steuerpflicht werden so optimiert.
  • Sie können Unternehmen schneller erwerben. Gesellschafter können mit der neuen Gesellschafterliste einfacher identifiziert werden.
  • Ihr ausländischer Geschäftsführer kann schneller bestellt werden. Kein Chinese oder Südamerikaner muss noch langwierig nachweisen, dass er über einen Aufenthaltstitel verfügt.

Die englische Limited ist derzeit keine sinnvolle Alternative mehr.

Zielsetzung der Veranstaltung:

  • Initiativvortrag und Diskussion zum Thema Unternehmergesellschaft
  • Erläuterung und Vergleich unterschiedlicher Rechtsformen
  • Erläuterung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Hinweise auf Gestaltungsmöglichkeiten
  • Erfahrungsaustausch mit juristischen Experten und anderen Unternehmen im Hightech-Umfeld

Der Referent, Cornel Pottgiesser, ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht mit den Tätigkeitsschwerpunkten Wirtschaftsrecht, Vertragsrecht und Internationales Recht. Er ist Partner der Kanzlei Pottgiesser & Partner in Esslingen und Mitglied der bwcon: SIG IT-Recht. Weiter ist er der Rechtsberater der Wirtschaftjunioren Deutschland e. V. (WJD), dem größten Jungunternehmerverband Deutschlands. Zudem unterstützt er das Partnernetz für Unternehmensgründungen aus Stuttgarter Hochschulen PUSH!

Im Anschluss an die Veranstaltung bietet ein Get Together die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, Roundtable Inhalte vertieft zu diskutieren und Kontakte zu knüpfen.

Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeiten finden Sie auf der Website von bwcon.


bwcon: Business Roundtable am 13. Oktober 2009, 18.00 Uhr

„Cloud Computing - eine juristische und technologische Entdeckungsfahrt"

Cloud Computing beinhaltet die kombinierte Bereitstellung von On-Demand-Infrastruktur (z.B. Rechner und Speicherplatz) und On-Demand-Software (z.B. Anwendungen, Betriebssysteme), über die vielfältige Geschäftsprozesse abgewickelt werden können. Da der Anwender die IT-Landschaft und Anwendungen wie Spezialsoftware nicht mehr selbst vorhalten muss, können erhebliche Kosteneinsparungen realisiert werden. Allerdings befinden sich die Daten und Anwendungen nun nicht mehr auf lokalen Rechnern des Unternehmens sondern „in der Wolke“. Um das Verständnis für die Funktionsweise sowie für die Vorteile und Fallstricke des Konzepts zu verbessern, werden Sie mit diesem bwcon: Roundtable auf eine juristische und technologische Entdeckungsfahrt mitnehmen.

Gerd Breiter, IBM Distinguished Engineer, erläutert mit einem technischen Einführungsvortrag das Konzept Cloud Computing und weist auf Anwendungsmöglichkeiten hin. Anschließend gibt der Rechtsanwalt Cornel Pottgiesser von der Kanzlei Pottgiesser & Partner mit seinem Vortrag „Cloud Computing - eine juristische Entdeckungsfahrt“ einen rechtlichen Überblick. Er erörtert vergleichbare Vertragssysteme, um dann juristische Gestaltungsmöglichkeiten auszuloten. Anhand der Kundenanforderungen ist die Dienstleistung in einem Service Level Agreement („SLA“) exakt zu bestimmen, unter Umständen anhand eines Pflichtenhefts. Die Verantwortlichkeit des Anbieters und die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs stehen hierbei im Vordergrund. Auch das Thema Datensicherheit („Safe Harbor“) spielt für die Akzeptanz dieses neuen Konzepts eine wichtige Rolle und wird daher im Vortrag aufgegriffen.

Im Anschluss bietet ein Get Together die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, Roundtable Inhalte vertieft zu diskutieren und Kontakte zu knüpfen.

Cornel Pottgiesser ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht mit den Tätigkeitsschwerpunkten Wirtschaftsrecht, Vertragsrecht und Internationales Recht. Er ist Partner der Kanzlei Pottgiesser & Partner in Esslingen und Mitglied der bwcon: SIG IT-Recht. Zudem unterstützt er das Partnernetz für Unternehmensgründungen aus Stuttgarter Hochschulen PUSH!

Gerd Breiter ist IBM Distinguished Engineer im IBM Forschungs- und Entwicklungslabor in Böblingen. Als der Tivoli Chefarchitekt für Cloud Computing arbeitet er federführend im weltweiten Verbund mit anderen Architekten und Forschern an der Entwicklung von Cloud Computing und Dynamic Infrastructure. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Integration von Green Computing Technologien in Cloud Computing. Seine Arbeiten im Bereich von Cloud Computing und Utility Computing begann Gerd Breiter vor fast 10 Jahren mit der "Open Grid Services Architektur", die Grid Technologien mit den damals aufkommenden Web Services- und J2EE Technologien verbunden hat.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage von Baden-Württemberg: Connected e.V. (bwcon). Dort können Sie sich auch über ein Anmeldeformular oder per E-Mail zum Roundtable anmelden.


Das neue GmbH-Gesetz kommt zum 1. November 2008 - Einführung in das neue Recht ("MoMiG")

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist einer der juristischen Exportschlager Deutschlands. Nach mehr als 100 Jahren Dienstzeit wird sie grundsätzlich reformiert. Vor allem Existenzgründer und international operierende Unternehmen werden erhebliche Erleichterungen finden. Neben der Vereinfachung der Gründung durch weniger Formalismus entsteht eine neue Gesellschaftsform ohne Stammkapital, die Unternehmergesellschaft ("UG").

Eine weitere große praktische Änderung wird die Möglichkeit sein, mit einer deutschen GmbH seinen Verwaltungssitz im Ausland zu nehmen. So können Sie als Unternehmer Ihre Auslandsgesellschaften in der bekannten Rechtsform der GmbH führen ohne die gesamten Feinheiten des Rechts vor Ort, etwa in der Schweiz, Rumänien oder den USA zu kennen.

Am

24. November 2008, 19.00 Uhr

wird Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser bei den Wirtschaftsjunioren der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen, Fabrikstr. 1, 73728 Esslingen, über die Gesetzesänderungen einschließlich der letzten Aktualisierung informieren, nachdem das neue Recht endlich Bundestag und Bundesrat passiert hat. Bitte sprechen Sie uns an, falls Sie eine Einladung benötigen. Am einfachsten benutzen Sie unser Kontaktformular.

Den Vortrag können Sie hier herunterladen.


Die virtuelle Kanzlei Pottgiesser & Partner, Rechtsanwälte, wird Wirklichkeit - auch vor dem Landgerichten in Stuttgart, Freiburg und Mannheim kann das Gerichtsverfahren jetzt vollständig elektronisch durchgeführt werden

RAK LogoDer elektronische Rechtsverkehr in Baden-Württemberg wurde ausgeweitet. Die Kanzlei Pottgiesser & Partner, Rechtsanwälte, muss Klageschriften und Klageerwiderungen, Fristverlängerungen oder Urteile nicht mehr dreifach mit der Post an das Gericht oder den Anwalt des Prozessgegners verschicken. Seit dem 1. Dezember 2008 besteht in Baden-Württemberg nach dem Landgericht Mannheim nun auch an den Landgerichten Stuttgart und Freiburg die Möglichkeit, den Rechtsverkehr in sämtlichen Zivilverfahren einschließlich der Verfahren vor den Kammern für Handelssachen ausschließlich elektronisch abzuwickeln.

Die Verfahren können jetzt vor den Zivilkammern in elektronischer und rechtssicherer Form (qualifizierte Signatur) über das verschlüsselte „Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach“ (EGVP-Portal) betrieben werden. Unmittelbar nach Versendung eines elektronischen Schreibens wird automatisch eine ebenfalls elektronische Empfangsbestätigung übermittelt, die Aufschluss über den Zeitpunkt und den Erfolg der Versendung gibt.

Die qualifizierte Signatur basiert auf einem Zertifikat des Zertifizierungsdiensteanbieters (ZDA), wonach der Signaturprüfschlüssel und damit auch der korrespondierende Signaturschlüssel einer Person zugeordnet wurde und die Identität dieser Person bestätigt werden kann. Bei der elektronischen Signatur enthält das Zertifikat den öffentlichen Schlüssel, mit dem der während der Signaturerstellung verschlüsselte Hashwert (Prüfsumme) des elektronischen Dokuments entschlüsselt und gegen einen neu erstellten Hashwert verglichen und damit die Authentizität des elektronischen Dokuments überprüft werden kann.

Auch besteht nun die Möglichkeit der Akteneinsicht online, was einen enormen Zeitgewinn bedeutet. Die Zeiten, in denen zunächst die komplette Akte oder Teile daraus kopiert werden mussten, bevor sie zur Akteneinsicht übersandt wurden, sind vorbei.

Schon vorher wurden die Inkassoangelegenheiten durch die Kanzlei Pottgiesser & Partner, Rechtsanwälte, komplett elektronisch abgewickelt. Die Daten des Mandanten werden, wenn möglich bereits elektronisch übernommen, oder zu Beginn des Verfahrens einmal elektronisch erfasst. Alle weiteren Schritte wie anwaltliches Mahnschreiben, Mahnbescheidsantrag, Vollstreckungsbescheidsantrag und alle sonstigen Maßnahmen werden elektronisch erzeugt und verwaltet. Selbst die Abrechnung kann vollständig elektronisch mittels qualifizierter Signatur durchgeführt werden.

Weiterhin kann die E-Mail-Korrespondenz der Kanzlei Pottgiesser & Partner, Rechtsanwälte, rechtssicher verschlüsselt werden. Dem Mandanten wird hierzu eine kostenlose Software zur Verfügung gestellt. Diese Software ist einfach zu installieren und kann zum Beispiel mittels einer Schaltfläche in Outlook genutzt werden. Die verwandten Schlüssel stellen die Vertraulichkeit der Nachrichten sicher.

Auf Wunsch des Mandanten kann schließlich die elektronische Akte der Kanzlei Pottgiesser & Partner, Rechtsanwälte, vollständig ins Internet gestellt werden. Auch hier werden die Zugriffs- und Leserechte sicher durch Vergabe eines Passworts und einer persönlichen Kennnummer verwaltet. Der Mandant kann auf seinem Bildschirm alle Dokumente einschließlich bei der Kanzlei Pottgiesser & Partner, Rechtsanwälte, eingescannten Papierdokumente in Echtzeit einsehen und so schnellstmöglich mit seinem Rechtsberater in Kontakt bleiben.


Fachanwaltskurs 2010 im Handels- und Gesellschaftsrecht

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser referiert beim Fachanwaltskurs Handels- und Gesellschaftsrecht am 25. und 26. Juni 2010 in Stuttgart zu den Themen Geschäftsbedingungen und andere Rahmenverträge für Hightech (Beratung, Erstellung und Abstimmung). Weitere Informationen finden Sie bei Forsa Seminare.


Geschäftsbedingungen und Rahmenverträge für Hightech

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser wird am 7. Mai 2010 in Stuttgart, am 15. Oktober 2010 in München und am 10. Dezember 2010 in Düsseldorf zum Thema „Geschäftsbedingungen und Rahmenverträge für Hightech – Beratung, Erstellung und Abstimmung“ referieren. Weitere Informationen zum Vortrag finden Sie auf der Homepage der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. (DASV).


Höchste Ehrung der Wirtschaftsjunioren / JCI an Cornel Pottgiesser

7. November 2009: Der stv. Vorsitzende der FDP Esslingen, Rechtsanwalt Cornel Pottgiesser, wird auf dem Ball der Wirtschaft zum lebenslangen Ehrenmitglied ernannt.

Cornel Pottgiesser Senator

Mehr als 200 Gäste aus Wirtschaft und Politik, unter ihnen der Esslingen Oberbürgermeister Dr. Jürgen Zieger, konnten erleben, wie der Bundesvorsitzende der Wirtschaftsjunioren Deutschland, Stephan Kirschsieper, den Rechtsanwalt Cornel Pottgiesser zum Senator der Junior Chamber International („JCI“) machte.

Kirschsieper stellte das langjährige Engagement von Pottgiesser in seiner Laudatio heraus: Durch seine Tätigkeit im Bundesvorstand habe Pottgiesser die Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD) enorm vorangebracht. Nicht zuletzt seine Tätigkeit bei der Satzungsneufassung der (WJD) sei beeindruckend gewesen.

„Ich freue mich riesig, dass ich als Senator ausgezeichnet werde. Wenn ich mir vorstelle, dass das in den letzten 50 Jahren erst 10 anderen im Landkreis gelungen ist, werde ich fast feierlich!“ drückt Pottgiesser seine Freunde aus.

Cornel Pottgiesser war 2004 Präsident der Wirtschaftsjunioren Esslingen, 2006 Landesvorsitzender der Wirtschaftsjunioren Baden-Württemberg und berät seit 2008 den Bundesvorstand der Wirtschaftsjunioren Deutschland in Rechtsfragen.

Die Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD) bilden mit rund 10.000 aktiven Mitgliedern aus allen Bereichen der Wirtschaft den größten deutschen Verband von Unternehmern und Führungskräften unter 40 Jahren. Bei einer Wirtschaftskraft von mehr als 120 Mrd. Euro Umsatz verantworten sie rund 300.000 Arbeits- und 35.000 Ausbildungsplätze. Seit 1958 sind die Wirtschaftsjunioren Deutschland Mitglied der mehr als 100 Nationalverbände umfassenden Junior Chamber International (JCI).


Informationen aus erster Hand

Fachanwalt Cornel Pottgiesser macht sich vor Ort ein Bild der chinesischen Automobilzuliefererindustrie

Anlässlich einer Delegationsreise auf Einladung der Changchun Automotive Industries Development Area begleitete Cornel Pottgiesser eine Mandantin vom 18. bis 23. Juli 2010 nach Changchun in China. Diese 7-Millionen-Stadt in der Mandschurei ist mit Shanghai das Zentrum der chinesischen Automobilindustrie. Dort steht das erste Automobilwerk Chinas; ein Joint Venture mit Volkswagen konnte Pottgiesser besichtigen. Die Größe und Rasanz des chinesischen Marktes beeindruckte die deutsche Delegation. Besonders die vielen Fahrzeuge des Premium-Segments auf Chinas Straßen sind aber ein gutes Zeichen für die deutsche Industrie.

Cornel Pottgiesser in Changchun

„Gastfreundschaft und neugierige Sympathie der Chinesen machen mich zuversichtlich, dass wir auf dem chinesischen Markt die Nase vorne haben werden vor unseren Wettbewerbern aus Japan, Südkorea und den USA“, resümiert Pottgiesser seinen Aufenthalt.


Mal-Wettbewerb “Mein Mettingen!” der Händler- & Gewerbegemeinschaft “In Mettingen-Brühl-Weil” für Kinder von 6 bis 12 Jahren

Welches Bild siehst Du, wenn Du an Dein Mettingen denkst? Deine Ideen sind gefragt! - Du kannst malen, zeichnen, kleben, ganz wie Du willst. Die schönsten und aussagekräftigsten Werke belohnen wir mit tollen Preisen wie einem Malkurs an der Staatsgalerie in Stuttgart oder Kinogutscheinen. Als Dankeschön fürs Mitmachen gibt es auf jeden Fall für alle Teilnehmer einen Brezelgutschein der Bäckerei Bayer.

Voraussetzungen und Einsendeschluss findest Du in der Ausschreibung.

Die Siegerehrung und Preisübergabe für die besten Werke wird am 16. Mai 2009 um 11.00 Uhr im Rahmen der Einweihung des neuen Herrmann-Sohn-Platzes in Esslingen- Mettingen stattfinden.

Anschließend werden alle Bilder im Alten Bahnhof, Burgunderstr. 6/1 ausgestellt. Jetzt wünschen wir Dir viel Spaß beim Umsetzen Deiner Ideen und freuen uns auf Dein Bild. Die Gewinner werden im Vorfeld benachrichtigt. Die Gewinnentscheidung trifft eine unabhängige Jury. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


Mit Mediation zur erfolgreichen Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen

Auf Dauer angelegt und eng vernetzt in der Region mit Blick auf die internationalen Märkte, können Familienunternehmen über Generationen wachsen und ihre Wettbewerbsposition ausbauen.

Ihre Stärke ist die unternehmerische Einheit und basiert auf den Werten des Firmengründers. Sie kann aber gleichzeitig eine „Sollbruchstelle“ darstellen, wenn ein Generationenwechsel ansteht. Das zeigt sich darin, dass weniger als zehn Prozent der Familienunternehmen die dritte Generation erreichen.

Ein familiengeführtes Unternehmen ist einzigartig und hat seine eigene Dynamik, die bei der Betriebsübergabe zu familiären Belastungen und Konflikten führen kann. Mit Mediation als effektivem Vermittlungsverfahren fließen die Interessen und Aspekte des Unternehmens und der Familie in eine erfolgreiche Nachfolgeregelung ein.

Wir unterstützen Sie bei Ihrem nachhaltigen Erfolg und zeigen Ihnen, wie Mediation interessengerechte und zielführende Lösungen ermöglicht.

Zu diesem Workshop laden wir Sie am

  • Donnerstag, 23. September 2010 um 17.00 Uhr

in unsere Kanzleiräume ein.

Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Wir bitten um Anmeldung bis zum 16. September 2010. Am einfachsten benutzen Sie unser Kontaktformular.


Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht - Erste Erfahrungen nach der Gesetzesänderung 2009

Rechtsanwalt Frank Felix Höfer referiert am 3. Februar 2010 in Esslingen zum Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Der Vortrag zeigt, welche Änderungen der Gesetzgeber im letzten Jahr beschlossen hat und gibt erste Erfahrungen aus der Praxis wieder. Anhand von praktischen Beispielen informiert Rechtsanwalt Höfer über die verschiedenen Vorsorgeregelungen für ein selbstbestimmtes Leben und welche Risiken damit verbunden sind.


Sommerakademie 2008 - Wie viel Moral kann sich ein Unternehmer leisten

10. Juli 2008, 19.00 Uhr

«Wo Politik ist oder Ökonomie, da ist keine Moral». Schon Friedrich Schlegel, der als frühromantischer Philosoph Österreich von 1815 bis 1818 im Bundestag in Frankfurt vertrat, behauptete diese Unvereinbarkeit. Auffällig oft scheint in diesen Tagen dieses Urteil bestätigt zu werden. Nicht zuletzt Liechtenstein hat die Gemüter in unserem Land aufgewühlt.

Aber Unternehmen leben nicht nur von den reinen Zahlen. Sie leben auch von Überzeugungen dahinter.

Unser Referent Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels ist einer der wenigen, die Licht in diese verworrene Gefühlslage bringen können. Der kernig-eloquente Rheinländer ist ausgewiesener Experte, wenn es um Werte in der Wirtschaft geht.

Lassen Sie sich anregen, Hergebrachtes zu überdenken, Gutes zu bestätigen und Neues zu finden. An einem schönen Sommerabend werden Sie Gelegenheit haben, Ihre Gedanken zur unternehmerischen Moral mit Prof. Ockenfels und den anderen Gästen auszutauschen.

Ein kühles Glas Wein, ein kleiner Imbiss und nicht zuletzt die herrliche Aussicht über Stuttgart werden den Abend abrunden.

Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels ist 1947 in Bad Honnef am Rhein geboren. 1967 tritt er in den Dominikanerorden ein und wird 1973 zum Priester geweiht. Er studiert Philosophie und Theologie in Bonn sowie Sozialethik und Volkswirtschaft in Freiburg (Schweiz). Seit 1985 ist Prof. Dr. Dr. Ockenfels ordentlicher Professor für Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät Trier. Dem Bund Katholischer Unternehmer steht er als geistlicher Berater zur Seite. Neben vielen wissenschaftlichen Publikationen, u.a. «Kleine Katholische Soziallehre. Eine Einführung – nicht nur für Manager» oder «Unternehmermoral in der Sozialen Marktwirtschaft», publiziert er regelmäßig in der WELT und der F.A.Z.

Veranstaltungsort: Haus der Architekten, Danneckerstr. 54 in Stuttgart; eine Anfahrtskizze finden Sie hier.

Die Sommerakademie ist eine Initiative von: Pottgiesser & Partner, Rechtsanwälte, Esslingen und Voigt Dr. Harder Würstl Steuerberater Partnerschaft, Stuttgart

Mit der Sommerakademie soll verantwortliches Denken und Handeln in Unternehmen geschult und gefördert werden.

Bitte melden Sie sich zu dieser Veranstaltung über unser Anmeldeformular an.


Sommerakademie 2010: Weingeschichte(n)

Der Sommer kommt und es wird Zeit, einmal dem Alltag zu entfliehen: Entdecken Sie mit uns die Weinkultur Esslingens. An einem Sommerabend treffen wir uns bei den

Weingärtnern Esslingen, Webergasse 7 in Esslingen Beginn: 29. Juli 2010, 17.00 Uhr

und machen uns auf einen Rundgang durch die Weinterrassen über den Dächern der Altstadt. Geschützt durch die Mauern der Burganlage liegt dort die kleinste Einzellage Württembergs, die „Esslinger Burg“. Anspruchsvolle Rebsorten wie Cabernet Sauvignon oder Pinot Noir sind hier zu Hause. Ein Weingärtner wird uns die Wahrheit über den Wein sagen, und wir können Wein und Wahrheit bei einem Wengertervesper im mittelalterlichen Hof der Webergasse kosten und kennenlernen.

Esslingens Wein hat Tradition: Vielleicht schon die Römer hatten die ersten Reben mitgebracht. Im Mittelalter jedenfalls fanden Esslinger Weine auf der Haupthandelsroute von Flandern nach Italien ihren Weg nach Innsbruck, Wien und Paris. Der Einbau war Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung Esslingens geworden. Auch viele auswärtige Klöster errichteten sog. Pfleghöfe als Wirtschaftsfilialen für den Weinhandel. Von der Burg aus werden Sie ihre repräsentativen Gebäude in der Altstadt erleben.

Bitte melden Sie sich mit unserem Fax-Formular oder unter info@pottgiesser.de bis spätestens 15. Juli 2010 an. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Wir freuen uns auf Ihr Kommen!


Verlosung “Feedback-Bogen” 2008

Wir danken allen Teilnehmern und gratulieren den drei Gewinnern. Die Verlosung fand am 15. Dezember 2008 statt. Die Gewinne wurden noch am gleichen Tag versandt.


Verlosung “Feedback-Bogen” 2009

Wir danken allen Teilnehmern und gratulieren den drei Gewinnern. Die Verlosung fand Mitte Dezember 2009 statt. Die Gewinne wurden noch am gleichen Tag versandt.


Vortrag zum Thema Datenschutz

Rechtsanwalt Cornel Pottgiesser hält am Freitag, 5. Februar 2010 um 20.00 Uhr im großen Saal des Hotels Pflum einen Vortrag zum Thema Datenschutz. Herr Pottgiesser, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Mitglied der Special Interest Group IT-Recht bei bwcon, führt in die rechtliche Problematik ein und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf. Eine Diskussionsrunde schließt sich an.


Workshop: Mediation im Arbeitsrecht

Die Veranstaltung zeigt, wie Mediation bei Problemen mit Mitarbeitern einen Gerichtstermin überflüssig machen und sogar zu einer verbesserten Zusammenarbeit führen kann.

Mediation stiftet Frieden ohne Gesichtsverlust und verbessert so das Betriebsklima.

Termin: 23. April, 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr Leitung Workshop: Susanne Korff Kosten: 70 € Veranstaltungsort: IHK Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen, Fabrikstraße 1, Esslingen

Info und Anmeldung: michael.kuschmann@stuttgart.ihk.de, Telefon: 0711 3900723


„Was machen die eigentlich alles mit meinen persönlichen Daten?” - Datenschutz im Internet nach StudiVZ, Facebook oder Xing

Ein privates Foto der 17-jährigen Tochter taucht bei mehreren Suchmaschinen auf, der Briefkasten quellt über mit Werbung und prompt nach der Geburt des jüngsten Sohns bietet ein Kinderwagenhersteller seine neuesten Produkte an.

Die Skandale in der letzten Zeit machen bewusst, dass persönliche Daten ein wertvolles Gut sind. Nicht wenige versuchen, solche Daten auch unbefugt zu erhalten. Viele Bürger beschleicht ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, was mit den eigenen Daten im Internet geschieht.

Cornel Pottgiesser, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Mitglied der Special Interest Group IT-Recht bei bwcon, wird Sie am

Dienstag, 1. Dezember 2009, 19.30 Uhr, Gaststätte „Am alten Neckar“, Zentrum Zell, Alleenstraße 1, Esslingen

in die rechtliche Problematik einführen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, damit Sie wieder Herr Ihrer Daten werden. Kein Adresshändler, kein halbseidener Geschäftsmann, aber auch nicht Ihr Arbeitgeber soll Daten über Sie kennen, die Sie nicht freigegeben haben.

Bitte melden Sie sich bis spätestens zum 24. November 2009 unter office@pottgiesser.de oder telefonisch unter 0711/3511678 an.